FOCUS-12:2019_Inner Circle_Mittelstand
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WIRTSCHAFT<br />
TITEL<br />
Hubertus Heil (SPD), 46,<br />
kommt an diesem Tag in<br />
besonderer Begleitung.<br />
Der Bundesarbeitsminister<br />
hat Susanne Holtkotte, 49,<br />
zum <strong>FOCUS</strong> <strong>Inner</strong> <strong>Circle</strong><br />
mitgebracht, eine Reinigungskraft<br />
aus Bochum.<br />
Im Februar haben sich die beiden in<br />
einer Fernseh-Talkshow kennengelernt.<br />
Heil bot Holtkotte damals an, sie könne<br />
ihn einen Tag lang begleiten. Umgekehrt<br />
wolle er aber auch ihren Arbeitsalltag<br />
kennenlernen, um die Herausforderungen<br />
durch die Umbrüche am Arbeitsmarkt<br />
besser verstehen zu können.<br />
Die Digitalisierung und die Jobs – weltweit<br />
stehen die Arbeitsmärkte vor einem<br />
revolutionären Umbruch.<br />
Wie viele Stellen gehen<br />
verloren? Wo entstehen<br />
die Jobs der Zukunft? Was<br />
überwiegt: die Chancen<br />
oder die Risiken?<br />
Mit Heil diskutierten<br />
beim <strong>FOCUS</strong> <strong>Inner</strong> <strong>Circle</strong><br />
am vergangenen Dienstag<br />
in der Berliner König Galerie<br />
Frank Thelen, Unternehmer<br />
und Investor in der<br />
TV-Sendung „Die Höhle<br />
der Löwen“, und Christian<br />
Klein, Vorstand des weltweit<br />
vertretenen IT-Giganten<br />
SAP, über die Zukunft<br />
der Arbeit.<br />
Herr Thelen, auf einer<br />
Internet-Konferenz in<br />
München haben Sie gerade<br />
kritisiert, dass wir Europäer<br />
alle Technologie-Wellen<br />
verpasst haben und nach<br />
SAP kein bedeutender Tech-<br />
Gigant mehr aufgebaut<br />
wurde. Können wir diese<br />
Entwicklung noch ändern?<br />
Frank Thelen: Es ist doch bedenklich,<br />
dass SAP in diesem Bereich die einzige<br />
bedeutende deutsche Technologie-Firma<br />
mit Weltruf ist. In Zukunft werden chinesische<br />
oder amerikanische Konzerne<br />
noch mehr Macht auf sich vereinen und<br />
Deutschland abhängen. Das möchte ich<br />
ändern. In den nächsten zehn Jahren<br />
will ich vor allem Gründern helfen, einen<br />
solch großen Player wie SAP aufzubauen.<br />
Herr Klein, als COO von SAP:<br />
Wie wettbewerbsfähig sehen Sie<br />
Deutschland im Jahr <strong>2019</strong>?<br />
Widerspricht das<br />
Grundeinkommen dem<br />
Leistungsgedanken?<br />
Christian Klein: Es ist schon so, dass die<br />
eine oder andere technologische Innovation<br />
an uns vorbeigegangen ist.<br />
Zum Beispiel?<br />
Klein: Schauen Sie nur ins Silicon Valley!<br />
Was da aus diesem Gründergeist und<br />
diesem extremen Wagnis-Kapital entstanden<br />
ist. Fantastisch. Aber wir dürfen<br />
Deutschland nicht zu schlechtreden.<br />
Wir haben viele Stärken. Um die auszuspielen,<br />
kommt es auf zwei Dinge an.<br />
Imposante Kulisse<br />
Christian Klein, Frank Thelen, Hubertus Heil und <strong>FOCUS</strong>-Chefredakteur<br />
Robert Schneider (v. r.) vor Exponaten von Erwin Wurm, dessen<br />
Ausstellung den Namen „The Serious Life of a Ridiculous Man“ trägt<br />
Erstens: mehr Mut zum Risiko. Deutschland<br />
sollte dem digitalen Wandel offener<br />
gegenüberstehen, mehr die Chancen und<br />
weniger die Risiken sehen. Und zweitens:<br />
der Faktor Bildung. Wir brauchen einen<br />
schnelleren Zugang zu Talenten. Das ist<br />
auch für SAP ein großes Thema.<br />
Herr Minister Heil, hat die Politik<br />
versagt? Und haben wir das Rennen um<br />
die Digital-Giganten schon verloren?<br />
Hubertus Heil: Erfindungen wie Google<br />
oder Siri werden wir nicht einfach kopieren<br />
können. Aber Deutschland hat eine<br />
einzigartige Struktur aus spezialisierten<br />
und innovativen Industriebetrieben, überwiegend<br />
Mittelständler. Auf die können<br />
wir stolz sein. Mit dem Qualifizierungschancengesetz<br />
unterstützen wir Unternehmen<br />
und Beschäftigte im digitalen<br />
Strukturwandel. Damit verhindern wir<br />
Arbeitslosigkeit, bevor sie entsteht.<br />
Welche Branchen haben noch<br />
Zukunft, und in welche Unternehmen<br />
lohnen sich Investitionen?<br />
Thelen: Mit meinen Investitionen in verschiedene<br />
Technologie-Branchen verfolge<br />
ich die Vision, Deutschland in mindestens<br />
einer dieser Branchen zum Weltmarktführer<br />
zu machen. Dazu gehören Trends wie<br />
3-D-Druck, Roboter, Quantencomputer,<br />
Blockchain oder künstliche Intelligenz.<br />
Künstliche Intelligenz ist für viele Deutsche<br />
ein Angstwort. Sie fürchten, dass Computer<br />
ihnen und ihren Kindern die Arbeitsplätze<br />
wegnehmen. Verstehen<br />
Sie die Sorgen der<br />
Menschen, Herr Heil?<br />
Heil: Halten wir uns an<br />
plausible Annahmen. Nach<br />
unserem Fachkräftemonitor<br />
gehen bis 2025 rund<br />
1,3 Millionen Arbeitsplätze<br />
durch die Automatisierung<br />
verloren. Im Gegenzug entstehen<br />
allerdings 2,3 Millionen<br />
neue Jobs. Weiterbildung<br />
und Qualifizierung<br />
sind die Antwort auf diese<br />
Zahlen.<br />
Thelen: Natürlich wirken<br />
sich neue Technologien nicht<br />
nur positiv auf den Arbeitsmarkt<br />
aus. Es werden relativ<br />
schnell viele Jobs wegfallen.<br />
Wenn diese Phase<br />
beginnt, muss alles getan<br />
werden, um den Menschen<br />
die Existenzangst zu nehmen.<br />
Etwa durch eine Grundversorgung<br />
ähnlich dem bedingungslosen<br />
Grundeinkommen.<br />
Widerspricht ein bedingungsloses<br />
Grundeinkommen nicht<br />
dem Leistungsgedanken?<br />
Thelen: Grundeinkommen bedeutet für<br />
mich, dass jeder ein Dach über dem Kopf<br />
hat und freien Zugang zu Bildung. Es<br />
geht um eine Basisversorgung. Natürlich<br />
muss sich Leistung lohnen – was sich<br />
zum Beispiel in einem höheren Verdienst<br />
zeigen kann.<br />
Heil: Einkommen ist für mich das Ergebnis<br />
von Arbeit. Das sehe ich wie ein Großteil<br />
der Bevölkerung in diesem Land. Das<br />
Problem liegt woanders: Arbeit lohnt sich<br />
oftmals nicht mehr, weil die Löhne zu<br />
Fotos: Markus C. Hurek (7)<br />
BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen<br />
Kampeter und Nicola Brüning (BMW)<br />
Sebastian Doedens<br />
(BurdaNews)<br />
FDP-Politikerinnen Katja Suding<br />
und Daniela Kluckert<br />
Martin Zimmermann (Renault), Olivia<br />
Hüning (Wayfair) und Christian Jung (FDP)<br />
Ein Thema – viele Gäste<br />
aus Politik, Wirtschaft und Kultur<br />
Schauspielerin<br />
Matilda März<br />
KPM-Chef<br />
Jörg Woltmann<br />
mit BVMW-<br />
Geschäftsführer<br />
Markus Jerger<br />
Kulturpolitiker<br />
Tim Renner,<br />
Fotograf Olaf Heine,<br />
US-Gewerkschaftsvorstand<br />
Bruce Raynor<br />
Daniel Funke („Bunte“-Hauptstadtbüro), Opernsängerin Nadja Michael<br />
und Olaf Glaeseker (Hubert Burda Media)<br />
Gastronom Heinz „Cookie“<br />
Gindullis mit Kaspar Klippgen<br />
(Facebook)<br />
Investor Frank Thelen<br />
mit Galerist Johann König<br />
Anne Henning und<br />
Moderatorin Lisa Ruhfus<br />
Moderator Ulrich<br />
Meyer mit Ehefrau<br />
Georgia Tornow<br />
Mario Ohoven, Präsident<br />
des Bundesverbands<br />
mittelständische Wirtschaft<br />
Schauspielerin<br />
Merle Collet mit Ehemann<br />
Philipp Heberlein-Collet<br />
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