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<strong>Achimer</strong><br />
<strong>Geschichtsheft</strong><br />
November 2021<br />
<strong>26</strong><br />
RegionalHistorisches Magazin der Geschichtswerkstatt Achim e.v.<br />
www.geschichtswerkstatt-achim.de<br />
4,- Euro
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
während dieses Heft entsteht, hat das<br />
Corona-Virus die Welt noch immer<br />
fest im Griff - leider! Wie so unendlich<br />
viele Facetten unseres Lebens<br />
ist auch die Arbeit der Geschichtswerkstatt<br />
stark beeinträchtigt. Umso<br />
erfreulicher ist es, dass dennoch etliche<br />
Mitglieder unbeirrt tätig sind<br />
und zielstrebig an den geplanten<br />
Vorhaben festhalten und beachtliche<br />
Ergebnisse hervorbringen. Und so<br />
werden nicht nur künftige Veranstaltungen<br />
geplant und akribisch vorbereitet,<br />
sondern es entstanden auch<br />
Beiträge zu den unterschiedlichsten<br />
geschichtlichen Themen, die Sie in<br />
diesem Heft nachlesen können.<br />
Nach 25 <strong>Geschichtsheft</strong>en haben wir<br />
nun auch unser Layout etwas frischer<br />
und flotter gestaltet.<br />
Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre<br />
gute Unterhaltung und reiche Erkenntnisse.<br />
Mit freundlichen Grüßen -<br />
bleiben Sie gesund!<br />
Manfred Brodt - Helmut Köhler<br />
Clüverhaus<br />
Domizil und Archiv der Geschichtswerkstatt Achim
Inhaltsverzeichnis 3<br />
Unsere Themen:<br />
Bomben auf Bollen<br />
Zur Bombenentschärfung in Bollen am 18. Juni 2020 4<br />
Krämermentalität bei der NS-Wiedergutmachung<br />
Protokolle des <strong>Achimer</strong> Rats von 1949 bis 1953 14<br />
Erinnerungen an wahnsinnige Weltkriege<br />
H. Hagemanns Reise von Roedenbecks Grab bis zum Atlantikwall 21<br />
„Faule, unartige, widerspenstige und boshafte Kinder“<br />
Züchtigungen in der einklassigen Schule in Bollen 32<br />
Hochwertige Überlieferung von bewährter Qualität<br />
101 Jahre Schlachterei Holtkamp 36<br />
Vor 90 Jahren<br />
Der lange Kampf für Frieden und ein Vereinigtes Europa 38<br />
Swinemünde<br />
Ein kleiner Ort mit bedeutender Rolle in der großen Weltgeschichte 43<br />
Massen am Bollener Badestrand<br />
Als der Heckraddampfer Höxter verschrottet wurde 49<br />
Schalt dein Radio ein!<br />
25 Jahre Bürgerfunk in Achim 51<br />
<strong>Achimer</strong> raus, Briten rein<br />
Die Auseinandersetzungen um die Beschlagnahmung von Häusern 55<br />
Ein einmaliges Exemplar<br />
Wie MAN den Motor der Badener Mühle entdeckte 59<br />
Dieses fremdartige Unbekannte<br />
Rückblick und Ausblick nach den Corona-Jahren 2020/21 61<br />
Überfälle auf Kohlezüge in schwerer Zeit<br />
Eine Episode aus der Nachkriegszeit 63<br />
Verfolgung und Vernichtung von Juden<br />
Neue Stolpersteine erinnern an das Textilunternehmen Heilbronn 64
4<br />
Von Reinhard Dietrich<br />
Bomben auf Bremen, Bollen<br />
und Uphusen<br />
Noch immer erinnern Funde an<br />
die mörderischen Kämpfe zum<br />
Ende des Zweiten Weltkrieges<br />
Am 18. Juni 2020, 75 Jahre nach<br />
Kriegsende, wurden wir in Bollen noch<br />
einmal von den Bombardierungen und<br />
dem Massensterben im Zweiten Weltkrieg<br />
eingeholt. Bei den vorbereitenden<br />
Untersuchungen des Untergrundes für<br />
die Erstellung von drei neuen Windkraftanlagen<br />
in der Nähe der Landesgrenze<br />
zu Bremen wurde eine Fliegerbombe<br />
aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden.<br />
Ausschnitt einer Karte des Landkreises Verden (1962). Der ungefähre Fundort der Bombe<br />
ist rot markiert.
Bomben auf Bremen, Bollen und Uphusen 5<br />
In den Zeitungen stand, dass die Bombe<br />
in Bollen gefunden wurde. Wenn man es<br />
ganz korrekt formulieren möchte, wurde<br />
die Bombe auf Uphusener Gebiet gefunden.<br />
Das linke Flurstück heißt Breder<br />
Ehrs, das rechte Flurstück Auf der neuen<br />
Geest.<br />
Zur Vorgeschichte des Bombenfundes<br />
Hermann Göring (* 12.01.1893 in Rosenheim,<br />
† 15.10.1946 durch Suizid in<br />
Nürnberg, ab 1935 Oberbefehlshaber<br />
der neu gegründeten Luftwaffe, ab Juli<br />
1940 ernannte Hitler ihn zum Reichsmarschall<br />
des Großdeutschen Reiches,<br />
ab 29.06.1941 war er von Adolf Hitler als<br />
dessen Nachfolger vorgesehen) soll in<br />
völlig größenwahnsinniger Verkennung<br />
der Kräfteverhältnisse und voller Überschätzung<br />
der deutschen Luftwaffe am<br />
9.8.1939 gesagt haben. „man könne ihn<br />
Meier nennen, wenn je ein feindliches<br />
Flugzeug über dem Ruhrgebiet auftauche“.<br />
An anderer Stelle wird behauptet,<br />
dass es für dieses Meier-Zitat keine<br />
nachvollziehbare Quelle gäbe; dennoch<br />
bekam er den Spitznamen „Hermann<br />
Meier“. Tatsächlich hat Göring am 9. August<br />
1939 gesagt: „Ich habe viele Flugplätze<br />
und sonstige Anlagen der Luftwaffe<br />
besichtigt, vor allem habe ich dafür<br />
gesorgt, daß das Ruhrgebiet, in dem die<br />
Menschen in Ruhe arbeiten müssen, den<br />
sichersten Schutz erhält, der überhaupt<br />
nur nach den technischen und militärischen<br />
Erfahrungen von heute möglich<br />
ist. Persönlich habe ich mich an vielen<br />
Stellen von den für das Ruhrgebiet getroffenen<br />
Maßnahmen überzeugt. Ich<br />
werde mich künftig um jede einzelne<br />
dort noch vielleicht einzusetzende Batterie<br />
kümmern. Denn das Ruhrgebiet<br />
werden wir auch nicht einer einzigen<br />
Bombe feindlicher Flieger ausliefern.“<br />
Viele wollten ihm glauben, viele glaubten<br />
auch lange Zeit, die Nazis wollten keinen<br />
Krieg. Noch bei der Reichstags“wahl“ -<br />
es war keine Wahl mehr möglich, da nur<br />
noch die NSDAP auf dem Wahlzettel anzukreuzen<br />
war - am 29.03.1936 stand auf<br />
dem Wahlzettel: „Reichstag für Freiheit<br />
und Frieden“:<br />
Stimmzettel zur Reichstagswahl<br />
am 29.03.1936<br />
Bei einer Wahlbeteiligung von reichsweit<br />
99 % gab es eine Zustimmung von offiziell<br />
98,8 %, während nur 1,2 % der Stimmen<br />
als ungültig gezählt wurden. Was für<br />
ein fataler Irrtum der Wählerinnen und<br />
Wähler! Als die Wahlen noch frei waren<br />
- bei der Reichstagswahl am 06.11.1932<br />
- hätten die Wählerinnen und Wähler<br />
die Rechtsentwicklung und den Zweiten<br />
Weltkrieg noch verhindern können.<br />
Schon ab Juli 1937 wurden die ersten<br />
Volksgasmasken als Vorbereitung auf<br />
den bereits fest eingeplanten Krieg<br />
an die Bevölkerung verteilt. Bis zum<br />
Kriegsende wurden knapp 45 Millionen<br />
Volksgasmasken hergestellt.<br />
Am 1.9.1939 begann der Überfall auf<br />
Polen und damit der Zweite Weltkrieg.<br />
Schon am 4.9.1939 gab es um 1.30 Uhr<br />
in der Nacht in Bremen den 1. Fliegeralarm.<br />
Fritz Peters schreibt in seiner Bre-
6<br />
Bomben auf Bremen, Bollen und Uphusen<br />
men-Chronik: „Das Auslösen der Sirenen<br />
ruft in der bremischen Bevölkerung<br />
eine große Verwirrung hervor. Nach den<br />
mehrfachen Erklärungen des Oberbefehlshabers<br />
der Luftwaffe, daß feindliche<br />
Flugzeuge in der an den Reichsgrenzen<br />
befindlichen „Luftverteidigungszone“<br />
restlos abgeschossen würden, ist<br />
sie auf einen möglichen Bombenangriff<br />
nicht eingestellt. Britische Flugzeuge<br />
überfliegen in großer Höhe unser Gebiet<br />
und werfen Flugblätter ab. Um 2.45<br />
Uhr erfolgt Entwarnung.“ Es folgten weitere<br />
1 232 Fliegeralarme, der letzte am<br />
25.4.1945. Am 27.4.1945 wurde Bremen<br />
endgültig von britischen Truppen besetzt<br />
und der Krieg war hier zu Ende.<br />
Den ersten Luftangriff gab es in Bremen<br />
am 18.5.1940. „Es handelt sich um einen<br />
überraschenden Angriff. Fliegeralarm<br />
wird nicht gegeben. Die Flakstellungen<br />
in und um Bremen sind nur schwach besetzt.<br />
Englische Flugzeuge werfen 124<br />
Spreng- und 79 Brandbomben.“<br />
Nun wurden die Flak-Stellungen in und<br />
um Bremen verstärkt. Auch auf dem Bollener<br />
Esch wurde eine große Flak-Stellung<br />
aufgebaut; im Dezember 1943 war<br />
der Höchststand der Besatzung erreicht:<br />
Zu jenem Zeitpunkt gab es 21 Geschütze<br />
- drei mal sechs 8,8- cm-Geschütze<br />
plus drei 2-cm-Geschütze - mit knapp<br />
200 Mann Personal. Im linken Kreis<br />
befand sich die frühere Zement-Dach-<br />
Flakstellungen auf dem Bollener Esch, 22. März 1945<br />
Foto: Alliierte Luftaufklärer, überlassen vom Kampfmittelbeseitigungsdezernat Hannover.
von Reinhard Dietrich 7<br />
platten-Fabrik von Familie Meinken. Sie<br />
wurde während der Flak-Zeit von 1941<br />
bis 1945 als Küche genutzt. Rechts daneben<br />
- ebenfalls eingekreist - befand<br />
sich die Brinksitzerstelle der Familie Fischer<br />
(Bollen Nr. 30); rechts, eingekreist,<br />
das Fährhaus und die Gastwirtschaft<br />
„Strandhalle“ der Familie Bormann (Bollen<br />
Nr. 40). Auf den kleinen Sandhügeln<br />
standen die Flak-Geschütze.<br />
Hartwig Ammann (geb. 05.07.1927,<br />
gest. 07.05.2007) wurde als 16-jähriger<br />
gezogen und war mit etwa 20 Schulkameraden<br />
der damaligen Lettow-Vorbeck-Schule<br />
(heute Gymnasium an der<br />
Hermann-Böse-Str.) von Juli 1943 bis<br />
Januar 1944 in Bollen Flakhelfer; einige<br />
seiner Kameraden waren sogar erst 15<br />
Jahre alt. Weitere Flak-Helfer-Generationen<br />
folgten.<br />
Am 1.1.1941 wurde Bollen zum ersten<br />
Mal von Bombenabwürfen getroffen. Die<br />
Veranda bei Meinken (Nr. 11, heute: Bollener<br />
Dorfstr. 22) wurde schwer beschädigt.<br />
Im September 1942 forderte der<br />
Landrat von der Kreishandwerkerschaft,<br />
dass die Veranda möglichst noch vor Eintritt<br />
des Winters fertig gestellt werden<br />
sollte. Fritz Peters hält in einer Bremen-<br />
Chronik für den 1.-2.1.1941 fest: „39.<br />
Luftangriff auf Bremen. Fliegeralarm:<br />
19.51 Uhr. Abwurf von 127 Spreng- und<br />
4 000 Brandbomben. Angriffsziele: Ortsteil<br />
Hemelingen (Fabrikanlagen), Hafengebiet,<br />
Neustadt. Verluste: 11 Gefallene,<br />
8 Schwer- und 22 Leichtverletzte. Entwarnung:<br />
0.07 Uhr.“<br />
Am 3.1.1941 wurde eine Baukompanie<br />
nach Bollen verlegt. Um die Soldaten<br />
erst mal bis zum Aufbau von eigenen Baracken<br />
unterbringen zu können, wurde<br />
der Saal der „Strandhalle“, der Gastwirtschaft<br />
von Dietrich Bormann, beschlagnahmt.<br />
Eine Gruppe Bausoldaten vor Bormanns<br />
Strandhalle an der Weser (1963 abgerissen).<br />
Foto: Privat Werner Bormann (Ottersberg)<br />
Bollener Flakstellung in Aktion.<br />
Foto: Überlassen von dem Bremer Pastor Hartwig Amman (†)
8<br />
Bomben auf Bremen, Bollen und Uphusen<br />
Fritz Peters schreibt in seiner Bremen-<br />
Chronik zum 28. Juni 1941: „64. Luftangriff<br />
auf Bremen. Fliegeralarm: 0.56 Uhr.<br />
Abwurf von 39 Spreng- und 410 Brandbomben<br />
(Findorffviertel, Schlachthof,<br />
Kaserne Vahrer Straße). Verluste: 4 Gefallene,<br />
1 Leichtverletzter. Entwarnung<br />
3.17 Uhr.“<br />
Am 28.6.1941 wurde der Saal der „Strandhalle“<br />
von einer Bombe getroffen. Vor dem<br />
Gebäude steht der Schüler Heinz Bormann.<br />
Am 27.7.1942 wurde die Hofstelle Nr. 32<br />
von Johann Dahme durch eine Brandbombe<br />
getroffen. Die Bombe durchschlug<br />
das Dach und verletzte Johann<br />
Dahme jun. (geb. 1928) schwer am linken<br />
Arm und am Fuß. Bei demselben Angriff<br />
wurde der Hof des Landwirts Bernhard<br />
Purrmann (ehemalige Hofstelle Nr. <strong>26</strong>,<br />
heute: Bollener Dorfstr. 21) von einer<br />
Brandbombe getroffen. Der Hof brannte<br />
vollständig ab.<br />
Fritz Peters schreibt in seiner Bremen-<br />
Chronik zum 27.7.1942: „97. Luftangriff<br />
auf Bremen. Fliegeralarm: 0.09 Uhr. Abwurf<br />
von 3 Spreng- und 50 Brandbomben<br />
(3 Häuser in Timmersloh werden leicht<br />
beschädigt). Entwarnung 2.52 Uhr. – 98.<br />
Luftangriff auf Bremen. Fliegeralarm:<br />
17.38 Uhr. Eine Maschine vom Typ Vickers-Wellington,<br />
die aus Richtung Delmenhorst<br />
Bremen anfliegt, wirft fünf<br />
Sprengbomben. Schäden entstehen an<br />
Wohnhäusern in der Straße An der Wei-<br />
Johann Osmers (* 10.06.1899, † 19.02.1985) von der Gaststätte „Osmers Sommergarten“<br />
(heute „Deichkind“) hält die Ereignisse in seinem Tagebuch fest:<br />
Merktage Juni 1941<br />
22. Juni Krieg mit Russland.<br />
28. Juni Flieger viele Sprengbomben abgeworfen.<br />
Bormanns Klubzimmer getroffen.<br />
29.-30. Juni Flieger Schaden angerichtet.<br />
zwei Häuser in Ahausen in Brand gesteckt.“<br />
Ausschnitt aus dem Tagebuch von Johann Osmers
von Reinhard Dietrich 9<br />
de, Ecke Löningstraße, und in der Kattenturmer<br />
Heerstraße. Das Flugzeug<br />
wird durch die Bremer Flak abgeschossen.<br />
Entwarnung: 18.06 Uhr.“<br />
In der Nacht vom 13. bis 14. September<br />
1942 wurden durch Bombenabwürfe<br />
Wohn- und Wirtschaftsgebäude des<br />
Maurers Hinrich Dahm zerstört.<br />
Bei diesem Angriff auf Bremen starteten<br />
446 Bomber; 374 Bomber griffen dann<br />
tatsächlich an. Es wurde eine Bombenlast<br />
von 742,8 t abgeworfen.<br />
Fritz Peters schreibt in seiner Chronik<br />
zum 14. September 1942: „103. Luftangriff<br />
auf Bremen. Fliegeralarm: 1.43 Uhr.<br />
In zwei voneinander abgesetzten An-<br />
griffswellen wird ein Großangriff auf die<br />
Stadt Bremen unternommen…Kampfmittel:<br />
201 Spreng- und 21 575 Brandbomben.<br />
In den Geschäftsvierteln der<br />
Innenstadt und in den Wohnvierteln der<br />
Vorstädte werden schwere Verwüstungen<br />
angerichtet… Verluste: 67 Gefallene, 34<br />
Schwer- und 337 Leichtverletzte. Entwarnung:<br />
5.34 Uhr.“<br />
Bei einem Angriff am <strong>26</strong>.11.1943 wurden<br />
ca. 250 Meter vor Bollen (von Mahndorf<br />
aus betrachtet) parallel zur Bollener<br />
Dorfstr. ca. 100 Sprengbomben abgeworfen.<br />
Das Dorf entging nur ganz knapp<br />
einer Katastrophe. Außer erheblichen<br />
Erdverwüstungen und einigen kaputten<br />
Bombenteppich nach dem Angriff vom <strong>26</strong>.11.1943.<br />
Ausschnitt einer Karte, überlassen vom Kampfmittelbeseitigungsdezernat Hannover.
10<br />
Bomben auf Bremen, Bollen und Uphusen<br />
Fensterscheiben wurde zum Glück kein<br />
Mensch getroffen.<br />
Die schwarz umrandeten Markierungen<br />
geben Bombentrichter, die durchgekreuzten<br />
Markierungen Blindgänger<br />
an. Die Karte veranschaulicht, wie viele<br />
Bomben Bollen nur knapp verfehlt haben.<br />
Laut Auskunft der Stadtverwaltung<br />
Achim wurden am 29.8.2002 in Bollen<br />
von dem Kampfmittelbeseitigungsdienst<br />
Hannover noch einmal 73 Bombentrichter,<br />
70 Blindgänger und <strong>26</strong> ehemalige<br />
Flak-Geschütze überprüft und entschärft.<br />
Fritz Peters schreibt in seiner Chronik<br />
zum <strong>26</strong>. November 1943: „117. Luftangriff<br />
auf Bremen. Fliegeralarm: 11.27<br />
Uhr. Englisch-amerikanische Bomberverbände<br />
(400 Bomber, 150 Jäger) führen<br />
in der Zeit von 11.50 bis 12.45 Uhr<br />
einen schweren Angriff aus. Es werden<br />
1408 Spreng- und 1885 Brandbomben<br />
(darunter 1473 Flüssigkeitsbomben) geworfen.<br />
Getroffen werden außer zahlreichen<br />
Wohnhäusern u.a. elf Schulen,<br />
die St. Marienkirche, die Städtische<br />
Krankenanstalt, das Diakonissenhaus<br />
und die Nervenklinik in Osterholz (Ellen).<br />
Es entstehen 82 Groß-, 162 Mittel- und<br />
104 Kleinbrände. Verluste 270 Gefallene,<br />
58 Schwer- und 228 Leichtverletzte.<br />
Obdachlose: 3 980. Entwarnung: 13.30<br />
Uhr.“<br />
Der Arberger Pastor Rieschel (geb.<br />
01.12.1878, Pastor in Arbergen von 1932<br />
bis 1952, gest. 22.06.1959) schreibt am<br />
29.09.1945 an die amerikanischen Besatzungsbehörde:<br />
„Bei dem am <strong>26</strong>.11.1943<br />
vor Bollen erfolgten Absturz sind vier<br />
Mitglieder der Besatzung zu Tode gekommen<br />
und von deutschen Soldaten<br />
auf dem Friedhofe zu Mahndorf in vier<br />
Särgen beigesetzt. Die Personalien von<br />
zwei Mitgliedern sind bekannt. Das Grab<br />
ist gut in Ordnung gehalten.“<br />
Kriegsende in Bollen, Uphusen,<br />
Mahndorf und Bremen<br />
Da den Aufforderungen der Alliierten,<br />
die Kriegshandlungen einzustellen und<br />
Bremen kampflos zu übergeben nicht<br />
akzeptiert wurden, kam es in der Nacht<br />
vom 22. auf den 23.4.1945 noch einmal<br />
zu einem schweren Bombardement<br />
durch die britische Royal Air Force. Es<br />
starteten 767 Bomber, die 960 t Bomben<br />
abwarfen. Auch in Uphusen/Mahndorf<br />
unterstützten „schwere Bomber der Royal<br />
Air Force“ in den frühen Stunden des<br />
23.4. den Vormarsch der britischen Truppen.<br />
„In Uphusen waren die Deutschen<br />
zum Stehen gekommen. Sanddünen im<br />
Südosten der Stadt ergaben ausgezeichnete<br />
Verteidigungsstellungen, und die<br />
Borderer hatten schwer zu kämpfen, um<br />
den Feind aus seinen Gräben herauszuwerfen.<br />
Ein weiteres schweres und entscheidendes<br />
Gefecht fand gleichzeitig in<br />
Mahndorf, drei Meilen vor der Bremer<br />
Stadtgrenze, statt.“<br />
Fritz Peters schreibt in seiner Chronik<br />
zum 23. April 1945: „168. Luftangriff<br />
auf Bremen. Fliegeralarm: 3.49 Uhr. In<br />
kurzen Abständen werden jedes Mal<br />
auf das Stadtgebiet verteilt schwere Mi-<br />
Bomber über Bremen
von Reinhard Dietrich 11<br />
nen geworfen. Entwarnung: 5.51 Uhr.“ In<br />
Abständen von wenigen Stunden folgten<br />
noch am selben Tag die Luftangriffe<br />
169, 170 und 171. Laut Schwarzwälder<br />
wurde der Angriff auf Uphusen in Richtung<br />
Mahndorf um 4.15 Uhr gestartet.<br />
Um 10 Uhr wurde der Angriff mit Panzern,<br />
Flammenwerfern und Infanterie<br />
verstärkt. Gegen Mittag war Uphusen<br />
erobert. Die deutschen Verteidiger hatten<br />
schwere Verluste; etwa 150 Männer<br />
gingen in Gefangenschaft; mehr als 20<br />
Gebäude wurden in Uphusen bei diesen<br />
Gefechten zerstört. Auf dem Weg nach<br />
Mahndorf verloren die Briten zwei Panzer<br />
durch verminte Straßen.<br />
Der Uphusener Rainer Pöttker stellt die<br />
Zerstörungen noch differenzierter vor:<br />
Bei der Eroberung Uphusens durch die<br />
britische Armee gingen 18 Gebäude in<br />
Flammen auf. „Weitere fünf Häuser wurden<br />
dieser Tage durch einen Luftangriff<br />
der Alliierten vernichtet, zahlreiche Häuser<br />
trugen schwere Schäden davon.“<br />
Bollen wurde von den auf Bremen vorrückenden<br />
britischen Truppen bereits<br />
am 23.4.1945 eingenommen. In der Bollener<br />
Schulchronik heißt es: „Der Krieg<br />
ist verloren. Am 23. April rollten englische<br />
Panzer von Osten her in unseren<br />
Ort. Bollen wurde kampflos besetzt. Die<br />
Besatzungszeit dauerte einen Monat. Die<br />
Schule musste geräumt werden.... In der<br />
Schule wohnte der Stab. Vor, während<br />
und nach der Besatzung haben 3 000 bis<br />
4 000 Russen, die auf dem Esch in der<br />
Flakstellung lagen, Bollen und Umgegend<br />
geplündert.“<br />
Am Dienstag d. 24.4.1945 gab es den 172.<br />
und 173. Luftangriff auf Bremen. Am Mittwoch<br />
d. 25.4.1945 wurde um 17 Uhr der<br />
letzte Fliegeralarm – es war der 1 233.<br />
Fliegeralarm – ausgelöst. Am 27.4.1945<br />
war Bremen von den britischen Truppen<br />
eingenommen; der Krieg in unserer Region<br />
war beendet.<br />
Ein gesprengter englischer Panzer
12<br />
Bomben auf Bremen, Bollen und Uphusen<br />
Auf die Stadt Bremen erfolgten im Zweiten<br />
Weltkrieg 173 von der Luftschutzpolizei<br />
offiziell gezählte Luftangriffe. Dabei<br />
wurden 25 513 t Bomben abgeworfen<br />
(12 844 t von den Briten, 12 669 von den<br />
Amerikanern). Damit gehörte Bremen zu<br />
den am stärksten bombardierten Städten.<br />
Zum Vergleich: 1. Berlin (68 285 t),<br />
2. Köln (48 014 t), 3. Hamburg (38 319<br />
t), 4. Essen (36 852 t), 5. Duisburg (30<br />
535 t), 6. Kiel (29 946 t), 7. Frankfurt am<br />
Main (28 209 t), 8. Bremen (25 513 t). Auf<br />
Bremen wurden knapp 900 000 Bomben<br />
abgeworfen: 41 629 Sprengbomben und<br />
847 759 Brandbomben. 3 852 Menschen<br />
wurden getötet, eine erheblich größere<br />
Zahl verletzt.<br />
In dem kleinen, abseits gelegenen Dorf<br />
Bollen wurden bei 44 vergebenen Hausnummern<br />
5 Häuser beschädigt bzw. zerstört.<br />
Das waren 11,4 %.<br />
Am 30.7.1945 schrieb der Bürgermeister<br />
Hermann Reiners an den Landrat in Verden:<br />
„Heute gegen 16 Uhr ist hier in der<br />
Gemeinde Bollen ein Unglück, trotz aller<br />
Warnung der Kinder, dadurch passiert,<br />
dass Kinder mit gefundener Munition<br />
gespielt haben. Der Sohn des Maurers<br />
Hinrich Dahm (Walter Dahm – R.D.) wurde<br />
dabei so schwer verletzt, dass er ins<br />
Krankenhaus gebracht werden musste.“<br />
75 Jahre nach Kriegsende wurden wir<br />
erneut von den Folgen des (Luft)Krieges<br />
eingeholt. Es wurde eine 250 kg-Bombe<br />
gefunden. Die Sprengkraft der Bombe<br />
kann laut Kampfmittelbeseitigung einen<br />
fünf Meter tiefen Krater mit einem<br />
Durchmesser von zehn Metern reißen.<br />
<strong>Achimer</strong> Kurier vom 17.06.2020
von Reinhard Dietrich 13<br />
Die in Uphusen gefundene 250 kg-Bombe.<br />
Am Bildrand befinden sich die als Splitterschutz<br />
in Richtung Autobahn aufgestellten<br />
Stroh-Rundballen.<br />
Deswegen wurde Bollen sicherheitshalber<br />
abgeriegelt; die BewohnerInnen der<br />
Bollener Dorfstraße 28 bis 42 sollten<br />
ihre Wohnungen und Häuser für eine<br />
Stunde verlassen. In den elf Haushalten<br />
lebten etwa 25 Personen. Nur ein Ehepaar<br />
nahm das Evakuierungsangebot an<br />
und hielt sich in der kritischen Zeit in der<br />
Gastwirtschaft „Bollener Dorfkrug“ auf.<br />
Erstaunlich blieb die Tatsache, dass zwar<br />
im Umkreis von 1 000 Metern alles konsequent<br />
abgeriegelt wurde, dass aber der<br />
lebhafte Verkehr auf der nur 800 Meter<br />
entfernten Autobahn A 1 nicht blockiert<br />
wurde. Im <strong>Achimer</strong> Kreisblatt wurde ein<br />
Die entschärfte Bombe liegt zum<br />
Abtransport bereit.<br />
Fotos: Joshua Kastendiek,<br />
Freiwillige Feuerwehr Uphusen.<br />
nicht namentlicher genannter Polizist<br />
zitiert: „Eigentlich hätte auch die A1 gesperrt<br />
werden müssen. Um das zu vermeiden<br />
wurde nahe der Bombe ein mehrere<br />
Meter langer und hoher Schutzwall<br />
aus Strohballen für den Splitterschutz im<br />
Fall einer Detonation errichtet.“<br />
20 Polizisten, Kräfte von Feuerwehr und<br />
Stadt sicherten bei der Entschärfungsaktion<br />
die Bevölkerung ab. Die Entschärfung<br />
der Bombe war dann für den<br />
Experten relativ problemlos. Der Zünder<br />
konnte herausgeschraubt werden und<br />
wurde dann aus sicherer Entfernung<br />
gesprengt. Bereits um 13.30 Uhr konnte<br />
Entwarnung gegeben und die Abriegelung<br />
beendet werden.<br />
Nur kurze Zeit später, am 30.6.2020,<br />
berichtete der Weser Kurier von einem<br />
verdächtigen metallischem Fund, möglicherweise<br />
einer Bombe, in Walle am<br />
Osterfeuerberger Ring. Eine der größten<br />
Evakuierungen in Bremen nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg schien möglich. Je<br />
nach Größe der Bombe drohte eine Evakuierung<br />
in einem Radius von 300 bis 400<br />
Metern; in einem Radius von 1 000 Metern<br />
hätten die Bewohner in den Häusern<br />
bleiben müssen. Aufgrund der dichten<br />
Besiedelung in der Stadt wären vermutlich<br />
bis zu 10 000 Menschen betroffen gewesen.<br />
Es stellte sich dann aber heraus,<br />
dass es sich bei der vermeintlichen Bombe<br />
in Bremen nur um ein altes Pumpenrohr<br />
handelte und so konnte Entwarnung<br />
gegeben werden.<br />
Bleibt abzuwarten, wann die nächste<br />
Bombe gefunden wird und entschärft<br />
werden muss – hoffentlich als immer<br />
wieder aktualisierende Mahnung:<br />
„Nie wieder Krieg!“
14<br />
Von Manfred Brodt<br />
Krämermentalität bei der<br />
NS-Wiedergutmachung<br />
Protokolle des <strong>Achimer</strong> Rats<br />
von 1949 bis 1953<br />
Kampf ums Krankenhaus und<br />
Behörden / Verseuchte Weser<br />
Die sogenannte Nachkriegszeit und der<br />
Wiederaufbau hatten begonnen. Die<br />
Verbrechen des nationalsozialistischen<br />
Deutschlands sollten jedoch noch lange<br />
ihre dunklen Schatten werfen und beschäftigten<br />
auch den <strong>Achimer</strong> Gemeinderat<br />
unter dem fragwürdigen Titel<br />
„Wiedergutmachung“.<br />
Badeanstalt an der Weser<br />
Konkret ging es um Geschäfte, Häuser<br />
und Grundstücke, die Juden abgenommen<br />
oder für lächerliche Beträge im Zuge der<br />
„Arisierung“ abgekauft worden waren. In<br />
den Gemeindeprotokollen werden diese<br />
Juden „Verschollene“ genannt und wird<br />
nicht erwähnt, dass sie verfolgt, geflohen,<br />
vertrieben, deportiert und in den meisten<br />
Fällen in nationalsozialistischen Mordfabriken<br />
umgebracht worden sind.
Krämermentalität bei der NS-Wiedergutmachung 15<br />
Schon am 5. Mai 1949 hatte die „Grundstückssache<br />
Seligmann“ den Rat beschäftigt.<br />
Ein von der Stadt beauftragter<br />
<strong>Achimer</strong> Rechtsanwalt hatte festgestellt,<br />
dass es noch keinen Rückerstattungsanspruch<br />
von Juden gebe. Der Rat stellte<br />
deshalb die Angelegenheit zurück. Ein<br />
Jahr später aber war es mit der rechtlichen<br />
Grundlage so weit. Das Wiedergutmachungsamt<br />
beim Landgericht<br />
hatte befunden, der Verkauf des Grundstücks<br />
an die Gemeinde Achim sei 1939<br />
nicht unter Zwang erfolgt.<br />
Deshalb sei auch bei einer Rückgabe des<br />
Grundstücks der damals gezahlte Kaufpreis<br />
anzurechnen. Unter dem Stichwort<br />
„Wiedergutmachung Seligmann“ berichtet<br />
das Protokoll des Gemeinderats vom<br />
5. Juli 1950 dann: „Für das 1939 durch<br />
die Gemeinde Achim von dem jüdischen<br />
Ehepaar Seligmann gekaufte Grundstück<br />
„Acker an der Eisenbahn“ hat der Sohn<br />
der verschollenen Eheleute Seligmann<br />
Wilhelm Seligmann, wohnhaft in New<br />
York City, den Rückerstattungsanspruch<br />
geltend gemacht.<br />
Vergleich vor Wiedergutmachungsamt<br />
Vor dem Wiedergutmachungsamt beim<br />
Amtsgericht Verden fand ein Vergleich<br />
statt. Die Stadt erkennt den Anspruch an<br />
und gibt das Grundstück sofort zurück.<br />
Das Grundstück bleibt verpachtet. Der<br />
Antragsteller tritt seine Schadensersatzansprüche<br />
an die Stadt wegen der gezahlten<br />
Judenvermögensabgabe von 2198,02<br />
Reichsmark und der an die Reichsvereinigung<br />
der Juden Deutschlands abgeführten<br />
604,02 Reichsmark hiermit ab.<br />
Der 1939 gezahlte Kaufpreis fließt in die<br />
Rechnung ein. Der Rat stimmte dem Vergleich<br />
einstimmig zu.<br />
Zur „Wiedergutmachung Anspacher“<br />
erwähnt das Protokoll: „Am 14. Februar<br />
1939 hat die Stadt von dem Viehhändler<br />
Carl Anspacher das Hausgrundstück in<br />
der Langenstraße erworben. Als Erbe<br />
der verschollenen Familie Anspacher hat<br />
der in Amerika lebende Kurt Anspacher<br />
Rückerstattung gefordert.“ Dann wird im<br />
Protokoll vorgerechnet: Der Erbe habe<br />
1945 und 1946 erhalten 1491,21 Reichsmark<br />
für Lebensunterhalt und Anschaffungen,<br />
569,34 RM wirtschaftliche Tbc-<br />
Hilfe und 336 RM KZ-Sonderhilfe. Diese<br />
Beträge sollten gegengerechnet und<br />
beim Sühnetermin eingebracht werden.<br />
Kurt Anspacher erklärt sich laut Protokoll<br />
vom 3. August 1950 damit nicht einverstanden.<br />
Der Rat beschließt einstimmig,<br />
den Güteverhandlungstermin vor<br />
dem Wiedergutmachungsamt in Verden<br />
abzuwarten.<br />
Bis zur Ratssitzung am 12. Oktober<br />
1950 ist es dann zu einer Einigung gekommen.<br />
Der Bürgermeister berichtet,<br />
dass die Stadtgemeinde Achim nach der<br />
erfolgten Abrechnung noch einen Betrag<br />
von 719,79 DM an den Rückerstattungsberechtigten<br />
zu zahlen habe. Da<br />
im Haushaltsplan von 1950 keine Mittel<br />
dafür vorgesehen sind, wird einstimmig<br />
beschlossen, diesen Betrag außerplanmäßig<br />
zu zahlen.<br />
Von der Jüdin Emma Baumgarten hatte<br />
Achim in den Jahren 1931 bis 1936<br />
ein Grundstück an der Verdener Straße<br />
erworben. Nun 1952 soll die Stadt auch<br />
das zurückgeben. Die Stadt bittet den<br />
Oberkreisdirektor um Stellungnahme<br />
zu einem möglichen Prozess. Der Verwaltungschef<br />
des Kreises führt aus,<br />
der Ausgang eines solchen Verfahrens<br />
sei völlig offen und könne die Gemeinde<br />
Achim bei einer Niederlage in zwei<br />
Instanzen 3900 DM kosten. Darauf will<br />
sich der Rat in seiner Sitzung vom 10.
16<br />
Krämermentalität bei der NS-Wiedergutmachung<br />
Januar 1952 nicht einlassen. Einstimmig<br />
ermächtigt er den Stadtdirektor, beim<br />
Wiedergutmachungsgericht in Verden<br />
weiter zu verhandeln. Der Stadtdirektor<br />
soll das Mögliche für Achim herausholen<br />
und erhält Vollmacht für einen Vergleich<br />
bis 5200 DM. Viel Krämergeist bei<br />
der Regulierung eines großen Unrechts.<br />
Da wiehert der Amtsschimmel<br />
Ernährung, Arbeit und ein Dach über dem<br />
Kopf, das waren die vorrangigen Ziele in<br />
diesen Nachkriegsjahren bei Einheimischen,<br />
Geflüchteten und Vertriebenen.<br />
Viele bauten sich auch in Gemeinschaften<br />
ein Häuschen. Die Stadt wies neue Baugebiete<br />
aus, unter anderem auch für das<br />
Gebiet des Bürgerparks. Doch da gab es<br />
Schwierigkeiten. Nicht nur war ein Antrag<br />
der Interessengemeinschaft zum<br />
Bau von Eigenheimen auf Anerkennung<br />
als Kleinsiedler beim Kreisbauamt in<br />
Verden und der Regierung in Stade spurlos<br />
verschwunden. Die Genehmigung des<br />
Antrags war immerhin Voraussetzung<br />
für den Eintrag ins Vereinsregister und<br />
für Kredite. Die Baubehörde lehnte auch<br />
das Baugebiet grundsätzlich ab, da der<br />
Bereich Bürgerpark als Grüngürtel zur<br />
Abschirmung vom geplanten Hansakanal<br />
und von Industrieanlagen erhalten bleiben<br />
solle. Die Behörde stützte sich dabei<br />
Handzettel (Flyer): Aufruf zur Versammlung<br />
Bürgerpark vor der Abholzung<br />
auf den Bauplan von 1937. Gemeinderat<br />
Gehnke hält 1949 dagegen, 1937 sei<br />
doch überhaupt nicht vorauszusehen gewesen,<br />
dass der Bürgerpark nach dem<br />
Krieg abgeholzt werde, dass die Stadt<br />
viele Flüchtlinge aufnehmen müsse und<br />
in Not geraten werde. Erhaltung eines<br />
Grüngürtels, den es schon längst nicht<br />
mehr gab?<br />
Beigeordneter van der Poll schimpft, die<br />
Bürokratie blockiere hier die Selbstverwaltung,<br />
die brennende Probleme vor<br />
Ort lösen wolle. Am 7. Juli 1949 berichtet<br />
der Bürgermeister, dass Kreis und Regierung<br />
in Stade grünes Licht gegeben<br />
haben für den Bebauungs- und Flüchtlingsplan<br />
auf dem Bürgerparkgelände.<br />
Diskutiert wird auch ein Bebauungsplan<br />
südlich und nördlich der Bergstraße. Ein<br />
Ratsmitglied gibt am 2. März 1950 zu bedenken,<br />
das Jugendheim in dem Gebiet<br />
müsse vor den Gefahren des Schieß-
von Manfred Brodt 17<br />
sports am Schützenplatz geschützt werden.<br />
Dabei ist der Schießsport noch gar<br />
nicht zugelassen worden.<br />
Eintrittskarte mit Bauopfer<br />
Eine besondere Idee zum Wohnungsbau<br />
hatte die FDP mit einem Dringlichkeitsantrag<br />
eingebracht. Auf alle Eintrittskarten<br />
von Kino-, Sport-, Theater- und<br />
sonstigen -Veranstaltungen, bei denen<br />
Eintrittsgeld erhoben wird, sollte von<br />
jedem auch ein Bauopfer von fünf Pfennigen<br />
erhoben werden, mit dem gemeinnütziger<br />
Wohnhngsbau finanziert werden<br />
sollte, wie Gemeinderat Taschies am<br />
7. Juli 1949 erklärt. Gemeinderat Lange<br />
und Beigeordneter van der Poll halten<br />
dagegen, das treffe die Ärmsten der<br />
Armen, treibe die <strong>Achimer</strong> zu auswärtigen<br />
Veranstaltungen und bedeute auch<br />
weniger Vergnügungssteuer. Außerdem<br />
komme ohnehin die Wohnraumsteuer.<br />
Gemeinderat Blaß hat eine Kompromissidee:<br />
Es sollten im Kino nur die Besitzer<br />
vom ersten und zweiten Platz mit dem<br />
Bauopfer belastet werden, da die sozial<br />
Schwachen sich ohnehin nur den dritten<br />
Platz leisten könnten. Der Stadtrat<br />
lehnt schließlich alle Anträge ab.<br />
aufnehmen und zu einem Tbc-Heim herabgestuft<br />
werden. Das Verdener Krankenhaus<br />
solle zu einem Spezialkrankenhaus<br />
ausgebaut werden, das dann auch<br />
Kranke in Achim mitbetreuen könne und<br />
einen Chefarzt in Achim überflüssig mache.<br />
Die vom Kreis zu gründende GmbH<br />
für das Etelser und <strong>Achimer</strong> Haus könne<br />
dann mit dem <strong>Achimer</strong> Krankenhaus<br />
verfahren, wie sie es aus Rentabilitätsgründen<br />
für richtig halte.<br />
Nicht jedoch mit dem <strong>Achimer</strong> Gemeinderat,<br />
der sich sein Krankenhaus nicht<br />
nehmen lassen will und im nächsten<br />
Tagesordnungspunkt gleich die Weichen<br />
stellt für die Einstellung eines neuen<br />
Chefarztes.<br />
Anfang 1953 wird bekannt, dass die<br />
Schwestern für das Etelser Krankenhaus<br />
gekündigt worden sind zum April des<br />
Jahres. Der Kreistag und der Stadtrat<br />
entscheiden Ende Januar 1953, dass das<br />
<strong>Achimer</strong> Krankenhaus mit einer neuen<br />
Inneren Station ausgebaut werden soll<br />
und dass das Haus vom zu schließenden<br />
Etelser Krankenhaus alles Brauchbare<br />
entnehmen darf. Die Stadt kauft dann die<br />
Achim contra Verden<br />
Immer wieder kommt in den Protokollen<br />
das gespannte Verhältnis zwischen Achim<br />
und Verden zum Vorschein. Am 17.<br />
August 1950 wird bekannt, dass das <strong>Achimer</strong>,<br />
das Verdener und Etelser Krankenhaus<br />
sowie das Genesungsheim Clüverswerder<br />
zu einer Krankenhaus-GmbH<br />
zusammengelegt werden sollen. Achims<br />
in den ersten Nachkriegsjahren voller<br />
Stolz gerade neugeschaffenes Krankenhaus<br />
solle Tbc-Kranke aus Verden<br />
Fotos von der Lehrbaustelle
18<br />
Krämermentalität bei der NS-Wiedergutmachung<br />
frühere Lehrbaustelle am Krankenhaus<br />
in Bierden mit ihren 51 107 Quadratmetern<br />
vom Niedersächsischen Verband<br />
der Bauindustrie.<br />
Weniger brisant ist die Verlegung des<br />
<strong>Achimer</strong> Zollamtes nach Verden. Der<br />
Rat erhebt einen Protest dagegen beim<br />
Hauptzollamt in Stade und der Oberfinanzdirektion<br />
in Hannover, der postwendend<br />
abgelehnt wird aus „Gründen<br />
sparsamer Verwaltungsführung“. Der<br />
Rat nimmt´s in seiner Sitzung am 12.<br />
Oktober 1950 hin, da er doch keine Chance<br />
hat.<br />
Immerhin bietet nun die Oberfinanzdirektion<br />
das frühere Finanzamtsgebäude<br />
an der Obernstraße der Stadt zur Miete<br />
an. Die Stadt könne es auf ihre Kosten zu<br />
einem Wohngebäude umbauen und müsse<br />
dann nur die Hälfte der Miete zahlen.<br />
Der Stadtrat befindet, dass das Gebäude<br />
sich nicht für Wohnungen eigne, und beschließt<br />
eine hinhaltende Antwort an die<br />
Oberfinanzdirektion. Außerdem fordert<br />
man noch einmal das Finanzamt von Verden<br />
zurück, obwohl man weiß, dass das<br />
zwecklos ist.<br />
Im Oktober 1953 bietet dann die Oberfinanzdirektion<br />
der Stadt an, das Gebäude<br />
auf Kosten des Bundes umzubauen für<br />
sechs Wohnungen. Eine Wohnung für<br />
den Hausmeister und fünf Wohnungen<br />
für die Stadt für zehn Jahre als Generalpächter<br />
für 95 Pfennige pro Quadratmeter,<br />
die sie dann für 1,05 DM weitervermieten<br />
könne. Ein gutes Geschäft, meint<br />
der Stadtrat und willigt ein.<br />
Badenden droht Kinderlähmung<br />
Badeanstalt an der Weser:<br />
Umkleidekabinen auf Stelzen<br />
Nicht systemrelevant, aber stadtrelevant<br />
ist die Badeanstalt an der Weser beim<br />
Hirtenhaus. O Schreck! In einer Sitzung<br />
des Haupt- und Finanzausschusses im<br />
Juni 1953 wird festgestellt, dass sie geschlossen<br />
werden sollte, nachdem das<br />
Staatliche Hygieneinstitut in Bremen<br />
festgestellt hatte, dass in einem Kubikzentimeter<br />
Wasser sich 17500 Keime,<br />
überwiegend Colibakterien, befanden.<br />
Beim Baden in dem kontaminierten Wasser<br />
könne Kinderlähmung drohen, sagen<br />
Experten. Verschmutzer in Verden, im<br />
Nachbarort Baden, Hausschlachtungen<br />
und Tierkadaver seien die Hauptursachen,<br />
spekuliert man im Stadtrat. Doch<br />
der Rat lehnt die Schließung ab. Schließlich<br />
könne man das den <strong>Achimer</strong>n nicht<br />
zumuten, fehle eine genauere Ursachenanalyse,<br />
betreffe das dann doch<br />
die ganze Weser, könnte man das Ba-
von Manfred Brodt 19<br />
dewasser auch filtern und werde auch<br />
trotz Verbots wild in der Weser gebadet.<br />
Es reiche, wenn die Bevölkerung über<br />
die Presse auf die Gefahren hingewiesen<br />
werde, meint der Rat.<br />
Das Gesundheitsamt des Kreises lässt jedoch<br />
nicht locker und schreibt am 3. Juli<br />
1953, die vielen Colibakterien könnten<br />
Kinderlähmung hervorrufen. Diese Bakterien<br />
kämen aus dem Darm von Warmblütern.<br />
Der Rat kann sich nun dem nicht<br />
mehr verschließen und verfügt am 6. Juli<br />
die sofortige Schließung der Badeanstalt<br />
auch, um Schadensersatzansprüche<br />
gegen die Stadt zu vermeiden. Am<br />
6. August ergeben die Wasseranalysen,<br />
durch ungeklärte Abwässer unter anderem<br />
der Städte Minden, Hannover und<br />
Verden, durch Tiere und Landwirtschaft<br />
sowie Versalzung durch die Kaliindustrie<br />
verhindern das Baden in Achims Badeanstalt<br />
ab 1956, die 1958 auch offiziell<br />
Das neue <strong>Achimer</strong> Freibad 1963 und 1970<br />
dass jetzt der Bakterienbefall nur noch<br />
hart an der Grenze liegt, und der Rat beschließt<br />
wieder die Öffnung der Badeanstalt.<br />
Gleichzeitig hatte er aber auch entschieden,<br />
in der Zukunft ein Freibad an<br />
anderer Stelle in der Stadt zu schaffen.<br />
Genannt wird die Freifläche am Sportzentrum<br />
im Norden. Bis einschließlich<br />
1955 darf dann in der Weser weiter gebadet<br />
werden. Personelle Probleme, die<br />
Verschlammung der Badeanstalt und<br />
natürlich die Verschmutzung des Stroms<br />
geschlossen wird. 1962 bekommt Achim<br />
sein neues Freibad beim Sportzentrum.<br />
Demokratiefeinde wollen kandidieren<br />
Mit den Folgen des Nationalsozialismus<br />
hat dieser Beitrag begonnen, mit<br />
Rechtsradikalismus müssen wir schließen.<br />
Für die Stadtratswahl am 9. November<br />
1952 hatte eine Wählergemeinschaft<br />
Kreis Verden einen Wahlvorschlag eingereicht,<br />
den der Gemeindewahlausschuss
20<br />
Krämermentalität bei der NS-Wiedergutmachung<br />
am 28. Oktober 1952 abgelehnt hatte, da<br />
die Wählergemeinschaft nach Urteil des<br />
Bundesverfassungsgerichtes eine verbotene<br />
Ersatzorganisation der verbotenen<br />
SRP, der Sozialistischen Reichspartei,<br />
sei. Drei Jahre nach ihrer Gründung<br />
hatte das Bundesverfassungsgericht am<br />
23. Oktober 1952 die besonders in Nordwestdeutschland<br />
starke SRP mit ihren<br />
mehr als 10 000 Mitgliedern verboten,<br />
da sie sich in der Tradition der NSDAP<br />
sehe und auch auf Hitler berufe. Auch<br />
Ersatzorganisationen wurden vom höchsten<br />
deutschen Gericht verboten.<br />
<strong>Achimer</strong> auf der Liste dieser <strong>Achimer</strong><br />
Wählergemeinschaft hatten dann Ende<br />
November diese Entscheidung des Gemeindewahlausschusses<br />
und die Kommunalwahl<br />
in Achim angefochten. Redner<br />
der Wählergemeinschaft beteuerten in<br />
der Stadtratssitzung, sie seien doch Unabhängige,<br />
andere entgegneten, sie hätten<br />
doch in den gleichen Lokalen früher<br />
als SRP heute als Wählergemeinschaft<br />
getagt. Der niedersächsische Innenminister<br />
wies in seiner Stellungnahme<br />
darauf hin, die SRP habe beschlossen,<br />
getarnt an der Kommunalwahl teilzunehmen.<br />
Der Stadtrat hält fest, die Wählergemeinschaft<br />
sei von Funktionären<br />
und Mitgliedern der SRP gegründet worden.<br />
Daran ändere auch nichts, dass der<br />
ein oder andere Unabhängige dabei sei.<br />
Der Ortsverband werde nach der übergeordneten<br />
Dachorganisation beurteilt.<br />
Deshalb weist die Stadt die Anfechtung<br />
der Wahl erfolgreich zurück.<br />
Sozialistische Reichspartei (SRP)<br />
Die „Sozialistische Reichspartei“ (SRP)<br />
wurde am 2. Oktober 1949 unmittelbar<br />
nach der ersten Bundestagswahl und kurz<br />
vor dem absehbaren Ende des alliierten<br />
Lizenzzwanges gegründet. Bis zur Gründung<br />
der Bundesrepublik behielten sich<br />
die Besatzungsmächte vor, die Gründung<br />
von Parteien zu genehmigen und rechtsextreme<br />
Parteien oder Flüchtlingsparteien<br />
erhielten die Genehmigung (Lizenz)<br />
nicht. Ziel der SRP war die „Sammlung<br />
aller wahrhaften Deutschen durch kämpferisches<br />
Bekenntnis und Verpflichtung<br />
auf ein klares sozialistisches und nationales<br />
Programm zur Überwindung der<br />
deutschen Not“ (zit. nach Hansen, S. 41).<br />
Schon die Wortwahl zeigt die Nähe zur<br />
NSDAP; dasselbe gilt für die führenden<br />
Protagonisten der Partei, die fast alle<br />
der NSDAP oder deren Gliederungen<br />
angehört hatten. Als Galionsfigur wirkte<br />
der ehemalige Wehrmachtsgeneral Otto<br />
Ernst Remer, der bei der Verhaftung der<br />
Verschwörer des versuchten Hitler-Attentats<br />
und Putschversuches am 20. Juli<br />
1944 eine wichtige Rolle gespielt hatte.<br />
Die politische Führung der SRP hatte<br />
der Vorsitzende Fritz Dorls inne. Ideologisch<br />
in der Tradition des Nationalsozialismus<br />
stehend, agitierte die Partei<br />
im Wahlkampf besonders gegen die angeblichen<br />
Ungerechtigkeiten der Entnazifizierungspolitik,<br />
gegen die Bonner<br />
„Systempolitiker“ und die sich abzeichnende<br />
Westbindung der Bundesrepublik.<br />
Anfangs hatte die SRP damit wenig Erfolg.<br />
Bei den Landtagswahlen 1950 in<br />
Nordrhein-Westfalen erreichte sie 0,2<br />
Prozent, in Schleswig-Holstein 1,6 Prozent.<br />
Erst 1951 bei der Landtagswahl in<br />
Niedersachsen, wo die SRP organisatorisch<br />
und an Mitgliedern am stärksten<br />
war (über die Hälfte der gut 11.000 Mitglieder<br />
lebte dort), konnte sie mit 11,0<br />
Prozent der Stimmen einen spektakulären<br />
Erfolg erzielen.<br />
Quelle:<br />
Bundeszentrale für politische Bildung
Von Hartmut Hagemann 21<br />
Erinnerung an wahnsinnige<br />
Weltkriege<br />
Hartmut Hagemanns Reise von<br />
Roedenbecks Grab bis zum<br />
Atlantikwall<br />
Die Geschichte des heutigen <strong>Achimer</strong><br />
Ortsteils Badenermoor ist eng mit dem<br />
Namen des damaligen Landrates Josua<br />
Roedenbeck verbunden. Mit seinen Vorstellungen<br />
war er maßgebend für die<br />
Errichtung dieser Siedlerstelle, wie es<br />
damals hieß, verantwortlich. Die Verwirklichung<br />
seines Lebenstraumes hat<br />
er nicht mehr wahrnehmen können, da<br />
er als Soldat am 10. November 1914 in<br />
Belgien gefallen ist.<br />
Eingang der Gedenkstätte Langemark<br />
Da ich mich mit der Geschichte Badenermoors<br />
seit 1988 beschäftige, war es mir<br />
ein Anliegen, die Grabstätte von Josua<br />
Roedenbeck aufzusuchen. Wie es dazu<br />
kam, möchte ich mit diesem Reisebericht<br />
schildern.<br />
Eigentlich gibt der Besuch dieser Grabstätte<br />
nicht allzu viel her. Eine Grabplatte<br />
auf einenm deutschen Soldatenfriedhof<br />
in Belgien ist eigentlich alles. Schon<br />
lange, bevor ich der Geschichtswerkstatt<br />
beigetreten bin, habe ich mich für
22<br />
Erinnerung an wahnsinnige Weltkriege<br />
Geschichte interessiert. Ausschlaggebend<br />
waren meine vielen Urlaubsreisen<br />
nach Österreich. Bei schlechtem Wetter<br />
habe ich seinerzeit Museen und Burganlagen<br />
besucht und dabei versucht,<br />
die geschichtlichen Hintergründe dieser<br />
Anlagen zu hinterfragen. Das war in<br />
den 1970er Jahren. Mitte des Jahrzehnts<br />
kam dann eine Zeitschriftensammlung<br />
unter den Namen „Das Dritte Reich“<br />
vom John Jahr Verlag auf den Markt.<br />
Es war eine Dokumentationsserie, die<br />
das „Dritte Reich“ behandelte. Während<br />
meiner Schulzeit wurde dieses dunkle<br />
Kapitel der deutschen Geschichte so gut<br />
wie gar nicht vermittelt. Während der<br />
Geschichtsstunden bzw. dem Erdkundeunterricht<br />
wurde immer eine Karte<br />
aufgehängt, die Deutschland nach dem<br />
Ersten Weltkrieg zeigte. Besonders fiel<br />
mir auf, dass rechts oben auf der Karte<br />
ganz separat Ostpreußen lag, das immer<br />
besonders erwähnt wurde, da es laut<br />
dieser Karte noch immer zum deutschen<br />
Staatsgebiet gehörte. Die Karte wurde bis<br />
zum Ende meiner Schulzeit nicht auf den<br />
neuesten Stand gebracht. Die neue Zeitschrift<br />
erweckte in mir Interesse, mich<br />
mit der Geschichte des „Dritten Reiches“<br />
und dem Zweiten Weltkrieg etwas näher<br />
zu beschäftigen. In diesen Heften<br />
gab es zwei Begriffe die immer mal wieder<br />
auftauchten. Der „Atlantikwall“ und<br />
die „Bergfestung“ in der Alpenregion. Im<br />
Frühjahr 2014 geisterten immer wieder<br />
Meldungen durch die Medien über ein<br />
Ereignis, das zu diesem Zeitpunkt vor 70<br />
Jahren stattgefunden hatte. Es handelte<br />
sich um den 6. Juli 1944, den sogenannten<br />
„D-Day“, die Landung der Alliierten<br />
in der Normandie.<br />
Es entwickelte sich in mir der Wunsch,<br />
diese Stätten der ehemaligen Kriegsereignisse<br />
mit eigenen Augen anzuschauen.<br />
Ausschlaggebend war für mich, dass<br />
für die Gedenkveranstaltungen an Orten<br />
der damaligen Kriegshandlungen Vorbereitungen<br />
getroffen wurden, um dieses<br />
vor 70 Jahren stattgefundene Ereignis<br />
in einem entsprechenden Rahmen<br />
stattfinden zu lassen. Das hieß, an allen<br />
Strandabschnitten der damaligen Landungen<br />
wurden entsprechende Möglichkeiten<br />
geschaffen, diesen geschichtsträchtigen<br />
Tag ins rechte Licht zu setzen.<br />
Allein den „Atlantikwall“, oder was von<br />
ihm übriggeblieben ist, einmal mit eigenen<br />
Augen zu sehen, war für mich<br />
Antrieb genug, die Reise an den Ärmelkanal<br />
zu planen. Ich hatte mich darauf<br />
festgelegt, die Normandie über Le Havre<br />
anzusteuern. Ich wollte mir unbedingt<br />
die imposante Brücke über die Seine, die<br />
Pont de Normandie – das Tor zur Normandie,<br />
ansehen. Bei der Ausarbeitung<br />
der Fahrtroute fiel mir irgendwann ein,<br />
dass das Jahr 2014 auch für unsere Region<br />
von Bedeutung war. Gedanklich hatte<br />
ich das nicht mehr vor Augen. Aber seit<br />
Monaten wurden Vorbereitungen für das<br />
100-jährige Bestehen Badenermoors<br />
getroffen. Ich hatte im Vorfeld mit den<br />
verantwortlichen Personen der Dorfgemeinschaft<br />
Badenermoor gesprochen<br />
und mich bereit erklärt, einen Beitrag im<br />
Rahmen der Geschichtswerkstatt beizusteuern.<br />
Mir fiel ein, dass sich in diesem<br />
Jahr auch der 100. Todestag des damaligen<br />
Landrats Josua Roedenbeck jährte,<br />
der ja, wie bereits erwähnt, maßgeblichen<br />
Anteil an der Gründung Badenermoors<br />
hatte.<br />
Lebenslauf von Josua Roedenbeck<br />
Josua Roedenbeck wurde am 16. Dezember<br />
1871 in Halle an der Saale als Sohn<br />
des „Königlichen Geheimen Ober-Regie-
von Hartmut Hagemann 23<br />
rungsrat“ und damaligen Kurators der<br />
Vereinigten Friederichsuniversität Halle-<br />
Wittenberg I. Dr. jur. Rudolf Roedenbeck<br />
und seiner Ehefrau Hedwig geb. Freiin<br />
von Eberstein, geboren. Die Schule beendete<br />
er im Jahre 1892 mit dem Abitur. Danach<br />
studierte er Rechts- und Staatswissenschaft<br />
an den Universitäten Marburg<br />
und Berlin. 1896 wurde er zum Referendar<br />
vereidigt und war anschließend am<br />
„Königlichen Amtsgericht“ in Charlottenburg<br />
und Werder tätig. Kurz darauf wurde<br />
er zur Ausbildung an das „Königliche<br />
Landgericht“ und zur Staatsanwaltschaft<br />
nach Potsdam überwiesen. Im Dezember<br />
1898 trat er zur allgemeinen Staatsanwaltschaft<br />
über. Bis zum Dezember 1900<br />
war er als Regierungsreferendar bei<br />
der „Königlichen Regierung“ in Danzig,<br />
bei dem Landratsamt in Charthaus und<br />
in Vertretung des Bürgermeisters beim<br />
Magistrat in Neustadt (Westpreußen) beschäftigt.<br />
Nach bestandener Prüfung für<br />
den höheren Verwaltungsdienst wurde<br />
er am 14. Juni 1901 zum Regierungsassessor<br />
ernannt. Zunächst wurde er zur<br />
Hilfeleistung in den landrätlichen Geschäften<br />
dem Landrat in Neidenburg<br />
(Ostpreußen) und vom 1. Mai 1904 dem<br />
Ministerium für Handel und Gewerbe<br />
aushilfsweise zugeteilt. Am 28. Mai 1902<br />
heiratete er Annemarie Adloff, Tochter<br />
des Geheimen Sanitätsrates Dr. Adloff<br />
aus Potsdam. Am 1. Januar 1905 wurde<br />
er zur Königlichen Regierung nach Stade<br />
versetzt und verwaltete seit Anfang Mai<br />
des Jahres vertretungsweise und seit<br />
dem 1. November das Landratsamt im<br />
Kreise Achim kommissarisch. Am 15.<br />
Januar 1908 wurde er zum „Königlichen<br />
Landrat“ des Kreises Achim ernannt.<br />
Er verfasste ein Memorandum, das zur<br />
Gründung einer Kolonie zwischen Baden<br />
und Posthausen führen sollte. Dieses<br />
Jugendbild von Josua Roedenbeck<br />
Memorandum wurde später in einen<br />
Antrag umgewandelt. Am 21. April 1914<br />
stimmte der <strong>Achimer</strong> Kreistag dem Antrag<br />
zu. Dieses Datum kann man als die<br />
Geburtsstunde des heutigen Badenermoors<br />
bezeichnen.<br />
Besuch an Roedenbecks<br />
letzter Ruhestätte<br />
Am 29. August 1914 hatte Landrat Roedenbeck<br />
seinen Kreis verlassen, um in<br />
das Heer einzutreten. Er sah es als seine<br />
Pflicht an, dem Kaiser und dem Vaterland<br />
zu dienen. Der Erste Weltkrieg war da. Er<br />
begann am 1. August 1914. Knapp drei<br />
Monate später, genau am 10. November<br />
1914 fiel Roedenbeck als Hauptmann der<br />
Reserve bei Bixschote.<br />
So versuchte ich, meine Reiseroute
24<br />
Erinnerung an wahnsinnige Weltkriege<br />
Das Deckblatt des Memorandums<br />
so zu planen, dass ich an der letzten<br />
Ruhestätte von Landrat Roedenbeck vorbeikomme.<br />
Seine letzte Ruhestätte hat<br />
er auf einem deutschen Soldatenfriedhof<br />
in der Ortschaft Langemark in Belgien<br />
gefunden. Auf dem Roedenbeckdenkmal<br />
in Badenermoor wird der Ort Bixschote<br />
erwähnt. Bixschote ist heute ein<br />
Ortsteil der Gemeinde Langemark. Bis<br />
nach Langemark waren es etwa 584 Kilometer.<br />
Folgendes hatte ich bei Wikipedia<br />
entnommen: Gleich nach der ersten<br />
Flandernschlacht im Jahre 1914 war<br />
Langemark, wie der Ort damals hieß,<br />
zu einem besonderen Symbol deutscher<br />
Propaganda geworden. Im Jahre 1928<br />
tagte in Paris der Rat der Confederation<br />
Internationale des Etudiants aus Vertretern<br />
von mehr als 40 studentischen<br />
Nationalverbänden. Auf ihrer Reise fuhren<br />
deutsche Studentenvertreter durch<br />
Westflandern, um die Kampfstätten des<br />
Ersten Weltkrieges, insbesondere Langemark,<br />
zu besuchen. Dort fiel ihnen auf,<br />
dass die gefallenen englischen, französischen<br />
und belgischen Soldaten auf gut<br />
gepflegten Friedhöfen begraben waren,<br />
während ein Friedhof für die deutschen<br />
Soldaten fehlte. Stattdessen fanden sie<br />
einzelne von Unkraut überwucherte Gräber<br />
und umgefallene Kreuze mit Aufschriften<br />
wie „Unbekannt. Deutscher“.<br />
Nach dieser Beobachtung beschloss die<br />
Deutsche Studentenschaft, den „Deutschen<br />
Soldatenfriedhof Nr. 123“ nahe<br />
Langemark auszubauen. Dieser Friedhof,<br />
den man seinerzeit aus der Gruppe<br />
von vier Hauptfriedhöfen in Flandern als<br />
„Studentenfriedhof“ heraushob, wurde<br />
1957 neu gestaltet. Infolge zahlreicher<br />
Umbettungen von danach aufgelassenen<br />
Soldatenfriedhöfen und auch einzelnen<br />
Soldatengräbern aus Flandern liegen<br />
auf dem Friedhof 44 304 deutsche Soldaten<br />
begraben Der Friedhof zeigt sich nun<br />
offen, Kreuze wurden entfernt und durch<br />
schlichte Platten ersetzt, die gesäumt<br />
von Stieleichen ein harmonisches Bild in<br />
der Landschaft Flandern bilden. Soweit<br />
der Text bei Wikipedia.<br />
Zwischen dem Friedhof und dem zugehörigen<br />
Parkplatz befindet sich eine<br />
Informations- und Erinnerungsstätte.<br />
Der Zugang vom Parkplatz führt durch<br />
diese. Die Informations- und Erinnerungsstätte<br />
ist in Form eines dunklen<br />
Tunnels gestaltet. Auf, im Tunnel installierten,<br />
Bildschirmen werden Informationen<br />
über den Ersten Weltkrieg und die<br />
Flandernschlacht vermittelt, während<br />
auf der gegenüberliegenden Seite mehrere<br />
„Schießscharten“ den Blick auf den<br />
Friedhof freigeben.<br />
Wenn man den Eingangsraum verlässt,<br />
gelangt man über einen kleinen Hof an<br />
das große Gemeinschaftsgrab, in dem<br />
die sterblichen Überreste von mehr als
von Hartmut Hagemann 25<br />
Das Gemeinschaftsgrab<br />
Jetzt machte ich mich auf die Suche<br />
nach der Grabstelle A 7173-7176. Denn<br />
die Nummer hatte ich im Internet entdeckt.<br />
Nachdem ich erkannt habe, nach<br />
welcher Ausrichtung die Platten verlegt<br />
wurden, fand ich nach kurzem Suchen<br />
die richtige Grabplatte.<br />
Zutritt zum Gemeinschaftsgrab<br />
25 000 unbekannten deutschen Soldaten<br />
ruhen.<br />
Für annähernd 17 000 hat der Volksbund<br />
nachträglich Namen feststellen können.<br />
Diese sind in große Bronzetafeln gegossen,<br />
die - auf schweren Steinquadern<br />
befestigt – an drei Seiten des Gemeinschaftsgrabes<br />
aufgestellt wurden.<br />
Im nördlichen Bereich ist ein Teil der<br />
ehemaligen deutschen Frontlinie zu sehen,<br />
die durch drei restaurierte Bunker<br />
und dazwischen befindliche Granitblöcke<br />
markiert sind. Siehe folgendes Bild.<br />
Vincent Buda, Alois Gramlich, Ein<br />
unbekannter deutscher Soldat, Josua<br />
Roedenbeck, Alfred Wagner, Max Harth,<br />
Rudolf Schwichtenberg, Ulrich Förster.<br />
Die sterblichen Überreste der gefallenen<br />
Soldaten wurden jeweils in einem<br />
Gemeinschaftsgrab mit acht Personen<br />
bestattet.<br />
Anschließend machte ich mich an die Arbeit,<br />
eine bereits zu Hause angefertigte<br />
Informationstafel aufzustellen, um dem<br />
Mann Josua Roedenbeck ein Gesicht zu<br />
geben. Ich habe mich vorher noch etwas<br />
verstohlen umgesehen, ob mich jemand<br />
beobachtete, bevor ich die Tafel in die
<strong>26</strong><br />
Erinnerung an wahnsinnige Weltkriege<br />
Erde steckte. Aber ich war an dem frühen<br />
Morgen noch alleiniger Besucher. Also<br />
schritt ich zur Tat. Es war schon erstaunlich<br />
festzustellen, dass vor vielen Grabplatten<br />
Blumen niedergelegt waren, sodass<br />
man davon ausgehen konnte, dass<br />
mancher Angehöriger noch Beziehungen<br />
zu der hier bestatteten Person hat.<br />
Nach und nach kamen auch andere Besucher<br />
um sich die Friedhofsanlage anzusehen.<br />
Ich war überrascht, wie schnell<br />
die Grabplatte mit meiner aufgestellten<br />
Tafel umlagert war. Es war die einzige<br />
Grabstelle, die so eine Hinweistafel<br />
hatte. Somit habe ich vor Ort mit dieser<br />
symbolischen Geste dem ehemaligen<br />
Landrat Roedenbeck meine Aufwartung<br />
machen können.<br />
Die Erinnerungstafel ist aufgestellt.<br />
Auch andere Besucher interessierten sich<br />
für die Gedenktafel.<br />
Nachdem ich mich in die im Eingangsbereich<br />
ausliegende Kondolenzliste eingetragen<br />
hatte, endete für mich hiermit<br />
der Besuch dieses Friedhofes. Diese<br />
Kriegsgräberstätte wird vom Volksbund<br />
Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. gestaltet.<br />
Dieses war für mich nicht der einzige<br />
Besuch eines Gräberfeldes. Denn bei<br />
meiner Recherche habe ich herausbekommen,<br />
dass es noch mehrere Gedenkstätten<br />
gibt, die erwähnenswert sind. So<br />
führte mich mein eingeschlagener Weg<br />
weiter nach „Tyne cot“. Auf der Straße<br />
nach dorthin kommt man immer wieder<br />
an kleinen Soldatenfriedhöfen aus dem<br />
1. Weltkrieg vorbei.<br />
Die Ankunft in Zonnebekes „Tyne Cot“<br />
war überwältigend. Das Ausmaß dieses<br />
Friedhofes ist beeindruckend. Mit beinahe<br />
12 000 beigesetzten Soldaten ist diese<br />
Gedenkstätte der größte Friedhof des
von Hartmut Hagemann 27<br />
Ein Teil des Gräberfeldes von „Tyne cot“<br />
Die Mauer mit den Namen der Vermißten<br />
Commonwealth für alle Kriege weltweit<br />
– eine traurige Berühmtheit. Schwindelerregend<br />
viele weiße Grabsteine reihen<br />
sich mit einer herrlichen Aussicht auf<br />
die ländliche Idylle auf dem Feld aneinander.<br />
Die Mauer um den Friedhof herum ist ein<br />
Denkmal für die Vermissten. Sie trägt die<br />
Namen von fast 34 957 Männern aus dem<br />
Vereinigten Königreich, die nie gefunden<br />
und für tot erklärt wurden.<br />
Der Soldatenfriedhof ist durch einen drei<br />
Kilometer langen Wander- und Radweg<br />
mit dem Memorial Museum Passchendaele<br />
1917 verbunden.<br />
Mehr als eine halbe Million Tote<br />
für acht Kilometer<br />
Im Internet finde ich dazu: Das Museum<br />
Passchendaele 1917 erzählt auf eindringliche<br />
und anschauliche Weise die<br />
Geschichte des Ersten Weltkrieges mit<br />
Schwerpunkt der Schlacht von Passenda-
28<br />
Erinnerung an wahnsinnige Weltkriege<br />
le. Diese Schlacht des Jahres 1917 ist als<br />
eine der furchtbarsten Schlachten des<br />
Ersten Weltkriegs bekannt, mit mehr als<br />
einer halben Millionen Opfer für einen<br />
Geländegewinn von nur acht Kilometern.<br />
Passchendaele wurde nicht nur zu<br />
einem Begriff des Ersten Weltkrieges,<br />
es wurde auch zum Symbol der großen<br />
Sinnlosigkeit der Kriegsgewalt mit all<br />
ihren Grauen überhaupt. Das Memorial<br />
Museum Passchendaele 1917 bietet einen<br />
Überblick der fünf Schlachten beim<br />
Städtchen Ypern, darunter die Schlacht<br />
von Passendale. Anhand von historischen<br />
Gegenständen, authentischen Briefen,<br />
Plakaten und anderen Dokumenten, Uniformen<br />
der unterschiedlichen Armeen<br />
und Videofragmenten bekommen Jung<br />
und Alt einen Einblick in das Leben auf<br />
dem Schlachtfeld und rundherum. Die<br />
interaktiven Elemente, die in der ganzen<br />
Museumsausstellung zu finden sind,<br />
sorgen dafür, dass auch Kindern dieses<br />
Stück Geschichte auf lebendige Art vermittelt<br />
wird. Als Besucher entdeckt man,<br />
wie die Briten 1917 anfingen, im Untergrund<br />
zu leben. Es ist ein beklemmendes<br />
Erlebnis, das einen Eindruck der erbärmlichen<br />
und beengten Lebensbedingungen<br />
vermittelt.<br />
Hier ist auch die wahrheitsgetreue Rekonstruktion<br />
der deutschen und britischen<br />
Laufgräben zu sehen, an deren Verlauf<br />
Verstecke original nachgebaut wurden.<br />
Ein Kommandostand<br />
Man kann das beängstigende Gefühl<br />
nacherleben, das die Soldaten befiel,<br />
als sie hier unten „gefangen“ saßen.<br />
Die Wirkung ist noch größer, wenn man<br />
selbst direkt durch diese Anlagen geht.<br />
Der Besuch des Museums endet mit dem<br />
berühmten Kunstwerk der neuseeländischen<br />
Künstlerin Helen Pollock, “Falls<br />
the Shadow”, gebrannt aus Ton aus Passchendale<br />
und Coromandel in Neuseeland.<br />
Hier halten wir kurz inne, um uns<br />
über das Leid der vielen Menschen, die<br />
direkt oder indirekt den Weltkrieg erlebt<br />
haben, zu besinnen.
von Hartmut Hagemann 29<br />
Nach diesem eindrucksvollen Erlebnis<br />
ging es zurück nach Ypern. Dort steht<br />
die im Jahre 1304 fertiggestellte Tuchenhalle.<br />
Sie diente als Verkauf- und Lagerplatz<br />
von Tuch. Es ist einer der größten<br />
profanen gotischen Gebäudekomplexe<br />
Europas.<br />
Laufgraben und Toilettenanlage<br />
Tuchenhalle in Ypern<br />
In diesem Gebäude befindet sich auch<br />
das „Flanders Field Museum“. Im Ersten<br />
Weltkrieg lag Ypern direkt an der Westfront.<br />
Am 4. November 1914 ließ General<br />
Berthold Deimling, ohne militärischen<br />
Grund und gegen die ausdrückliche<br />
Weisung seines Oberbefehlshabers<br />
Kronprinz Rupprecht von Bayern, die berühmte<br />
mittelalterliche Tuchenhalle von<br />
Ypern in Schutt und Asche legen.<br />
Ypern war stark umkämpft<br />
Es fanden dort mehrere Schlachten statt.<br />
Sie wurden später eingeteilt in:<br />
Erste Flandernschlacht (20. Oktober bis<br />
18. November 1914), in der auch Landrat<br />
Josua Roedenbeck fiel,<br />
Zweite Flandernschlacht (22. April bis<br />
25. Mai 1915),<br />
dann die Schlacht von Messines (ab 21.<br />
Mai 1917);<br />
eine Art Voroffensive für die Dritte Flandernschlacht<br />
(31. Juli bis 6. November<br />
1917).
30<br />
Erinnerung an wahnsinnige Weltkriege<br />
Tuchenhalle vor und nach dem Krieg<br />
Das erneuerte Flanders Field Museum<br />
konfrontiert Alt und Jung mit Leben und<br />
Tod in der Frontregion von Ypern. Die<br />
gänzlich neue Ausstellung mit ergreifenden<br />
Videoprojektionen, einzigartigen<br />
Tonfragmenten und den modernsten<br />
Multimediaanwendungen lassen einen<br />
in das Leben der Front eintauchen. Jeder<br />
Besucher erhält ein sogenanntes Poppy<br />
Armband, mit dem er vier persönliche<br />
Geschichten „des kleinen Mannes“ aus<br />
dem Ersten Weltkrieg entdecken kann.<br />
Indem man sich „einloggt“, kann man<br />
in Kontakt mit den Mitmenschen in dem<br />
vor über einem Jahrhundert stattgefundenen<br />
Krieg kommen, der am 11. November<br />
1918 endete.<br />
Monströse Betonbauten und<br />
Perlenkette von Friedhöfen<br />
Ein Synonym für Giftgas<br />
Die deutschen Truppen versuchten<br />
mehrmals, die Stadt einzunehmen. Dabei<br />
wurden sie (November 1914 und April<br />
1915) zurückgeschlagen. Am 22. April<br />
1915 setzten deutsche Truppen zum ersten<br />
Mal Chlorgas ein. Am 12. Juli 1917<br />
testeten deutsche Truppen – wieder bei<br />
Ypern – erstmals Senfgas. Es wurde bis<br />
heute auch ein Synonym für Giftgas. Vor<br />
über hundert Jahren war die Gegend<br />
rund um Ypern der Schauplatz eines der<br />
meist zerstörerischen Konflikte der Geschichte.<br />
Nun, da auch die letzten Zeugen<br />
verstorben sind, ist das Flanders<br />
Field Museum mehr als jemals zuvor das<br />
Tor zum Ersten Weltkrieg in Flandern.<br />
Von Ypern ging es nach Le Havre über<br />
den Point de Normandie. Dort begann<br />
meine Besichtigungstour des Atlantikwalls.<br />
Es waren eindrucksvolle Bauten,<br />
die ich gesehen habe. Man kann in etwa<br />
erahnen, wieviel Beton hier verarbeitet<br />
wurde. Bis hoch nach Cherbourg kann<br />
man immer wieder diese monströsen<br />
Anlagen sehen.<br />
Ebenso sind viele Soldatenfriedhöfe, wie<br />
auf eine Perlenkette aufgereiht, längst<br />
der Küste zu sehen. Einer davon ist der<br />
deutsche Soldatenfriedhof in La Cambe.
von Hartmut Hagemann 31<br />
Der sieben Hektar große Friedhof entstand<br />
1958 durch Umbettungen zahlreicher<br />
kleinerer Anlagen. 20 507 gefallene<br />
Soldaten des Zweiten Weltkrieges<br />
fanden hier ihre letzte Ruhestätte.<br />
Dieser Friedhof wird ebenfalls von der<br />
„Deutschen Kriegsgräberfürsorge“ gepflegt.<br />
Es ist eine schlichte, aber ein eindrucksvolle<br />
Anlage. Erst durch das Herantreten<br />
an die Grabplatten wird man das<br />
beklemmende Gefühl nicht los, durch<br />
was für einen Wahnsinn sie ihr junges<br />
Leben verloren haben. Die meisten waren<br />
zwischen 18 und 25 Jahre alt.<br />
Man hatte aus dem Ersten Weltkrieg<br />
nichts gelernt.<br />
„Wenn die Menschen nur wissen würden,<br />
wie schwer es ist, verwundet zu sein, zu<br />
sterben –<br />
alle wären mild und zahm, würden sich<br />
nicht in Parteien spalten, keine Meuten<br />
aufeinanderhetzen und nicht töten. Aber<br />
wenn sie gesund sind, wissen sie es nicht.<br />
Wenn sie verwundet sind, glaubt ihnen<br />
keiner. Wenn sie tot sind, können sie nicht<br />
mehr reden.“ Mihajlo Lalic<br />
Mit dieser Mahnung endet mein Reisebericht<br />
Der Friedhof „La Cambe“ in der Normandie.<br />
Quellennachweis: Das Grundwissen habe ich<br />
dem Internet bei Wikipedia entnommen. Das<br />
Zusammenstellen des Reiseberichts habe<br />
ich aus den Angaben in den Prospekten des<br />
Passchendaele Museums, dem Flanders<br />
Field Museum und den Hinweisen zu dem<br />
Friedhof La Cambe entnommen. Alle Angaben<br />
über Landrat Josua Roedenbeck stammen<br />
aus meinen vier Vorträgen zu der Geschichte<br />
Badenermoors.
32<br />
Von Reinhard Dietrich<br />
„Faule, unartige, widerspenstige und<br />
boshafte Kinder“<br />
Züchtigungen in der<br />
einklassigen Schule in Bollen<br />
In der „Schulordnung für die Landschulen<br />
in den Herzogthümern Bremen und<br />
Verden“ vom 10. Februar 1752 wurde in<br />
zwei Paragraphen auf die Möglichkeit<br />
von Züchtigungen der Schulkinder eingegangen:<br />
Ein prügelnder Lehrer (1842) Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
„Faule, unartige, widerspenstige und boshafte Kinder“ 33<br />
„§ 67. Den Schulhaltern wird gar nicht untersagt,<br />
die faulen, unartigen, widerspenstigen<br />
und boshaften Kinder zu züchtigen.<br />
Doch müssen sie auch solche Maße<br />
halten, daß sie weder den Kindern an der<br />
Gesundheit Schaden zufügen, und den Eltern<br />
damit Gelegenheit geben, sich über<br />
sie zu beschweren, noch auch die Lust,<br />
zur Schule zu gehen, durch ein unvernünftiges<br />
und brutales Wesen und Verfahren<br />
bei den Kindern niederzuschlagen.<br />
§ 68. Insonderheit wird ihnen das Schlagen<br />
auf den Kopf der Kinder, es geschehe<br />
nun mit einem Stocke, Buche, oder Hand,<br />
und das Werfen nach denselben gänzlich<br />
verboten, und sie überhaupt, zumal den<br />
kleinen Kindern, angewiesen, mehr die<br />
Rute, als den Stock zu, gebrauchen.“<br />
Zum Unterricht gehörten Strafmaßnahmen<br />
und Beschämungen zur Aufrechterhaltung<br />
von Disziplin, aber auch gegen<br />
Lernunwillen und gegen „Dummheit“.<br />
Der „faule Schüler“ sitzt auf dem Strafesel<br />
und trägt noch zusätzlich die Eselskappe;<br />
Lehrer und Schüler beschimpfen<br />
und beschämen ihn. Zusätzlich droht<br />
der Lehrer massiv mit dem Stock. Links<br />
kniet ein Schüler auf der spitzen Seite eines<br />
Holzscheits beim Auswendiglernen<br />
des ABC; seine ABC-Tafel liegt vor ihm<br />
auf dem Boden. Körperlicher Schmerz<br />
wurde selbstverständlich hingenommen.<br />
Siehe Bild am Ende des Artikels.<br />
Der spätere Lehrer Johann Dietrich<br />
Schierloh (*11.12.1878, Hirtensohn aus<br />
dem Boller Holz, eingeschult Ostern<br />
1884, ausgeschult 28.03.1893, also Schüler<br />
bei Lehrer Johann Peter Klindworth<br />
(Lehrer in Bollen von Ostern 1860 bis<br />
1893) schreibt in seinen Lebenserinnerungen:<br />
„Wenn ich mich kurz zur Schulzucht<br />
äußern möchte, so geschieht das<br />
unter größter Zurückhaltung, weil es sich<br />
um ein Gebiet handelt, über das nicht<br />
leicht geurteilt werden kann. Die finstere<br />
Strenge macht es sich sehr leicht, die<br />
Güte hat es unendlich schwer. Die Kindesnatur,<br />
das Familienleben, sie sind so<br />
verschieden, daß es unmöglich wird, einen<br />
geraden Weg unangefochten zu gehen.<br />
Und die Persönlichkeit des Lehrers,<br />
die dabei eine überragende Rolle spielt,<br />
darf in der Beurteilung nicht vergessen<br />
werden. Dazu kommt noch der jeweils<br />
herrschende Zeitgeist, der damals auf<br />
persönliche Autorität abgestimmt war.<br />
Wie oft wurde so drauflosgeprügelt!<br />
Aus dem Vorhergehenden kann schon<br />
entnommen werden, daß die kindliche<br />
Fröhlichkeit nicht zu ihrem Recht kam.<br />
Wie weit das in einer einklassigen Schule<br />
möglich ist, das möge dahingestellt<br />
sein. Ich weiß nur, daß ich unter der<br />
freudlosen Art sehr gelitten habe. An<br />
gutem Lernwillen hat es bei mir nie<br />
gefehlt. Ich leugne aber auch nicht,<br />
daß der Übermut mich manchmal über<br />
gewisse Grenzen des Wohlverhaltens<br />
hinausgetrieben hat. Der Stock spielte<br />
dann als Zuchtmittel eine ziemliche<br />
Rolle. Ich glaube, es wäre mit weniger<br />
Hieben auch gegangen, vielleicht sogar<br />
besser. Aber ein Verstehen, ein gütiges<br />
Zureden gab es nicht. So geriet ich<br />
mehr und mehr in einen Gegensatz zum<br />
Lehrer, der mich auch strafte, wenn ich<br />
mir die größte Mühe gab, keinen Anstoß<br />
zu erregen. Immer wieder verbannte er<br />
mich in den berüchtigten „Luhnort“, den<br />
Vorplatz. Da stand man denn und schaute<br />
die Prinzenäpfel in Papens Garten an<br />
und harrte der Dinge, die da kommen<br />
sollten.“ Erklärung „Papens Garten“:<br />
Hier handelt es sich um den Garten der<br />
Hofstelle Nr. 4, heute steht dort das Haus<br />
Bollener Deich 4.
34<br />
„Faule, unartige, widerspenstige und boshafte Kinder“<br />
Henry Tietjen schreibt in seinen Erinnerungen<br />
an seine Schulzeit über seine<br />
Erfahrungen mit Lehrer Meyer (Lehrer<br />
in Bollen vom 01.10.1893 bis 1925): „Damals<br />
hatten die Lehrer noch das Prügelrecht,<br />
von dem der alte grantige Lehrer<br />
kräftig Gebrauch machte. Natürlich<br />
auch, wenn Schüler zu spät kamen. Die<br />
Nachbarskinder versuchten gar nicht<br />
erst, auf ihre Plätze zu kommen. Sie gingen<br />
gleich zum Lehrerpult und bückten<br />
sich. Die Strafe ließen sie ohne Anteilnahme<br />
an sich vorüber gehen, und das<br />
jeden Morgen. Sie hatten gut vorgesorgt<br />
- ihr wertes Hinterteil wurde von einem<br />
Atlas geschont.“<br />
Vereinzelt geschlagen wurde von allen<br />
Bollener Lehrern. Die Erinnerungen<br />
der ehemaligen SchülerInnen sind aber<br />
natürlich bruchstückhaft. Besonders in<br />
Erinnerung geblieben ist vielen der nur<br />
1,56 m große Lehrer Walter Fischer, der<br />
häufig, grob und manchmal unberechenbar<br />
Züchtigungen vornahm. Er wurde auf<br />
Initiative der Bollener Eltern zum 1. April<br />
1960, nach nur knapp zweieinhalb Jahren<br />
Dienstzeit in Bollen versetzt.<br />
Noch am 23.10.1957 entschied der Bundesgerichtshof<br />
über das „Züchtigungsrecht<br />
des Volksschullehrers“, dass die<br />
körperliche Züchtigung der Schüler<br />
durch den Lehrer zwar den Tatbestand<br />
der Körperverletzung nach § 223 des<br />
Strafgesetzbuches erfülle, sie aber nicht<br />
strafbar sei. In der mehr als 20seitigen<br />
Begründung heißt es u.a.: „Frechheiten,<br />
Ungehorsam und vorsätzliche Störungen<br />
des Unterrichts können ein hinreichender<br />
Grund zu körperlicher Züchtigung sein…<br />
Schläge mit dem Rohrstock auf die Hand<br />
oder auf das Gesäß sind die allgemein üblichen<br />
und wegen ihrer Ungefährlichkeit<br />
die zweckmäßigsten Züchtigungsmittel.“<br />
In den weiteren Ausführungen wurden<br />
auch „maßvolle Ohrfeigen“ grundsätzlich<br />
nicht verboten: „Ganz allgemein wird<br />
eine Ohrfeige als minder schwer erachtet<br />
als die Austeilung von Stockschlägen.<br />
Der Grund liegt darin, daß die Ohrfeige<br />
die sofortige Reaktion auf ein fehlerhaftes<br />
Verhalten ist und mehr den Charakter<br />
des „Zur-Besinnung-Bringens“ hat.<br />
Stockschläge sind dagegen Vollzug einer<br />
für eine Verfehlung zudiktierten Strafe.“<br />
Wir können davon ausgehen, dass es<br />
fast in der gesamten Bollener Schulzeit<br />
- mehr als 270 Jahre - körperliche Züchtigungen<br />
mit einem Stock und Schläge<br />
gegen den Kopf („Backpfeifen“, „Ohrfeigen“)<br />
gegeben hat, mal mehr mal<br />
weniger. Wie Johann Dietrich Schierloh<br />
sehr richtig geschrieben hat: Es war<br />
halt der „Zeitgeist“. Fast alle zu diesem<br />
Thema befragten ehemaligen Bollener<br />
Schülerinnen und Schüler wurden auch<br />
im Elternhaus bis in die 60er Jahre geschlagen.<br />
Laut einer Studie Anfang der<br />
60er Jahre war für 98 % der Eltern „körperliche<br />
Züchtigung ein von der Sitte<br />
gebilligtes Zuchtmittel“. 85 % hatten es<br />
bereits eingesetzt, 13 % würden es auch<br />
einsetzen, sahen aber bisher keinen Bedarf.<br />
Lediglich 2 % der Eltern lehnten die<br />
körperliche Züchtigung grundsätzlich<br />
ab. Eine ehemalige Bollener Schülerin<br />
meinte: „Wenn ich mich zu Hause über<br />
das Schlagen des Lehrers in der Schule<br />
beklagte, bekam ich von meinem Vater<br />
noch zusätzliche Schläge.“ Weil der<br />
Vater selbstverständlich davon ausging,<br />
dass die Schläge in jedem Fall ihre Berechtigung<br />
hatten.<br />
Die Bollener Schule wurde am 30. November<br />
1966 geschlossen. Erst Ende der<br />
60er, Anfang der 70er Jahre änderte sich<br />
der Zeitgeist. Die körperliche Züchtigung<br />
an den Schulen in den einzelnen Bundesländern<br />
wurde so nach und nach verbo-
Von Reinhard Dietrich 35<br />
ten. Im Niedersächsischen Schulgesetz<br />
vom 30.05.1974 wurde auf die körperliche<br />
Züchtigung im Katalog der zugelassenen<br />
Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen<br />
verzichtet.<br />
Oftmals sahen die Strafmaßnahmen so aus.<br />
Kupferstich von Johann Mettenleiter (um<br />
1800).<br />
In einer anderen Quelle wird als Titel für<br />
diesen Kupferstich<br />
angegeben: „Lacht ihn brav aus!“
36<br />
Hochwertige Überlieferung von<br />
bewährter Qualität<br />
Am 11. Oktober 2020 konnte<br />
man in der Zeitung lesen:<br />
Von Helmut Köhler<br />
„Mit Firmengeschichte gewachsen -<br />
Kunden fühlen sich bei heimischen<br />
Traditionsbetrieben besonders gut<br />
aufgehoben.“<br />
Im „Corona-Zeitalter“ hat sich die Suche<br />
nach Konstanten besonders herausgebildet,<br />
Menschen besinnen sich auf ihre<br />
Familiengeschichte, Firmen suchen nach<br />
ihren Ursprüngen, Vereine vervollständigen<br />
ihre Chroniken usw.... Und so ist es<br />
nicht verwunderlich, dass auch im Archiv<br />
der Stadt Achim einige „Bewegungen“<br />
stattgefunden haben. Ein Ergebnis soll<br />
hier aufgeführt werden: „Fleischerei<br />
Holtkamp - Ein Familienbetrieb feierte<br />
sein 101-jähriges Bestehen“. 101 - das<br />
ist kein Schreibfehler, es ist tatsächlich<br />
so: Am 27. August 1920 eröffnete<br />
Hausschlachter Johann Holtkamp seine<br />
eigene Schlachterei in Hemelingen,<br />
Marschstraße 2. Und dieser Betrieb<br />
besteht noch immer und macht als traditionsreiches<br />
Unternehmen von sich<br />
reden. Da Hemelingen dereinst verwaltungsmäßig<br />
zu Achim gehörte, befinden<br />
sich die entsprechenden Dokumente und<br />
Unterlagen im oben genannten Archiv.<br />
Hier sollen nun einige knappe Auskünfte<br />
das Familienunternehmen beleuchten<br />
und die Bedeutung für die Bevölkerung<br />
würdigen.<br />
Gründer der Schlachterei Holtkamp war<br />
Johann Philipp Holtkamp geboren am<br />
22. August 1885 in Hemelingen. Er war<br />
das dritte von zehn Kindern des Ziegeleiarbeiters<br />
Friedrich Wilhelm Adolph<br />
Holtkamp (geboren 15.12.1859 in Heßloh,<br />
gestorben 1921 in Hemelingen) und
Hochwertige Überlieferung von bewährter Qualität 37<br />
dessen Ehefrau Adelheid Beneke (geboren<br />
25.09.1859 in Hemelingen und dort<br />
1921 gestorben).<br />
Obwohl Johann seinen Großvater mütterlicherseits<br />
nur kurze Zeit kennen lernen<br />
durfte - Johann Hinrich Beneke - entschied<br />
er, sich dessen Beruf zu erlernen:<br />
Er wurde Schlachter!<br />
Am 27. August 1920 eröffnete Johann<br />
Philipp Holtkamp seine eigene Schlachterei<br />
und inserierte eine Anzeige im <strong>Achimer</strong><br />
Kreisblatt:<br />
Das war der Beginn der beachtlichen Familien-Dynastie<br />
der Schlachtermeister<br />
Familie Holtkamp; vier Generationen mit<br />
je einem Schlachtermeister in ununterbrochener<br />
Folge:<br />
1. Johann Philipp: Geb. 22.08.1885; gest.<br />
31.03.1967, hat am 12.05.1925 seinen<br />
Meisterbrief von der Handwerkskammer<br />
Harburg erhalten.<br />
2. Johann Holtkamp: Geb. 23.02.1929, bekam<br />
seinen Meisterbrief am 03.06.1946.<br />
3. Johann Holtkamp: Geb. 13.03 1951,<br />
wurde am 08.12.1976 der Meisterbrief<br />
zuerkannt.<br />
4. Nils Holtkamp: Geb. 30.12.1981, empfing<br />
den Meisterbrief am 28.11.2005.<br />
Eine beachtliche Folge der Meisterschaft<br />
im Schlachterhandwerk!<br />
Und so wie Meisterbrief auf Meisterbrief<br />
folgte lief auch die Erfolgsgeschichte des<br />
Unternehmens. Die breit gefächerte Skala<br />
der angebotenen Produkte garantierte<br />
über Jahrzehnte eine ständige zufriedene<br />
Kundschaft und immer ausreichend Lieferanten<br />
für Fleisch aus transparenter<br />
Herkunft und von gut gehaltenen Tieren<br />
aus der Region.<br />
Als die Fleischerei Holtkamp am 27. August<br />
2020 ihr 100jähriges Familienjubiläum<br />
feierte konnte man im Weser - Report<br />
lesen: „Zum Jubiläum bedanken wir uns<br />
vor allem bei unseren Kunden und tollen<br />
Mitarbeitern“ sagt Familie Holtkamp.“<br />
Mögen diesem traditionsreichen Betrieb<br />
noch viele Generationen folgen ...
38<br />
Vor 90 Jahren<br />
Der lange Kampf für Frieden<br />
und ein Vereinigtes Europa<br />
Von Reinhard Dietrich<br />
Beim Stöbern in alten Zeitungen sind<br />
mir einige Anzeigen der Deutschen<br />
Friedensgesellschaft (Bund der Kriegsgegner)<br />
aus den Jahren 1929 und 1930<br />
aufgefallen.<br />
Am 16. April 1929 gab es im <strong>Achimer</strong><br />
Kreisblatt diesen Bericht:<br />
“Die Deutsche Friedensgesellschaft<br />
(Bund der Kriegsgegner) veranstaltete<br />
gestern Abend im Schützenhofe eine<br />
öffentliche Versammlung, zu welcher<br />
sie als Referenten Herrn Heinrich Vierbücher-Berlin<br />
als Redner gewonnen<br />
hatte. In fast zweistündiger sehr temperamentvoller<br />
Rede sprach er über das<br />
Thema „Stahlhelm und Hakenkreuz sind<br />
Deutschlands Untergang“ und erläuterte<br />
den Zuhörern die Ziele der Deutschen<br />
Friedensgesellschaft, die in dem Worte<br />
gipfelten „Nie wieder Krieg!“ In der Einleitung<br />
stellte er den Bestrebungen der<br />
Gegner die jetzt kritische Zeit mit der<br />
wirtschaftlichen Not, Krisen, Zusammenbrüchen,<br />
Not der kleinen Landwirte,<br />
Landvolk Kundgebungen gegen den<br />
Steuerdruck u.a. gegenüber, die zeigen,<br />
dass wir in wirtschaftlich trüben Zeiten<br />
leben, dass aber in der nationalistischen<br />
Presse kein Wort zu finden sei über die<br />
Not der Arbeiterschaft. Das Schlimmste<br />
sei aber, dass man auch in der Arbeitnehmerschaft<br />
den geschlossenen Block<br />
vermisse und sich spalte. Den jungen
Vor 90 Jahren 39<br />
Menschen gönne er den Sport, rufe ihnen<br />
aber zu, mehr in die politischen Versammlungen<br />
zu gehen.<br />
… Heute schon schaffe sich die Erkenntnis<br />
Bahn von der Notwendigkeit des Zusammenschlusses<br />
aller europäischen<br />
Staaten, wovon man vor fünf Jahren noch<br />
nicht reden durfte. Europa wäre heute<br />
viel weiter, wenn es nicht den Wahnsinn<br />
des letzten Krieges (er meint noch den 1.<br />
Weltkrieg von 1914 bis 1918) begangen<br />
hätte. … Ein internationaler Friede könne<br />
nur auf internationalem Wege erreicht<br />
werden. Zum eigentlichen Thema übergehend,<br />
betonte der Redner, dass die<br />
Nationalisten durch ihre Politik Deutschland<br />
einem neuen Kriege zutrieben,<br />
der aber Deutschlands Untergang sein<br />
würde… In breitem Rahmen entwickelte<br />
der Redner das grausige Bild eines Zukunftskrieges,<br />
gegen den die Menschheit<br />
sich mit aller Macht wehren müsste. Wir<br />
sollten unsere Kinder nicht für den Krieg<br />
erziehen, sondern so, dass sie im Dienste<br />
der Menschlichkeit wirken könnten.<br />
Jedes Mittel gegen den Krieg müsste<br />
angewandt werden und der Beginn eines<br />
solchen mit Dienstverweigerung und internationalem<br />
Generalstreik beantwortet<br />
werden.<br />
… Die Rede fand brausenden Beifall.“<br />
(<strong>Achimer</strong> Kreisblatt vom 16.04.1929)<br />
Am 21. Oktober 1929 gibt es dann einen<br />
ausführlichen Bericht im <strong>Achimer</strong><br />
Kreisblatt über diese Veranstaltung:<br />
“Öffentliche Versammlung. Die deutsche<br />
Friedensgesellschaft hatte zu einer öffentlichen<br />
Versammlung am Sonnabend<br />
Diese Ansichtskarte wurde am 18.07.1927 geschrieben.<br />
Sie stammt aus dem Archiv der <strong>Achimer</strong> Geschichtswerkstatt.
40<br />
Vor 90 Jahren<br />
im „Schützenhof“ eingeladen und dazu<br />
als Redner Herrn Vierbücher-Berlin, hier<br />
schon durch frühere Versammlungen<br />
bekannt, gewonnen. Er sprach über und<br />
gegen das Volksbegehren – gegenwärtig<br />
der wichtigste politische Gegenstand<br />
– und im Anschluss daran über die „Vereinigten<br />
Staaten von Europa“, das von<br />
allen Friedensfreunden erstrebte Ziel.<br />
… Die Frage sei nicht neu, denn, wie aus<br />
der Geschichte ersichtlich, schon vor<br />
Jahrhunderten zu verschiedenen Zeiten<br />
von Staatsmännern empfohlen worden,<br />
niemals aber so aktuell und wichtig gewesen<br />
wie jetzt. Europa, vor dem Kriege<br />
(gemeint ist der 1. Weltkrieg 1914-1918<br />
R.D.) das Kultur- und Wirtschaftszentrum<br />
der Welt, habe diese Position an Amerika<br />
abgetreten, der größten Geldmacht<br />
der Welt. Alle außereuropäischen Staaten<br />
hätten früher aus Europa, besonders<br />
Deutschland und England, Industriewaren,<br />
Kohlen etc. gekauft, jetzt seien diese<br />
zur Selbstproduktion und Ausbeutung<br />
der eigenen Kohlenläger übergegangen.<br />
Alle Länder Europas seien an Amerika<br />
verschuldet, das dadurch zu gewaltiger<br />
Macht emporgestiegen sei, während wir<br />
durch diese Verschiebung der Machtverhältnisse<br />
Exportverluste und Arbeitslosigkeit<br />
hätten. Die Hochfinanz und die<br />
Großindustrie habe diese Vereinigung<br />
längst.<br />
…Zum Schluss forderte der Redner<br />
auf,… dafür zu sorgen, dass nur Vertreter<br />
des Sozialismus in die Provinz,<br />
Kreis- und Gemeindeparlamente<br />
einzögen. In einem Schlusswort propagierte<br />
Herr Vierbücher die Ideen<br />
der Deutschen Friedensgesellschaft.“<br />
Im redaktionellen Teil heißt es: „Deutschlands<br />
Totengräber an der Arbeit. Im Augenblick,<br />
wo 107 Nationalsozialisten im<br />
Reichstag sind, lässt die Deutsche Frie-
Von Reinhard Dietrich 41<br />
densgesellschaft Walter H. Dressler,<br />
Frankfurt a. M., in Achim am Mittwoch,<br />
19. November, im Schützenhofsaale<br />
über dieses Thema sprechen. Dem Redner<br />
geht der Ruf eines außerordentlichen<br />
Redners voraus und die Formulierung<br />
des Themas lässt einen interessanten<br />
Abend erwarten.“<br />
Schon 1929, vier Jahre bevor am 30.<br />
Januar 1933 die Nazis an die Macht kamen,<br />
zehn Jahre bevor sie mit ihrem<br />
rassistischen Wahn am 1. September<br />
1939 Deutschland in den Zweiten Weltkrieg<br />
führten, gab es eine Deutsche<br />
Friedensgesellschaft, die vor Stahlhelm<br />
und Hakenkreuz, die vor dem Gang in<br />
den Untergang warnte und für ein Vereinigtes<br />
Europa warb. Es gab frühzeitig<br />
Warnungen und Warner vor nationalistischen<br />
und nationalsozialistischen Verführern.<br />
Viele wollten die Warnungen<br />
damals nicht hören. Die Katastrophe war<br />
nicht unvermeidlich.<br />
In einer Veranstaltungsanzeige vom 17. November 1930 wird die<br />
Deutsche Friedensgesellschaft noch einmal sehr deutlich:
42<br />
Vor 90 Jahren<br />
Das europäische Parlament in Straßburg<br />
Wahlbeteiligung bei den<br />
letzten vier Europa-Wahlen<br />
Bei der Europa-Wahl am 25.05.2014<br />
beteiligten sich in der Bundesrepublik<br />
Deutschland ca. 48,1 % (in der EU 42,6 %)<br />
der Wahlberechtigten. In der Stadt Achim<br />
waren es 57,4 %, im gesamten Landkreis<br />
Verden 53,4 %, in Bremen nur 40,3 %.<br />
Es ist vielen WählerInnen nur schwer zu<br />
vermitteln, was die Europa-Abgeordneten<br />
wirkungsvoll tun oder auch nicht. Wir<br />
bekommen wenig von ihren Aktivitäten<br />
mit. Die Effizienz ist sehr fragwürdig. Die<br />
Vermittlung zwischen den unterschiedlich<br />
entwickelten Staaten, den unterschiedlichen<br />
(Partei)-Strömungen ist ein<br />
schwieriges Unterfangen. Jede eventuelle<br />
Entscheidung ist ausgesprochen<br />
mühsam. Rechtspopulisten sind in zahlreichen<br />
Ländern auf dem Vormarsch. Der<br />
Weg in ein Vereinigtes Europa ist lang.<br />
Bei allen Schwierigkeiten, ein Vereinigtes<br />
Europa zu schaffen - es bleibt die nicht<br />
unbegründete Hoffnung: Wenn die Völker<br />
im Kontakt sind, wenn viel gesprochen<br />
und verhandelt wird, wenn man sich<br />
kennt und vertrauen kann, dann sinkt die<br />
Gefahr, dass rassistische Ideologien zu<br />
starken Strömungen werden, dann sinkt<br />
die Gefahr, dass es Regierungen gelingen<br />
könnte, die Völker gegeneinander zu<br />
hetzen. Die Friedensgesellschaft hatte<br />
schon 1929 recht: Ein Vereinigtes Europa<br />
trägt zur Friedenssicherung - zumindest<br />
innerhalb Europas - entscheidend bei.<br />
Wahlbeteiligung EU Deutschland Landkreis Verden Achim Bremen<br />
13.06.2004 45,5 % 43,0 % 43,0 %<br />
07.06.2009 43,0 % 43,3 % 43,3 %<br />
25.05.2014 42,6 % 48,1 % 53,4 % 57,4 % 40,32 %<br />
<strong>26</strong>.05.2019 50,6 % 61,4 % 64,2 % 63,6 % 63,01 %<br />
Die Wahlbeteiligung am <strong>26</strong>. Mai 2019 hat<br />
gegenüber 2014 deutlich zugenommen.<br />
Allerdings hat es in allen Staaten der EU<br />
auch eine deutliche Zunahme von populistischen,<br />
nationalistischen und sogar<br />
rechtsradikalen Positionen gegeben, vor<br />
allem in Frankreich, Ungarn, Polen usw.<br />
aber auch durch die AfD in Deutschland.
Von Karl-Heinz Hildebrandt 43<br />
Swinemünde<br />
Ein kleiner Ort<br />
mit bedeutender Rolle<br />
in der großen Weltgeschichte<br />
Als seinerzeit der Traditionsverband<br />
„Steuben-Kaserne“ von Golm aus die<br />
Hafenstadt Swinemünde und so das Festungswerk<br />
„Westbatterie“ besichtigte,<br />
konnte der interessierte Teilnehmer in<br />
einer Broschüre nachlesen, dass dieser<br />
bescheidene Ort an der Ostseeküste<br />
mehrmals in die große Weltgeschichte<br />
einbezogen wurde.<br />
Erste Befestigungen an der Swinemündung<br />
ließ der Feldherr Wallenstein im<br />
Dreißigjährigen Krieg aufwerfen. Danach<br />
nahm es Schweden in Besitz, um es 1721<br />
an Preußen abzutreten. Erfolglos bemühte<br />
sich Schweden 1757, es wiederzuerlangen.<br />
Vorübergehend besetzte es<br />
Frankreich 1806, um sich dann 1812 bis<br />
zum Fall Napoleons dieses Einfallstor<br />
ins Hinterland zu sichern. Im ersten Dänischen<br />
Krieg 1848 blockierte diese damals<br />
bedeutende Seemacht den Hafen.<br />
Als Reaktion darauf entstanden auf deutscher<br />
Seite die ersten dauerhaften Festungsanlagen.<br />
1863 erschien erneut die<br />
dänische Flotte in der Swinemündung. In<br />
groben Zügen ist dies alles präsent in unserem<br />
Geschichtsbewußtsein. Fremd ist<br />
uns aber, dass im August 1870 eine überlegene<br />
französische Flotte vor Swinemünde<br />
erschien. Wie war das möglich?<br />
Fest steht zunächst, dass im Deutsch-<br />
Französischen Krieg 1870/71 keine<br />
Schlacht zur See geschlagen wurde,<br />
weshalb das Ende Kaisers Napoleon lll.<br />
in Sedan neben der Belagerung von Paris<br />
die herausragenden Merkmale jener<br />
Auseinandersetzung sind.<br />
1870/71 keine Schlacht zur See<br />
Dabei wird geflissentlich übersehen,<br />
dass es schon deshalb keine Seeschlacht<br />
Swinemünde:<br />
1759 in den schwedischen Militärkarten<br />
Quelle Schwed. Reichskriegsarchiv<br />
geben konnte, weil es so gut wie keine<br />
deutsche Marine mehr gab. Man erinnert<br />
sich: Als sich 1848 die Lage in Schleswig-Holstein<br />
zuspitzte, weil Dänemark<br />
die beiden Herzogtümer annektieren<br />
wollte, begriff die „Paulskirche“, dass<br />
eine deutsche Marine notwendig sei, um<br />
die eigenen Interessen zu schützen. Die
44<br />
Swinemünde<br />
Krise wurde aber auf einer internationalen<br />
Konferenz derart überwunden, dass<br />
Dänemark seinen Besitzstand wahren<br />
konnte. Mit der „Paulskirche“ wurde<br />
dann auch die im Aufbau befindliche Marine<br />
aufgelöst. Preußen übernahm zwar<br />
einige Schiffe, begriff sich aber keineswegs<br />
als Seemacht. Andererseits war<br />
und blieb Dänemark durchaus eine beachtliche<br />
Größe auf hoher See, konnte<br />
es jedoch mit Frankreich, dem schärfsten<br />
Konkurrenten Englands, trotzdem<br />
nicht aufnehmen. Aber als „Juniorpartner“<br />
war es der „Königlichen“, wie sich<br />
die traditionsbewusste Marine Nationale<br />
gerne bezeichnete, höchst willkommen.<br />
An Frankreichs Größe nagte seit Königgrätz<br />
- Sadowa für die Franzosen - das<br />
ungute Gefühl, nicht mehr die Nummer<br />
Eins auf dem Kontinent zu sein. Daher<br />
nimmt es nicht Wunder, dass vorausschauend<br />
im Falle eines Konflikts mit<br />
Preußen und den anderen deutschen<br />
Ländern eine amphibische Operation<br />
geplant wurde, die mit dänischer Unterstützung<br />
eine Landung an der Nordbzw.<br />
Ostsee vorsah. Deutschland hätte<br />
den Feind dann auch im Rücken stehen,<br />
was bekanntlich unangenehm ist. Letztendlich<br />
kam der Krieg völlig unerwartet.<br />
Hier ein kurzer Überblick über die französische<br />
Stärke zur See: An gepanzerten<br />
Schiffen zählte die Marine 18 Fregatten,<br />
9 Korvetten, 7 kleinere Schiffe, 18 Kanonenboote.<br />
Zu diesen 49 Schiffen kamen<br />
an ungepanzerten Schiffen 34 Fregatten,<br />
25 Korvetten, 51 kleinere Schiffe hinzu.<br />
An Transportschiffen verfügte die Marine<br />
über 116 Einheiten unterschiedlicher<br />
Größe. Alle Schiffe hatten Dampfantrieb.<br />
Segelschiffe gehörten zwar auch noch<br />
zum Bestand, zählten aber nicht mit. Die<br />
Marineinfanterie als Landungstruppe<br />
bestand aus 136 Kompanien in vier Regimentern,<br />
wovon allerdings nur 72 verfügbar<br />
waren, immerhin etwa 9600 Mann.<br />
Die Marineartillerie zählte 28 Batterien,<br />
davon 20 verfügbar. Für die geplante<br />
Landungstruppe rechnete man noch<br />
zwei Kavallerieregimenter hinzu. Das<br />
Ganze war demnach den norddeutschen<br />
Seestreitkräften haushoch überlegen.<br />
Oberforstmeister führt Bürgerwehr<br />
Die preußische Flotte im Vergleich bestand<br />
zum damaligen Zeitpunkt aus lediglich<br />
fünf gepanzerten Schiffen, zwölf<br />
sonstigen Booten, acht Segelschiffen und<br />
22 Kanonenbooten. Die zitierte Broschüre<br />
berichtet also, dass am 18. August 1870<br />
plötzlich eine französische Flotte auf der<br />
Swinemünder Reede ankam. Vier Schiffe<br />
ankerten sogar in der Hafeneinfahrt und<br />
überbrachten die Nachricht, dass Blockade<br />
angesagt sei.<br />
Nach dem ersten Schreck stellte sich die<br />
Stadt daraufhin auf Verteidigung ein. Die<br />
Bürgerwehr unter Führung eines Oberforstmeisters<br />
griff zu den Waffen und in<br />
der Ost- und Westbatterie beiderseits<br />
der Swine bezogen Artilleristen aus Kolberg<br />
Stellung. Der befürchtete französische<br />
Angriff ließ aber auf sich warten<br />
und nach einem halben Jahr wurde die<br />
Blockade nach gegenseitiger Kräftedemonstration<br />
beendet. Was hatte nun<br />
die „Königliche“ von ihrer ursprünglichen<br />
Absicht abgehalten? Nun, zunächst<br />
einmal hatten die Dänen ihre Mitarbeit<br />
versagt. Statt eines siegreichen französischen<br />
Einmarsches in die Pfalz waren<br />
die Preußen in Elsass eingefallen. Das<br />
ließ Böses ahnen. Dann war das Landungskorps<br />
umdirigiert worden, um<br />
die französischen Landstreitkräfte zu<br />
verstärken. Man denke an den Einsatz<br />
der„Blauen Division“ bei Metz. Die Flot-
Von Karl-Heinz Hildebrandt 45<br />
te lief demnach ohne Marineinfanterie<br />
aus. Aber was sollte sie jetzt bewirken?<br />
Den Feind abschnüren<br />
Offensichtlich lautete deren Auftrag jetzt:<br />
Blockade, das heißt den Feind von der<br />
Außenwelt abschnüren. Abgesehen vom<br />
psychologischen Effekt würde die Maßnahme<br />
sich für die deutsche Wirtschaft<br />
katastrophal auswirken. Da mit den Dänen<br />
eigentlich nicht mehr zu rechnen<br />
war, kam folgender Plan zur Ausführung:<br />
Die Nordsee-Flotte sollte um Skagen<br />
herum in die Ostsee fahren, um dann<br />
Flussmündungen und Häfen zu blockieren.<br />
Abstützen sollte sie sich auf einen<br />
dänischen Hafen und dabei wegen der<br />
Neutralität auf Reede liegen. Den Platz<br />
der Nordsee-Flotte würde das Mittelmeer-Geschwader<br />
einnehmen mit dem<br />
Auftrag, um Belgien und Niederlande<br />
herum Ems, Weser und Elbe dichtzumachen<br />
und auch den entstehenden Kriegshafen<br />
Wilhelmshaven zu bombardieren.<br />
Als Stützpunkt war an das damals englische<br />
Helgoland gedacht. Dieser Gedanke<br />
kam dem „perfiden Albion“ mehr als<br />
ungelegen. Auf preußischer Seite wurde<br />
eine Gegenwehr derart getroffen, dass<br />
die paar Schiffe, die es besaß, bei passender<br />
Gelegenheit der französischen<br />
Flotte einige Nadelstiche verabreichen<br />
sollte. Dies setzte allerdings voraus,<br />
dass die preußische Marine wenigstens<br />
die hohe See erreichen würde. Weil der<br />
Eider-Kanal viel zu klein war, um von<br />
Nordsee zur Ostsee rochieren zu können,<br />
konnte sich alles nur westlich von<br />
Schleswig-Holstein abspielen. Zu bemerken<br />
ist, alldieweil der Krieg als Überraschung<br />
kam, dass einige deutsche Schiffe,<br />
die sich gerade im Atlantik kreuzten,<br />
möglichst schnell und unauffällig „nach<br />
Hause” dampfen mussten, was ihnen übrigens<br />
auch gelang. Anders stand es mit<br />
denen, die zu dieser Zeit in Fernost und<br />
in der Karibik auf großer Fahrt waren.<br />
Für das Kriegsgeschehen war deren<br />
Schicksal irrelevant, für die Presse allerdings<br />
höchst interessant. Es muss<br />
hier gesagt werden, dass die Ereignisse<br />
in Frankreich - Sturz des Regimes, Ausrufung<br />
der Republik, Fortsetzung des<br />
Krieges mit allen Mitteln - den Handlungsspielraum<br />
der Flotte allmählich<br />
stark beschränkten. War schon das vorgesehene<br />
Landungskorps dem Heer zugeführt<br />
worden, sollten weitere Abgaben<br />
folgen, insbesondere zur Bemannung<br />
der Festungsartillerie. Dennoch war die<br />
französische Küstenblockade mehr als<br />
ein Ärgernis, es war einfach eine reale<br />
Bedrohung. lm Einzelnen spielte sich<br />
folgendes ab: Das französische Nordsee-<br />
Geschwader unter Admiral Graf Bouet-Willaumez<br />
verließ Cherbourg am 24.<br />
Juli, fuhr um Skagen herum und ankerte<br />
am 30. auf der Reede von Kopenhagen.<br />
Der Admiral erhielt dort die Weisung,<br />
die deutschen Ostseehäfen zu blockieren<br />
und setzte am 5. August die Fahrt<br />
fort. Dänische Lotsen führten ihn durch<br />
den Großen Belt. Am 6. August wurde die<br />
Flotte vor Kiel gesichtet. Sie nahm dann<br />
Kurs auf die Mecklenburgische Küste,<br />
um schließlich an Rügen vorbei wieder<br />
die offene See anzusteuern. Zwischen<br />
Arrö und Langeland ging sie vor Anker.<br />
Bouet-Willaumez erfuhr dort, dass er<br />
nicht mehr mit einer Transportflotte, die<br />
ihm das Landungskorps zuführen sollte,<br />
rechnen könne. Er sah jetzt ein, dass ein<br />
angriffsweises Vorgehen nicht mehr in<br />
Betracht käme. Allein die Blockade lag im<br />
Bereich des Möglichen. Daher teilte der<br />
Graf den Flottenverband in ein Geschwader<br />
unter seiner persönlichen Führung
46<br />
Swinemünde<br />
in der Absicht, die Küste ostwärts Rügen<br />
zu blockieren und ein zweites, das unter<br />
dem Admiral Dieudonné westlich davon<br />
agieren sollte. Um der Form zu genügen,<br />
wurde überall eine Blockade-Erklärung<br />
abgegeben, zuletzt am 15. August in Kiel.<br />
Auf deutscher Seite bemühte man sich<br />
durch Aufklärung den jeweiligen Aufenthaltsort<br />
der feindlichen Flotte herauszufinden.<br />
Dabei gerieten die kleinen Aviso-<br />
Dampfer zwangsläufig in Reichweite der<br />
Geschütze der mächtigen Flotte. Diese<br />
beließen es aber dabei, die Dampfer abzuschrecken.<br />
Nur einmal erlag ein französisches<br />
Schiff der Versuchung, dem<br />
Aviso mores zu lehren, und, gefolgt von<br />
vier weiteren Schiffen, verfolgte ihn am<br />
17. bis Hiddensee. Dort traf die „Grille“<br />
mit drei Kanonenbooten zusammen und<br />
zog sich in einen untiefen, sicheren Ankerplatz<br />
zurück. Das feindliche Geschwader<br />
blieb aber auf Ostkurs und erreichte<br />
am 21. nachmittags an Hela vorbei das<br />
Putziger Wiek. Einige Meilen weiter lag<br />
bei Neufahrwasser die Korvette „Nymphe“.<br />
Diese schlich sich nachts an die<br />
ankernden französischen Schiffe heran<br />
und gab mehrmals eine Breitseite auf sie<br />
ab. Derart aufgeschreckt, erwiderten die<br />
Schiffe das Feuer. Anbetracht der Überlegenheit<br />
des Feindes zog es die Korvette<br />
jetzt vor, sich nach Danzig zurückzuziehen.<br />
Das französische Geschwader folgte<br />
ihr und fuhr eine Weile demonstrativ<br />
in der Danziger Bucht herum. Am 22.<br />
abends verließ es dann die Bucht und<br />
kehrte nach Westen zurück. Es wurde<br />
später in der Kjöge-Bucht aufgeklärt<br />
und wurde nicht mehr angriffsweise tätig.<br />
Obwohl Paris auf die Bombardierung<br />
offener deutscher Küstenstädte drängte,<br />
vermochte Bouet-Willaumez sich nicht<br />
dazu zu entschließen. Ein weiterer Grund<br />
für seine Inaktivität war sicherlich das<br />
rauhe Herbstwetter, das ein Manövrieren<br />
seiner Schiffe nahezu unmöglich machte.<br />
Befehlshaber der anderen Flotte, die<br />
für den Einsatz in der Nordsee zusammengestellt<br />
wurde, war der erfahrene<br />
Admiral Fourichon. Dennoch gelang es<br />
ihm nicht, unbemerkt durch den Ärmelkanal<br />
zu fahren. Eine Meldung aus Dover<br />
verständigte den deutschen Admiral<br />
Jachmann, dass einige feindliche Schiffe<br />
am 4. August dort gesichtet wurden.<br />
Schiffe aus der Jade-Bucht herauslocken<br />
Nach erfolgloser Suche in den nächsten<br />
Tagen entdeckte am 11. August ein deutscher<br />
Dampfer Fourichons Flotte vor<br />
dem englischen Helgoland. Auch hier<br />
wurde in aller Form eine Blockadeerklärung<br />
übergeben, wonach die gesamte<br />
deutsche Nordseeküste „off limits“ wäre.<br />
Tatsächlich begnügte sich Fourichon mit<br />
dem Überwachen der Flussmündungen,<br />
verfolgte aber insgeheim sein Ziel, die<br />
paar hochseetüchtigen deutschen Schiffe<br />
aus Wilhelmshaven an der Jade-Bucht<br />
herauszulocken, um sie dann auf offener<br />
See zu vernichten. Jachmann ließ sich<br />
aber nicht darauf ein, so dass aufkommendes<br />
schlechtes Wetter und die Nachricht<br />
der verlorenen Schlacht bei Sedan<br />
am 2. September die missmutigen Franzosen<br />
zur Untätigkeit verdammten. Auf<br />
deutscher Seite war dies der Anlass, die<br />
aktive Truppe, die an der Küste zur Abwehr<br />
einer möglichen Landungsoperation<br />
bereitgehalten wurde, zum südlichen<br />
Kriegsschauplatz abzuziehen und sie<br />
durch Landwehr- und Ersatzformationen<br />
zu ersetzen. Kaum bekannt ist der Einsatz<br />
norddeutscher Kanonenboote auf dem<br />
Rhein vor Straßburg, in der Seinemündung<br />
und auf der Loire, wo sie immerhin<br />
sechs gegnerische Boote versenkten.
Von Karl-Heinz Hildebrandt 47<br />
Noch weniger geläufig ist das Schicksal<br />
der vier deutschen Schiffe in Übersee.<br />
Im Juli lagen „Hertha“ und „Medusa“ in<br />
der Reparaturwerft zu Yokosuka. Dort<br />
erreichte „Hertha“ die Order, sobald wie<br />
möglich nach Tientsin zu segeln, um dort<br />
an der Evakuierung europäischer Landsleute<br />
bei chinesischen Unruhen mitzuwirken.<br />
Als am 8. August der Kapitän<br />
bemerkte, dass es auf den französischen<br />
Schiffen unruhig wurde und ihm etwas<br />
von Krieg zu Ohren gekommen war, fuhr<br />
er schleunigst nach Japan zurück. Er<br />
stieß aber am 19. auf französische Schiffe<br />
die ihn und die „Medusa“ in Yokohama<br />
einschlossen. Der französische Admiral<br />
weigerte sich nicht nur, diese „Blockade“<br />
am Tag des Waffenstillstandes - 19.<br />
Februar 1871 - aufzuheben, sondern<br />
zog sie bis zum Frankfurter Friedensschluss<br />
dahin. „Arkona“ befand sich<br />
bei Kriegsausbruch in den Azoren. Eine<br />
französische Fregatte verwickelte sie<br />
gleich in ein Gefecht, das sie überstand,<br />
um dann wegen stürmischer See einem<br />
weiteren Kampf mit einer anderen Fregatte<br />
nach Lissabon ausweichen zu können.<br />
Arg mitgenommen, musste sie dort<br />
ins Dock, wo sie bis Kriegsende blieb. Die<br />
kleine „Meteor“ lag vor Venezuela, als<br />
der Krieg ausbrach. Sie segelte sofort<br />
nach Key West, um Kohlen aufzunehmen<br />
zwecks Heimfahrt. In Havanna stieß sie<br />
auf die französische „Bouvet“. Die spanischen<br />
Behörden teilten mit, dass sie kein<br />
Gefecht in ihren neutralen Hoheitsgewässern<br />
dulden würden. Getrennt fuhren<br />
beide hinaus, um dann auf offener See<br />
den Kampf zu beginnen. „Meteor“ siegte<br />
bei Punkten, musste aber bis Kriegsende<br />
in einer kubanischen Werft verbleiben.<br />
Eine besondere Rolle spielte „Augusta“:<br />
Sie verließ Kiel am 12. Dezember und<br />
sollte jedes feindliche Handelsschiff, das<br />
ihr in den Weg kam, kapern. Hintergrund<br />
war die Meldung, dass Frankreich Waffen<br />
aus den USA und England bezog. Am 4.<br />
Januar beschlagnahmte sie zwei Schiffe<br />
in der Girondemündung, die Getreide<br />
transportierten. Die Prise wurde nach<br />
Kiel dirigiert. Ein Schiff ging allerdings im<br />
Sturm verloren, das andere verblieb dort<br />
bis Kriegsende. Am selben Tag versenkte<br />
sie die „Mars“, die allerdings Waffen an<br />
Bord hatte. Zwecks Versorgung lief sie<br />
dann Vigo an, wo sie von französischen<br />
Schiffen eingeschlossen wurde. Erst bei<br />
Waffenstillstand kam sie wieder frei.<br />
Der Längengrad von Dünkirchen<br />
An dieser Stelle sei anzumerken, dass<br />
dann der Längengrad von Dünkirchen<br />
festgelegt wurde, um bis zum Friedensschluss<br />
die gegnerischen Seestreitkräfte<br />
zu trennen: Westlich davon hatte sich die<br />
französische Marine aufzuhalten, ostwärts<br />
sollten sich die deutschen Schiffe<br />
zurückziehen. Selbige waren zuletzt immer<br />
aggressiver geworden und drohten,<br />
Cherbourg zu beschießen. Trotz allem<br />
wurde keinem deutschen Seemann eine<br />
Kriegsauszeichnung verliehen, wenn<br />
man von den Opfern der „Meteor“ absieht.<br />
Auch dürfte nicht übersehen werden,<br />
dass die französischen Geschwader<br />
mehrmals im Herbst und sogar bis in<br />
den Winter hinein in der Nordsee operierten.<br />
Nachdem immer wieder Truppenteile<br />
aus Norddeutschland an die<br />
Front abgezogen wurden, verblieben zur<br />
Küstensicherung fast ausschließlich Ersatz-Truppenteile<br />
und Seewehrformationen.<br />
An den Küstenbefestigungen wurde<br />
unaufhörlich weitergearbeitet. Nicht von<br />
ungefähr war der Schrecken des Auftauchens<br />
starker Feindverbände der Anlass,<br />
vermehrt nach Kriegsende den Küsten-
48<br />
Swinemünde<br />
schutz zu forcieren und überhaupt ein<br />
Flottenbauprogramm zu intensivieren.<br />
Neue Waffen und Mächte zur See<br />
Es hatte sich eben gerächt, dass Deutschland,<br />
sprich Preußen, sich nie als Seemacht<br />
verstanden hatte. Fast unbemerkt<br />
vollzog sich in der Marinetechnik nach<br />
dem massiven Einsatz von Stahl zur Panzerung<br />
ein Vordringen neuer Kampfmittel<br />
wie des Torpedos und des U-Bootes<br />
als Ausgleich zu den schweren Kalibern<br />
der Schiffsartillerie. Am Rande sei festzuhalten,<br />
dass Dänemark nunmehr seine<br />
Rolle als Seemacht ausgespielt hatte und<br />
keine nennenswerte Flotte als neutraler<br />
Staat mehr unterhielt. Dennoch stand es<br />
in innerer Feindschaft zum neuen deutschen<br />
Reich, hatte es doch substantielle<br />
Gebietsverluste erlitten.<br />
Festung Swinemünde
Von Reinhard Dietrich 49<br />
Massen am Bollener<br />
Badestrand<br />
In den 50er Jahren gab es<br />
in Bollen einen schönen<br />
und viel besuchten Badestrand<br />
Es gab sogar eine DLRG-Ortsgruppe<br />
Uphusen/Bollen, die an der Weser in<br />
einem Turm das Badegeschehen sicherte.<br />
In der Holzbude wurden Süßigkeiten<br />
verkauft. Nach Saisonende<br />
wurden Turm und Bude bei Bormann in<br />
der „Strandhalle“ über den Winter eingelagert<br />
und zu Saisonbeginn wieder<br />
aufgebaut.<br />
Badestrand in Bollen (50er Jahre), Foto: Privatbesitz Rudolf Köhler (Hemelingen)<br />
Am 07.07.1952 berichtete das <strong>Achimer</strong><br />
Kreisblatt von 2 000 Badebesuchern.<br />
Da war ordentlich was los auf<br />
der noch nicht sonderlich gut ausgebauten<br />
Straße von Mahndorf nach Bollen,<br />
der heutigen Bollener Landstraße.<br />
Auch für das Dorf war der Besucheransturm<br />
der Badegäste eine Herausforderung.<br />
Zum Verhältnis: Bollen<br />
hatte am 01.01.1952 317 Einwohner.<br />
Am 25.11.1952 berichtete das <strong>Achimer</strong><br />
Kreisblatt dann erneut: „Die „Höxter“<br />
wird verschrottet. Die „Höxter“ kommt,<br />
die macht ganz hohe Wellen!’ Das war in<br />
den Sommermonaten immer das Signal<br />
für alle ‚Wasserratten’ längs des weiten<br />
Bollener Strandes, sich geschwind in<br />
die Fluten zu stürzen. Der große Heckraddampfer,<br />
der der Bremen-Mindener<br />
Schifffahrts-AG gehörte, machte kürzlich
50<br />
Badestrand in Bollen<br />
seine letzte Talfahrt. In diesen Tagen trat<br />
dieser Güterdampfer, der in der Gegend<br />
von Dresden gebaut wurde und zuletzt<br />
im Besitz des Schiffseigners Albert Diedrichs<br />
aus Oedelsheim war, seine Fahrt<br />
zu einer der vielen Unterweserwerften<br />
an, wo er verschrottet werden soll. Die<br />
„Höxter“ war der letzte Güterdampfer,<br />
der in diesem Jahr noch den Stückgutdienst<br />
auf Weser und Fulda versah.“<br />
Dieser Güter- und Schleppdampfer wurde<br />
1898 auf der Schiffswerft Übigau/<br />
Dresden mit der Baunummer 312 für<br />
die Bremer Schleppschifffahrtsgesellschaft<br />
(gegründet 1886) gebaut. 1939<br />
fusionierte die Bremer Schleppschifffahrtsgesellschaft<br />
mit der Mindener<br />
Schleppschifffahrtsgesellschaft (gegr.<br />
1893) zur Bremen-Mindener Schifffahrts<br />
AG. Hauptsächlich wurden die Heckraddampfer<br />
für den Transport von Eilgütern<br />
eingesetzt, gelegentlich auch als Schlepper<br />
für nicht motorisierte Schleppkähne.<br />
Technische Daten: 45,00 m lang, 6,10 m<br />
breit, Schornsteinhöhe 1,90 m, Tiefgang<br />
1,30 m, 178 t, 120 PS, 50,2 m² Heizfläche.<br />
Man kann sich gut vorstellen, dass dieser<br />
Heckraddampfer für Badespaß entlang<br />
der Weser gesorgt hat.<br />
DLRG-Wachturm und<br />
Verkaufsbude am<br />
Bollener Badestrand<br />
(50er Jahre), Foto:<br />
Privatbesitz Rudolf<br />
Köhler (Hemelingen)<br />
Der Heckraddampfer<br />
„Höxter“ auf einer<br />
Fahrt bergwärts.
Von Christian Kruse 51<br />
Schalt Dein Radio ein !<br />
25 Jahre Bürgerfunk in Achim<br />
Aber sie waren dem Aufruf in einem Zeitungsartikel<br />
gefolgt, der das ansprach,<br />
was sie in ihrer Verschiedenheit einte:<br />
der Traum, eine eigene Radiosendung<br />
gestalten zu dürfen!<br />
Initiator des Treffens war der zu dieser<br />
Zeit in Achim lebende Sozialpädagoge<br />
Martin Peter Busch. Herr Busch strebte<br />
als zusätzlichen Beruf den Medienberater<br />
im Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit<br />
an, und als Diplomarbeit wollte er Menschen<br />
an unterschiedliche Medien heranführen.<br />
Und so wurde die Stadt Achim<br />
ein Bestandteil des noch recht frischen<br />
„Offenen Kanal Umland der Stadt Bremen“.<br />
Ein Verband, der sich zusammensetzt<br />
aus den Medieninitiativen Lilienthal und<br />
Ganderkesee, Stuhr und Delmenhorst.<br />
Die Gründung eines Vereins war eine der<br />
Voraussetzungen dafür, die zum Senden<br />
notwendige Lizenz zu erhalten, die im<br />
Bundesland Niedersachsen von der Landesmedienanstalt<br />
Hannover ausgegeben<br />
wird.<br />
Darüber hinaus sah das Konzept von<br />
Martin Busch einen Videoschnittplatz<br />
vor, der für die Produktion von Fernsehsendungen<br />
genutzt werden konnte. Und<br />
auch der Umgang mit dem zu dieser Zeit<br />
noch relativ neuen Medium Computer<br />
sollte über die Medienwerkstatt vermittelt<br />
werden.<br />
Als Studio war die ehemalige Hausmei-<br />
Wahrscheinlich wären sich diese Menschen<br />
nie begegnet, die im März 1996<br />
im KaSch zusammenfanden und die<br />
Medienwerkstatt Achim und Umzu<br />
gründeten.<br />
sterwohnung in der Grundschule Uesen<br />
vorgesehen; Miete und Nebenkosten<br />
wurden von der Stadt Achim übernommen.<br />
Bevor dort jedoch an einen Sendebetrieb<br />
zu denken war, mussten erst<br />
einmal die Voraussetzungen durch Installation<br />
der technischen Gerätschaften<br />
und Renovierung der Räume geschaffen<br />
werden.<br />
Los ging es mit Vorproduktionen<br />
Und bis dahin hatten die Nutzer (Beteiligung<br />
seitens des weiblichen Geschlechts<br />
gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht)<br />
die Möglichkeit, Sendungen von einer<br />
halben Stunde Länge auf Audiocassette<br />
oder dem damals gängigen Digital Audio<br />
Tape (DAT) vorzuproduzieren. Diese<br />
wurden aus dem Studio in Delmenhorst,<br />
dem Hauptsitz des ‚OK Umland‘, ausgestrahlt.<br />
Während der auf einem analogen Vierspurgerät<br />
erstellte ‚<strong>Achimer</strong> Landfunk‘<br />
eine grenzwertige Hörqualität aufwies,<br />
waren die Vorproduktionen des Gründungsmitglieds<br />
Hartwig Töwe auf radiotauglichem<br />
Standard. Der gebürtige<br />
Kölner hatte sich auf seinem Grundstück<br />
in Verden ein eigenes Tonstudio hergerichtet.<br />
Nicht zuletzt dank der reichlichen Eigeninitiative<br />
der Vereinsmitglieder beim Streichen<br />
und Tapezieren waren die Räume in
52<br />
25 Jahre Bürgerfunk in Achim<br />
der Alten Dorfstraße bereit für den Sendebetrieb.<br />
Und so konnte am <strong>26</strong>. August<br />
1996 das „StattRadio Achim-Verden“<br />
erstmalig live auf Sendung gehen.<br />
Bürgerrundfunk in der BRD – ein<br />
geschichtlicher Rückblick<br />
Bertolt Brecht äußerte in seiner 1932<br />
fertiggestellten Radiotheorie folgende<br />
Überlegung: „Der Rundfunk wäre der<br />
denkbar großartigste Kommunikationsapparat<br />
des öffentlichen Lebens (…)<br />
wenn er verstünde, nicht nur auszusenden,<br />
sondern auch zu empfangen, also<br />
den Zuhörer nicht nur hören, sondern<br />
auch sprechen zu machen und ihn nicht<br />
zu isolieren, sondern ihn auch in Beziehung<br />
zu setzen.“<br />
Diesem Ansinnen Brechts gab im Jahr<br />
1984 die Einrichtung Offener Kanäle die<br />
Möglichkeit, in die Tat umgesetzt zu werden.<br />
Im selben Jahr wurden in der Bundesrepublik<br />
Deutschland private Rundfunk-<br />
und Fernsehsender eingeführt,<br />
deren Hauptziele darin bestanden, Gewinne<br />
zu erwirtschaften und politische<br />
Einflußnahme zu erreichen. Öffentlich<br />
rechtliche Rundfunkveranstalter haben<br />
dagegen frei von staatlichen Einflüssen<br />
zu sein, arbeiten nonkommerziell, und<br />
werden durch Rundfunkgebühren und<br />
Werbeeinnahmen finanziert.<br />
Mittels Offener Kanäle können alle Bürgerinnen<br />
und Bürger das Medium Radio<br />
und Fernsehen nach ihren Vorstellungen<br />
nutzen. Hierbei werden sie von Fachleuten<br />
(Medienassistenten) unterstützt,<br />
ohne manipuliert oder bevormundet zu<br />
werden. Allein die Verbreitung von menschenfeindlichen<br />
und gewaltverherrlichenden<br />
Inhalten ist untersagt, sowie<br />
Produkt- und Parteiwerbung. Als erster<br />
Offener Kanal ging am 1. Januar 1984<br />
Ludwigshafen am Rhein auf Sendung.<br />
Bremen hat seit August 1992 einen Offenen<br />
Kanal Fernsehen, im Februar 1994<br />
kam ein Hörfunkprogramm hinzu. In<br />
Niedersachsen fiel der Startschuss für<br />
Offene Kanäle 1993.<br />
Als eine Art Vorläufer der Offenen Kanäle<br />
werden gern die so genannten „Piratensender“<br />
bezeichnet, die „schwarz“, also<br />
ohne Sendelizenz, ausgestrahlt haben.<br />
Der Begriff bezieht sich auf den wohl bekanntesten<br />
Piratensender ‚Radio Caroline‘,<br />
der in den sechziger Jahren von einem<br />
Schiff außerhalb der Hoheitsgewässer<br />
vor der britischen Küste sendete.<br />
Als ein „Freies Radio“ bezeichnete sich<br />
das Projekt Radio Dreyeckland, welches<br />
1977 gegründet wurde aus dem Widerstand<br />
gegen die in der Senderegion befindlichen<br />
AKW.<br />
Starke Präsenz des <strong>Achimer</strong> Studios<br />
An den Pfingsttagen 1997 wurde der interessierten<br />
Hörerschaft ein 29-stündiges<br />
Dauerprogramm geboten. Initiator<br />
dieser Mammut- Sondersendung<br />
war Joachim Killenberg, der mit seiner<br />
Clubshow bis heute das neueste aus der<br />
House- und Technoszene über den Äther<br />
schickt. „DJ Killi“ durfte bereits zu seiner<br />
Studienzeit 1977 Studioluft schnuppern,<br />
als er bei Radio Bremen Hansawelle<br />
Platten von New wave- und Punkbands<br />
auflegte.<br />
Damit das Umschalten zwischen den<br />
zum Bürgerfunk Bremer Umland gehörenden<br />
Radiostudios Steinkimmen,<br />
Ganderkesee, Delmenhorst und Achim<br />
störungsfrei verlief, hatte der damalige<br />
Medienassistent Siegfried Becker die<br />
Sendekoordination übernommen. Bei<br />
Herrn Becker bekamen die zukünftigen<br />
Radiomoderatoren auch ihre Studioein-
Von Christian Kruse 53<br />
weisung und hilfreiche Ratschläge für<br />
die Gestaltung ihrer Produktionen.<br />
Am 28.11.98 wurde ein komplettes Hörfunkstudio<br />
in der Marktpassage aufgebaut<br />
und von dort live gesendet. Neben<br />
Musik aus der Konserve gab es einen<br />
Auftritt des Jugendchores Poco mit Band<br />
zu erleben.<br />
Auch Kommunalpolitiker kamen im <strong>Achimer</strong><br />
Sender zu Wort, dies beispielsweise<br />
bei einer Podiumsdiskussion zum Thema<br />
Bildungspolitik im Zuge der Landtagswahlen<br />
1998. Moderiert wurde die<br />
Veranstaltung von Martin Busch; für die<br />
Übertragung aus dem KASCH waren die<br />
Medienwerkstattmitglieder Jürgen Knocke,<br />
Sascha Masemann und Hermann<br />
Hemmen an den Reglern des Mischpultes<br />
tätig.<br />
Der Ende 1997 zur Medienwerkstatt gekommene<br />
Hermann Hemmen ermöglichte<br />
es Menschen, Radiosendungen zu<br />
machen, bei denen sich kein Bürgerfunkstudio<br />
in der Nähe befand. Kurzerhand<br />
lud er ein mobiles Studio in sein Auto<br />
und begab sich zu ihnen. So auch nach<br />
Bomlitz im Heidekreis, wo er aus dem<br />
Gemeinschaftshaus eine Sendung fuhr,<br />
bei der Sozialarbeiter, Polizei, Geistliche<br />
und Betroffene über häusliche Gewalt<br />
berichteten.<br />
Voraussetzung für eine Liveübertragung<br />
ist ein ISDN-Anschluss vor Ort, über den<br />
sich mit einem Musiktaxi eingewählt<br />
werden kann.<br />
Bei der Technik unterstützt wurde der<br />
aus den Niederlanden stammende Hemmen<br />
oftmals von Lars Sinda, der zu dieser<br />
Zeit zusammen mit seinem Schulkollegen<br />
Martin Baucke mit einer eigenen<br />
Radiosendung, der FunBoxx, zu hören<br />
gewesen ist. Lars Sinda, der damals<br />
über eine Zeitungsanzeige auf das Bürgerradio<br />
aufmerksam wurde, legt ab und<br />
an als DJ Yety im Dröönläänd House und<br />
Techno auf.<br />
Besonders viel Spass hatten die Produzenten<br />
der Sendung über den Mittelaltermarkt<br />
am 16. und 17. Juni 2001 im Kurpark<br />
der gerade zum Bad ernannten Stadt<br />
Fallingbostel. Zwei Tage lang zeichneten<br />
Hermann Hemmen, Lars Sinda und C.C.<br />
Kruse Originaltöne und Interviews auf,<br />
mischten sie mit passender Musik, und<br />
schickten diese Vorproduktion ein paar<br />
Tage später über den Sender. Die Stadt<br />
Bad Fallingbostel bedankte sich bei den<br />
drei Produzenten mit einem Essen, zu<br />
dem sie von der Gleichstellungsbeauftragten<br />
der Stadt begleitet wurden.<br />
Am 02. April 2005 war das StattRadio an<br />
der Gestaltung des Aktionstages „Verden<br />
ist bunt“ beteiligt, einer Gegenveranstaltung<br />
zu dem an diesem Tag stattfindenden<br />
NPD-Aufmarsch. Während auf<br />
dem Bahnhofsvorplatz die altbekannten<br />
stumpfsinnigen Parolen zu hören waren,<br />
bekamen die rund 5000 BesucherInnen<br />
in der Innenstadt ein vielseitiges Programm<br />
dargeboten, untermalt mit passender<br />
Musik von den Radiomachern.<br />
Illustre Gäste im Radio<br />
Die Geschichten von den Westerwiesen<br />
hieß ein Musikmärchen, welches mit<br />
Hartwig Töwe als Erzähler in Zusammenarbeit<br />
mit Richard Maaß und seinem<br />
Western Meadows Electric Orchestra im<br />
Stadtmagazin Verden als Vorproduktion<br />
aus Achim gesendet wurde.<br />
Lokale Projekte wie das Ökozentrum Verden,<br />
aber auch Musiker speziell aus der<br />
Richtung Blues wurden im „Kulturplatz“<br />
bei Thomas Meyer vorgestellt. Hermann<br />
Hemmen diskutierte in seiner Sendung<br />
„Achim am Abend“ mit im Studio anwesenden<br />
Ärzten über Organtransplantation.
54<br />
25 Jahre Bürgerfunk in Achim<br />
Vornehmlich Angehörige der „schreibenden<br />
Zunft“ waren bei C.C. Kruse in seiner<br />
„Factory27-Underground-Show“ zu Gast,<br />
aber es wurden dort auch Interviews<br />
geführt mit dem ehemaligen „Prinzen“-<br />
Sänger Sebastian Krumbiegel, der über<br />
sein Projekt mit geflüchteten Menschen<br />
berichten konnte, oder der Heavy Metal-Sängerin<br />
Doro Pesch, die ihre von<br />
der Tierschutzorganisation unterstützte<br />
„Lack-statt-Leder“-Kampagne bewarb<br />
(und nebenbei auch ihr neues Album).<br />
Aber auch ein anderes Klientel waren<br />
gern in das Studio geladene Gäste:<br />
BewohnerInnen der Stiftung Waldheim<br />
durften gemeinsam mit den Moderatoren<br />
Sendungen fahren und ihre Lieblings-CD´s<br />
mitbringen.<br />
Der Umzug in die Fußgängerzone<br />
Hermann Hemmen u. Christian C. Kruse<br />
im Studio.<br />
Im April 2008 erfolgte der Zusammenschluss<br />
der vier Sendeanstalten Bürgerrundfunk<br />
Bremen, Bürgerfunk Bremer<br />
Umland, Bürgerrundfunk Bremerhaven<br />
sowie Bürgerrundfunk Wesermündung<br />
e.V. zu Radio Weser TV.<br />
Unter diesem Namen kann das <strong>Achimer</strong><br />
Studio nun sein 25jähriges Bestehen feiern;<br />
seit dem 8. Mai 2018 ist es in der<br />
Heilbronnstraße in den Räumlichkeiten<br />
des früher dort ansässigen Schokolädchens<br />
zu finden. Und von dort aus senden<br />
live neben vielen anderen NutzerInnen<br />
die Herren Burkhard Kirschner<br />
und Jörg Schrickel ihre Oldiesendung<br />
„Flashback“, Thomas Tangemann und<br />
Sonja Labrenz stellen im „Radio Wellenwahn“<br />
Neuerscheinungen aus dem Independentbereich<br />
vor.<br />
Anfang 2018 wurde von Wolfgang Mindermann<br />
die Sendung „der Spaziergang“<br />
ins Leben gerufen. Unterstützt wird er<br />
von einem Team radiobegeisterter Menschen<br />
wie dem Geschichtswerkstattmitglied<br />
Hartmut Bleckwenn, und Sibylle<br />
Boysen, „die mit ihrem Knowhow dazu<br />
beiträgt, dass die einzelnen Beiträge in<br />
sendefähigem Zustand fristgerecht dem<br />
Sender geliefert werden“, so ist auf der<br />
Homepage derspaziergang.de zu lesen.<br />
Viel Interessantes gibt es also auf diesem<br />
kleinen Sender zu entdecken.<br />
Zu empfangen ist das Programm auf der<br />
UKW-Frequenz 92,5 MHz, oder im Internet<br />
über radioweser.tv, auf der auch das<br />
jeweils aktuelle Programm nachzulesen<br />
ist.<br />
Anmerkung: Die Sendungen von Hermann<br />
Hemmen sind auf CD gebrannt im<br />
Stadtarchiv gelagert, eine Auswahl von<br />
C.C. Kruses Factory27-Undergroundshow<br />
ist auf MP3 im Archiv der Schülerund<br />
Szenezeitschriften zu finden.<br />
Christian C. Kruse<br />
Quellen:<br />
Wikipedia<br />
Offene Kanäle: Ein idealer Ort der Partizipation<br />
und aktiven interkulturellen<br />
Medienarbeit? Hausarbeit von Theresa<br />
Riemer, 2012 <strong>Achimer</strong> Kreisblatt, <strong>Achimer</strong><br />
Kurier<br />
Gespräche mit ehemaligen Nutzern<br />
eigene Erinnerungen
Von Manfred Brodt 55<br />
<strong>Achimer</strong> raus,<br />
Briten rein!<br />
Die Auseinandersetzungen<br />
um die Beschlagnahmung<br />
von Häusern.<br />
Erfolgreicher Widerstand<br />
Das Casino „The Bridgers Arms“, die frühere<br />
Odeon-Gaststätte in der Obernstraße.<br />
Dies waren jedoch recht kurzfristige<br />
Aktionen, die schon 1945 und spätestens<br />
1946 wieder aufgehoben wurden.<br />
Die letzten 15 Immobilien wurden im<br />
Oktober 46 und weitere sechs im November<br />
1946 wieder freigegeben. Die<br />
frühere Odeon-Gaststätte in der Obernstraße<br />
und der heutigen Fußgängerzone<br />
diente in den ersten Nachkriegsjahren<br />
als Casino für die unteren Offiziersränge<br />
der Engländer und trug den Namen „The<br />
Bridgers Arms“.<br />
Überraschender aber ist, dass die Briten<br />
auch sechs Jahre nach Kriegsende deutsche<br />
Häuser beschlagnahmen wollten,<br />
was zu heftigen Auseinandersetzungen<br />
in der Region geführt hat.<br />
Familien droht Obdachlosigkeit<br />
Es war 1950 vier Tage vor Weihnachten,<br />
als die englische Beschlagnahmekommission<br />
unterwegs war und 24<br />
Wohnungen beschlagnahmen wollte.<br />
Dass die Siegermächte des Zweiten<br />
Weltkrieges, so auch die Besatzungsmacht<br />
England in unseren Breiten, nach<br />
der Niederlage Deutschlands hier Häuser<br />
besetzten, kann nicht überraschen.<br />
Ab Juni 1945 nahmen so die Engländer<br />
Besitz von <strong>Achimer</strong> Häusern, unter anderem<br />
in der Unterstraße, Bahnhofstraße,<br />
Pavillonstraße, Obernstraße,<br />
Zimmerplatz, Allerstraße und Embser<br />
Landstraße. Auch die Hotels „Gieschens“<br />
und „Drei Kronen“ sowie das Finanzamt<br />
gehörten dazu.<br />
Ein englischer Offizier betrat das <strong>Achimer</strong><br />
Rathaus, legte eine Verfügung auf<br />
den Tisch zur Beschlagnahme von zwölf<br />
<strong>Achimer</strong> Wohnungen und bat um Anerkennung,<br />
was prompt abgelehnt wurde,<br />
weil dann 31 <strong>Achimer</strong> Familien obdachlos<br />
geworden wären. Die Stadt bot stattdessen<br />
ein altes Gebäude, das Wolfsche,<br />
und ein Feuerwehrhaus im Öllager an,<br />
was wiederum die Briten nicht akzeptierten.<br />
Der Oberkreisdirektor teilte mit,<br />
dass die Briten mit einem solchen Ersuchen<br />
auch nach Verden gekommen<br />
seien. Der Kreis und die Stadt antworteten<br />
jedoch, die Briten sollten in England<br />
bleiben, bis Ende Juni 1951 Neubauten<br />
für sie in Verden errichtet seien. In Achim<br />
befand der Gemeinderat einmütig,<br />
dass die Beschlagnahmeverfügung für<br />
zwölf Häuser abgelehnt werde, weil dann<br />
31 Famiien und 75 Personen ausquartiert<br />
werden müssten. Die Stadt könne<br />
wegen einer Überbelegung von Wohnungen<br />
mit Flüchtlingen, Evakuierten,
56<br />
<strong>Achimer</strong> raus, Briten rein!<br />
Spätheimkehrern und anderen keinen<br />
Ersatzwohnraum für diese Ausquartierten<br />
zur Verfügung stellen. 400 Familien<br />
in Achim suchten schon eine Wohnung,<br />
davon 110 in der Dringlichkeitsstufe. Die<br />
Stadt schickte den Vertrag an den British<br />
Resident Officer Verden-Rotenburg<br />
zur Besetzung der <strong>Achimer</strong> Häuser zum<br />
15. Januar 1951 zurück. Insgeheim hatte<br />
sie aber auch einen Plan B beschlossen,<br />
falls die Briten sich durchsetzen sollten.<br />
Alle deutsche Stellen verweigern sich<br />
Zunächst aber verweigerten alle Stellen<br />
des Kreises, der Städte und Gemeinden<br />
jegliche Kooperation mit den Briten in<br />
dieser Frage. In Verden hatten die Briten<br />
gleich 50 Wohnungen ins Auge gefasst.<br />
Der Kreistag lehnte im November 1950<br />
einstimmig ab und verweigerte auch<br />
seine Mitarbeit in einer Kommission zur<br />
Beschlagnahmung - vier Briten und ein<br />
Deutscher in der Kommission- , da die<br />
Beschlagnahme fünf Jahre nach Einstellung<br />
der Feindseeligkeiten rechtswidrig<br />
und nicht durchführbar sei.<br />
Der Haus- und Grundeigentümerverein<br />
protestierte. So klagte der britische Resident<br />
am 29. Dezember 1950: „ Wie Sie<br />
wissen, mussten wir die Beschlagnahme<br />
von Häusern für die Familien britischer<br />
Offiziere, die von einem anderen Ort im<br />
Lande Niedersachsen nach dem Kreis<br />
Verden kamen, entwerfen, ohne dass<br />
irgendwelche Informationen von deutschen<br />
Stellen geliefert wurden. Als Ergebnis<br />
wurden einige Häuser gewählt,<br />
die nicht gewählt worden wären, wenn<br />
der britische Ausschuss die Verhältnisse<br />
gekannt hätte.“ Fünf Häuser in der<br />
Embser Landstraße, Osmersstraße und<br />
Goethestraße wurden so wieder ausgenommen,<br />
weil in einem zum Beispiel<br />
zehn Flüchtlinge untergebracht waren.<br />
Eine Geste der Briten, „damit ein Mini-<br />
Ein Foto der britischen Besatzungstruppe auf dem Hof der Schule am Markt<br />
(heute „GAMMA“) aus der unmittelbaren Nachkriegszeit (1946).
Von Manfred Brodt 57<br />
mum an Verdruß entsteht.“ Der Offizier<br />
bat den Stadtdirektor, dafür fünf andere<br />
Häuser als Ersatz zu nennen, doch<br />
der lehnte ab, da er an den Stadtratsbeschluss<br />
gebunden sei. So wählte der<br />
britische Offizier selbst zwölf Häuser<br />
mit 50 Wohnungen aus in der Feldstraße,<br />
An der Eisenbahn, Lous-Otten-Straße,<br />
Borsteler Landstraße, Goethestraße<br />
und in der Bergstraße sowie zwei Hotels<br />
und zwei Häuser in Uesen und Baden,<br />
die bis zum 15. Januar, 9 Uhr, beschlagnahmt<br />
werden sollten. In Verden betraf<br />
es 58 Häuser mit 120 Wohnungen und<br />
87 Familien. Im November 1950 wurde<br />
bekannt, dass noch einmal 50 Häuser im<br />
Kreis dazukommen sollten. Der britische<br />
Major ließ die Stadt Achim wissen, sollten<br />
die Eigentümer und Bewohner Beschwerden<br />
haben, sollten sie sich an die<br />
nicht kooperierende Stadt wenden. Die<br />
oder die Bewohner sollten dann Alternativen<br />
nennen. Doch kein Eigentümer<br />
unterschrieb die entsprechenden Verfügungen.<br />
Die Stadt schickte sie zurück<br />
und verweigerte sich auch sonst völlig.<br />
Befehl der Besatzungsmacht<br />
Das ließ sich der britische Resident Verden-Rotenburg<br />
nicht bieten und schrieb<br />
zurück: „Ich sende hiermit die Verträge<br />
zurück und muss betonen, dass die Forderungen,<br />
die darin enthalten sind, als<br />
ein Befehl unter der Geltung des Besatzungsstatuts<br />
erlassen sind.“<br />
Ministerpräsident Kopf hatte versucht,<br />
auf Landesebene zu vermitteln, doch<br />
erfolglos. Auch das Schreiben des Beauftragten<br />
des Bundeskanzlers für<br />
die Zusammenarbeit mit den Alliierten,<br />
nach dem er Neubauten statt Räumungen<br />
befürworte, brachte keine Lösung.<br />
Der Oberkreisdirektor warnte<br />
öffentlich, dass die britischen Anordnungen<br />
vor Weihnachten große Empörung<br />
in der Bevölkerung ausgelöst<br />
hätten und zu Unruhen führen könnten.<br />
Widerspricht dem Völkerrecht<br />
Inzwischen hatte sich eine Interessengemeinschaft<br />
der Beschlagnahmebetroffenen<br />
in Stadt und Kreis Verden gegründet,<br />
die ein mehrseitiges Protestschreiben<br />
publizierte und ihren Protest auch juristisch<br />
unterfütterte mit einem Gutachten<br />
des Hamburger Völkerrechtlers Lau. Der<br />
argumentierte, die bedingungslose Kapitulation<br />
Deutschlands durch General<br />
Dönitz habe das Ende der Kriegshandlungen,<br />
die Entwaffnung der deutschen<br />
Armee beinhaltet, aber keine Ermächtigung,<br />
die deutsche Bevölkerung und<br />
die deutschen Zivilbehörden unter militärische<br />
Befehle zu stellen. Dazu bedürfe<br />
es eines völkerechtlichen Vertrages.<br />
„ Aber keiner dieser Staaten, auch alle<br />
vier zusammen nicht, sind Gesetzgeber<br />
des allgemeinen Völkerrechts“, schrieb<br />
der Völkerrechter den vier Alliierten<br />
USA, England, Frankreich, Sowjetunion<br />
ins Stammbuch. Alle Bedingungen der<br />
Kapitulation wie Beendigung der Kriegshandlungen<br />
und Entwaffnung seien erfüllt.<br />
Somit gebe es keine Rechtsgrundlage<br />
zur Besetzung von Wohnungen der<br />
Deutschen, die nicht mehr kämpften.<br />
Dafür existierten auch keine miltärsche<br />
Notwendigkeiten. Es gehe doch nur um<br />
Truppenverschiebungen gen Osten. Das<br />
rechtfertige nicht, Deutschen die Wohnungen<br />
zu nehmen, schon gar nicht Familien.<br />
Die Notgemeinschaft fügte an,<br />
auch nach der Haager Landkriegsordnung<br />
seien Rechte und Ehre von Familien<br />
geschützt. Die Mitglieder der Notgemeinschaft<br />
fühlten sich im Übrigen nicht
58<br />
<strong>Achimer</strong> raus, Briten rein!<br />
verständlich erscheinen, dass fünf Jahre<br />
nach dem Kriege Engländer es ablehnen,<br />
mit deutschen Familien, die sie als Gäste<br />
aufnehmen wollen, zusammenzuleben.“<br />
Der CDU-Bundestagsabgeordnete von<br />
Merkatz telegrafierte, die Räumungen<br />
der Häuser seien vom 15. Januar auf den<br />
22. März verschoben worden, doch das<br />
dementierte der britische Landeskommissar<br />
für Niedersachsen. Man verhandle<br />
und müsse abwarten. Bekannt wird, dass<br />
in Verden die Hotels „Viktoria“, „Hannoverscher<br />
Hof“ und „Niedersachsen“ vorgesehen<br />
waren.<br />
Auch Notgemeinschaft ist zufrieden<br />
Roy Smith<br />
Kraftfahrer einer Pioniereinheit<br />
als Bürger eines besetzten Landes, sondern<br />
als Europäer. Die Europäer müssten<br />
doch zusammenarbeiten, wo der<br />
Bolschewismus an die Tür klopfe. Die<br />
Notgemeinschaft bot sogar britischen<br />
Offizieren an, als Quartiergäste hier zu<br />
wohnen, da man keine Zuspitzung der<br />
Situation wollte.<br />
Bundesweite Europademonstration<br />
In Verden kam es zu einer großen bundesweiten<br />
Demonstration der Jugend<br />
der Europa Union. Überall wehten in der<br />
Domstadt Euopafahnen und waren entsprechende<br />
Aufkleber zu sehen. Die Europajugend<br />
stellte fest : „Es will uns un-<br />
Am 19. Januar kommt es dann nach Verhandlungen<br />
der höchsten deutschen und<br />
britischen Stellen tatsächlich zu einer Einigung:<br />
Bis auf die fünf Verdener Häuser<br />
in der Dekanei, Hannoverscher Hof, Hotel<br />
Viktoria ud Niedersachsen Hof werden<br />
alle Häuser in Verden, Achim, Uesen und<br />
Baden freigegeben. Sobald die 108 neuen<br />
Wohnungen in Verden fertig werden,<br />
können auch in die genannten Verdener<br />
Häuser und Hotels wieder Deutsche einkehren.<br />
Am Verhandlungstisch saß auch<br />
die Notgemeinschaft der Beschlagnahmebetroffenen,<br />
und auch sie war mit<br />
dem Ergebnis hochzufrieden.<br />
Die Einheimischen hatten sich sechs<br />
Jahre nach Kriegsende nicht einfach<br />
als Bürger eines besetzten Landes<br />
behandeln lassen, wehrten sich<br />
mit demokratischen Mitteln plus zivilem<br />
Ungehorsam und hatten Erfolg!<br />
Quellen: Protokolle des <strong>Achimer</strong> Stadtrats,<br />
Stadtarchiv, <strong>Achimer</strong> Kreisblatt sowie<br />
Informationen und Archivfotos von<br />
Günter Schnakenberg.
Von Friedrich Priehs 59<br />
Ein einmaliges Exemplar<br />
Wie MAN den Motor der<br />
Badener Mühle entdeckte<br />
Bis zum Jahr 1928 lief der von MAN 1904<br />
gebaute Einzylinder-Dieselmotor zur<br />
Stromerzeugung in der Gemeinde Asendorf.<br />
Diesen Motor kaufte dann der Badener<br />
Müller Hermann Wilkens als Antrieb<br />
für seine Mühle in Baden. In mehreren<br />
aufwendigen Transporten wurde die zunächst<br />
per Bahn nach Achim verladene<br />
und in Teilen zerlegte große Anlage von<br />
Hermann Wilkens abgeholt. Zusammen<br />
mit seinem Vater, Johann Wilkens (dem<br />
Großvater des heutigen Mühlenbesitzers)<br />
wurden die schweren Teile vor Ort<br />
wieder aufgebaut. Jahrzehntelang diente<br />
dieser Einzylinder-Diesel-Motor als leistungsfähiger<br />
Antrieb der Mühle bis zum<br />
Ausbruch des Krieges.<br />
Vor dem Krieg war Hermann Wilkens bei<br />
der Rolandmühle in Bremen als Müller<br />
beschäftigt. Während der Kriegsjahre<br />
ruhte der Mühlenbetrieb in Baden, da<br />
das Pferdegespann abgegeben werden<br />
musste und Hermann Wilkens als Soldat<br />
eingezogen wurde. Dazu ist zu bemerken,<br />
dass die Familie während der<br />
Kriegsjahre und auch noch danach bis<br />
1948 von der Bremer Rolandmühle gut<br />
unterstützt wurde, um über die Runden<br />
zu kommen. Familie Wilkens hat der Rolandmühle<br />
daher viel zu verdanken und<br />
hat mit diesem Unternehmen noch etliche<br />
Jahre eine gute Geschäftverbindung<br />
gepflegt.<br />
Zu unserem Artikel im Heft 25 der <strong>Achimer</strong><br />
<strong>Geschichtsheft</strong>e über die Badener<br />
Dampfmühle liefert uns Friedrich<br />
Priehs aus Baden noch eine Hintergrundgeschichte:<br />
Als Hermann Wilkens nach dem Krieg<br />
1948 endlich aus der Gefangenschaft<br />
zurückgekehrt war, bat er seinen Sohn<br />
Johann Wilkens jun. um Mithilfe im Familienbetrieb.<br />
Der Großvater war bereits<br />
im Jahr 1945 verstorben. Johann Wilkens<br />
jun, wollte eigentlich nach Beendigung<br />
der Schule KfZ-Mechaniker werden,<br />
denn die Technik begeisterte ihn.<br />
Stattdessen trat er jedoch im Jahr 1951<br />
bei seinem Vater eine Lehre zum Müller<br />
an und unterstützte später den Familienbetrieb<br />
in Baden.<br />
Die Mühle in Baden war in diesen<br />
schweren Nachkriegsjahren noch nicht<br />
ganz ausgelastet. Johann Wilkens jun.<br />
ergriff als „Technikfreak“ die Gelegenheit,<br />
um bei dem LKW- und MAN-Großhändler<br />
Tiemann in Bremen auszuhelfen.<br />
Über diese Firma hatten die Badener<br />
Müller zwischenzeitlich auch einen MAN-<br />
Trecker für den Transport und die Auslieferungen<br />
von Getreide, Mehl und Hüh-
60<br />
Ein einmaliges Exemplar<br />
nerfutter erworben. Heute ein mit vielen<br />
Kilometern gelaufener und noch vorhandener<br />
Oldtimer im Familienbesitz. Johann<br />
Wilkens jun. besaß bereits den entsprechenden<br />
Führerschein und wurde<br />
folglich unter anderem zur Abholung und<br />
Überführung von neuen Lastkraftwagen<br />
aus dem Werk in München/Karlsfeld<br />
beauftragt. Bei solch einer LKW-Werksabholung<br />
für den Großhändler Tiemann<br />
kam es in München/Karlsfeld Ende der<br />
70er Jahre zu einer bemerkenswerten<br />
Begegnung.<br />
Wilkens mussste dort im Büro noch auf<br />
die notwendigen Papiere warten und<br />
schaute sich dabei sehr interessiert ein<br />
großes Plakat an, auf dem ein MAN-<br />
Einzylinder-Diesel-Motor abgebildet<br />
war. Auf sein Interesse hin angesprochen,<br />
antwortete Wilkens jun: „Genau<br />
den gleichen Motor haben wir bei uns in<br />
der Badener Mühle im Einsatz!“ Diese<br />
Äußerung löste im Moment etwas Verwunderung<br />
und leichte Zweifel bei den<br />
Mitarbeitern aus, und sie stellten weitere<br />
Fragen zum Motor. Am nächsten<br />
Tag lieferte Johann Wilkens jun. den<br />
LKW bei Tiemann in Bremen nach langer<br />
Überführungsfahrt ab. Dort wurde<br />
er zum Chef zitiert, der ihn fragte: „Herr<br />
Wilkens, was war denn gestern im MAN-<br />
Werk los?“ Wilkens antwortete: „Nichts<br />
Besonders.“ „Nun erzählen Sie doch einmal,<br />
was hatte das mit dem abgebildeten<br />
Dieselmotor auf sich?“, fragte der Chef<br />
weiter. „Ach so, das meinen Sie“. antwortete<br />
Wilkens. „Ich habe lediglich festgestellt<br />
und dort gesagt, dass wir exakt den<br />
gleichen Motor bei uns im Betrieb laufen<br />
haben, wie er dort abgebildet war.“ Der<br />
Chef fuhr dann ein wenig erstaunt und<br />
entrüstet fort: „Und das wissen wir hier<br />
nicht ?“- „Das hätten Sie uns doch sagen<br />
müssen!“ Somit nahm die Geschichte ihren<br />
Lauf. Bei MAN hatte man bemerkt,<br />
dass genau dieser Motor in deren historischer<br />
Werkssammlung noch fehlte<br />
und wohl nur noch als einziges Exemplar<br />
vorhanden war. Wie aus dem heiteren<br />
Himmel meldete sich bei Müller Wilkens<br />
völlig überraschend das MAN-Museum<br />
aus Augsburg und interessierte sich für<br />
den MAN-Diesel-Motor. Das Angebot aus<br />
Augsburg bestand darin, das Einzelstück<br />
im Werksmuseum auszustellen, und<br />
die gesamte Familie Wilkens nebst Kindern<br />
würden lebenslang freien Eintritt<br />
zum Museum erhalten. Dieses Angebot<br />
erschien den Badener Besitzern doch etwas<br />
dürftig.<br />
Es verging wiederum einige Zeit, bis<br />
sich Vertreter der Firma MAN aus München<br />
meldeten und sich nun auch für<br />
den Einzylinder lebhaft interessierten.<br />
Der Kontakt ging lange Zeit hin und her,<br />
und schließlich reiste eine dreiköpfige<br />
Delegation per Flieger von München<br />
nach Bremen an, um dann in Baden das<br />
ersehnte, letzte komplett funktionierende<br />
Exemplar, das derzeit im MAN -<br />
Werk gebaut wurde, in Augenschein zu<br />
nehmen. Nach mehreren Verhandlungsrunden<br />
unterbreitete MAN der Familie<br />
Müller Wilkens im Oktober 2020 ein ordentliches<br />
Angebot mit Übernahme der<br />
Kosten für die Demontage einschließlich<br />
der erforderlichen Öffnung des Daches<br />
und den Transport.<br />
Im ausführlichen und bebilderten Bericht<br />
von Werner Esdohr sind die aufwendigen,<br />
sich über mehrere Wochen hinziehenden<br />
Abbauarbeiten mit fachkundiger Unterstützung<br />
von Johann Wilkens jun. und<br />
einem ehemaligen MAN-Ingenieur ausführlich<br />
beschrieben. Diese Hintergrundgeschichte<br />
wurde dem Verfasser von Johann<br />
Wilkens jun. mündlich vorgetragen<br />
und zur Veröffentlichung freigegeben.
Von Gisela Ahnert 61<br />
Dieses fremdartige<br />
Unbekannte<br />
Rückblick und<br />
Ausblick nach den<br />
Corona-Jahren 2020 und 2021<br />
Auf das Jahr 2020 und auch 2021<br />
werden wir noch `ne zeitlang zurückblicken,<br />
denn das alles kam so<br />
plötzlich auf uns Menschen hernieder,<br />
womit niemand rechnen konnte.<br />
Wahrhaftig keiner war darauf vorbereitet.<br />
Es traf uns schlagartig, dieses fremdartige<br />
Unbekannte. Aber wie ist es zu bezwingen?<br />
Darüber rätselt die Menschheit.<br />
Wir haben doch eigentlich in Jahrzehnten<br />
ziemlich viel geschaffen, bewältigen<br />
können. Warum blicken<br />
wir auf einmal ins Ungewisse? Wer<br />
bürdet uns diese Last auf, die nun<br />
schon über Monate mit zu tragen ist?<br />
Von Woche zu Woche, von einem Tag<br />
auf den anderen immerzu beunruhigende<br />
Nachrichten in der Presse.<br />
Das bisher bekannte Problem trifft<br />
weltweit auf die Bevölkerung herein<br />
– und wo liegt die Lösung dieses Unheils,<br />
erreichbar, parat, wohl kaum.<br />
Ab wann können wir die hereingebrochene<br />
Pandemie als besiegt betrachten?<br />
Wie verkraftet ein einzelner Bürger die<br />
neu angeordnete Lebensweise? Was ist<br />
noch erlaubt und was gilt es zu beach-
62<br />
Dieses fremdartige Unbekannte<br />
ten: strenge Regeln sind einzuhalten?<br />
Wie soll man mit dem Ungewohnten umgehen<br />
– ein langer Lernprozess bahnte<br />
sich an. Ob als Privatmensch, Künstler,<br />
Geschäftsmann, Ladenbesitzer, Kulturschaffender,<br />
Einzelhandel, Frisör und<br />
Fotoläden – ein jeder sollte sich verantwortlich<br />
fühlen und die Vorgaben erfüllen.<br />
Schließung von Restaurants und Absagen<br />
von Veranstaltungen. Aber welche<br />
Möglichkeiten bestehen noch, um das<br />
Geschäftliche am Laufen halten zu können<br />
und zwar ab nun eben ganz anders,<br />
nach Richtlinien der neuen Auflagen?<br />
Noch wird erforscht, zum Schutz das<br />
passende Serum zu entwickeln/finden.<br />
Ist aber in der Erprobungsphase.<br />
Wie sah bislang der Übergang zum Jahreswechsel<br />
aus, wurde wie gehalten? Allgemein<br />
gesehen wird das neue Jahr immer<br />
freudigst begrüßt mit Wünschen für Verbesserung,<br />
für Gesundheit und Frieden.<br />
Jeder Monat hatte so seine Tücken (aufgebrummte<br />
Auflagen für zu erfüllende<br />
Vorschriften und Regeln betr. Hygiene,<br />
Abstand halten, Schutzmasken tragen,<br />
Einschränkungen bei der Kontaktpflege,<br />
Reisebeschränkungen, Ausgangsverbot,<br />
die Coronaverordnungen durchkreuzten<br />
sämtliche Vorhaben/Pläne.<br />
Pandemie<br />
Pandemie = Epidemie größeren Ausmaßes,<br />
allgemeine Verbreitung über<br />
mehrere Länder ausbreitende Seuche.<br />
Und trotz der stets lauernden Corona<br />
- Einschränkungen sollten alle zuversichtlich<br />
bleiben. Das sonst gewohnte<br />
unbeschwerte Leben ist und so peu a peu<br />
abhanden gekommen.<br />
Mit Corona leben heißt, unerwartet<br />
brockenweise Neuigkeiten zu verdauen.<br />
Dürfen keinesfalls ignoriert werden.<br />
Vor allem, was vermissen wir bis jetzt<br />
schon, Besuche von Verwandten/Angehörigen,<br />
Plauderstündchen mit Nachbarn<br />
und Freunden, herzliche Begrüßungen,<br />
Berührungen, Vereinstreffen, Kirchgang.<br />
Eben das ganz normale Leben wünschen<br />
wir zurück.<br />
Und nicht das zurzeit herrschende<br />
Ausweichen. Im zurückgezogenen<br />
Kämmerlein abwarten und sehen,<br />
was daraus wird, die Ruhe bewahren.<br />
Das Einhalten aller auferlegten Regeln<br />
gilt es unbedingt zu beachten und<br />
das Durchhalten sei zu empfehlen.<br />
Verzicht worauf – auf ganz langer Linie<br />
wurde uns Bürgern auferlegt. Wie<br />
fühlt es sich das Verzichtenmüssen an?<br />
Wie kam es in der Bevölkerung an?<br />
Es war allerorts merklich zu spüren.<br />
Uns wurde die Freizeit vergällt.<br />
Was sichtbar schien, keinem konnte man<br />
mehr ein Lächeln entlocken. Und ein<br />
herzhaftes Lachen ist einem sowieso vergangen,<br />
irgendwie abhanden gekommen.<br />
Wer schaut überhaupt noch fröhlich drein?<br />
Freundliche Begrüßungen etwa, seid<br />
doch trotzdem nett zu einander und<br />
bleibt frohen Mutes. Nein, man geht sich<br />
bewusst aus dem Wege, ein kurz gemurmeltes<br />
Hallo – das wars auch schon.<br />
Mit sorgenvoller Miene schleicht man<br />
des Weges. Wie eine finstere Wolke lastet<br />
dieses neuartige Virus über die<br />
Menschheit. Wer vermag vorherzusagen,<br />
nun reicht‘s aber? Noch mehr auf alles<br />
Lebenswerte verzichten zu müssen,<br />
bringt Verdruss, schürt Existenzängste.<br />
Wir haben reichlich Geduld aufgebracht,<br />
auf Urlaub und Freizeitvergnügen<br />
verzichtet. Das Maß ist voll.<br />
Was erwarten wir vom neuen Jahr?
Berichtet wird über einen Überfall der<br />
frierenden Bevölkerung auf einen Kohlezug<br />
auf der Strecke Hemelingen -<br />
Kirchweyhe und Kohlenklau am Bahnhof<br />
Kirchweyhe.<br />
Der fahrende Zug wurde auf der Strecke<br />
durch das gewaltsame Abdrehen eines<br />
Lufthahns zum Halten gebracht, Auf dieses<br />
Signal hin stürmten 400 Menschen<br />
herbei, rissen die Türen auf und raubten<br />
das „schwarze Gold“. Die Bahnpolizei<br />
konnte gegen die Menge nichts ausrichten.<br />
Polizeikräfte aus Hemelingen und<br />
Bremen kamen zur Verstärkung, aber<br />
auch sie konnten nicht verhindern, dass<br />
aus dem Zug 500 bis 600 Zentner Kohlen<br />
gestohlen wurden.<br />
Von Manfred Brodt 63<br />
Überfälle auf Kohlezüge in<br />
schwerer Zeit<br />
Eine Episode aus der<br />
Nachkriegszeit<br />
*<br />
Ein Bericht im <strong>Achimer</strong> Kreisblatt von<br />
Ende Januar 1951 lässt erahnen, wie<br />
schlecht es noch um die materielle Versorgung<br />
der Bevölkerung bestellt war.<br />
Das Kreisblatt erwähnte, dass Anklage<br />
wegen Landfriedensbruchs gestellt werden<br />
sollte und dass den Rädelsführern<br />
Zuchthaus drohe.<br />
Beim zweiten Überfall am Bahnhof Kirchweyhe,<br />
im Volksmund Zeche 3 genannt,<br />
stürmten 60 bis 80 Personen den dort<br />
abgestellten Kohlezug und bewarfen die<br />
andrückende Bahnpolizei mit Briketts<br />
und Bierflaschen. Die Ordnungshüter<br />
waren klar unterlegen.<br />
Für zukünftige Vorfälle wurde dringend<br />
Verstärkung aus Oldenburg gefordert.<br />
Zunächst einmal kamen Spezialisten mit<br />
Spürhunden zur „Zeche 3“, um das Geschehene<br />
aufzuklären.<br />
Solche und ähnliche Vorfälle gab es auch<br />
in Achim.<br />
Nach eineinhalb Jahren Corona-Pause<br />
traf sich die Geschichtswerkstatt erstmals<br />
wieder in großer Runde und wählte<br />
ihren geschäftsführenden Vorstand neu.<br />
Das Führungsteam der Geschichtswerkstatt<br />
Foto: Migowsky<br />
Der geschäftsführende Vorstand der Geschichtswerkstatt<br />
Achim, von links: Vorsitzender<br />
Helmut Köhler, Schatzmeister<br />
Michael Manthey, Schriftführerin Ulrike<br />
Uphoff-Maack, IT-Beauftragter Hartmut<br />
Nill und stellvertretender Vorsitzender<br />
Manfred Brodt.
64<br />
Von Günter Schnakenberg<br />
Verfolgung und Vernichtung<br />
von Juden<br />
Neue Stolpersteine erinnern<br />
an das Textilunternehmen<br />
Heilbronn, heute an Obernstraße<br />
und Bibliotheksplatz<br />
Seit 2007 erinnern Stolpersteine in Achim<br />
an die Verfolgung und Vernichtung<br />
<strong>Achimer</strong> Juden. Nun sind Stolpersteine<br />
hinzugekommen. Sie weisen auf Siegfried<br />
und Mathilde Heilbronn und mehrere<br />
Nachfahren hin. Siegfried und Mathilde<br />
Heilbronn betrieben eine Schneiderei<br />
und ein Manufakturwarengeschäft an<br />
der Obernstraße und dem heutigen Bibliotheksplatz.<br />
Sie, die sehr sozial waren<br />
und stets gegen Not in Achim gespendet<br />
hatten, mussten unter dem nationalsozialistischen<br />
Terror (Verfolgung unter<br />
anderem durch den Boykott jüdischer<br />
Gechäfte, neue Rassengesetze mit Entrechtung<br />
der Juden ab 1935) das prächtig<br />
gehende Textilgeschäft für wenig Geld<br />
verkaufen und nach England emigrieren.<br />
Sie entkamen damit noch dem Schlimmsten.<br />
Anders als viele andere.<br />
Die anderen <strong>Achimer</strong> Stolpersteine erzählen unter anderem diese Schicksale:<br />
Obernstraße 93 (Verdener Straße 138)<br />
1937/38 erwarb die Gemeinde das Restgrundstück<br />
mit Wohn- und Wirtschaftsgebäude.<br />
Bis dahin war Emma Baumgarten<br />
Mieterin in dem Haus ihres Bruders gewesen.<br />
Nach dem Verkauf zog sie Anfang<br />
1938 zu Verwandten nach Verden. In den<br />
überlieferten Akten steht, dass dieses<br />
aus gesundheitlichen Gründen geschah.<br />
Es kann aber auch nicht ausgeschlossen<br />
werden, dass sie auf Druck der<br />
Nazis ausziehen musste, denn in dem<br />
renovierten Stallgebäude des Hauses<br />
entsteht das „Gemeinschaftshaus der
Verfolgung und Vernichtung von Juden 65<br />
NSDAP“ und sicher wollte man dort keine<br />
Jüdin im Vorderhaus wohnen haben.<br />
Dann zieht Emma Baumgarten von Verden<br />
nach Bremen in die Geestemünder<br />
Straße 32. Von hier aus erfolgt 1942 die<br />
Deportation nach Theresienstadt. Später<br />
wird Emma Baumgarten nach Auschwitz<br />
geschafft, wo sie verstirbt.<br />
Eckstraße 16 (Mühlenstraße 301)<br />
Die Familie Anspacher (Karl und Lilli sowie<br />
die Kinder Liesel und Günther) wird<br />
direkt nach der Verhaftung am 17.11.1941<br />
von Achim nach Bremen verbracht,wenig<br />
später nach Minsk deportiert und dort<br />
ermordet.<br />
Günther Anspacher kann aus dem Getto<br />
fliehen, sein Schicksal ist unbekannt.<br />
Günther Anspacher wurde am 8.5.1945<br />
für tot erklärt.<br />
Obernstraße 6 (<strong>26</strong>5)<br />
Als letzter Spross der in Achim alteingessenen<br />
jüdischen Familie Alexander verkauft<br />
Paul Alexander aus „privaten , wirtschaftlichen<br />
Gründen“ 1937 sein Haus in<br />
Achim und zieht mit der Familie nach<br />
Bremen. Dort betreibt er einen Handel<br />
mit Benzin und Ölen. Er wird nach Minsk<br />
deportiert und dort ermordet.<br />
Ehefrau Grete Alexander, geb. Berndt,<br />
zieht 1937 nach Bremen, wird nach<br />
Minsk deportiert und dort ermordet.<br />
Auch die jungen Peter und Lotte Alexander<br />
müssen diesen Weg in die Todesfabrik<br />
antreten.<br />
Schmiedeberg 12<br />
(Gutenbergstraße 4, Richtweg 302)<br />
Die Familie des Viehhändlers Albert<br />
Anspacher wird direkt nach der Verhaftung<br />
1941 in Achim nach Bremen verbracht<br />
und wenig später nach Minsk<br />
deportiert. Albert und Emma kommen<br />
dort um. Sohn Kurt ist der einzige<br />
der <strong>Achimer</strong> Juden, der den Holocaust<br />
überlebt. Er wandert 1948 in die<br />
USA aus und lebt dort unter dem Namen<br />
Cord Parker.<br />
Am Schmiedeberg 10<br />
(Langenstraße 49)<br />
Viehhändler Paul und Ehefrau Grete Anspacher<br />
wohnen bis 1939 im Haus Langenstraße<br />
49. Auf Druck der Gemeinde Achim<br />
müssen sie dort ausziehen. Umzug in<br />
das Haus des Bruder Albert Anspacher,<br />
Richtweg 302 (später Gutenbergstraße 4).<br />
Dort erfolgt 1941 die Verhaftung mit anschließender<br />
Deportation nach Minsk<br />
und ihrer Ermordung.<br />
Am Schmiedeberg 10<br />
(Langenstraße 49)<br />
Kaufmann Louis Friedemann und Ehefrau<br />
Lina wohnten hier wie Paul und Grete Anspacher<br />
zur Miete. Auf Druck der Nazis<br />
wurden sie 1938 nach Bremen vertrieben.<br />
Tochter Ilse verheiratet sich dort mit<br />
Arnold Löwenstein. Später müssen die<br />
Friedemanns noch in ein „Judenhaus“<br />
umziehen. 1941 Deportation und Ermordung<br />
in Minsk. Auch Kaufmann Ernst<br />
Friedemann und Ilse Friedemann werden<br />
in Minsk umgebracht.<br />
Obernstraße 22 (116)<br />
Als letzte „<strong>Achimer</strong> Juden“ werden<br />
Schlachtermeister Albert und Ehefrau<br />
Nanny Seligmann (geb. Alexander) am<br />
25.3.1942 aus Achim vertrieben. Sie<br />
werden in Bremen, Nordstraße 210, in<br />
ein so genanntes Judenhaus gesteckt.<br />
Dann folgt ihre Deportation nach Theresienstadt,<br />
wo sie der Massenvernichtung<br />
zum Opfer fallen.
66<br />
Wir über uns:<br />
Impressum<br />
Die <strong>Achimer</strong> Geschichts-Hefte werden herausgegeben von der Geschichtswerkstatt<br />
Achim - Verein für Regionalgeschichte e.V. (Vereinsregister Walsrode VR 120146)<br />
und erscheinen unregelmäßig. Dieses regionalhistorische Magazin kostet 4,- €, ist<br />
im <strong>Achimer</strong> Buchhandel erhältlich und kann auch bestellt werden. Bei Bestellung<br />
gilt die Überweisung von 4,- € auf das Vereinskonto bei der KSK Verden:<br />
IBAN: DE23 2915 <strong>26</strong>70 0014 0010 69 - BIC: BRLADE21VER<br />
Für Vereinsmitglieder ist der Bezug der <strong>Achimer</strong> Geschichts-Hefte kostenlos.<br />
Die Geschichtswerkstatt Achim e.V. mit ihren über 100 Mitgliedern ist Mitglied des<br />
Niedersächsischen Heimatbundes e.V. und des Trägervereins „Kulturhaus Alter<br />
Schützenhof“. Sie wurde im Jahre 1986 als Teil der bundesweiten Geschichtswerkstattsbewegung<br />
gegründet, die sich die Erforschung der Regionalgeschichte aus der<br />
Sicht der Betroffenen als „Geschichte von unten“ auf ihre Fahnen geschrieben hat.<br />
Der jährliche Vereinsbeitrag beträgt 20,- €, ermäßigt für Schüler, Studierende, Auszubildende,<br />
Erwerbslose und Rentner 10,- €.<br />
Redaktion:<br />
Manfred Brodt, Werner Esdohr, Reinhard Dietrich, Karl-Heinz Hildebrandt, Monika<br />
u. Helmut Köhler, Christian Kruse, Marlies Migowsky, Günter Schnakenberg, Horst<br />
Zech.<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />
wieder.<br />
Redaktionsanschrift:<br />
Geschichtswerkstatt Achim, c/o Helmut Köhler, Vogelerweg 8, 28832 Achim,<br />
Tel.: 04202-7650939 - Verantwortlich im Sinne des Presserechts.<br />
Internet:<br />
www.geschichtswerkstatt-achim.de und www.geschichte-im-Iandkreis-verden.de<br />
Satz:<br />
H.-J. Wuthe<br />
Druck und Gesamtherstellung:<br />
Haus der Werbung, Anita-Augspurg-Platz 7, 27283 Verden<br />
1. Auflage November 2021 - Alle Rechte vorbehalten<br />
© 2021 by Geschichtswerkstatt Achim - Verein für Regionalgeschichte e.V.<br />
ISSN 0935 -5642
Alles ganz nah.<br />
GUT LEBEN UND ARBEITEN IN ACHIM