MACHER Menschen + Märkte - Ausgabe 3 - April 2019
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>MACHER</strong>, MENSCHEN + MÄRKTE THEMA DES MONATS 5<br />
auf die mächtige Online-Konkurrenz<br />
wichtig.<br />
„Wir stehen dem Internet völlig<br />
offen gegenüber und sind auch<br />
mit einer eigenen Seite im Netz<br />
vertreten“, erklärt Fries. Auf dieser<br />
Seite Produkte kaufen, geht<br />
allerdings nicht. „Uns ist wichtig,<br />
dass der Kunde einen direkten<br />
Kontakt zu den Produkten<br />
hat“, sagt er. Das sei Teil der<br />
Firmenphilosophie- „Natürlich<br />
steckt da auch ein gewisser Idealismus<br />
dahinter“, so Fries. „Wir<br />
denken aber, dass das auch in<br />
Zeiten des zunehmenden Online-Handels<br />
funktionieren<br />
kann.“<br />
„Es ist mitunter<br />
schon brutal, wie mit<br />
uns Händlern umgegangen<br />
wird.“<br />
Gerd Klein<br />
Spielzeug-Paradies, Trier<br />
Bei der Stammkundschaft, die<br />
der Rappelkiste schon seit Jahren<br />
und teilweise auch Jahrzehnten<br />
die Treue hält, scheint<br />
das in der Tat zu funktionieren.<br />
Schwierig ist es allerdings bei<br />
der Generation, die mit dem<br />
Internet aufgewachsen ist.<br />
„Wir merken schon, dass wir die<br />
Gruppe der 15- bis 30-Jährigen<br />
nur schwer erreichen“, sagt der<br />
Unternehmer. Dass Einkaufen<br />
auch ein Erlebnis sein könne,<br />
sei vielen jungen Leuten nicht<br />
bewusst, so Fries. „Wir haben<br />
den Handel eben anders kennengelernt<br />
als die Jugend.“<br />
Mit dem Wandel im Handel<br />
zu kämpfen haben aber nicht<br />
nur die Vertreter der Spielwarenbranche,<br />
sondern die stationären<br />
Händler im Allgemeinen.<br />
Und beklagt wird in diesem Zusammenhang<br />
auch immer wieder,<br />
dass Leute in die Geschäfte<br />
kommen, um dort Dinge ausoder<br />
anzuprobieren, sie dann<br />
aber letztlich doch im Internet<br />
kaufen, weil sie dort billiger<br />
sind. Das dem so ist, stellt<br />
Fries nicht infrage. Es gebe aber<br />
auch Fälle, in denen das genau<br />
umgekehrt sei. „Wir haben<br />
durchaus auch Kunden, die sich<br />
zunächst im Internet über ein<br />
Produkt informieren und dann<br />
mit ganz bestimmten Vorstellungen<br />
zu uns kommen“, sagt<br />
er. „Ich denke, die größte Herausforderung<br />
besteht darin, die<br />
<strong>Menschen</strong> überhaupt mal zum<br />
Einkaufen in die Stadt zu bekommen.“<br />
Digital zu shoppen<br />
ist eben weitaus bequemer.„Die<br />
Umstellung von analog auf digital<br />
ist gar kein Problem“, sagt<br />
Josef Karthäuser. Wobei der Betreiber<br />
des Trierer Traditionsunternehmens<br />
„Spielwaren<br />
Theisen“ damit nicht etwa das<br />
Spannungsfeld zwischen stationärem<br />
und Online-Handel<br />
meint, sondern die technische<br />
Veränderung in seinem Sortiment.<br />
Karthäuser verkauft vor<br />
allem Modelleisenbahnen. Und<br />
während die Züge früher noch<br />
über schwere Trafo-Klötze mit<br />
fetten Reglern in Bewegung versetzt<br />
wurden, läuft heute alles<br />
vollelektronisch.<br />
Ein Teil des Sortiments ist also<br />
digital. Der Laden selbst hingegen<br />
ist so ziemlich das analogste<br />
Einkaufsvergnügen, das<br />
einem in Triers Innenstadt geboten<br />
wird. Das prägnante Gebäude<br />
in der Metzelstraße mit<br />
der Backsteinfassade, den vielen<br />
Schaufenstern im Eingangsbereich<br />
und den abgenutzten<br />
Holzdielen im Ladenlokal,<br />
für dessen behagliche Wärme<br />
ein kleiner Ölofen sorgt, ist ein<br />
Ort, an dem die Zeit stehen geblieben<br />
ist. Ein Ort, dem das<br />
Internet mit all seinen Errungenschaften<br />
scheinbar nichts<br />
anhaben kann.<br />
„Wer bei mir etwas kaufen<br />
will, muss persönlich vorbeikommen“,<br />
sagt Karthäuser.<br />
Über das Internet verkaufe<br />
er nichts. „Natürlich ist klar,<br />
dass ich hier im Laden nichts<br />
zu verschenken habe“, erklärt<br />
der Spielwarenhändler. „Aber<br />
bei mir kann man über den<br />
Preis durchaus verhandeln“,<br />
fügt er hinzu. Zudem versuche<br />
er ständig, die Kundschaft bei<br />
Laune zu halten. „Ich habe das<br />
Jahr über viele kleine Events“,<br />
erzählt Karthäuser. „Und das<br />
wirkt auch.“<br />
„Wir haben viele<br />
Kunden, die ganz bewusst<br />
bei uns vor Ort<br />
einkaufen.“<br />
Andrea Willems-Esch<br />
Wilhelm Müller, Prüm<br />
Dass man den Kunden einen<br />
besonderen Service bieten<br />
muss, damit sie nicht ins Internet<br />
abwandern, weiß auch Andrea<br />
Willems-Esch, Geschäftsführerin<br />
des Fachgeschäfts<br />
Wilhelm Müller in Prüm. Der<br />
Familienbetrieb wurde vor weit<br />
mehr als 100 Jahren gegründet,<br />
wird mittlerweile in der vierten<br />
Generation geführt und hat vor<br />
gut 20 Jahren das Angebot um<br />
eine 200 Quadratmeter große<br />
Spielwarenabteilung erweitert.<br />
„Vom Internet haben wir<br />
also die volle Entwicklung mitbekommen“,<br />
sagt Chefin Willems-Esch<br />
und ergänzt: „Wir haben<br />
sie aber auch mitgestaltet.“<br />
So verfügt das Geschäft über<br />
einen Online-Shop, über den<br />
man die Waren im Geschäft reservieren<br />
und dann persönlich<br />
abholen oder aber sich zuschicken<br />
lassen kann. Zudem steht<br />
im Geschäft noch ein elektronischer<br />
Terminal, über den die<br />
Kunden auch Artikel bestellen<br />
können, die vor Ort nicht verfügbar<br />
sind.<br />
Willems-Esch spricht beim<br />
zusätzlichen Online-Angebot<br />
des Unternehmens von einer<br />
„verlängerten Ladentheke“.<br />
Der eigentliche Umsatz werde<br />
aber im Geschäft gemacht, sagt<br />
sie. „Letztlich ist es nur ein zusätzliches<br />
Kundenbindungsinstrument.“<br />
Ähnlich wie Spielzeug-Pardies-Chef<br />
Klein findet<br />
auch Willems-Esch die Entwicklung<br />
alles andere als erfreulich.<br />
„Die Lieferanten nutzen<br />
den Fachhandel vor allem,<br />
um die Marken groß zu machen,<br />
und gehen dann mit den<br />
Produkten in alle Kanäle.<br />
Bei Wilhelm Müller gibt es<br />
außer Spielwaren auch noch<br />
Haushaltsbedarf, Elektrogeräte<br />
sowie Taschen und Modeschmuck.<br />
Bei allen Produktgruppen<br />
spürt Willems-Esch<br />
die zunehmende Konkurrenz<br />
durch den Online-Handel. Im<br />
Bereich Spielwaren sei die Entwicklung<br />
aber besonders gravierend,<br />
da sich deren Preise<br />
leicht vergleichen ließen, erklärt<br />
sie. Die Leute kämen, um<br />
sich zu Produkten zu informieren,<br />
nähmen gerne Beratung in<br />
Anspruch, doch gekauft werde<br />
dann häufig im Internet.<br />
„Ja, wir haben natürlich Kunden,<br />
die ganz bewusst bei uns<br />
vor Ort einkaufen“, sagt Willems-Esch,<br />
„jedoch muss deren<br />
Zahl wieder wachsen“. Nur<br />
wenn die Vor-Ort-Kundenfrequenz<br />
steige, habe das Traditionsgeschäft<br />
am Prümer Johannismarkt<br />
eine Zukunft.<br />
Doch die Inhaberin macht<br />
sich nichts vor: „Im Internet<br />
wird eine Masse an Ware verschoben,<br />
die im Grunde außerhalb<br />
bisheriger wirtschaftlicher<br />
Rahmenbedingungen gehandelt<br />
wird“, erklärt sie. Die Kosten<br />
und der Aufwand des stationären<br />
Einzelhandels würden bei<br />
Kaufentscheidungen oft völlig<br />
ausgeblendet. „Eine Veränderung<br />
der Rahmen bedingungen<br />
ist ein gesamt gesellschaft liches<br />
Thema“, betont Willems-Esch.<br />
„Und es ist verbunden mit der<br />
Frage, ob es in Zukunft noch<br />
belebte Ortskerne mit Fachgeschäften<br />
geben soll.“<br />
Josef Karthäuser, Betreiber des Trierer Traditionsunternehmens<br />
Märklin Theisen, hat auch digitales Spielzeug in seinem Sortiment.<br />
Beim Verkauf setzt er aber ausschließlich auf den analogen Weg.<br />
Uschi Seiler und Franz Josef Fries von der Rappelkiste in Trier verzichten<br />
ganz bewusst auf einen Online-Shop.<br />
Reinhold Oberbillig (links) und Michel Grand arbeiten im Trierer<br />
Spielzeug-Paradies in der Technik-Abteilung. Im Sommer wird diese<br />
Abteilung aus Kostengründen verlagert.<br />
FOTOS: UWE HENTSCHEL