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„Ich fand mein ganzes Leben sinnlos.“<br />
Im November 2003 hielt Frau Karin Lamplmeier in Südtirol einige vielbeachtete Vorträge über<br />
ihre persönlichen Erfahrungen nach einer Abtreibung. Wir führten mit ihr folgendes Interview:<br />
<strong>LEBE</strong>: Du lebtest in einer intakten<br />
Beziehung, hattest zwei gesunde<br />
Kinder und hattest keine<br />
wirtschaftlichen Probleme. Weshalb<br />
hast du dich entschlos sen, dein drittes<br />
Kind abzutreiben? Hast du versucht, Hilfe<br />
und Unterstützung zu bekommen?<br />
Karin Lamplmair: Der Ent schluss zum<br />
Schwangerschaftsabbruch ist in einzelnen<br />
Schritten „reif geworden“. Man sagt<br />
ja: „Der Entschluss reift“, und so waren<br />
viele Punkte dafür verantwortlich, dass<br />
der Entschluss gereift ist, obwohl ich immer<br />
überzeugt<br />
war, dass ich<br />
selber niemals<br />
abtreiben lassen<br />
würde.<br />
Ich habe mir<br />
zweieinhalb<br />
Jahre nach<br />
der Geburt unseres<br />
zweiten<br />
Kindes die<br />
Spirale einsetzen<br />
lassen,<br />
weil ich damals<br />
keine<br />
weiteren Kinder<br />
wollte.<br />
Und ich hatte<br />
nach meiner<br />
Meinung verantwortlich<br />
gehandelt, indem<br />
ich mir<br />
die Spirale<br />
einsetzen hatte<br />
lassen und<br />
indem ich ihren Sitz regelmäßig überprüfen<br />
ließ. Als ich von meiner Freundin<br />
Renate hörte, dass ihre Bekannte trotz<br />
Spirale ein Kind bekam, erschrak ich und<br />
dachte: „Das könnte mir auch passieren“.<br />
Aber damals war ich auch gleichzeitig<br />
der Meinung, dass ich das Kind<br />
dann auf jeden Fall annehmen würde.<br />
Als mein Gynäkologe, der mir versichert<br />
hatte, in seiner Ordination habe es noch<br />
nie eine Spiralenschwangerschaft gegeben,<br />
bei der Untersuchung sagte: „Ich<br />
habe es befürchtet. 10. Schwangerschaftswoche.<br />
Der Faden von der Spirale<br />
ist nicht tastbar“, – hat er sozusagen<br />
auch schon im allerersten Moment meine<br />
Schwangerschaft als einen „Unfall“<br />
bezeichnet. Das war es ja auch für ihn,<br />
denn noch sechs Wochen zuvor hatte er<br />
mir versichert, mit der Spirale wäre alles<br />
in Ordnung. Nach einer Weile meint er:<br />
„Den Faden könnte ich mit einer Pinzette<br />
noch herausziehen. Möglicherweise geht<br />
aber dabei der Embryo weg.“ Dieser Satz<br />
von ihm zeigt, dass er das auch ganz gerne<br />
getan hätte: Faden raus, Embryo weg,<br />
Problem erledigt. Instinktiv schützte ich<br />
sofort das Kleine<br />
und sagte:<br />
„Nein das<br />
möchte ich<br />
nicht.“ Ich wollte<br />
nicht, dass<br />
dem Kind etwas<br />
passierte.<br />
Aber freuen<br />
konnte ich mich<br />
auch nicht.<br />
Mein Frauenarzt<br />
deutete<br />
meinen Gesichtsausdruck<br />
und meinte:<br />
„Wenn Sie an<br />
einen Schwangerschaftsabbruch<br />
denken,<br />
kann ich Ihnen<br />
das Allgemeine<br />
Krankenhaus<br />
empfehlen.“<br />
Aber ich dachte<br />
damals noch<br />
gar nicht an Schwangerschaftsabbruch,<br />
sondern ich war einfach erschrocken. Die<br />
„Lösungsidee“ pflanzte mir mein Arzt in<br />
diesem Moment des Erschreckens ein.<br />
Eigentlich hätte ich ein Gespräch gebraucht.<br />
Ich fühlte mich überfordert, hatte<br />
auch Angst, mein Kind könnte vielleicht<br />
eine Behinderung wegen der Spirale<br />
davontragen, war aber nicht fähig,<br />
über meine Gefühle zu sprechen. Auf unsere<br />
ersten beiden Kinder hatten wir uns<br />
gemeinsam gefreut. Ohne diese Freude<br />
schien mir die Schwangerschaft nicht<br />
Zeugnis:<br />
Vor sieben Jahren machte ich einen<br />
schweren Fehler, den ich lieber nie begangen<br />
hätte: Als Frau eines Mannes,<br />
den ich liebe und der mich liebt, und<br />
als Mutter von zwei Kindern lehnte ich<br />
aus praktischen und finanziellen Gründen<br />
das dritte neue Leben ab, das mir<br />
anvertraut wurde.<br />
Das war eine sehr schmerzliche Entscheidung.<br />
Auch wenn dies von unserer<br />
Gesellschaft akzeptiert wird – mein<br />
Herz, mein Körper und mein Geist akzeptierten<br />
es nicht. Ich war mit sehr<br />
schweren Schuldgefühlen beladen.<br />
Obwohl ich diese Sünde gebeichtet<br />
hatte, konnte ich mir selbst nicht vergeben.<br />
Eine Schwester sagte zu mir:<br />
„Gib deinem Kind einen Namen und<br />
vertraue es der Jungfrau Maria an!“<br />
Als ich tat, was sie mir gesagt hatte,<br />
spürte ich durch die Gnade Gottes,<br />
dass ich meinem kleinen Kind das Leben<br />
schenkte. Es ist nicht mehr tot. Es<br />
lebt im Himmel.<br />
Ich fühle mich wie eine Schwalbe, die<br />
ihr Nest gefunden hat, nachdem sie in<br />
den Bahnen des Spiritismus und der<br />
fernöstlichen Religionen geflogen war<br />
.... Ich habe Gott wiedergefunden,<br />
oder besser gesagt: Gott hat mich<br />
wiedergefunden!<br />
Möge dieses Zeugnis anderen Frauen<br />
helfen, die dieselbe Last tragen, dass<br />
sie es wagen, zum Herrn zu gehen, um<br />
ihm ihr Leid anzuvertrauen.<br />
Janie, (Feuer und Licht)<br />
„richtig“.<br />
Mein Mann Andi akzeptierte die Schwangerschaft<br />
sofort, aber er hatte damals<br />
noch kein eigenständiges „Vatergefühl“<br />
für das Kind. Denn während von den<br />
vorherigen Schwangerschaften sofort die<br />
Freunde und Verwandten erfuhren, die<br />
sich dann mit uns freuten, sagten wir<br />
diesmal niemandem etwas. Und wegen<br />
meiner Angst und Unsicherheit war ich<br />
auch gereizter und empfindlicher als<br />
sonst. Deshalb reagierte ich auf einen im<br />
Grunde belanglosen Streit mit Andi, bei<br />
dem er sagte, er würde mich verlassen,<br />
wenn ich weiterhin so launenhaft sei, damit,<br />
mir die Bestätigung für die Abtreibung<br />
zu holen.<br />
<strong>LEBE</strong> <strong>67</strong>/2004<br />
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