Made in Syke
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Christoph Tietje, Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
der Agentur für Arbeit Nienburg-Verden<br />
Welche Rolle spielen die Familie, die Eltern<br />
sowie der Freundeskreis bei der Berufswahl?<br />
Horst Burghardt: Die Teilnahmezahl an Elternabenden<br />
nimmt ab, je älter die K<strong>in</strong>der werden.<br />
In der BBS haben wir jährlich 1000 neue Schüler<br />
und s<strong>in</strong>d froh, wenn zum ersten Elternabend 100<br />
Eltern kommen. Von diesen stammen die meisten<br />
aus dem beruflichen Gymnasium, hier gibt es<br />
noch Interesse. In allen anderen Bereichen geht<br />
der E<strong>in</strong>fluss der Eltern zurück, nur bei Problemfällen<br />
kommen sie mehr zum Tragen. Dennoch spielen<br />
die Eltern bei der Berufswahl noch e<strong>in</strong>e Rolle,<br />
und natürlich auch die Peer-Group.<br />
„Man ändert nur etwas,<br />
wenn man e<strong>in</strong>fach D<strong>in</strong>ge<br />
probiert.<br />
Aus dem Machen entstehen<br />
dann meistens auch wieder<br />
andere Gelegenheiten und<br />
Wege. Das ist so.“<br />
Christoph Tietje<br />
Jens Leßmann: Erst e<strong>in</strong>mal ist e<strong>in</strong> Abbruch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Ausbildung nichts Dramatisches. Die ersten 4 Monate<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Probezeit und da muss man schauen,<br />
ob das etwas ist oder eben nicht. Unsere Erfahrung<br />
hat uns gezeigt, dass diejenigen, die e<strong>in</strong>e<br />
Ausbildung abbrechen, wechseln. Das ist erstmal<br />
e<strong>in</strong>e Erfahrung, die vielleicht doof ist, aber diese<br />
Probezeit dient ja genau dazu. Die meisten „Abbrecher“<br />
wechseln den Beruf auch nur <strong>in</strong>nerhalb<br />
des Handwerkes. Das ist legitim und gut.<br />
Die Gründe liegen dar<strong>in</strong>, dass bei der Berufswahl<br />
Bezugspersonen fehlen und nur noch selten persönlich<br />
e<strong>in</strong>geschätzt wird, was der richtige Berufsweg<br />
ist. Früher haben ca. 100 Leute um e<strong>in</strong>e<br />
Stelle konkurriert. Das führte dazu, dass die eigeich<br />
das jetzt, und dann<br />
kann ich immer noch<br />
sehen, was kommt. Ich<br />
weiß nicht, wie <strong>in</strong> fünf<br />
Jahren die Berufe aussehen<br />
werden. Durch die<br />
Digitalisierung haben<br />
sich die Berufsbilder<br />
enorm verändert und<br />
werden sich auch noch<br />
weiter ändern, und das<br />
<strong>in</strong> Zukunft sogar noch<br />
schneller. Ich selbst<br />
kann nicht sagen, ob<br />
es e<strong>in</strong>en Beruf <strong>in</strong> fünf<br />
Jahren noch geben wird oder welche Inhalte dann<br />
gefordert werden.<br />
Constant<strong>in</strong> von Kuczkowski: Ich glaube, die heutige<br />
Generation schaut sehr genau, wie sie später<br />
K<strong>in</strong>der, Familie, Freizeit und Beruf unter e<strong>in</strong>en Hut<br />
br<strong>in</strong>gen kann. Die gesellschaftlichen Normen haben<br />
sich geändert, es gibt ganz andere Familien-,<br />
Wohn- und Lebensmodelle, die Gesellschaft <strong>in</strong>dividualisiert<br />
sich. Also s<strong>in</strong>d die jungen Frauen heute<br />
auch logischerweise bestrebt, möglichst e<strong>in</strong>e gute<br />
Ausbildung h<strong>in</strong>zubekommen, damit sie später<br />
selbst für sich sorgen können. Wenn sie sich heute<br />
scheiden lassen und während der K<strong>in</strong>dererziehung<br />
nicht gearbeitet haben, s<strong>in</strong>d sie e<strong>in</strong> Hartz-4-Fall.<br />
Das war ja früher anders. Von daher muss die heutige<br />
Generation auch anders ticken.<br />
Foto: Nicole Müller<br />
Christoph Tietje: Ideal wäre sicherlich, wenn<br />
Eltern zu den Elternabenden kommen würden.<br />
Ich selbst werde versuchen, me<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern<br />
<strong>in</strong> Zukunft beratend zur Seite zu stehen und<br />
hoffe, dass es mir gel<strong>in</strong>gt, ihre Stärken zu fördern.<br />
Als Eltern sollte man nicht zu viel vorgeben,<br />
sondern im Idealfall nur H<strong>in</strong>weise geben<br />
was die K<strong>in</strong>der ihrer Me<strong>in</strong>ung nach sehr gut<br />
können und sie dazu anhalten, sich darüber<br />
zu <strong>in</strong>formieren, was es <strong>in</strong> diesen Bereichen für<br />
berufliche Möglichkeiten gibt. Da sollten die Eltern<br />
Feedback geben, um die Stärken herauszuarbeiten.<br />
Und wenn die Jugendlichen diese<br />
Wahrnehmungen aus mehreren Richtungen bekommen,<br />
von den Eltern, den Freunden, vielleicht<br />
auch von e<strong>in</strong>em Lehrer oder e<strong>in</strong>em Berufsberater,<br />
dann fügt sich e<strong>in</strong> gutes Bild zusammen, das den<br />
Schüler bestärken kann.<br />
Die Abbrecherquote bei Studenten liegt bei<br />
ca. 29 %, bei Auszubildenden beträgt sie mit<br />
25,8 % auch mehr als e<strong>in</strong> Viertel. Im Vergleich<br />
zu den letzten 20 Jahren steigen die Zahlen.<br />
Was s<strong>in</strong>d die Gründe dafür? Und wer kann was<br />
dagegen tun?<br />
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