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Achimer Geschichtsheft 26

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<strong>Achimer</strong><br />

<strong>Geschichtsheft</strong><br />

November 2021<br />

<strong>26</strong><br />

RegionalHistorisches Magazin der Geschichtswerkstatt Achim e.v.<br />

www.geschichtswerkstatt-achim.de<br />

4,- Euro


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

während dieses Heft entsteht, hat das<br />

Corona-Virus die Welt noch immer<br />

fest im Griff - leider! Wie so unendlich<br />

viele Facetten unseres Lebens<br />

ist auch die Arbeit der Geschichtswerkstatt<br />

stark beeinträchtigt. Umso<br />

erfreulicher ist es, dass dennoch etliche<br />

Mitglieder unbeirrt tätig sind<br />

und zielstrebig an den geplanten<br />

Vorhaben festhalten und beachtliche<br />

Ergebnisse hervorbringen. Und so<br />

werden nicht nur künftige Veranstaltungen<br />

geplant und akribisch vorbereitet,<br />

sondern es entstanden auch<br />

Beiträge zu den unterschiedlichsten<br />

geschichtlichen Themen, die Sie in<br />

diesem Heft nachlesen können.<br />

Nach 25 <strong>Geschichtsheft</strong>en haben wir<br />

nun auch unser Layout etwas frischer<br />

und flotter gestaltet.<br />

Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre<br />

gute Unterhaltung und reiche Erkenntnisse.<br />

Mit freundlichen Grüßen -<br />

bleiben Sie gesund!<br />

Manfred Brodt - Helmut Köhler<br />

Clüverhaus<br />

Domizil und Archiv der Geschichtswerkstatt Achim


Inhaltsverzeichnis 3<br />

Unsere Themen:<br />

Bomben auf Bollen<br />

Zur Bombenentschärfung in Bollen am 18. Juni 2020 4<br />

Krämermentalität bei der NS-Wiedergutmachung<br />

Protokolle des <strong>Achimer</strong> Rats von 1949 bis 1953 14<br />

Erinnerungen an wahnsinnige Weltkriege<br />

H. Hagemanns Reise von Roedenbecks Grab bis zum Atlantikwall 21<br />

„Faule, unartige, widerspenstige und boshafte Kinder“<br />

Züchtigungen in der einklassigen Schule in Bollen 32<br />

Hochwertige Überlieferung von bewährter Qualität<br />

101 Jahre Schlachterei Holtkamp 36<br />

Vor 90 Jahren<br />

Der lange Kampf für Frieden und ein Vereinigtes Europa 38<br />

Swinemünde<br />

Ein kleiner Ort mit bedeutender Rolle in der großen Weltgeschichte 43<br />

Massen am Bollener Badestrand<br />

Als der Heckraddampfer Höxter verschrottet wurde 49<br />

Schalt dein Radio ein!<br />

25 Jahre Bürgerfunk in Achim 51<br />

<strong>Achimer</strong> raus, Briten rein<br />

Die Auseinandersetzungen um die Beschlagnahmung von Häusern 55<br />

Ein einmaliges Exemplar<br />

Wie MAN den Motor der Badener Mühle entdeckte 59<br />

Dieses fremdartige Unbekannte<br />

Rückblick und Ausblick nach den Corona-Jahren 2020/21 61<br />

Überfälle auf Kohlezüge in schwerer Zeit<br />

Eine Episode aus der Nachkriegszeit 63<br />

Verfolgung und Vernichtung von Juden<br />

Neue Stolpersteine erinnern an das Textilunternehmen Heilbronn 64


4<br />

Von Reinhard Dietrich<br />

Bomben auf Bremen, Bollen<br />

und Uphusen<br />

Noch immer erinnern Funde an<br />

die mörderischen Kämpfe zum<br />

Ende des Zweiten Weltkrieges<br />

Am 18. Juni 2020, 75 Jahre nach<br />

Kriegsende, wurden wir in Bollen noch<br />

einmal von den Bombardierungen und<br />

dem Massensterben im Zweiten Weltkrieg<br />

eingeholt. Bei den vorbereitenden<br />

Untersuchungen des Untergrundes für<br />

die Erstellung von drei neuen Windkraftanlagen<br />

in der Nähe der Landesgrenze<br />

zu Bremen wurde eine Fliegerbombe<br />

aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden.<br />

Ausschnitt einer Karte des Landkreises Verden (1962). Der ungefähre Fundort der Bombe<br />

ist rot markiert.


Bomben auf Bremen, Bollen und Uphusen 5<br />

In den Zeitungen stand, dass die Bombe<br />

in Bollen gefunden wurde. Wenn man es<br />

ganz korrekt formulieren möchte, wurde<br />

die Bombe auf Uphusener Gebiet gefunden.<br />

Das linke Flurstück heißt Breder<br />

Ehrs, das rechte Flurstück Auf der neuen<br />

Geest.<br />

Zur Vorgeschichte des Bombenfundes<br />

Hermann Göring (* 12.01.1893 in Rosenheim,<br />

† 15.10.1946 durch Suizid in<br />

Nürnberg, ab 1935 Oberbefehlshaber<br />

der neu gegründeten Luftwaffe, ab Juli<br />

1940 ernannte Hitler ihn zum Reichsmarschall<br />

des Großdeutschen Reiches,<br />

ab 29.06.1941 war er von Adolf Hitler als<br />

dessen Nachfolger vorgesehen) soll in<br />

völlig größenwahnsinniger Verkennung<br />

der Kräfteverhältnisse und voller Überschätzung<br />

der deutschen Luftwaffe am<br />

9.8.1939 gesagt haben. „man könne ihn<br />

Meier nennen, wenn je ein feindliches<br />

Flugzeug über dem Ruhrgebiet auftauche“.<br />

An anderer Stelle wird behauptet,<br />

dass es für dieses Meier-Zitat keine<br />

nachvollziehbare Quelle gäbe; dennoch<br />

bekam er den Spitznamen „Hermann<br />

Meier“. Tatsächlich hat Göring am 9. August<br />

1939 gesagt: „Ich habe viele Flugplätze<br />

und sonstige Anlagen der Luftwaffe<br />

besichtigt, vor allem habe ich dafür<br />

gesorgt, daß das Ruhrgebiet, in dem die<br />

Menschen in Ruhe arbeiten müssen, den<br />

sichersten Schutz erhält, der überhaupt<br />

nur nach den technischen und militärischen<br />

Erfahrungen von heute möglich<br />

ist. Persönlich habe ich mich an vielen<br />

Stellen von den für das Ruhrgebiet getroffenen<br />

Maßnahmen überzeugt. Ich<br />

werde mich künftig um jede einzelne<br />

dort noch vielleicht einzusetzende Batterie<br />

kümmern. Denn das Ruhrgebiet<br />

werden wir auch nicht einer einzigen<br />

Bombe feindlicher Flieger ausliefern.“<br />

Viele wollten ihm glauben, viele glaubten<br />

auch lange Zeit, die Nazis wollten keinen<br />

Krieg. Noch bei der Reichstags“wahl“ -<br />

es war keine Wahl mehr möglich, da nur<br />

noch die NSDAP auf dem Wahlzettel anzukreuzen<br />

war - am 29.03.1936 stand auf<br />

dem Wahlzettel: „Reichstag für Freiheit<br />

und Frieden“:<br />

Stimmzettel zur Reichstagswahl<br />

am 29.03.1936<br />

Bei einer Wahlbeteiligung von reichsweit<br />

99 % gab es eine Zustimmung von offiziell<br />

98,8 %, während nur 1,2 % der Stimmen<br />

als ungültig gezählt wurden. Was für<br />

ein fataler Irrtum der Wählerinnen und<br />

Wähler! Als die Wahlen noch frei waren<br />

- bei der Reichstagswahl am 06.11.1932<br />

- hätten die Wählerinnen und Wähler<br />

die Rechtsentwicklung und den Zweiten<br />

Weltkrieg noch verhindern können.<br />

Schon ab Juli 1937 wurden die ersten<br />

Volksgasmasken als Vorbereitung auf<br />

den bereits fest eingeplanten Krieg<br />

an die Bevölkerung verteilt. Bis zum<br />

Kriegsende wurden knapp 45 Millionen<br />

Volksgasmasken hergestellt.<br />

Am 1.9.1939 begann der Überfall auf<br />

Polen und damit der Zweite Weltkrieg.<br />

Schon am 4.9.1939 gab es um 1.30 Uhr<br />

in der Nacht in Bremen den 1. Fliegeralarm.<br />

Fritz Peters schreibt in seiner Bre-


6<br />

Bomben auf Bremen, Bollen und Uphusen<br />

men-Chronik: „Das Auslösen der Sirenen<br />

ruft in der bremischen Bevölkerung<br />

eine große Verwirrung hervor. Nach den<br />

mehrfachen Erklärungen des Oberbefehlshabers<br />

der Luftwaffe, daß feindliche<br />

Flugzeuge in der an den Reichsgrenzen<br />

befindlichen „Luftverteidigungszone“<br />

restlos abgeschossen würden, ist<br />

sie auf einen möglichen Bombenangriff<br />

nicht eingestellt. Britische Flugzeuge<br />

überfliegen in großer Höhe unser Gebiet<br />

und werfen Flugblätter ab. Um 2.45<br />

Uhr erfolgt Entwarnung.“ Es folgten weitere<br />

1 232 Fliegeralarme, der letzte am<br />

25.4.1945. Am 27.4.1945 wurde Bremen<br />

endgültig von britischen Truppen besetzt<br />

und der Krieg war hier zu Ende.<br />

Den ersten Luftangriff gab es in Bremen<br />

am 18.5.1940. „Es handelt sich um einen<br />

überraschenden Angriff. Fliegeralarm<br />

wird nicht gegeben. Die Flakstellungen<br />

in und um Bremen sind nur schwach besetzt.<br />

Englische Flugzeuge werfen 124<br />

Spreng- und 79 Brandbomben.“<br />

Nun wurden die Flak-Stellungen in und<br />

um Bremen verstärkt. Auch auf dem Bollener<br />

Esch wurde eine große Flak-Stellung<br />

aufgebaut; im Dezember 1943 war<br />

der Höchststand der Besatzung erreicht:<br />

Zu jenem Zeitpunkt gab es 21 Geschütze<br />

- drei mal sechs 8,8- cm-Geschütze<br />

plus drei 2-cm-Geschütze - mit knapp<br />

200 Mann Personal. Im linken Kreis<br />

befand sich die frühere Zement-Dach-<br />

Flakstellungen auf dem Bollener Esch, 22. März 1945<br />

Foto: Alliierte Luftaufklärer, überlassen vom Kampfmittelbeseitigungsdezernat Hannover.


von Reinhard Dietrich 7<br />

platten-Fabrik von Familie Meinken. Sie<br />

wurde während der Flak-Zeit von 1941<br />

bis 1945 als Küche genutzt. Rechts daneben<br />

- ebenfalls eingekreist - befand<br />

sich die Brinksitzerstelle der Familie Fischer<br />

(Bollen Nr. 30); rechts, eingekreist,<br />

das Fährhaus und die Gastwirtschaft<br />

„Strandhalle“ der Familie Bormann (Bollen<br />

Nr. 40). Auf den kleinen Sandhügeln<br />

standen die Flak-Geschütze.<br />

Hartwig Ammann (geb. 05.07.1927,<br />

gest. 07.05.2007) wurde als 16-jähriger<br />

gezogen und war mit etwa 20 Schulkameraden<br />

der damaligen Lettow-Vorbeck-Schule<br />

(heute Gymnasium an der<br />

Hermann-Böse-Str.) von Juli 1943 bis<br />

Januar 1944 in Bollen Flakhelfer; einige<br />

seiner Kameraden waren sogar erst 15<br />

Jahre alt. Weitere Flak-Helfer-Generationen<br />

folgten.<br />

Am 1.1.1941 wurde Bollen zum ersten<br />

Mal von Bombenabwürfen getroffen. Die<br />

Veranda bei Meinken (Nr. 11, heute: Bollener<br />

Dorfstr. 22) wurde schwer beschädigt.<br />

Im September 1942 forderte der<br />

Landrat von der Kreishandwerkerschaft,<br />

dass die Veranda möglichst noch vor Eintritt<br />

des Winters fertig gestellt werden<br />

sollte. Fritz Peters hält in einer Bremen-<br />

Chronik für den 1.-2.1.1941 fest: „39.<br />

Luftangriff auf Bremen. Fliegeralarm:<br />

19.51 Uhr. Abwurf von 127 Spreng- und<br />

4 000 Brandbomben. Angriffsziele: Ortsteil<br />

Hemelingen (Fabrikanlagen), Hafengebiet,<br />

Neustadt. Verluste: 11 Gefallene,<br />

8 Schwer- und 22 Leichtverletzte. Entwarnung:<br />

0.07 Uhr.“<br />

Am 3.1.1941 wurde eine Baukompanie<br />

nach Bollen verlegt. Um die Soldaten<br />

erst mal bis zum Aufbau von eigenen Baracken<br />

unterbringen zu können, wurde<br />

der Saal der „Strandhalle“, der Gastwirtschaft<br />

von Dietrich Bormann, beschlagnahmt.<br />

Eine Gruppe Bausoldaten vor Bormanns<br />

Strandhalle an der Weser (1963 abgerissen).<br />

Foto: Privat Werner Bormann (Ottersberg)<br />

Bollener Flakstellung in Aktion.<br />

Foto: Überlassen von dem Bremer Pastor Hartwig Amman (†)


8<br />

Bomben auf Bremen, Bollen und Uphusen<br />

Fritz Peters schreibt in seiner Bremen-<br />

Chronik zum 28. Juni 1941: „64. Luftangriff<br />

auf Bremen. Fliegeralarm: 0.56 Uhr.<br />

Abwurf von 39 Spreng- und 410 Brandbomben<br />

(Findorffviertel, Schlachthof,<br />

Kaserne Vahrer Straße). Verluste: 4 Gefallene,<br />

1 Leichtverletzter. Entwarnung<br />

3.17 Uhr.“<br />

Am 28.6.1941 wurde der Saal der „Strandhalle“<br />

von einer Bombe getroffen. Vor dem<br />

Gebäude steht der Schüler Heinz Bormann.<br />

Am 27.7.1942 wurde die Hofstelle Nr. 32<br />

von Johann Dahme durch eine Brandbombe<br />

getroffen. Die Bombe durchschlug<br />

das Dach und verletzte Johann<br />

Dahme jun. (geb. 1928) schwer am linken<br />

Arm und am Fuß. Bei demselben Angriff<br />

wurde der Hof des Landwirts Bernhard<br />

Purrmann (ehemalige Hofstelle Nr. <strong>26</strong>,<br />

heute: Bollener Dorfstr. 21) von einer<br />

Brandbombe getroffen. Der Hof brannte<br />

vollständig ab.<br />

Fritz Peters schreibt in seiner Bremen-<br />

Chronik zum 27.7.1942: „97. Luftangriff<br />

auf Bremen. Fliegeralarm: 0.09 Uhr. Abwurf<br />

von 3 Spreng- und 50 Brandbomben<br />

(3 Häuser in Timmersloh werden leicht<br />

beschädigt). Entwarnung 2.52 Uhr. – 98.<br />

Luftangriff auf Bremen. Fliegeralarm:<br />

17.38 Uhr. Eine Maschine vom Typ Vickers-Wellington,<br />

die aus Richtung Delmenhorst<br />

Bremen anfliegt, wirft fünf<br />

Sprengbomben. Schäden entstehen an<br />

Wohnhäusern in der Straße An der Wei-<br />

Johann Osmers (* 10.06.1899, † 19.02.1985) von der Gaststätte „Osmers Sommergarten“<br />

(heute „Deichkind“) hält die Ereignisse in seinem Tagebuch fest:<br />

Merktage Juni 1941<br />

22. Juni Krieg mit Russland.<br />

28. Juni Flieger viele Sprengbomben abgeworfen.<br />

Bormanns Klubzimmer getroffen.<br />

29.-30. Juni Flieger Schaden angerichtet.<br />

zwei Häuser in Ahausen in Brand gesteckt.“<br />

Ausschnitt aus dem Tagebuch von Johann Osmers


von Reinhard Dietrich 9<br />

de, Ecke Löningstraße, und in der Kattenturmer<br />

Heerstraße. Das Flugzeug<br />

wird durch die Bremer Flak abgeschossen.<br />

Entwarnung: 18.06 Uhr.“<br />

In der Nacht vom 13. bis 14. September<br />

1942 wurden durch Bombenabwürfe<br />

Wohn- und Wirtschaftsgebäude des<br />

Maurers Hinrich Dahm zerstört.<br />

Bei diesem Angriff auf Bremen starteten<br />

446 Bomber; 374 Bomber griffen dann<br />

tatsächlich an. Es wurde eine Bombenlast<br />

von 742,8 t abgeworfen.<br />

Fritz Peters schreibt in seiner Chronik<br />

zum 14. September 1942: „103. Luftangriff<br />

auf Bremen. Fliegeralarm: 1.43 Uhr.<br />

In zwei voneinander abgesetzten An-<br />

griffswellen wird ein Großangriff auf die<br />

Stadt Bremen unternommen…Kampfmittel:<br />

201 Spreng- und 21 575 Brandbomben.<br />

In den Geschäftsvierteln der<br />

Innenstadt und in den Wohnvierteln der<br />

Vorstädte werden schwere Verwüstungen<br />

angerichtet… Verluste: 67 Gefallene, 34<br />

Schwer- und 337 Leichtverletzte. Entwarnung:<br />

5.34 Uhr.“<br />

Bei einem Angriff am <strong>26</strong>.11.1943 wurden<br />

ca. 250 Meter vor Bollen (von Mahndorf<br />

aus betrachtet) parallel zur Bollener<br />

Dorfstr. ca. 100 Sprengbomben abgeworfen.<br />

Das Dorf entging nur ganz knapp<br />

einer Katastrophe. Außer erheblichen<br />

Erdverwüstungen und einigen kaputten<br />

Bombenteppich nach dem Angriff vom <strong>26</strong>.11.1943.<br />

Ausschnitt einer Karte, überlassen vom Kampfmittelbeseitigungsdezernat Hannover.


10<br />

Bomben auf Bremen, Bollen und Uphusen<br />

Fensterscheiben wurde zum Glück kein<br />

Mensch getroffen.<br />

Die schwarz umrandeten Markierungen<br />

geben Bombentrichter, die durchgekreuzten<br />

Markierungen Blindgänger<br />

an. Die Karte veranschaulicht, wie viele<br />

Bomben Bollen nur knapp verfehlt haben.<br />

Laut Auskunft der Stadtverwaltung<br />

Achim wurden am 29.8.2002 in Bollen<br />

von dem Kampfmittelbeseitigungsdienst<br />

Hannover noch einmal 73 Bombentrichter,<br />

70 Blindgänger und <strong>26</strong> ehemalige<br />

Flak-Geschütze überprüft und entschärft.<br />

Fritz Peters schreibt in seiner Chronik<br />

zum <strong>26</strong>. November 1943: „117. Luftangriff<br />

auf Bremen. Fliegeralarm: 11.27<br />

Uhr. Englisch-amerikanische Bomberverbände<br />

(400 Bomber, 150 Jäger) führen<br />

in der Zeit von 11.50 bis 12.45 Uhr<br />

einen schweren Angriff aus. Es werden<br />

1408 Spreng- und 1885 Brandbomben<br />

(darunter 1473 Flüssigkeitsbomben) geworfen.<br />

Getroffen werden außer zahlreichen<br />

Wohnhäusern u.a. elf Schulen,<br />

die St. Marienkirche, die Städtische<br />

Krankenanstalt, das Diakonissenhaus<br />

und die Nervenklinik in Osterholz (Ellen).<br />

Es entstehen 82 Groß-, 162 Mittel- und<br />

104 Kleinbrände. Verluste 270 Gefallene,<br />

58 Schwer- und 228 Leichtverletzte.<br />

Obdachlose: 3 980. Entwarnung: 13.30<br />

Uhr.“<br />

Der Arberger Pastor Rieschel (geb.<br />

01.12.1878, Pastor in Arbergen von 1932<br />

bis 1952, gest. 22.06.1959) schreibt am<br />

29.09.1945 an die amerikanischen Besatzungsbehörde:<br />

„Bei dem am <strong>26</strong>.11.1943<br />

vor Bollen erfolgten Absturz sind vier<br />

Mitglieder der Besatzung zu Tode gekommen<br />

und von deutschen Soldaten<br />

auf dem Friedhofe zu Mahndorf in vier<br />

Särgen beigesetzt. Die Personalien von<br />

zwei Mitgliedern sind bekannt. Das Grab<br />

ist gut in Ordnung gehalten.“<br />

Kriegsende in Bollen, Uphusen,<br />

Mahndorf und Bremen<br />

Da den Aufforderungen der Alliierten,<br />

die Kriegshandlungen einzustellen und<br />

Bremen kampflos zu übergeben nicht<br />

akzeptiert wurden, kam es in der Nacht<br />

vom 22. auf den 23.4.1945 noch einmal<br />

zu einem schweren Bombardement<br />

durch die britische Royal Air Force. Es<br />

starteten 767 Bomber, die 960 t Bomben<br />

abwarfen. Auch in Uphusen/Mahndorf<br />

unterstützten „schwere Bomber der Royal<br />

Air Force“ in den frühen Stunden des<br />

23.4. den Vormarsch der britischen Truppen.<br />

„In Uphusen waren die Deutschen<br />

zum Stehen gekommen. Sanddünen im<br />

Südosten der Stadt ergaben ausgezeichnete<br />

Verteidigungsstellungen, und die<br />

Borderer hatten schwer zu kämpfen, um<br />

den Feind aus seinen Gräben herauszuwerfen.<br />

Ein weiteres schweres und entscheidendes<br />

Gefecht fand gleichzeitig in<br />

Mahndorf, drei Meilen vor der Bremer<br />

Stadtgrenze, statt.“<br />

Fritz Peters schreibt in seiner Chronik<br />

zum 23. April 1945: „168. Luftangriff<br />

auf Bremen. Fliegeralarm: 3.49 Uhr. In<br />

kurzen Abständen werden jedes Mal<br />

auf das Stadtgebiet verteilt schwere Mi-<br />

Bomber über Bremen


von Reinhard Dietrich 11<br />

nen geworfen. Entwarnung: 5.51 Uhr.“ In<br />

Abständen von wenigen Stunden folgten<br />

noch am selben Tag die Luftangriffe<br />

169, 170 und 171. Laut Schwarzwälder<br />

wurde der Angriff auf Uphusen in Richtung<br />

Mahndorf um 4.15 Uhr gestartet.<br />

Um 10 Uhr wurde der Angriff mit Panzern,<br />

Flammenwerfern und Infanterie<br />

verstärkt. Gegen Mittag war Uphusen<br />

erobert. Die deutschen Verteidiger hatten<br />

schwere Verluste; etwa 150 Männer<br />

gingen in Gefangenschaft; mehr als 20<br />

Gebäude wurden in Uphusen bei diesen<br />

Gefechten zerstört. Auf dem Weg nach<br />

Mahndorf verloren die Briten zwei Panzer<br />

durch verminte Straßen.<br />

Der Uphusener Rainer Pöttker stellt die<br />

Zerstörungen noch differenzierter vor:<br />

Bei der Eroberung Uphusens durch die<br />

britische Armee gingen 18 Gebäude in<br />

Flammen auf. „Weitere fünf Häuser wurden<br />

dieser Tage durch einen Luftangriff<br />

der Alliierten vernichtet, zahlreiche Häuser<br />

trugen schwere Schäden davon.“<br />

Bollen wurde von den auf Bremen vorrückenden<br />

britischen Truppen bereits<br />

am 23.4.1945 eingenommen. In der Bollener<br />

Schulchronik heißt es: „Der Krieg<br />

ist verloren. Am 23. April rollten englische<br />

Panzer von Osten her in unseren<br />

Ort. Bollen wurde kampflos besetzt. Die<br />

Besatzungszeit dauerte einen Monat. Die<br />

Schule musste geräumt werden.... In der<br />

Schule wohnte der Stab. Vor, während<br />

und nach der Besatzung haben 3 000 bis<br />

4 000 Russen, die auf dem Esch in der<br />

Flakstellung lagen, Bollen und Umgegend<br />

geplündert.“<br />

Am Dienstag d. 24.4.1945 gab es den 172.<br />

und 173. Luftangriff auf Bremen. Am Mittwoch<br />

d. 25.4.1945 wurde um 17 Uhr der<br />

letzte Fliegeralarm – es war der 1 233.<br />

Fliegeralarm – ausgelöst. Am 27.4.1945<br />

war Bremen von den britischen Truppen<br />

eingenommen; der Krieg in unserer Region<br />

war beendet.<br />

Ein gesprengter englischer Panzer


12<br />

Bomben auf Bremen, Bollen und Uphusen<br />

Auf die Stadt Bremen erfolgten im Zweiten<br />

Weltkrieg 173 von der Luftschutzpolizei<br />

offiziell gezählte Luftangriffe. Dabei<br />

wurden 25 513 t Bomben abgeworfen<br />

(12 844 t von den Briten, 12 669 von den<br />

Amerikanern). Damit gehörte Bremen zu<br />

den am stärksten bombardierten Städten.<br />

Zum Vergleich: 1. Berlin (68 285 t),<br />

2. Köln (48 014 t), 3. Hamburg (38 319<br />

t), 4. Essen (36 852 t), 5. Duisburg (30<br />

535 t), 6. Kiel (29 946 t), 7. Frankfurt am<br />

Main (28 209 t), 8. Bremen (25 513 t). Auf<br />

Bremen wurden knapp 900 000 Bomben<br />

abgeworfen: 41 629 Sprengbomben und<br />

847 759 Brandbomben. 3 852 Menschen<br />

wurden getötet, eine erheblich größere<br />

Zahl verletzt.<br />

In dem kleinen, abseits gelegenen Dorf<br />

Bollen wurden bei 44 vergebenen Hausnummern<br />

5 Häuser beschädigt bzw. zerstört.<br />

Das waren 11,4 %.<br />

Am 30.7.1945 schrieb der Bürgermeister<br />

Hermann Reiners an den Landrat in Verden:<br />

„Heute gegen 16 Uhr ist hier in der<br />

Gemeinde Bollen ein Unglück, trotz aller<br />

Warnung der Kinder, dadurch passiert,<br />

dass Kinder mit gefundener Munition<br />

gespielt haben. Der Sohn des Maurers<br />

Hinrich Dahm (Walter Dahm – R.D.) wurde<br />

dabei so schwer verletzt, dass er ins<br />

Krankenhaus gebracht werden musste.“<br />

75 Jahre nach Kriegsende wurden wir<br />

erneut von den Folgen des (Luft)Krieges<br />

eingeholt. Es wurde eine 250 kg-Bombe<br />

gefunden. Die Sprengkraft der Bombe<br />

kann laut Kampfmittelbeseitigung einen<br />

fünf Meter tiefen Krater mit einem<br />

Durchmesser von zehn Metern reißen.<br />

<strong>Achimer</strong> Kurier vom 17.06.2020


von Reinhard Dietrich 13<br />

Die in Uphusen gefundene 250 kg-Bombe.<br />

Am Bildrand befinden sich die als Splitterschutz<br />

in Richtung Autobahn aufgestellten<br />

Stroh-Rundballen.<br />

Deswegen wurde Bollen sicherheitshalber<br />

abgeriegelt; die BewohnerInnen der<br />

Bollener Dorfstraße 28 bis 42 sollten<br />

ihre Wohnungen und Häuser für eine<br />

Stunde verlassen. In den elf Haushalten<br />

lebten etwa 25 Personen. Nur ein Ehepaar<br />

nahm das Evakuierungsangebot an<br />

und hielt sich in der kritischen Zeit in der<br />

Gastwirtschaft „Bollener Dorfkrug“ auf.<br />

Erstaunlich blieb die Tatsache, dass zwar<br />

im Umkreis von 1 000 Metern alles konsequent<br />

abgeriegelt wurde, dass aber der<br />

lebhafte Verkehr auf der nur 800 Meter<br />

entfernten Autobahn A 1 nicht blockiert<br />

wurde. Im <strong>Achimer</strong> Kreisblatt wurde ein<br />

Die entschärfte Bombe liegt zum<br />

Abtransport bereit.<br />

Fotos: Joshua Kastendiek,<br />

Freiwillige Feuerwehr Uphusen.<br />

nicht namentlicher genannter Polizist<br />

zitiert: „Eigentlich hätte auch die A1 gesperrt<br />

werden müssen. Um das zu vermeiden<br />

wurde nahe der Bombe ein mehrere<br />

Meter langer und hoher Schutzwall<br />

aus Strohballen für den Splitterschutz im<br />

Fall einer Detonation errichtet.“<br />

20 Polizisten, Kräfte von Feuerwehr und<br />

Stadt sicherten bei der Entschärfungsaktion<br />

die Bevölkerung ab. Die Entschärfung<br />

der Bombe war dann für den<br />

Experten relativ problemlos. Der Zünder<br />

konnte herausgeschraubt werden und<br />

wurde dann aus sicherer Entfernung<br />

gesprengt. Bereits um 13.30 Uhr konnte<br />

Entwarnung gegeben und die Abriegelung<br />

beendet werden.<br />

Nur kurze Zeit später, am 30.6.2020,<br />

berichtete der Weser Kurier von einem<br />

verdächtigen metallischem Fund, möglicherweise<br />

einer Bombe, in Walle am<br />

Osterfeuerberger Ring. Eine der größten<br />

Evakuierungen in Bremen nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg schien möglich. Je<br />

nach Größe der Bombe drohte eine Evakuierung<br />

in einem Radius von 300 bis 400<br />

Metern; in einem Radius von 1 000 Metern<br />

hätten die Bewohner in den Häusern<br />

bleiben müssen. Aufgrund der dichten<br />

Besiedelung in der Stadt wären vermutlich<br />

bis zu 10 000 Menschen betroffen gewesen.<br />

Es stellte sich dann aber heraus,<br />

dass es sich bei der vermeintlichen Bombe<br />

in Bremen nur um ein altes Pumpenrohr<br />

handelte und so konnte Entwarnung<br />

gegeben werden.<br />

Bleibt abzuwarten, wann die nächste<br />

Bombe gefunden wird und entschärft<br />

werden muss – hoffentlich als immer<br />

wieder aktualisierende Mahnung:<br />

„Nie wieder Krieg!“


14<br />

Von Manfred Brodt<br />

Krämermentalität bei der<br />

NS-Wiedergutmachung<br />

Protokolle des <strong>Achimer</strong> Rats<br />

von 1949 bis 1953<br />

Kampf ums Krankenhaus und<br />

Behörden / Verseuchte Weser<br />

Die sogenannte Nachkriegszeit und der<br />

Wiederaufbau hatten begonnen. Die<br />

Verbrechen des nationalsozialistischen<br />

Deutschlands sollten jedoch noch lange<br />

ihre dunklen Schatten werfen und beschäftigten<br />

auch den <strong>Achimer</strong> Gemeinderat<br />

unter dem fragwürdigen Titel<br />

„Wiedergutmachung“.<br />

Badeanstalt an der Weser<br />

Konkret ging es um Geschäfte, Häuser<br />

und Grundstücke, die Juden abgenommen<br />

oder für lächerliche Beträge im Zuge der<br />

„Arisierung“ abgekauft worden waren. In<br />

den Gemeindeprotokollen werden diese<br />

Juden „Verschollene“ genannt und wird<br />

nicht erwähnt, dass sie verfolgt, geflohen,<br />

vertrieben, deportiert und in den meisten<br />

Fällen in nationalsozialistischen Mordfabriken<br />

umgebracht worden sind.


Krämermentalität bei der NS-Wiedergutmachung 15<br />

Schon am 5. Mai 1949 hatte die „Grundstückssache<br />

Seligmann“ den Rat beschäftigt.<br />

Ein von der Stadt beauftragter<br />

<strong>Achimer</strong> Rechtsanwalt hatte festgestellt,<br />

dass es noch keinen Rückerstattungsanspruch<br />

von Juden gebe. Der Rat stellte<br />

deshalb die Angelegenheit zurück. Ein<br />

Jahr später aber war es mit der rechtlichen<br />

Grundlage so weit. Das Wiedergutmachungsamt<br />

beim Landgericht<br />

hatte befunden, der Verkauf des Grundstücks<br />

an die Gemeinde Achim sei 1939<br />

nicht unter Zwang erfolgt.<br />

Deshalb sei auch bei einer Rückgabe des<br />

Grundstücks der damals gezahlte Kaufpreis<br />

anzurechnen. Unter dem Stichwort<br />

„Wiedergutmachung Seligmann“ berichtet<br />

das Protokoll des Gemeinderats vom<br />

5. Juli 1950 dann: „Für das 1939 durch<br />

die Gemeinde Achim von dem jüdischen<br />

Ehepaar Seligmann gekaufte Grundstück<br />

„Acker an der Eisenbahn“ hat der Sohn<br />

der verschollenen Eheleute Seligmann<br />

Wilhelm Seligmann, wohnhaft in New<br />

York City, den Rückerstattungsanspruch<br />

geltend gemacht.<br />

Vergleich vor Wiedergutmachungsamt<br />

Vor dem Wiedergutmachungsamt beim<br />

Amtsgericht Verden fand ein Vergleich<br />

statt. Die Stadt erkennt den Anspruch an<br />

und gibt das Grundstück sofort zurück.<br />

Das Grundstück bleibt verpachtet. Der<br />

Antragsteller tritt seine Schadensersatzansprüche<br />

an die Stadt wegen der gezahlten<br />

Judenvermögensabgabe von 2198,02<br />

Reichsmark und der an die Reichsvereinigung<br />

der Juden Deutschlands abgeführten<br />

604,02 Reichsmark hiermit ab.<br />

Der 1939 gezahlte Kaufpreis fließt in die<br />

Rechnung ein. Der Rat stimmte dem Vergleich<br />

einstimmig zu.<br />

Zur „Wiedergutmachung Anspacher“<br />

erwähnt das Protokoll: „Am 14. Februar<br />

1939 hat die Stadt von dem Viehhändler<br />

Carl Anspacher das Hausgrundstück in<br />

der Langenstraße erworben. Als Erbe<br />

der verschollenen Familie Anspacher hat<br />

der in Amerika lebende Kurt Anspacher<br />

Rückerstattung gefordert.“ Dann wird im<br />

Protokoll vorgerechnet: Der Erbe habe<br />

1945 und 1946 erhalten 1491,21 Reichsmark<br />

für Lebensunterhalt und Anschaffungen,<br />

569,34 RM wirtschaftliche Tbc-<br />

Hilfe und 336 RM KZ-Sonderhilfe. Diese<br />

Beträge sollten gegengerechnet und<br />

beim Sühnetermin eingebracht werden.<br />

Kurt Anspacher erklärt sich laut Protokoll<br />

vom 3. August 1950 damit nicht einverstanden.<br />

Der Rat beschließt einstimmig,<br />

den Güteverhandlungstermin vor<br />

dem Wiedergutmachungsamt in Verden<br />

abzuwarten.<br />

Bis zur Ratssitzung am 12. Oktober<br />

1950 ist es dann zu einer Einigung gekommen.<br />

Der Bürgermeister berichtet,<br />

dass die Stadtgemeinde Achim nach der<br />

erfolgten Abrechnung noch einen Betrag<br />

von 719,79 DM an den Rückerstattungsberechtigten<br />

zu zahlen habe. Da<br />

im Haushaltsplan von 1950 keine Mittel<br />

dafür vorgesehen sind, wird einstimmig<br />

beschlossen, diesen Betrag außerplanmäßig<br />

zu zahlen.<br />

Von der Jüdin Emma Baumgarten hatte<br />

Achim in den Jahren 1931 bis 1936<br />

ein Grundstück an der Verdener Straße<br />

erworben. Nun 1952 soll die Stadt auch<br />

das zurückgeben. Die Stadt bittet den<br />

Oberkreisdirektor um Stellungnahme<br />

zu einem möglichen Prozess. Der Verwaltungschef<br />

des Kreises führt aus,<br />

der Ausgang eines solchen Verfahrens<br />

sei völlig offen und könne die Gemeinde<br />

Achim bei einer Niederlage in zwei<br />

Instanzen 3900 DM kosten. Darauf will<br />

sich der Rat in seiner Sitzung vom 10.


16<br />

Krämermentalität bei der NS-Wiedergutmachung<br />

Januar 1952 nicht einlassen. Einstimmig<br />

ermächtigt er den Stadtdirektor, beim<br />

Wiedergutmachungsgericht in Verden<br />

weiter zu verhandeln. Der Stadtdirektor<br />

soll das Mögliche für Achim herausholen<br />

und erhält Vollmacht für einen Vergleich<br />

bis 5200 DM. Viel Krämergeist bei<br />

der Regulierung eines großen Unrechts.<br />

Da wiehert der Amtsschimmel<br />

Ernährung, Arbeit und ein Dach über dem<br />

Kopf, das waren die vorrangigen Ziele in<br />

diesen Nachkriegsjahren bei Einheimischen,<br />

Geflüchteten und Vertriebenen.<br />

Viele bauten sich auch in Gemeinschaften<br />

ein Häuschen. Die Stadt wies neue Baugebiete<br />

aus, unter anderem auch für das<br />

Gebiet des Bürgerparks. Doch da gab es<br />

Schwierigkeiten. Nicht nur war ein Antrag<br />

der Interessengemeinschaft zum<br />

Bau von Eigenheimen auf Anerkennung<br />

als Kleinsiedler beim Kreisbauamt in<br />

Verden und der Regierung in Stade spurlos<br />

verschwunden. Die Genehmigung des<br />

Antrags war immerhin Voraussetzung<br />

für den Eintrag ins Vereinsregister und<br />

für Kredite. Die Baubehörde lehnte auch<br />

das Baugebiet grundsätzlich ab, da der<br />

Bereich Bürgerpark als Grüngürtel zur<br />

Abschirmung vom geplanten Hansakanal<br />

und von Industrieanlagen erhalten bleiben<br />

solle. Die Behörde stützte sich dabei<br />

Handzettel (Flyer): Aufruf zur Versammlung<br />

Bürgerpark vor der Abholzung<br />

auf den Bauplan von 1937. Gemeinderat<br />

Gehnke hält 1949 dagegen, 1937 sei<br />

doch überhaupt nicht vorauszusehen gewesen,<br />

dass der Bürgerpark nach dem<br />

Krieg abgeholzt werde, dass die Stadt<br />

viele Flüchtlinge aufnehmen müsse und<br />

in Not geraten werde. Erhaltung eines<br />

Grüngürtels, den es schon längst nicht<br />

mehr gab?<br />

Beigeordneter van der Poll schimpft, die<br />

Bürokratie blockiere hier die Selbstverwaltung,<br />

die brennende Probleme vor<br />

Ort lösen wolle. Am 7. Juli 1949 berichtet<br />

der Bürgermeister, dass Kreis und Regierung<br />

in Stade grünes Licht gegeben<br />

haben für den Bebauungs- und Flüchtlingsplan<br />

auf dem Bürgerparkgelände.<br />

Diskutiert wird auch ein Bebauungsplan<br />

südlich und nördlich der Bergstraße. Ein<br />

Ratsmitglied gibt am 2. März 1950 zu bedenken,<br />

das Jugendheim in dem Gebiet<br />

müsse vor den Gefahren des Schieß-


von Manfred Brodt 17<br />

sports am Schützenplatz geschützt werden.<br />

Dabei ist der Schießsport noch gar<br />

nicht zugelassen worden.<br />

Eintrittskarte mit Bauopfer<br />

Eine besondere Idee zum Wohnungsbau<br />

hatte die FDP mit einem Dringlichkeitsantrag<br />

eingebracht. Auf alle Eintrittskarten<br />

von Kino-, Sport-, Theater- und<br />

sonstigen -Veranstaltungen, bei denen<br />

Eintrittsgeld erhoben wird, sollte von<br />

jedem auch ein Bauopfer von fünf Pfennigen<br />

erhoben werden, mit dem gemeinnütziger<br />

Wohnhngsbau finanziert werden<br />

sollte, wie Gemeinderat Taschies am<br />

7. Juli 1949 erklärt. Gemeinderat Lange<br />

und Beigeordneter van der Poll halten<br />

dagegen, das treffe die Ärmsten der<br />

Armen, treibe die <strong>Achimer</strong> zu auswärtigen<br />

Veranstaltungen und bedeute auch<br />

weniger Vergnügungssteuer. Außerdem<br />

komme ohnehin die Wohnraumsteuer.<br />

Gemeinderat Blaß hat eine Kompromissidee:<br />

Es sollten im Kino nur die Besitzer<br />

vom ersten und zweiten Platz mit dem<br />

Bauopfer belastet werden, da die sozial<br />

Schwachen sich ohnehin nur den dritten<br />

Platz leisten könnten. Der Stadtrat<br />

lehnt schließlich alle Anträge ab.<br />

aufnehmen und zu einem Tbc-Heim herabgestuft<br />

werden. Das Verdener Krankenhaus<br />

solle zu einem Spezialkrankenhaus<br />

ausgebaut werden, das dann auch<br />

Kranke in Achim mitbetreuen könne und<br />

einen Chefarzt in Achim überflüssig mache.<br />

Die vom Kreis zu gründende GmbH<br />

für das Etelser und <strong>Achimer</strong> Haus könne<br />

dann mit dem <strong>Achimer</strong> Krankenhaus<br />

verfahren, wie sie es aus Rentabilitätsgründen<br />

für richtig halte.<br />

Nicht jedoch mit dem <strong>Achimer</strong> Gemeinderat,<br />

der sich sein Krankenhaus nicht<br />

nehmen lassen will und im nächsten<br />

Tagesordnungspunkt gleich die Weichen<br />

stellt für die Einstellung eines neuen<br />

Chefarztes.<br />

Anfang 1953 wird bekannt, dass die<br />

Schwestern für das Etelser Krankenhaus<br />

gekündigt worden sind zum April des<br />

Jahres. Der Kreistag und der Stadtrat<br />

entscheiden Ende Januar 1953, dass das<br />

<strong>Achimer</strong> Krankenhaus mit einer neuen<br />

Inneren Station ausgebaut werden soll<br />

und dass das Haus vom zu schließenden<br />

Etelser Krankenhaus alles Brauchbare<br />

entnehmen darf. Die Stadt kauft dann die<br />

Achim contra Verden<br />

Immer wieder kommt in den Protokollen<br />

das gespannte Verhältnis zwischen Achim<br />

und Verden zum Vorschein. Am 17.<br />

August 1950 wird bekannt, dass das <strong>Achimer</strong>,<br />

das Verdener und Etelser Krankenhaus<br />

sowie das Genesungsheim Clüverswerder<br />

zu einer Krankenhaus-GmbH<br />

zusammengelegt werden sollen. Achims<br />

in den ersten Nachkriegsjahren voller<br />

Stolz gerade neugeschaffenes Krankenhaus<br />

solle Tbc-Kranke aus Verden<br />

Fotos von der Lehrbaustelle


18<br />

Krämermentalität bei der NS-Wiedergutmachung<br />

frühere Lehrbaustelle am Krankenhaus<br />

in Bierden mit ihren 51 107 Quadratmetern<br />

vom Niedersächsischen Verband<br />

der Bauindustrie.<br />

Weniger brisant ist die Verlegung des<br />

<strong>Achimer</strong> Zollamtes nach Verden. Der<br />

Rat erhebt einen Protest dagegen beim<br />

Hauptzollamt in Stade und der Oberfinanzdirektion<br />

in Hannover, der postwendend<br />

abgelehnt wird aus „Gründen<br />

sparsamer Verwaltungsführung“. Der<br />

Rat nimmt´s in seiner Sitzung am 12.<br />

Oktober 1950 hin, da er doch keine Chance<br />

hat.<br />

Immerhin bietet nun die Oberfinanzdirektion<br />

das frühere Finanzamtsgebäude<br />

an der Obernstraße der Stadt zur Miete<br />

an. Die Stadt könne es auf ihre Kosten zu<br />

einem Wohngebäude umbauen und müsse<br />

dann nur die Hälfte der Miete zahlen.<br />

Der Stadtrat befindet, dass das Gebäude<br />

sich nicht für Wohnungen eigne, und beschließt<br />

eine hinhaltende Antwort an die<br />

Oberfinanzdirektion. Außerdem fordert<br />

man noch einmal das Finanzamt von Verden<br />

zurück, obwohl man weiß, dass das<br />

zwecklos ist.<br />

Im Oktober 1953 bietet dann die Oberfinanzdirektion<br />

der Stadt an, das Gebäude<br />

auf Kosten des Bundes umzubauen für<br />

sechs Wohnungen. Eine Wohnung für<br />

den Hausmeister und fünf Wohnungen<br />

für die Stadt für zehn Jahre als Generalpächter<br />

für 95 Pfennige pro Quadratmeter,<br />

die sie dann für 1,05 DM weitervermieten<br />

könne. Ein gutes Geschäft, meint<br />

der Stadtrat und willigt ein.<br />

Badenden droht Kinderlähmung<br />

Badeanstalt an der Weser:<br />

Umkleidekabinen auf Stelzen<br />

Nicht systemrelevant, aber stadtrelevant<br />

ist die Badeanstalt an der Weser beim<br />

Hirtenhaus. O Schreck! In einer Sitzung<br />

des Haupt- und Finanzausschusses im<br />

Juni 1953 wird festgestellt, dass sie geschlossen<br />

werden sollte, nachdem das<br />

Staatliche Hygieneinstitut in Bremen<br />

festgestellt hatte, dass in einem Kubikzentimeter<br />

Wasser sich 17500 Keime,<br />

überwiegend Colibakterien, befanden.<br />

Beim Baden in dem kontaminierten Wasser<br />

könne Kinderlähmung drohen, sagen<br />

Experten. Verschmutzer in Verden, im<br />

Nachbarort Baden, Hausschlachtungen<br />

und Tierkadaver seien die Hauptursachen,<br />

spekuliert man im Stadtrat. Doch<br />

der Rat lehnt die Schließung ab. Schließlich<br />

könne man das den <strong>Achimer</strong>n nicht<br />

zumuten, fehle eine genauere Ursachenanalyse,<br />

betreffe das dann doch<br />

die ganze Weser, könnte man das Ba-


von Manfred Brodt 19<br />

dewasser auch filtern und werde auch<br />

trotz Verbots wild in der Weser gebadet.<br />

Es reiche, wenn die Bevölkerung über<br />

die Presse auf die Gefahren hingewiesen<br />

werde, meint der Rat.<br />

Das Gesundheitsamt des Kreises lässt jedoch<br />

nicht locker und schreibt am 3. Juli<br />

1953, die vielen Colibakterien könnten<br />

Kinderlähmung hervorrufen. Diese Bakterien<br />

kämen aus dem Darm von Warmblütern.<br />

Der Rat kann sich nun dem nicht<br />

mehr verschließen und verfügt am 6. Juli<br />

die sofortige Schließung der Badeanstalt<br />

auch, um Schadensersatzansprüche<br />

gegen die Stadt zu vermeiden. Am<br />

6. August ergeben die Wasseranalysen,<br />

durch ungeklärte Abwässer unter anderem<br />

der Städte Minden, Hannover und<br />

Verden, durch Tiere und Landwirtschaft<br />

sowie Versalzung durch die Kaliindustrie<br />

verhindern das Baden in Achims Badeanstalt<br />

ab 1956, die 1958 auch offiziell<br />

Das neue <strong>Achimer</strong> Freibad 1963 und 1970<br />

dass jetzt der Bakterienbefall nur noch<br />

hart an der Grenze liegt, und der Rat beschließt<br />

wieder die Öffnung der Badeanstalt.<br />

Gleichzeitig hatte er aber auch entschieden,<br />

in der Zukunft ein Freibad an<br />

anderer Stelle in der Stadt zu schaffen.<br />

Genannt wird die Freifläche am Sportzentrum<br />

im Norden. Bis einschließlich<br />

1955 darf dann in der Weser weiter gebadet<br />

werden. Personelle Probleme, die<br />

Verschlammung der Badeanstalt und<br />

natürlich die Verschmutzung des Stroms<br />

geschlossen wird. 1962 bekommt Achim<br />

sein neues Freibad beim Sportzentrum.<br />

Demokratiefeinde wollen kandidieren<br />

Mit den Folgen des Nationalsozialismus<br />

hat dieser Beitrag begonnen, mit<br />

Rechtsradikalismus müssen wir schließen.<br />

Für die Stadtratswahl am 9. November<br />

1952 hatte eine Wählergemeinschaft<br />

Kreis Verden einen Wahlvorschlag eingereicht,<br />

den der Gemeindewahlausschuss


20<br />

Krämermentalität bei der NS-Wiedergutmachung<br />

am 28. Oktober 1952 abgelehnt hatte, da<br />

die Wählergemeinschaft nach Urteil des<br />

Bundesverfassungsgerichtes eine verbotene<br />

Ersatzorganisation der verbotenen<br />

SRP, der Sozialistischen Reichspartei,<br />

sei. Drei Jahre nach ihrer Gründung<br />

hatte das Bundesverfassungsgericht am<br />

23. Oktober 1952 die besonders in Nordwestdeutschland<br />

starke SRP mit ihren<br />

mehr als 10 000 Mitgliedern verboten,<br />

da sie sich in der Tradition der NSDAP<br />

sehe und auch auf Hitler berufe. Auch<br />

Ersatzorganisationen wurden vom höchsten<br />

deutschen Gericht verboten.<br />

<strong>Achimer</strong> auf der Liste dieser <strong>Achimer</strong><br />

Wählergemeinschaft hatten dann Ende<br />

November diese Entscheidung des Gemeindewahlausschusses<br />

und die Kommunalwahl<br />

in Achim angefochten. Redner<br />

der Wählergemeinschaft beteuerten in<br />

der Stadtratssitzung, sie seien doch Unabhängige,<br />

andere entgegneten, sie hätten<br />

doch in den gleichen Lokalen früher<br />

als SRP heute als Wählergemeinschaft<br />

getagt. Der niedersächsische Innenminister<br />

wies in seiner Stellungnahme<br />

darauf hin, die SRP habe beschlossen,<br />

getarnt an der Kommunalwahl teilzunehmen.<br />

Der Stadtrat hält fest, die Wählergemeinschaft<br />

sei von Funktionären<br />

und Mitgliedern der SRP gegründet worden.<br />

Daran ändere auch nichts, dass der<br />

ein oder andere Unabhängige dabei sei.<br />

Der Ortsverband werde nach der übergeordneten<br />

Dachorganisation beurteilt.<br />

Deshalb weist die Stadt die Anfechtung<br />

der Wahl erfolgreich zurück.<br />

Sozialistische Reichspartei (SRP)<br />

Die „Sozialistische Reichspartei“ (SRP)<br />

wurde am 2. Oktober 1949 unmittelbar<br />

nach der ersten Bundestagswahl und kurz<br />

vor dem absehbaren Ende des alliierten<br />

Lizenzzwanges gegründet. Bis zur Gründung<br />

der Bundesrepublik behielten sich<br />

die Besatzungsmächte vor, die Gründung<br />

von Parteien zu genehmigen und rechtsextreme<br />

Parteien oder Flüchtlingsparteien<br />

erhielten die Genehmigung (Lizenz)<br />

nicht. Ziel der SRP war die „Sammlung<br />

aller wahrhaften Deutschen durch kämpferisches<br />

Bekenntnis und Verpflichtung<br />

auf ein klares sozialistisches und nationales<br />

Programm zur Überwindung der<br />

deutschen Not“ (zit. nach Hansen, S. 41).<br />

Schon die Wortwahl zeigt die Nähe zur<br />

NSDAP; dasselbe gilt für die führenden<br />

Protagonisten der Partei, die fast alle<br />

der NSDAP oder deren Gliederungen<br />

angehört hatten. Als Galionsfigur wirkte<br />

der ehemalige Wehrmachtsgeneral Otto<br />

Ernst Remer, der bei der Verhaftung der<br />

Verschwörer des versuchten Hitler-Attentats<br />

und Putschversuches am 20. Juli<br />

1944 eine wichtige Rolle gespielt hatte.<br />

Die politische Führung der SRP hatte<br />

der Vorsitzende Fritz Dorls inne. Ideologisch<br />

in der Tradition des Nationalsozialismus<br />

stehend, agitierte die Partei<br />

im Wahlkampf besonders gegen die angeblichen<br />

Ungerechtigkeiten der Entnazifizierungspolitik,<br />

gegen die Bonner<br />

„Systempolitiker“ und die sich abzeichnende<br />

Westbindung der Bundesrepublik.<br />

Anfangs hatte die SRP damit wenig Erfolg.<br />

Bei den Landtagswahlen 1950 in<br />

Nordrhein-Westfalen erreichte sie 0,2<br />

Prozent, in Schleswig-Holstein 1,6 Prozent.<br />

Erst 1951 bei der Landtagswahl in<br />

Niedersachsen, wo die SRP organisatorisch<br />

und an Mitgliedern am stärksten<br />

war (über die Hälfte der gut 11.000 Mitglieder<br />

lebte dort), konnte sie mit 11,0<br />

Prozent der Stimmen einen spektakulären<br />

Erfolg erzielen.<br />

Quelle:<br />

Bundeszentrale für politische Bildung


Von Hartmut Hagemann 21<br />

Erinnerung an wahnsinnige<br />

Weltkriege<br />

Hartmut Hagemanns Reise von<br />

Roedenbecks Grab bis zum<br />

Atlantikwall<br />

Die Geschichte des heutigen <strong>Achimer</strong><br />

Ortsteils Badenermoor ist eng mit dem<br />

Namen des damaligen Landrates Josua<br />

Roedenbeck verbunden. Mit seinen Vorstellungen<br />

war er maßgebend für die<br />

Errichtung dieser Siedlerstelle, wie es<br />

damals hieß, verantwortlich. Die Verwirklichung<br />

seines Lebenstraumes hat<br />

er nicht mehr wahrnehmen können, da<br />

er als Soldat am 10. November 1914 in<br />

Belgien gefallen ist.<br />

Eingang der Gedenkstätte Langemark<br />

Da ich mich mit der Geschichte Badenermoors<br />

seit 1988 beschäftige, war es mir<br />

ein Anliegen, die Grabstätte von Josua<br />

Roedenbeck aufzusuchen. Wie es dazu<br />

kam, möchte ich mit diesem Reisebericht<br />

schildern.<br />

Eigentlich gibt der Besuch dieser Grabstätte<br />

nicht allzu viel her. Eine Grabplatte<br />

auf einenm deutschen Soldatenfriedhof<br />

in Belgien ist eigentlich alles. Schon<br />

lange, bevor ich der Geschichtswerkstatt<br />

beigetreten bin, habe ich mich für


22<br />

Erinnerung an wahnsinnige Weltkriege<br />

Geschichte interessiert. Ausschlaggebend<br />

waren meine vielen Urlaubsreisen<br />

nach Österreich. Bei schlechtem Wetter<br />

habe ich seinerzeit Museen und Burganlagen<br />

besucht und dabei versucht,<br />

die geschichtlichen Hintergründe dieser<br />

Anlagen zu hinterfragen. Das war in<br />

den 1970er Jahren. Mitte des Jahrzehnts<br />

kam dann eine Zeitschriftensammlung<br />

unter den Namen „Das Dritte Reich“<br />

vom John Jahr Verlag auf den Markt.<br />

Es war eine Dokumentationsserie, die<br />

das „Dritte Reich“ behandelte. Während<br />

meiner Schulzeit wurde dieses dunkle<br />

Kapitel der deutschen Geschichte so gut<br />

wie gar nicht vermittelt. Während der<br />

Geschichtsstunden bzw. dem Erdkundeunterricht<br />

wurde immer eine Karte<br />

aufgehängt, die Deutschland nach dem<br />

Ersten Weltkrieg zeigte. Besonders fiel<br />

mir auf, dass rechts oben auf der Karte<br />

ganz separat Ostpreußen lag, das immer<br />

besonders erwähnt wurde, da es laut<br />

dieser Karte noch immer zum deutschen<br />

Staatsgebiet gehörte. Die Karte wurde bis<br />

zum Ende meiner Schulzeit nicht auf den<br />

neuesten Stand gebracht. Die neue Zeitschrift<br />

erweckte in mir Interesse, mich<br />

mit der Geschichte des „Dritten Reiches“<br />

und dem Zweiten Weltkrieg etwas näher<br />

zu beschäftigen. In diesen Heften<br />

gab es zwei Begriffe die immer mal wieder<br />

auftauchten. Der „Atlantikwall“ und<br />

die „Bergfestung“ in der Alpenregion. Im<br />

Frühjahr 2014 geisterten immer wieder<br />

Meldungen durch die Medien über ein<br />

Ereignis, das zu diesem Zeitpunkt vor 70<br />

Jahren stattgefunden hatte. Es handelte<br />

sich um den 6. Juli 1944, den sogenannten<br />

„D-Day“, die Landung der Alliierten<br />

in der Normandie.<br />

Es entwickelte sich in mir der Wunsch,<br />

diese Stätten der ehemaligen Kriegsereignisse<br />

mit eigenen Augen anzuschauen.<br />

Ausschlaggebend war für mich, dass<br />

für die Gedenkveranstaltungen an Orten<br />

der damaligen Kriegshandlungen Vorbereitungen<br />

getroffen wurden, um dieses<br />

vor 70 Jahren stattgefundene Ereignis<br />

in einem entsprechenden Rahmen<br />

stattfinden zu lassen. Das hieß, an allen<br />

Strandabschnitten der damaligen Landungen<br />

wurden entsprechende Möglichkeiten<br />

geschaffen, diesen geschichtsträchtigen<br />

Tag ins rechte Licht zu setzen.<br />

Allein den „Atlantikwall“, oder was von<br />

ihm übriggeblieben ist, einmal mit eigenen<br />

Augen zu sehen, war für mich<br />

Antrieb genug, die Reise an den Ärmelkanal<br />

zu planen. Ich hatte mich darauf<br />

festgelegt, die Normandie über Le Havre<br />

anzusteuern. Ich wollte mir unbedingt<br />

die imposante Brücke über die Seine, die<br />

Pont de Normandie – das Tor zur Normandie,<br />

ansehen. Bei der Ausarbeitung<br />

der Fahrtroute fiel mir irgendwann ein,<br />

dass das Jahr 2014 auch für unsere Region<br />

von Bedeutung war. Gedanklich hatte<br />

ich das nicht mehr vor Augen. Aber seit<br />

Monaten wurden Vorbereitungen für das<br />

100-jährige Bestehen Badenermoors<br />

getroffen. Ich hatte im Vorfeld mit den<br />

verantwortlichen Personen der Dorfgemeinschaft<br />

Badenermoor gesprochen<br />

und mich bereit erklärt, einen Beitrag im<br />

Rahmen der Geschichtswerkstatt beizusteuern.<br />

Mir fiel ein, dass sich in diesem<br />

Jahr auch der 100. Todestag des damaligen<br />

Landrats Josua Roedenbeck jährte,<br />

der ja, wie bereits erwähnt, maßgeblichen<br />

Anteil an der Gründung Badenermoors<br />

hatte.<br />

Lebenslauf von Josua Roedenbeck<br />

Josua Roedenbeck wurde am 16. Dezember<br />

1871 in Halle an der Saale als Sohn<br />

des „Königlichen Geheimen Ober-Regie-


von Hartmut Hagemann 23<br />

rungsrat“ und damaligen Kurators der<br />

Vereinigten Friederichsuniversität Halle-<br />

Wittenberg I. Dr. jur. Rudolf Roedenbeck<br />

und seiner Ehefrau Hedwig geb. Freiin<br />

von Eberstein, geboren. Die Schule beendete<br />

er im Jahre 1892 mit dem Abitur. Danach<br />

studierte er Rechts- und Staatswissenschaft<br />

an den Universitäten Marburg<br />

und Berlin. 1896 wurde er zum Referendar<br />

vereidigt und war anschließend am<br />

„Königlichen Amtsgericht“ in Charlottenburg<br />

und Werder tätig. Kurz darauf wurde<br />

er zur Ausbildung an das „Königliche<br />

Landgericht“ und zur Staatsanwaltschaft<br />

nach Potsdam überwiesen. Im Dezember<br />

1898 trat er zur allgemeinen Staatsanwaltschaft<br />

über. Bis zum Dezember 1900<br />

war er als Regierungsreferendar bei<br />

der „Königlichen Regierung“ in Danzig,<br />

bei dem Landratsamt in Charthaus und<br />

in Vertretung des Bürgermeisters beim<br />

Magistrat in Neustadt (Westpreußen) beschäftigt.<br />

Nach bestandener Prüfung für<br />

den höheren Verwaltungsdienst wurde<br />

er am 14. Juni 1901 zum Regierungsassessor<br />

ernannt. Zunächst wurde er zur<br />

Hilfeleistung in den landrätlichen Geschäften<br />

dem Landrat in Neidenburg<br />

(Ostpreußen) und vom 1. Mai 1904 dem<br />

Ministerium für Handel und Gewerbe<br />

aushilfsweise zugeteilt. Am 28. Mai 1902<br />

heiratete er Annemarie Adloff, Tochter<br />

des Geheimen Sanitätsrates Dr. Adloff<br />

aus Potsdam. Am 1. Januar 1905 wurde<br />

er zur Königlichen Regierung nach Stade<br />

versetzt und verwaltete seit Anfang Mai<br />

des Jahres vertretungsweise und seit<br />

dem 1. November das Landratsamt im<br />

Kreise Achim kommissarisch. Am 15.<br />

Januar 1908 wurde er zum „Königlichen<br />

Landrat“ des Kreises Achim ernannt.<br />

Er verfasste ein Memorandum, das zur<br />

Gründung einer Kolonie zwischen Baden<br />

und Posthausen führen sollte. Dieses<br />

Jugendbild von Josua Roedenbeck<br />

Memorandum wurde später in einen<br />

Antrag umgewandelt. Am 21. April 1914<br />

stimmte der <strong>Achimer</strong> Kreistag dem Antrag<br />

zu. Dieses Datum kann man als die<br />

Geburtsstunde des heutigen Badenermoors<br />

bezeichnen.<br />

Besuch an Roedenbecks<br />

letzter Ruhestätte<br />

Am 29. August 1914 hatte Landrat Roedenbeck<br />

seinen Kreis verlassen, um in<br />

das Heer einzutreten. Er sah es als seine<br />

Pflicht an, dem Kaiser und dem Vaterland<br />

zu dienen. Der Erste Weltkrieg war da. Er<br />

begann am 1. August 1914. Knapp drei<br />

Monate später, genau am 10. November<br />

1914 fiel Roedenbeck als Hauptmann der<br />

Reserve bei Bixschote.<br />

So versuchte ich, meine Reiseroute


24<br />

Erinnerung an wahnsinnige Weltkriege<br />

Das Deckblatt des Memorandums<br />

so zu planen, dass ich an der letzten<br />

Ruhestätte von Landrat Roedenbeck vorbeikomme.<br />

Seine letzte Ruhestätte hat<br />

er auf einem deutschen Soldatenfriedhof<br />

in der Ortschaft Langemark in Belgien<br />

gefunden. Auf dem Roedenbeckdenkmal<br />

in Badenermoor wird der Ort Bixschote<br />

erwähnt. Bixschote ist heute ein<br />

Ortsteil der Gemeinde Langemark. Bis<br />

nach Langemark waren es etwa 584 Kilometer.<br />

Folgendes hatte ich bei Wikipedia<br />

entnommen: Gleich nach der ersten<br />

Flandernschlacht im Jahre 1914 war<br />

Langemark, wie der Ort damals hieß,<br />

zu einem besonderen Symbol deutscher<br />

Propaganda geworden. Im Jahre 1928<br />

tagte in Paris der Rat der Confederation<br />

Internationale des Etudiants aus Vertretern<br />

von mehr als 40 studentischen<br />

Nationalverbänden. Auf ihrer Reise fuhren<br />

deutsche Studentenvertreter durch<br />

Westflandern, um die Kampfstätten des<br />

Ersten Weltkrieges, insbesondere Langemark,<br />

zu besuchen. Dort fiel ihnen auf,<br />

dass die gefallenen englischen, französischen<br />

und belgischen Soldaten auf gut<br />

gepflegten Friedhöfen begraben waren,<br />

während ein Friedhof für die deutschen<br />

Soldaten fehlte. Stattdessen fanden sie<br />

einzelne von Unkraut überwucherte Gräber<br />

und umgefallene Kreuze mit Aufschriften<br />

wie „Unbekannt. Deutscher“.<br />

Nach dieser Beobachtung beschloss die<br />

Deutsche Studentenschaft, den „Deutschen<br />

Soldatenfriedhof Nr. 123“ nahe<br />

Langemark auszubauen. Dieser Friedhof,<br />

den man seinerzeit aus der Gruppe<br />

von vier Hauptfriedhöfen in Flandern als<br />

„Studentenfriedhof“ heraushob, wurde<br />

1957 neu gestaltet. Infolge zahlreicher<br />

Umbettungen von danach aufgelassenen<br />

Soldatenfriedhöfen und auch einzelnen<br />

Soldatengräbern aus Flandern liegen<br />

auf dem Friedhof 44 304 deutsche Soldaten<br />

begraben Der Friedhof zeigt sich nun<br />

offen, Kreuze wurden entfernt und durch<br />

schlichte Platten ersetzt, die gesäumt<br />

von Stieleichen ein harmonisches Bild in<br />

der Landschaft Flandern bilden. Soweit<br />

der Text bei Wikipedia.<br />

Zwischen dem Friedhof und dem zugehörigen<br />

Parkplatz befindet sich eine<br />

Informations- und Erinnerungsstätte.<br />

Der Zugang vom Parkplatz führt durch<br />

diese. Die Informations- und Erinnerungsstätte<br />

ist in Form eines dunklen<br />

Tunnels gestaltet. Auf, im Tunnel installierten,<br />

Bildschirmen werden Informationen<br />

über den Ersten Weltkrieg und die<br />

Flandernschlacht vermittelt, während<br />

auf der gegenüberliegenden Seite mehrere<br />

„Schießscharten“ den Blick auf den<br />

Friedhof freigeben.<br />

Wenn man den Eingangsraum verlässt,<br />

gelangt man über einen kleinen Hof an<br />

das große Gemeinschaftsgrab, in dem<br />

die sterblichen Überreste von mehr als


von Hartmut Hagemann 25<br />

Das Gemeinschaftsgrab<br />

Jetzt machte ich mich auf die Suche<br />

nach der Grabstelle A 7173-7176. Denn<br />

die Nummer hatte ich im Internet entdeckt.<br />

Nachdem ich erkannt habe, nach<br />

welcher Ausrichtung die Platten verlegt<br />

wurden, fand ich nach kurzem Suchen<br />

die richtige Grabplatte.<br />

Zutritt zum Gemeinschaftsgrab<br />

25 000 unbekannten deutschen Soldaten<br />

ruhen.<br />

Für annähernd 17 000 hat der Volksbund<br />

nachträglich Namen feststellen können.<br />

Diese sind in große Bronzetafeln gegossen,<br />

die - auf schweren Steinquadern<br />

befestigt – an drei Seiten des Gemeinschaftsgrabes<br />

aufgestellt wurden.<br />

Im nördlichen Bereich ist ein Teil der<br />

ehemaligen deutschen Frontlinie zu sehen,<br />

die durch drei restaurierte Bunker<br />

und dazwischen befindliche Granitblöcke<br />

markiert sind. Siehe folgendes Bild.<br />

Vincent Buda, Alois Gramlich, Ein<br />

unbekannter deutscher Soldat, Josua<br />

Roedenbeck, Alfred Wagner, Max Harth,<br />

Rudolf Schwichtenberg, Ulrich Förster.<br />

Die sterblichen Überreste der gefallenen<br />

Soldaten wurden jeweils in einem<br />

Gemeinschaftsgrab mit acht Personen<br />

bestattet.<br />

Anschließend machte ich mich an die Arbeit,<br />

eine bereits zu Hause angefertigte<br />

Informationstafel aufzustellen, um dem<br />

Mann Josua Roedenbeck ein Gesicht zu<br />

geben. Ich habe mich vorher noch etwas<br />

verstohlen umgesehen, ob mich jemand<br />

beobachtete, bevor ich die Tafel in die


<strong>26</strong><br />

Erinnerung an wahnsinnige Weltkriege<br />

Erde steckte. Aber ich war an dem frühen<br />

Morgen noch alleiniger Besucher. Also<br />

schritt ich zur Tat. Es war schon erstaunlich<br />

festzustellen, dass vor vielen Grabplatten<br />

Blumen niedergelegt waren, sodass<br />

man davon ausgehen konnte, dass<br />

mancher Angehöriger noch Beziehungen<br />

zu der hier bestatteten Person hat.<br />

Nach und nach kamen auch andere Besucher<br />

um sich die Friedhofsanlage anzusehen.<br />

Ich war überrascht, wie schnell<br />

die Grabplatte mit meiner aufgestellten<br />

Tafel umlagert war. Es war die einzige<br />

Grabstelle, die so eine Hinweistafel<br />

hatte. Somit habe ich vor Ort mit dieser<br />

symbolischen Geste dem ehemaligen<br />

Landrat Roedenbeck meine Aufwartung<br />

machen können.<br />

Die Erinnerungstafel ist aufgestellt.<br />

Auch andere Besucher interessierten sich<br />

für die Gedenktafel.<br />

Nachdem ich mich in die im Eingangsbereich<br />

ausliegende Kondolenzliste eingetragen<br />

hatte, endete für mich hiermit<br />

der Besuch dieses Friedhofes. Diese<br />

Kriegsgräberstätte wird vom Volksbund<br />

Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. gestaltet.<br />

Dieses war für mich nicht der einzige<br />

Besuch eines Gräberfeldes. Denn bei<br />

meiner Recherche habe ich herausbekommen,<br />

dass es noch mehrere Gedenkstätten<br />

gibt, die erwähnenswert sind. So<br />

führte mich mein eingeschlagener Weg<br />

weiter nach „Tyne cot“. Auf der Straße<br />

nach dorthin kommt man immer wieder<br />

an kleinen Soldatenfriedhöfen aus dem<br />

1. Weltkrieg vorbei.<br />

Die Ankunft in Zonnebekes „Tyne Cot“<br />

war überwältigend. Das Ausmaß dieses<br />

Friedhofes ist beeindruckend. Mit beinahe<br />

12 000 beigesetzten Soldaten ist diese<br />

Gedenkstätte der größte Friedhof des


von Hartmut Hagemann 27<br />

Ein Teil des Gräberfeldes von „Tyne cot“<br />

Die Mauer mit den Namen der Vermißten<br />

Commonwealth für alle Kriege weltweit<br />

– eine traurige Berühmtheit. Schwindelerregend<br />

viele weiße Grabsteine reihen<br />

sich mit einer herrlichen Aussicht auf<br />

die ländliche Idylle auf dem Feld aneinander.<br />

Die Mauer um den Friedhof herum ist ein<br />

Denkmal für die Vermissten. Sie trägt die<br />

Namen von fast 34 957 Männern aus dem<br />

Vereinigten Königreich, die nie gefunden<br />

und für tot erklärt wurden.<br />

Der Soldatenfriedhof ist durch einen drei<br />

Kilometer langen Wander- und Radweg<br />

mit dem Memorial Museum Passchendaele<br />

1917 verbunden.<br />

Mehr als eine halbe Million Tote<br />

für acht Kilometer<br />

Im Internet finde ich dazu: Das Museum<br />

Passchendaele 1917 erzählt auf eindringliche<br />

und anschauliche Weise die<br />

Geschichte des Ersten Weltkrieges mit<br />

Schwerpunkt der Schlacht von Passenda-


28<br />

Erinnerung an wahnsinnige Weltkriege<br />

le. Diese Schlacht des Jahres 1917 ist als<br />

eine der furchtbarsten Schlachten des<br />

Ersten Weltkriegs bekannt, mit mehr als<br />

einer halben Millionen Opfer für einen<br />

Geländegewinn von nur acht Kilometern.<br />

Passchendaele wurde nicht nur zu<br />

einem Begriff des Ersten Weltkrieges,<br />

es wurde auch zum Symbol der großen<br />

Sinnlosigkeit der Kriegsgewalt mit all<br />

ihren Grauen überhaupt. Das Memorial<br />

Museum Passchendaele 1917 bietet einen<br />

Überblick der fünf Schlachten beim<br />

Städtchen Ypern, darunter die Schlacht<br />

von Passendale. Anhand von historischen<br />

Gegenständen, authentischen Briefen,<br />

Plakaten und anderen Dokumenten, Uniformen<br />

der unterschiedlichen Armeen<br />

und Videofragmenten bekommen Jung<br />

und Alt einen Einblick in das Leben auf<br />

dem Schlachtfeld und rundherum. Die<br />

interaktiven Elemente, die in der ganzen<br />

Museumsausstellung zu finden sind,<br />

sorgen dafür, dass auch Kindern dieses<br />

Stück Geschichte auf lebendige Art vermittelt<br />

wird. Als Besucher entdeckt man,<br />

wie die Briten 1917 anfingen, im Untergrund<br />

zu leben. Es ist ein beklemmendes<br />

Erlebnis, das einen Eindruck der erbärmlichen<br />

und beengten Lebensbedingungen<br />

vermittelt.<br />

Hier ist auch die wahrheitsgetreue Rekonstruktion<br />

der deutschen und britischen<br />

Laufgräben zu sehen, an deren Verlauf<br />

Verstecke original nachgebaut wurden.<br />

Ein Kommandostand<br />

Man kann das beängstigende Gefühl<br />

nacherleben, das die Soldaten befiel,<br />

als sie hier unten „gefangen“ saßen.<br />

Die Wirkung ist noch größer, wenn man<br />

selbst direkt durch diese Anlagen geht.<br />

Der Besuch des Museums endet mit dem<br />

berühmten Kunstwerk der neuseeländischen<br />

Künstlerin Helen Pollock, “Falls<br />

the Shadow”, gebrannt aus Ton aus Passchendale<br />

und Coromandel in Neuseeland.<br />

Hier halten wir kurz inne, um uns<br />

über das Leid der vielen Menschen, die<br />

direkt oder indirekt den Weltkrieg erlebt<br />

haben, zu besinnen.


von Hartmut Hagemann 29<br />

Nach diesem eindrucksvollen Erlebnis<br />

ging es zurück nach Ypern. Dort steht<br />

die im Jahre 1304 fertiggestellte Tuchenhalle.<br />

Sie diente als Verkauf- und Lagerplatz<br />

von Tuch. Es ist einer der größten<br />

profanen gotischen Gebäudekomplexe<br />

Europas.<br />

Laufgraben und Toilettenanlage<br />

Tuchenhalle in Ypern<br />

In diesem Gebäude befindet sich auch<br />

das „Flanders Field Museum“. Im Ersten<br />

Weltkrieg lag Ypern direkt an der Westfront.<br />

Am 4. November 1914 ließ General<br />

Berthold Deimling, ohne militärischen<br />

Grund und gegen die ausdrückliche<br />

Weisung seines Oberbefehlshabers<br />

Kronprinz Rupprecht von Bayern, die berühmte<br />

mittelalterliche Tuchenhalle von<br />

Ypern in Schutt und Asche legen.<br />

Ypern war stark umkämpft<br />

Es fanden dort mehrere Schlachten statt.<br />

Sie wurden später eingeteilt in:<br />

Erste Flandernschlacht (20. Oktober bis<br />

18. November 1914), in der auch Landrat<br />

Josua Roedenbeck fiel,<br />

Zweite Flandernschlacht (22. April bis<br />

25. Mai 1915),<br />

dann die Schlacht von Messines (ab 21.<br />

Mai 1917);<br />

eine Art Voroffensive für die Dritte Flandernschlacht<br />

(31. Juli bis 6. November<br />

1917).


30<br />

Erinnerung an wahnsinnige Weltkriege<br />

Tuchenhalle vor und nach dem Krieg<br />

Das erneuerte Flanders Field Museum<br />

konfrontiert Alt und Jung mit Leben und<br />

Tod in der Frontregion von Ypern. Die<br />

gänzlich neue Ausstellung mit ergreifenden<br />

Videoprojektionen, einzigartigen<br />

Tonfragmenten und den modernsten<br />

Multimediaanwendungen lassen einen<br />

in das Leben der Front eintauchen. Jeder<br />

Besucher erhält ein sogenanntes Poppy<br />

Armband, mit dem er vier persönliche<br />

Geschichten „des kleinen Mannes“ aus<br />

dem Ersten Weltkrieg entdecken kann.<br />

Indem man sich „einloggt“, kann man<br />

in Kontakt mit den Mitmenschen in dem<br />

vor über einem Jahrhundert stattgefundenen<br />

Krieg kommen, der am 11. November<br />

1918 endete.<br />

Monströse Betonbauten und<br />

Perlenkette von Friedhöfen<br />

Ein Synonym für Giftgas<br />

Die deutschen Truppen versuchten<br />

mehrmals, die Stadt einzunehmen. Dabei<br />

wurden sie (November 1914 und April<br />

1915) zurückgeschlagen. Am 22. April<br />

1915 setzten deutsche Truppen zum ersten<br />

Mal Chlorgas ein. Am 12. Juli 1917<br />

testeten deutsche Truppen – wieder bei<br />

Ypern – erstmals Senfgas. Es wurde bis<br />

heute auch ein Synonym für Giftgas. Vor<br />

über hundert Jahren war die Gegend<br />

rund um Ypern der Schauplatz eines der<br />

meist zerstörerischen Konflikte der Geschichte.<br />

Nun, da auch die letzten Zeugen<br />

verstorben sind, ist das Flanders<br />

Field Museum mehr als jemals zuvor das<br />

Tor zum Ersten Weltkrieg in Flandern.<br />

Von Ypern ging es nach Le Havre über<br />

den Point de Normandie. Dort begann<br />

meine Besichtigungstour des Atlantikwalls.<br />

Es waren eindrucksvolle Bauten,<br />

die ich gesehen habe. Man kann in etwa<br />

erahnen, wieviel Beton hier verarbeitet<br />

wurde. Bis hoch nach Cherbourg kann<br />

man immer wieder diese monströsen<br />

Anlagen sehen.<br />

Ebenso sind viele Soldatenfriedhöfe, wie<br />

auf eine Perlenkette aufgereiht, längst<br />

der Küste zu sehen. Einer davon ist der<br />

deutsche Soldatenfriedhof in La Cambe.


von Hartmut Hagemann 31<br />

Der sieben Hektar große Friedhof entstand<br />

1958 durch Umbettungen zahlreicher<br />

kleinerer Anlagen. 20 507 gefallene<br />

Soldaten des Zweiten Weltkrieges<br />

fanden hier ihre letzte Ruhestätte.<br />

Dieser Friedhof wird ebenfalls von der<br />

„Deutschen Kriegsgräberfürsorge“ gepflegt.<br />

Es ist eine schlichte, aber ein eindrucksvolle<br />

Anlage. Erst durch das Herantreten<br />

an die Grabplatten wird man das<br />

beklemmende Gefühl nicht los, durch<br />

was für einen Wahnsinn sie ihr junges<br />

Leben verloren haben. Die meisten waren<br />

zwischen 18 und 25 Jahre alt.<br />

Man hatte aus dem Ersten Weltkrieg<br />

nichts gelernt.<br />

„Wenn die Menschen nur wissen würden,<br />

wie schwer es ist, verwundet zu sein, zu<br />

sterben –<br />

alle wären mild und zahm, würden sich<br />

nicht in Parteien spalten, keine Meuten<br />

aufeinanderhetzen und nicht töten. Aber<br />

wenn sie gesund sind, wissen sie es nicht.<br />

Wenn sie verwundet sind, glaubt ihnen<br />

keiner. Wenn sie tot sind, können sie nicht<br />

mehr reden.“ Mihajlo Lalic<br />

Mit dieser Mahnung endet mein Reisebericht<br />

Der Friedhof „La Cambe“ in der Normandie.<br />

Quellennachweis: Das Grundwissen habe ich<br />

dem Internet bei Wikipedia entnommen. Das<br />

Zusammenstellen des Reiseberichts habe<br />

ich aus den Angaben in den Prospekten des<br />

Passchendaele Museums, dem Flanders<br />

Field Museum und den Hinweisen zu dem<br />

Friedhof La Cambe entnommen. Alle Angaben<br />

über Landrat Josua Roedenbeck stammen<br />

aus meinen vier Vorträgen zu der Geschichte<br />

Badenermoors.


32<br />

Von Reinhard Dietrich<br />

„Faule, unartige, widerspenstige und<br />

boshafte Kinder“<br />

Züchtigungen in der<br />

einklassigen Schule in Bollen<br />

In der „Schulordnung für die Landschulen<br />

in den Herzogthümern Bremen und<br />

Verden“ vom 10. Februar 1752 wurde in<br />

zwei Paragraphen auf die Möglichkeit<br />

von Züchtigungen der Schulkinder eingegangen:<br />

Ein prügelnder Lehrer (1842) Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz


„Faule, unartige, widerspenstige und boshafte Kinder“ 33<br />

㤠67. Den Schulhaltern wird gar nicht untersagt,<br />

die faulen, unartigen, widerspenstigen<br />

und boshaften Kinder zu züchtigen.<br />

Doch müssen sie auch solche Maße<br />

halten, daß sie weder den Kindern an der<br />

Gesundheit Schaden zufügen, und den Eltern<br />

damit Gelegenheit geben, sich über<br />

sie zu beschweren, noch auch die Lust,<br />

zur Schule zu gehen, durch ein unvernünftiges<br />

und brutales Wesen und Verfahren<br />

bei den Kindern niederzuschlagen.<br />

§ 68. Insonderheit wird ihnen das Schlagen<br />

auf den Kopf der Kinder, es geschehe<br />

nun mit einem Stocke, Buche, oder Hand,<br />

und das Werfen nach denselben gänzlich<br />

verboten, und sie überhaupt, zumal den<br />

kleinen Kindern, angewiesen, mehr die<br />

Rute, als den Stock zu, gebrauchen.“<br />

Zum Unterricht gehörten Strafmaßnahmen<br />

und Beschämungen zur Aufrechterhaltung<br />

von Disziplin, aber auch gegen<br />

Lernunwillen und gegen „Dummheit“.<br />

Der „faule Schüler“ sitzt auf dem Strafesel<br />

und trägt noch zusätzlich die Eselskappe;<br />

Lehrer und Schüler beschimpfen<br />

und beschämen ihn. Zusätzlich droht<br />

der Lehrer massiv mit dem Stock. Links<br />

kniet ein Schüler auf der spitzen Seite eines<br />

Holzscheits beim Auswendiglernen<br />

des ABC; seine ABC-Tafel liegt vor ihm<br />

auf dem Boden. Körperlicher Schmerz<br />

wurde selbstverständlich hingenommen.<br />

Siehe Bild am Ende des Artikels.<br />

Der spätere Lehrer Johann Dietrich<br />

Schierloh (*11.12.1878, Hirtensohn aus<br />

dem Boller Holz, eingeschult Ostern<br />

1884, ausgeschult 28.03.1893, also Schüler<br />

bei Lehrer Johann Peter Klindworth<br />

(Lehrer in Bollen von Ostern 1860 bis<br />

1893) schreibt in seinen Lebenserinnerungen:<br />

„Wenn ich mich kurz zur Schulzucht<br />

äußern möchte, so geschieht das<br />

unter größter Zurückhaltung, weil es sich<br />

um ein Gebiet handelt, über das nicht<br />

leicht geurteilt werden kann. Die finstere<br />

Strenge macht es sich sehr leicht, die<br />

Güte hat es unendlich schwer. Die Kindesnatur,<br />

das Familienleben, sie sind so<br />

verschieden, daß es unmöglich wird, einen<br />

geraden Weg unangefochten zu gehen.<br />

Und die Persönlichkeit des Lehrers,<br />

die dabei eine überragende Rolle spielt,<br />

darf in der Beurteilung nicht vergessen<br />

werden. Dazu kommt noch der jeweils<br />

herrschende Zeitgeist, der damals auf<br />

persönliche Autorität abgestimmt war.<br />

Wie oft wurde so drauflosgeprügelt!<br />

Aus dem Vorhergehenden kann schon<br />

entnommen werden, daß die kindliche<br />

Fröhlichkeit nicht zu ihrem Recht kam.<br />

Wie weit das in einer einklassigen Schule<br />

möglich ist, das möge dahingestellt<br />

sein. Ich weiß nur, daß ich unter der<br />

freudlosen Art sehr gelitten habe. An<br />

gutem Lernwillen hat es bei mir nie<br />

gefehlt. Ich leugne aber auch nicht,<br />

daß der Übermut mich manchmal über<br />

gewisse Grenzen des Wohlverhaltens<br />

hinausgetrieben hat. Der Stock spielte<br />

dann als Zuchtmittel eine ziemliche<br />

Rolle. Ich glaube, es wäre mit weniger<br />

Hieben auch gegangen, vielleicht sogar<br />

besser. Aber ein Verstehen, ein gütiges<br />

Zureden gab es nicht. So geriet ich<br />

mehr und mehr in einen Gegensatz zum<br />

Lehrer, der mich auch strafte, wenn ich<br />

mir die größte Mühe gab, keinen Anstoß<br />

zu erregen. Immer wieder verbannte er<br />

mich in den berüchtigten „Luhnort“, den<br />

Vorplatz. Da stand man denn und schaute<br />

die Prinzenäpfel in Papens Garten an<br />

und harrte der Dinge, die da kommen<br />

sollten.“ Erklärung „Papens Garten“:<br />

Hier handelt es sich um den Garten der<br />

Hofstelle Nr. 4, heute steht dort das Haus<br />

Bollener Deich 4.


34<br />

„Faule, unartige, widerspenstige und boshafte Kinder“<br />

Henry Tietjen schreibt in seinen Erinnerungen<br />

an seine Schulzeit über seine<br />

Erfahrungen mit Lehrer Meyer (Lehrer<br />

in Bollen vom 01.10.1893 bis 1925): „Damals<br />

hatten die Lehrer noch das Prügelrecht,<br />

von dem der alte grantige Lehrer<br />

kräftig Gebrauch machte. Natürlich<br />

auch, wenn Schüler zu spät kamen. Die<br />

Nachbarskinder versuchten gar nicht<br />

erst, auf ihre Plätze zu kommen. Sie gingen<br />

gleich zum Lehrerpult und bückten<br />

sich. Die Strafe ließen sie ohne Anteilnahme<br />

an sich vorüber gehen, und das<br />

jeden Morgen. Sie hatten gut vorgesorgt<br />

- ihr wertes Hinterteil wurde von einem<br />

Atlas geschont.“<br />

Vereinzelt geschlagen wurde von allen<br />

Bollener Lehrern. Die Erinnerungen<br />

der ehemaligen SchülerInnen sind aber<br />

natürlich bruchstückhaft. Besonders in<br />

Erinnerung geblieben ist vielen der nur<br />

1,56 m große Lehrer Walter Fischer, der<br />

häufig, grob und manchmal unberechenbar<br />

Züchtigungen vornahm. Er wurde auf<br />

Initiative der Bollener Eltern zum 1. April<br />

1960, nach nur knapp zweieinhalb Jahren<br />

Dienstzeit in Bollen versetzt.<br />

Noch am 23.10.1957 entschied der Bundesgerichtshof<br />

über das „Züchtigungsrecht<br />

des Volksschullehrers“, dass die<br />

körperliche Züchtigung der Schüler<br />

durch den Lehrer zwar den Tatbestand<br />

der Körperverletzung nach § 223 des<br />

Strafgesetzbuches erfülle, sie aber nicht<br />

strafbar sei. In der mehr als 20seitigen<br />

Begründung heißt es u.a.: „Frechheiten,<br />

Ungehorsam und vorsätzliche Störungen<br />

des Unterrichts können ein hinreichender<br />

Grund zu körperlicher Züchtigung sein…<br />

Schläge mit dem Rohrstock auf die Hand<br />

oder auf das Gesäß sind die allgemein üblichen<br />

und wegen ihrer Ungefährlichkeit<br />

die zweckmäßigsten Züchtigungsmittel.“<br />

In den weiteren Ausführungen wurden<br />

auch „maßvolle Ohrfeigen“ grundsätzlich<br />

nicht verboten: „Ganz allgemein wird<br />

eine Ohrfeige als minder schwer erachtet<br />

als die Austeilung von Stockschlägen.<br />

Der Grund liegt darin, daß die Ohrfeige<br />

die sofortige Reaktion auf ein fehlerhaftes<br />

Verhalten ist und mehr den Charakter<br />

des „Zur-Besinnung-Bringens“ hat.<br />

Stockschläge sind dagegen Vollzug einer<br />

für eine Verfehlung zudiktierten Strafe.“<br />

Wir können davon ausgehen, dass es<br />

fast in der gesamten Bollener Schulzeit<br />

- mehr als 270 Jahre - körperliche Züchtigungen<br />

mit einem Stock und Schläge<br />

gegen den Kopf („Backpfeifen“, „Ohrfeigen“)<br />

gegeben hat, mal mehr mal<br />

weniger. Wie Johann Dietrich Schierloh<br />

sehr richtig geschrieben hat: Es war<br />

halt der „Zeitgeist“. Fast alle zu diesem<br />

Thema befragten ehemaligen Bollener<br />

Schülerinnen und Schüler wurden auch<br />

im Elternhaus bis in die 60er Jahre geschlagen.<br />

Laut einer Studie Anfang der<br />

60er Jahre war für 98 % der Eltern „körperliche<br />

Züchtigung ein von der Sitte<br />

gebilligtes Zuchtmittel“. 85 % hatten es<br />

bereits eingesetzt, 13 % würden es auch<br />

einsetzen, sahen aber bisher keinen Bedarf.<br />

Lediglich 2 % der Eltern lehnten die<br />

körperliche Züchtigung grundsätzlich<br />

ab. Eine ehemalige Bollener Schülerin<br />

meinte: „Wenn ich mich zu Hause über<br />

das Schlagen des Lehrers in der Schule<br />

beklagte, bekam ich von meinem Vater<br />

noch zusätzliche Schläge.“ Weil der<br />

Vater selbstverständlich davon ausging,<br />

dass die Schläge in jedem Fall ihre Berechtigung<br />

hatten.<br />

Die Bollener Schule wurde am 30. November<br />

1966 geschlossen. Erst Ende der<br />

60er, Anfang der 70er Jahre änderte sich<br />

der Zeitgeist. Die körperliche Züchtigung<br />

an den Schulen in den einzelnen Bundesländern<br />

wurde so nach und nach verbo-


Von Reinhard Dietrich 35<br />

ten. Im Niedersächsischen Schulgesetz<br />

vom 30.05.1974 wurde auf die körperliche<br />

Züchtigung im Katalog der zugelassenen<br />

Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen<br />

verzichtet.<br />

Oftmals sahen die Strafmaßnahmen so aus.<br />

Kupferstich von Johann Mettenleiter (um<br />

1800).<br />

In einer anderen Quelle wird als Titel für<br />

diesen Kupferstich<br />

angegeben: „Lacht ihn brav aus!“


36<br />

Hochwertige Überlieferung von<br />

bewährter Qualität<br />

Am 11. Oktober 2020 konnte<br />

man in der Zeitung lesen:<br />

Von Helmut Köhler<br />

„Mit Firmengeschichte gewachsen -<br />

Kunden fühlen sich bei heimischen<br />

Traditionsbetrieben besonders gut<br />

aufgehoben.“<br />

Im „Corona-Zeitalter“ hat sich die Suche<br />

nach Konstanten besonders herausgebildet,<br />

Menschen besinnen sich auf ihre<br />

Familiengeschichte, Firmen suchen nach<br />

ihren Ursprüngen, Vereine vervollständigen<br />

ihre Chroniken usw.... Und so ist es<br />

nicht verwunderlich, dass auch im Archiv<br />

der Stadt Achim einige „Bewegungen“<br />

stattgefunden haben. Ein Ergebnis soll<br />

hier aufgeführt werden: „Fleischerei<br />

Holtkamp - Ein Familienbetrieb feierte<br />

sein 101-jähriges Bestehen“. 101 - das<br />

ist kein Schreibfehler, es ist tatsächlich<br />

so: Am 27. August 1920 eröffnete<br />

Hausschlachter Johann Holtkamp seine<br />

eigene Schlachterei in Hemelingen,<br />

Marschstraße 2. Und dieser Betrieb<br />

besteht noch immer und macht als traditionsreiches<br />

Unternehmen von sich<br />

reden. Da Hemelingen dereinst verwaltungsmäßig<br />

zu Achim gehörte, befinden<br />

sich die entsprechenden Dokumente und<br />

Unterlagen im oben genannten Archiv.<br />

Hier sollen nun einige knappe Auskünfte<br />

das Familienunternehmen beleuchten<br />

und die Bedeutung für die Bevölkerung<br />

würdigen.<br />

Gründer der Schlachterei Holtkamp war<br />

Johann Philipp Holtkamp geboren am<br />

22. August 1885 in Hemelingen. Er war<br />

das dritte von zehn Kindern des Ziegeleiarbeiters<br />

Friedrich Wilhelm Adolph<br />

Holtkamp (geboren 15.12.1859 in Heßloh,<br />

gestorben 1921 in Hemelingen) und


Hochwertige Überlieferung von bewährter Qualität 37<br />

dessen Ehefrau Adelheid Beneke (geboren<br />

25.09.1859 in Hemelingen und dort<br />

1921 gestorben).<br />

Obwohl Johann seinen Großvater mütterlicherseits<br />

nur kurze Zeit kennen lernen<br />

durfte - Johann Hinrich Beneke - entschied<br />

er, sich dessen Beruf zu erlernen:<br />

Er wurde Schlachter!<br />

Am 27. August 1920 eröffnete Johann<br />

Philipp Holtkamp seine eigene Schlachterei<br />

und inserierte eine Anzeige im <strong>Achimer</strong><br />

Kreisblatt:<br />

Das war der Beginn der beachtlichen Familien-Dynastie<br />

der Schlachtermeister<br />

Familie Holtkamp; vier Generationen mit<br />

je einem Schlachtermeister in ununterbrochener<br />

Folge:<br />

1. Johann Philipp: Geb. 22.08.1885; gest.<br />

31.03.1967, hat am 12.05.1925 seinen<br />

Meisterbrief von der Handwerkskammer<br />

Harburg erhalten.<br />

2. Johann Holtkamp: Geb. 23.02.1929, bekam<br />

seinen Meisterbrief am 03.06.1946.<br />

3. Johann Holtkamp: Geb. 13.03 1951,<br />

wurde am 08.12.1976 der Meisterbrief<br />

zuerkannt.<br />

4. Nils Holtkamp: Geb. 30.12.1981, empfing<br />

den Meisterbrief am 28.11.2005.<br />

Eine beachtliche Folge der Meisterschaft<br />

im Schlachterhandwerk!<br />

Und so wie Meisterbrief auf Meisterbrief<br />

folgte lief auch die Erfolgsgeschichte des<br />

Unternehmens. Die breit gefächerte Skala<br />

der angebotenen Produkte garantierte<br />

über Jahrzehnte eine ständige zufriedene<br />

Kundschaft und immer ausreichend Lieferanten<br />

für Fleisch aus transparenter<br />

Herkunft und von gut gehaltenen Tieren<br />

aus der Region.<br />

Als die Fleischerei Holtkamp am 27. August<br />

2020 ihr 100jähriges Familienjubiläum<br />

feierte konnte man im Weser - Report<br />

lesen: „Zum Jubiläum bedanken wir uns<br />

vor allem bei unseren Kunden und tollen<br />

Mitarbeitern“ sagt Familie Holtkamp.“<br />

Mögen diesem traditionsreichen Betrieb<br />

noch viele Generationen folgen ...


38<br />

Vor 90 Jahren<br />

Der lange Kampf für Frieden<br />

und ein Vereinigtes Europa<br />

Von Reinhard Dietrich<br />

Beim Stöbern in alten Zeitungen sind<br />

mir einige Anzeigen der Deutschen<br />

Friedensgesellschaft (Bund der Kriegsgegner)<br />

aus den Jahren 1929 und 1930<br />

aufgefallen.<br />

Am 16. April 1929 gab es im <strong>Achimer</strong><br />

Kreisblatt diesen Bericht:<br />

“Die Deutsche Friedensgesellschaft<br />

(Bund der Kriegsgegner) veranstaltete<br />

gestern Abend im Schützenhofe eine<br />

öffentliche Versammlung, zu welcher<br />

sie als Referenten Herrn Heinrich Vierbücher-Berlin<br />

als Redner gewonnen<br />

hatte. In fast zweistündiger sehr temperamentvoller<br />

Rede sprach er über das<br />

Thema „Stahlhelm und Hakenkreuz sind<br />

Deutschlands Untergang“ und erläuterte<br />

den Zuhörern die Ziele der Deutschen<br />

Friedensgesellschaft, die in dem Worte<br />

gipfelten „Nie wieder Krieg!“ In der Einleitung<br />

stellte er den Bestrebungen der<br />

Gegner die jetzt kritische Zeit mit der<br />

wirtschaftlichen Not, Krisen, Zusammenbrüchen,<br />

Not der kleinen Landwirte,<br />

Landvolk Kundgebungen gegen den<br />

Steuerdruck u.a. gegenüber, die zeigen,<br />

dass wir in wirtschaftlich trüben Zeiten<br />

leben, dass aber in der nationalistischen<br />

Presse kein Wort zu finden sei über die<br />

Not der Arbeiterschaft. Das Schlimmste<br />

sei aber, dass man auch in der Arbeitnehmerschaft<br />

den geschlossenen Block<br />

vermisse und sich spalte. Den jungen


Vor 90 Jahren 39<br />

Menschen gönne er den Sport, rufe ihnen<br />

aber zu, mehr in die politischen Versammlungen<br />

zu gehen.<br />

… Heute schon schaffe sich die Erkenntnis<br />

Bahn von der Notwendigkeit des Zusammenschlusses<br />

aller europäischen<br />

Staaten, wovon man vor fünf Jahren noch<br />

nicht reden durfte. Europa wäre heute<br />

viel weiter, wenn es nicht den Wahnsinn<br />

des letzten Krieges (er meint noch den 1.<br />

Weltkrieg von 1914 bis 1918) begangen<br />

hätte. … Ein internationaler Friede könne<br />

nur auf internationalem Wege erreicht<br />

werden. Zum eigentlichen Thema übergehend,<br />

betonte der Redner, dass die<br />

Nationalisten durch ihre Politik Deutschland<br />

einem neuen Kriege zutrieben,<br />

der aber Deutschlands Untergang sein<br />

würde… In breitem Rahmen entwickelte<br />

der Redner das grausige Bild eines Zukunftskrieges,<br />

gegen den die Menschheit<br />

sich mit aller Macht wehren müsste. Wir<br />

sollten unsere Kinder nicht für den Krieg<br />

erziehen, sondern so, dass sie im Dienste<br />

der Menschlichkeit wirken könnten.<br />

Jedes Mittel gegen den Krieg müsste<br />

angewandt werden und der Beginn eines<br />

solchen mit Dienstverweigerung und internationalem<br />

Generalstreik beantwortet<br />

werden.<br />

… Die Rede fand brausenden Beifall.“<br />

(<strong>Achimer</strong> Kreisblatt vom 16.04.1929)<br />

Am 21. Oktober 1929 gibt es dann einen<br />

ausführlichen Bericht im <strong>Achimer</strong><br />

Kreisblatt über diese Veranstaltung:<br />

“Öffentliche Versammlung. Die deutsche<br />

Friedensgesellschaft hatte zu einer öffentlichen<br />

Versammlung am Sonnabend<br />

Diese Ansichtskarte wurde am 18.07.1927 geschrieben.<br />

Sie stammt aus dem Archiv der <strong>Achimer</strong> Geschichtswerkstatt.


40<br />

Vor 90 Jahren<br />

im „Schützenhof“ eingeladen und dazu<br />

als Redner Herrn Vierbücher-Berlin, hier<br />

schon durch frühere Versammlungen<br />

bekannt, gewonnen. Er sprach über und<br />

gegen das Volksbegehren – gegenwärtig<br />

der wichtigste politische Gegenstand<br />

– und im Anschluss daran über die „Vereinigten<br />

Staaten von Europa“, das von<br />

allen Friedensfreunden erstrebte Ziel.<br />

… Die Frage sei nicht neu, denn, wie aus<br />

der Geschichte ersichtlich, schon vor<br />

Jahrhunderten zu verschiedenen Zeiten<br />

von Staatsmännern empfohlen worden,<br />

niemals aber so aktuell und wichtig gewesen<br />

wie jetzt. Europa, vor dem Kriege<br />

(gemeint ist der 1. Weltkrieg 1914-1918<br />

R.D.) das Kultur- und Wirtschaftszentrum<br />

der Welt, habe diese Position an Amerika<br />

abgetreten, der größten Geldmacht<br />

der Welt. Alle außereuropäischen Staaten<br />

hätten früher aus Europa, besonders<br />

Deutschland und England, Industriewaren,<br />

Kohlen etc. gekauft, jetzt seien diese<br />

zur Selbstproduktion und Ausbeutung<br />

der eigenen Kohlenläger übergegangen.<br />

Alle Länder Europas seien an Amerika<br />

verschuldet, das dadurch zu gewaltiger<br />

Macht emporgestiegen sei, während wir<br />

durch diese Verschiebung der Machtverhältnisse<br />

Exportverluste und Arbeitslosigkeit<br />

hätten. Die Hochfinanz und die<br />

Großindustrie habe diese Vereinigung<br />

längst.<br />

…Zum Schluss forderte der Redner<br />

auf,… dafür zu sorgen, dass nur Vertreter<br />

des Sozialismus in die Provinz,<br />

Kreis- und Gemeindeparlamente<br />

einzögen. In einem Schlusswort propagierte<br />

Herr Vierbücher die Ideen<br />

der Deutschen Friedensgesellschaft.“<br />

Im redaktionellen Teil heißt es: „Deutschlands<br />

Totengräber an der Arbeit. Im Augenblick,<br />

wo 107 Nationalsozialisten im<br />

Reichstag sind, lässt die Deutsche Frie-


Von Reinhard Dietrich 41<br />

densgesellschaft Walter H. Dressler,<br />

Frankfurt a. M., in Achim am Mittwoch,<br />

19. November, im Schützenhofsaale<br />

über dieses Thema sprechen. Dem Redner<br />

geht der Ruf eines außerordentlichen<br />

Redners voraus und die Formulierung<br />

des Themas lässt einen interessanten<br />

Abend erwarten.“<br />

Schon 1929, vier Jahre bevor am 30.<br />

Januar 1933 die Nazis an die Macht kamen,<br />

zehn Jahre bevor sie mit ihrem<br />

rassistischen Wahn am 1. September<br />

1939 Deutschland in den Zweiten Weltkrieg<br />

führten, gab es eine Deutsche<br />

Friedensgesellschaft, die vor Stahlhelm<br />

und Hakenkreuz, die vor dem Gang in<br />

den Untergang warnte und für ein Vereinigtes<br />

Europa warb. Es gab frühzeitig<br />

Warnungen und Warner vor nationalistischen<br />

und nationalsozialistischen Verführern.<br />

Viele wollten die Warnungen<br />

damals nicht hören. Die Katastrophe war<br />

nicht unvermeidlich.<br />

In einer Veranstaltungsanzeige vom 17. November 1930 wird die<br />

Deutsche Friedensgesellschaft noch einmal sehr deutlich:


42<br />

Vor 90 Jahren<br />

Das europäische Parlament in Straßburg<br />

Wahlbeteiligung bei den<br />

letzten vier Europa-Wahlen<br />

Bei der Europa-Wahl am 25.05.2014<br />

beteiligten sich in der Bundesrepublik<br />

Deutschland ca. 48,1 % (in der EU 42,6 %)<br />

der Wahlberechtigten. In der Stadt Achim<br />

waren es 57,4 %, im gesamten Landkreis<br />

Verden 53,4 %, in Bremen nur 40,3 %.<br />

Es ist vielen WählerInnen nur schwer zu<br />

vermitteln, was die Europa-Abgeordneten<br />

wirkungsvoll tun oder auch nicht. Wir<br />

bekommen wenig von ihren Aktivitäten<br />

mit. Die Effizienz ist sehr fragwürdig. Die<br />

Vermittlung zwischen den unterschiedlich<br />

entwickelten Staaten, den unterschiedlichen<br />

(Partei)-Strömungen ist ein<br />

schwieriges Unterfangen. Jede eventuelle<br />

Entscheidung ist ausgesprochen<br />

mühsam. Rechtspopulisten sind in zahlreichen<br />

Ländern auf dem Vormarsch. Der<br />

Weg in ein Vereinigtes Europa ist lang.<br />

Bei allen Schwierigkeiten, ein Vereinigtes<br />

Europa zu schaffen - es bleibt die nicht<br />

unbegründete Hoffnung: Wenn die Völker<br />

im Kontakt sind, wenn viel gesprochen<br />

und verhandelt wird, wenn man sich<br />

kennt und vertrauen kann, dann sinkt die<br />

Gefahr, dass rassistische Ideologien zu<br />

starken Strömungen werden, dann sinkt<br />

die Gefahr, dass es Regierungen gelingen<br />

könnte, die Völker gegeneinander zu<br />

hetzen. Die Friedensgesellschaft hatte<br />

schon 1929 recht: Ein Vereinigtes Europa<br />

trägt zur Friedenssicherung - zumindest<br />

innerhalb Europas - entscheidend bei.<br />

Wahlbeteiligung EU Deutschland Landkreis Verden Achim Bremen<br />

13.06.2004 45,5 % 43,0 % 43,0 %<br />

07.06.2009 43,0 % 43,3 % 43,3 %<br />

25.05.2014 42,6 % 48,1 % 53,4 % 57,4 % 40,32 %<br />

<strong>26</strong>.05.2019 50,6 % 61,4 % 64,2 % 63,6 % 63,01 %<br />

Die Wahlbeteiligung am <strong>26</strong>. Mai 2019 hat<br />

gegenüber 2014 deutlich zugenommen.<br />

Allerdings hat es in allen Staaten der EU<br />

auch eine deutliche Zunahme von populistischen,<br />

nationalistischen und sogar<br />

rechtsradikalen Positionen gegeben, vor<br />

allem in Frankreich, Ungarn, Polen usw.<br />

aber auch durch die AfD in Deutschland.


Von Karl-Heinz Hildebrandt 43<br />

Swinemünde<br />

Ein kleiner Ort<br />

mit bedeutender Rolle<br />

in der großen Weltgeschichte<br />

Als seinerzeit der Traditionsverband<br />

„Steuben-Kaserne“ von Golm aus die<br />

Hafenstadt Swinemünde und so das Festungswerk<br />

„Westbatterie“ besichtigte,<br />

konnte der interessierte Teilnehmer in<br />

einer Broschüre nachlesen, dass dieser<br />

bescheidene Ort an der Ostseeküste<br />

mehrmals in die große Weltgeschichte<br />

einbezogen wurde.<br />

Erste Befestigungen an der Swinemündung<br />

ließ der Feldherr Wallenstein im<br />

Dreißigjährigen Krieg aufwerfen. Danach<br />

nahm es Schweden in Besitz, um es 1721<br />

an Preußen abzutreten. Erfolglos bemühte<br />

sich Schweden 1757, es wiederzuerlangen.<br />

Vorübergehend besetzte es<br />

Frankreich 1806, um sich dann 1812 bis<br />

zum Fall Napoleons dieses Einfallstor<br />

ins Hinterland zu sichern. Im ersten Dänischen<br />

Krieg 1848 blockierte diese damals<br />

bedeutende Seemacht den Hafen.<br />

Als Reaktion darauf entstanden auf deutscher<br />

Seite die ersten dauerhaften Festungsanlagen.<br />

1863 erschien erneut die<br />

dänische Flotte in der Swinemündung. In<br />

groben Zügen ist dies alles präsent in unserem<br />

Geschichtsbewußtsein. Fremd ist<br />

uns aber, dass im August 1870 eine überlegene<br />

französische Flotte vor Swinemünde<br />

erschien. Wie war das möglich?<br />

Fest steht zunächst, dass im Deutsch-<br />

Französischen Krieg 1870/71 keine<br />

Schlacht zur See geschlagen wurde,<br />

weshalb das Ende Kaisers Napoleon lll.<br />

in Sedan neben der Belagerung von Paris<br />

die herausragenden Merkmale jener<br />

Auseinandersetzung sind.<br />

1870/71 keine Schlacht zur See<br />

Dabei wird geflissentlich übersehen,<br />

dass es schon deshalb keine Seeschlacht<br />

Swinemünde:<br />

1759 in den schwedischen Militärkarten<br />

Quelle Schwed. Reichskriegsarchiv<br />

geben konnte, weil es so gut wie keine<br />

deutsche Marine mehr gab. Man erinnert<br />

sich: Als sich 1848 die Lage in Schleswig-Holstein<br />

zuspitzte, weil Dänemark<br />

die beiden Herzogtümer annektieren<br />

wollte, begriff die „Paulskirche“, dass<br />

eine deutsche Marine notwendig sei, um<br />

die eigenen Interessen zu schützen. Die


44<br />

Swinemünde<br />

Krise wurde aber auf einer internationalen<br />

Konferenz derart überwunden, dass<br />

Dänemark seinen Besitzstand wahren<br />

konnte. Mit der „Paulskirche“ wurde<br />

dann auch die im Aufbau befindliche Marine<br />

aufgelöst. Preußen übernahm zwar<br />

einige Schiffe, begriff sich aber keineswegs<br />

als Seemacht. Andererseits war<br />

und blieb Dänemark durchaus eine beachtliche<br />

Größe auf hoher See, konnte<br />

es jedoch mit Frankreich, dem schärfsten<br />

Konkurrenten Englands, trotzdem<br />

nicht aufnehmen. Aber als „Juniorpartner“<br />

war es der „Königlichen“, wie sich<br />

die traditionsbewusste Marine Nationale<br />

gerne bezeichnete, höchst willkommen.<br />

An Frankreichs Größe nagte seit Königgrätz<br />

- Sadowa für die Franzosen - das<br />

ungute Gefühl, nicht mehr die Nummer<br />

Eins auf dem Kontinent zu sein. Daher<br />

nimmt es nicht Wunder, dass vorausschauend<br />

im Falle eines Konflikts mit<br />

Preußen und den anderen deutschen<br />

Ländern eine amphibische Operation<br />

geplant wurde, die mit dänischer Unterstützung<br />

eine Landung an der Nordbzw.<br />

Ostsee vorsah. Deutschland hätte<br />

den Feind dann auch im Rücken stehen,<br />

was bekanntlich unangenehm ist. Letztendlich<br />

kam der Krieg völlig unerwartet.<br />

Hier ein kurzer Überblick über die französische<br />

Stärke zur See: An gepanzerten<br />

Schiffen zählte die Marine 18 Fregatten,<br />

9 Korvetten, 7 kleinere Schiffe, 18 Kanonenboote.<br />

Zu diesen 49 Schiffen kamen<br />

an ungepanzerten Schiffen 34 Fregatten,<br />

25 Korvetten, 51 kleinere Schiffe hinzu.<br />

An Transportschiffen verfügte die Marine<br />

über 116 Einheiten unterschiedlicher<br />

Größe. Alle Schiffe hatten Dampfantrieb.<br />

Segelschiffe gehörten zwar auch noch<br />

zum Bestand, zählten aber nicht mit. Die<br />

Marineinfanterie als Landungstruppe<br />

bestand aus 136 Kompanien in vier Regimentern,<br />

wovon allerdings nur 72 verfügbar<br />

waren, immerhin etwa 9600 Mann.<br />

Die Marineartillerie zählte 28 Batterien,<br />

davon 20 verfügbar. Für die geplante<br />

Landungstruppe rechnete man noch<br />

zwei Kavallerieregimenter hinzu. Das<br />

Ganze war demnach den norddeutschen<br />

Seestreitkräften haushoch überlegen.<br />

Oberforstmeister führt Bürgerwehr<br />

Die preußische Flotte im Vergleich bestand<br />

zum damaligen Zeitpunkt aus lediglich<br />

fünf gepanzerten Schiffen, zwölf<br />

sonstigen Booten, acht Segelschiffen und<br />

22 Kanonenbooten. Die zitierte Broschüre<br />

berichtet also, dass am 18. August 1870<br />

plötzlich eine französische Flotte auf der<br />

Swinemünder Reede ankam. Vier Schiffe<br />

ankerten sogar in der Hafeneinfahrt und<br />

überbrachten die Nachricht, dass Blockade<br />

angesagt sei.<br />

Nach dem ersten Schreck stellte sich die<br />

Stadt daraufhin auf Verteidigung ein. Die<br />

Bürgerwehr unter Führung eines Oberforstmeisters<br />

griff zu den Waffen und in<br />

der Ost- und Westbatterie beiderseits<br />

der Swine bezogen Artilleristen aus Kolberg<br />

Stellung. Der befürchtete französische<br />

Angriff ließ aber auf sich warten<br />

und nach einem halben Jahr wurde die<br />

Blockade nach gegenseitiger Kräftedemonstration<br />

beendet. Was hatte nun<br />

die „Königliche“ von ihrer ursprünglichen<br />

Absicht abgehalten? Nun, zunächst<br />

einmal hatten die Dänen ihre Mitarbeit<br />

versagt. Statt eines siegreichen französischen<br />

Einmarsches in die Pfalz waren<br />

die Preußen in Elsass eingefallen. Das<br />

ließ Böses ahnen. Dann war das Landungskorps<br />

umdirigiert worden, um<br />

die französischen Landstreitkräfte zu<br />

verstärken. Man denke an den Einsatz<br />

der„Blauen Division“ bei Metz. Die Flot-


Von Karl-Heinz Hildebrandt 45<br />

te lief demnach ohne Marineinfanterie<br />

aus. Aber was sollte sie jetzt bewirken?<br />

Den Feind abschnüren<br />

Offensichtlich lautete deren Auftrag jetzt:<br />

Blockade, das heißt den Feind von der<br />

Außenwelt abschnüren. Abgesehen vom<br />

psychologischen Effekt würde die Maßnahme<br />

sich für die deutsche Wirtschaft<br />

katastrophal auswirken. Da mit den Dänen<br />

eigentlich nicht mehr zu rechnen<br />

war, kam folgender Plan zur Ausführung:<br />

Die Nordsee-Flotte sollte um Skagen<br />

herum in die Ostsee fahren, um dann<br />

Flussmündungen und Häfen zu blockieren.<br />

Abstützen sollte sie sich auf einen<br />

dänischen Hafen und dabei wegen der<br />

Neutralität auf Reede liegen. Den Platz<br />

der Nordsee-Flotte würde das Mittelmeer-Geschwader<br />

einnehmen mit dem<br />

Auftrag, um Belgien und Niederlande<br />

herum Ems, Weser und Elbe dichtzumachen<br />

und auch den entstehenden Kriegshafen<br />

Wilhelmshaven zu bombardieren.<br />

Als Stützpunkt war an das damals englische<br />

Helgoland gedacht. Dieser Gedanke<br />

kam dem „perfiden Albion“ mehr als<br />

ungelegen. Auf preußischer Seite wurde<br />

eine Gegenwehr derart getroffen, dass<br />

die paar Schiffe, die es besaß, bei passender<br />

Gelegenheit der französischen<br />

Flotte einige Nadelstiche verabreichen<br />

sollte. Dies setzte allerdings voraus,<br />

dass die preußische Marine wenigstens<br />

die hohe See erreichen würde. Weil der<br />

Eider-Kanal viel zu klein war, um von<br />

Nordsee zur Ostsee rochieren zu können,<br />

konnte sich alles nur westlich von<br />

Schleswig-Holstein abspielen. Zu bemerken<br />

ist, alldieweil der Krieg als Überraschung<br />

kam, dass einige deutsche Schiffe,<br />

die sich gerade im Atlantik kreuzten,<br />

möglichst schnell und unauffällig „nach<br />

Hause” dampfen mussten, was ihnen übrigens<br />

auch gelang. Anders stand es mit<br />

denen, die zu dieser Zeit in Fernost und<br />

in der Karibik auf großer Fahrt waren.<br />

Für das Kriegsgeschehen war deren<br />

Schicksal irrelevant, für die Presse allerdings<br />

höchst interessant. Es muss<br />

hier gesagt werden, dass die Ereignisse<br />

in Frankreich - Sturz des Regimes, Ausrufung<br />

der Republik, Fortsetzung des<br />

Krieges mit allen Mitteln - den Handlungsspielraum<br />

der Flotte allmählich<br />

stark beschränkten. War schon das vorgesehene<br />

Landungskorps dem Heer zugeführt<br />

worden, sollten weitere Abgaben<br />

folgen, insbesondere zur Bemannung<br />

der Festungsartillerie. Dennoch war die<br />

französische Küstenblockade mehr als<br />

ein Ärgernis, es war einfach eine reale<br />

Bedrohung. lm Einzelnen spielte sich<br />

folgendes ab: Das französische Nordsee-<br />

Geschwader unter Admiral Graf Bouet-Willaumez<br />

verließ Cherbourg am 24.<br />

Juli, fuhr um Skagen herum und ankerte<br />

am 30. auf der Reede von Kopenhagen.<br />

Der Admiral erhielt dort die Weisung,<br />

die deutschen Ostseehäfen zu blockieren<br />

und setzte am 5. August die Fahrt<br />

fort. Dänische Lotsen führten ihn durch<br />

den Großen Belt. Am 6. August wurde die<br />

Flotte vor Kiel gesichtet. Sie nahm dann<br />

Kurs auf die Mecklenburgische Küste,<br />

um schließlich an Rügen vorbei wieder<br />

die offene See anzusteuern. Zwischen<br />

Arrö und Langeland ging sie vor Anker.<br />

Bouet-Willaumez erfuhr dort, dass er<br />

nicht mehr mit einer Transportflotte, die<br />

ihm das Landungskorps zuführen sollte,<br />

rechnen könne. Er sah jetzt ein, dass ein<br />

angriffsweises Vorgehen nicht mehr in<br />

Betracht käme. Allein die Blockade lag im<br />

Bereich des Möglichen. Daher teilte der<br />

Graf den Flottenverband in ein Geschwader<br />

unter seiner persönlichen Führung


46<br />

Swinemünde<br />

in der Absicht, die Küste ostwärts Rügen<br />

zu blockieren und ein zweites, das unter<br />

dem Admiral Dieudonné westlich davon<br />

agieren sollte. Um der Form zu genügen,<br />

wurde überall eine Blockade-Erklärung<br />

abgegeben, zuletzt am 15. August in Kiel.<br />

Auf deutscher Seite bemühte man sich<br />

durch Aufklärung den jeweiligen Aufenthaltsort<br />

der feindlichen Flotte herauszufinden.<br />

Dabei gerieten die kleinen Aviso-<br />

Dampfer zwangsläufig in Reichweite der<br />

Geschütze der mächtigen Flotte. Diese<br />

beließen es aber dabei, die Dampfer abzuschrecken.<br />

Nur einmal erlag ein französisches<br />

Schiff der Versuchung, dem<br />

Aviso mores zu lehren, und, gefolgt von<br />

vier weiteren Schiffen, verfolgte ihn am<br />

17. bis Hiddensee. Dort traf die „Grille“<br />

mit drei Kanonenbooten zusammen und<br />

zog sich in einen untiefen, sicheren Ankerplatz<br />

zurück. Das feindliche Geschwader<br />

blieb aber auf Ostkurs und erreichte<br />

am 21. nachmittags an Hela vorbei das<br />

Putziger Wiek. Einige Meilen weiter lag<br />

bei Neufahrwasser die Korvette „Nymphe“.<br />

Diese schlich sich nachts an die<br />

ankernden französischen Schiffe heran<br />

und gab mehrmals eine Breitseite auf sie<br />

ab. Derart aufgeschreckt, erwiderten die<br />

Schiffe das Feuer. Anbetracht der Überlegenheit<br />

des Feindes zog es die Korvette<br />

jetzt vor, sich nach Danzig zurückzuziehen.<br />

Das französische Geschwader folgte<br />

ihr und fuhr eine Weile demonstrativ<br />

in der Danziger Bucht herum. Am 22.<br />

abends verließ es dann die Bucht und<br />

kehrte nach Westen zurück. Es wurde<br />

später in der Kjöge-Bucht aufgeklärt<br />

und wurde nicht mehr angriffsweise tätig.<br />

Obwohl Paris auf die Bombardierung<br />

offener deutscher Küstenstädte drängte,<br />

vermochte Bouet-Willaumez sich nicht<br />

dazu zu entschließen. Ein weiterer Grund<br />

für seine Inaktivität war sicherlich das<br />

rauhe Herbstwetter, das ein Manövrieren<br />

seiner Schiffe nahezu unmöglich machte.<br />

Befehlshaber der anderen Flotte, die<br />

für den Einsatz in der Nordsee zusammengestellt<br />

wurde, war der erfahrene<br />

Admiral Fourichon. Dennoch gelang es<br />

ihm nicht, unbemerkt durch den Ärmelkanal<br />

zu fahren. Eine Meldung aus Dover<br />

verständigte den deutschen Admiral<br />

Jachmann, dass einige feindliche Schiffe<br />

am 4. August dort gesichtet wurden.<br />

Schiffe aus der Jade-Bucht herauslocken<br />

Nach erfolgloser Suche in den nächsten<br />

Tagen entdeckte am 11. August ein deutscher<br />

Dampfer Fourichons Flotte vor<br />

dem englischen Helgoland. Auch hier<br />

wurde in aller Form eine Blockadeerklärung<br />

übergeben, wonach die gesamte<br />

deutsche Nordseeküste „off limits“ wäre.<br />

Tatsächlich begnügte sich Fourichon mit<br />

dem Überwachen der Flussmündungen,<br />

verfolgte aber insgeheim sein Ziel, die<br />

paar hochseetüchtigen deutschen Schiffe<br />

aus Wilhelmshaven an der Jade-Bucht<br />

herauszulocken, um sie dann auf offener<br />

See zu vernichten. Jachmann ließ sich<br />

aber nicht darauf ein, so dass aufkommendes<br />

schlechtes Wetter und die Nachricht<br />

der verlorenen Schlacht bei Sedan<br />

am 2. September die missmutigen Franzosen<br />

zur Untätigkeit verdammten. Auf<br />

deutscher Seite war dies der Anlass, die<br />

aktive Truppe, die an der Küste zur Abwehr<br />

einer möglichen Landungsoperation<br />

bereitgehalten wurde, zum südlichen<br />

Kriegsschauplatz abzuziehen und sie<br />

durch Landwehr- und Ersatzformationen<br />

zu ersetzen. Kaum bekannt ist der Einsatz<br />

norddeutscher Kanonenboote auf dem<br />

Rhein vor Straßburg, in der Seinemündung<br />

und auf der Loire, wo sie immerhin<br />

sechs gegnerische Boote versenkten.


Von Karl-Heinz Hildebrandt 47<br />

Noch weniger geläufig ist das Schicksal<br />

der vier deutschen Schiffe in Übersee.<br />

Im Juli lagen „Hertha“ und „Medusa“ in<br />

der Reparaturwerft zu Yokosuka. Dort<br />

erreichte „Hertha“ die Order, sobald wie<br />

möglich nach Tientsin zu segeln, um dort<br />

an der Evakuierung europäischer Landsleute<br />

bei chinesischen Unruhen mitzuwirken.<br />

Als am 8. August der Kapitän<br />

bemerkte, dass es auf den französischen<br />

Schiffen unruhig wurde und ihm etwas<br />

von Krieg zu Ohren gekommen war, fuhr<br />

er schleunigst nach Japan zurück. Er<br />

stieß aber am 19. auf französische Schiffe<br />

die ihn und die „Medusa“ in Yokohama<br />

einschlossen. Der französische Admiral<br />

weigerte sich nicht nur, diese „Blockade“<br />

am Tag des Waffenstillstandes - 19.<br />

Februar 1871 - aufzuheben, sondern<br />

zog sie bis zum Frankfurter Friedensschluss<br />

dahin. „Arkona“ befand sich<br />

bei Kriegsausbruch in den Azoren. Eine<br />

französische Fregatte verwickelte sie<br />

gleich in ein Gefecht, das sie überstand,<br />

um dann wegen stürmischer See einem<br />

weiteren Kampf mit einer anderen Fregatte<br />

nach Lissabon ausweichen zu können.<br />

Arg mitgenommen, musste sie dort<br />

ins Dock, wo sie bis Kriegsende blieb. Die<br />

kleine „Meteor“ lag vor Venezuela, als<br />

der Krieg ausbrach. Sie segelte sofort<br />

nach Key West, um Kohlen aufzunehmen<br />

zwecks Heimfahrt. In Havanna stieß sie<br />

auf die französische „Bouvet“. Die spanischen<br />

Behörden teilten mit, dass sie kein<br />

Gefecht in ihren neutralen Hoheitsgewässern<br />

dulden würden. Getrennt fuhren<br />

beide hinaus, um dann auf offener See<br />

den Kampf zu beginnen. „Meteor“ siegte<br />

bei Punkten, musste aber bis Kriegsende<br />

in einer kubanischen Werft verbleiben.<br />

Eine besondere Rolle spielte „Augusta“:<br />

Sie verließ Kiel am 12. Dezember und<br />

sollte jedes feindliche Handelsschiff, das<br />

ihr in den Weg kam, kapern. Hintergrund<br />

war die Meldung, dass Frankreich Waffen<br />

aus den USA und England bezog. Am 4.<br />

Januar beschlagnahmte sie zwei Schiffe<br />

in der Girondemündung, die Getreide<br />

transportierten. Die Prise wurde nach<br />

Kiel dirigiert. Ein Schiff ging allerdings im<br />

Sturm verloren, das andere verblieb dort<br />

bis Kriegsende. Am selben Tag versenkte<br />

sie die „Mars“, die allerdings Waffen an<br />

Bord hatte. Zwecks Versorgung lief sie<br />

dann Vigo an, wo sie von französischen<br />

Schiffen eingeschlossen wurde. Erst bei<br />

Waffenstillstand kam sie wieder frei.<br />

Der Längengrad von Dünkirchen<br />

An dieser Stelle sei anzumerken, dass<br />

dann der Längengrad von Dünkirchen<br />

festgelegt wurde, um bis zum Friedensschluss<br />

die gegnerischen Seestreitkräfte<br />

zu trennen: Westlich davon hatte sich die<br />

französische Marine aufzuhalten, ostwärts<br />

sollten sich die deutschen Schiffe<br />

zurückziehen. Selbige waren zuletzt immer<br />

aggressiver geworden und drohten,<br />

Cherbourg zu beschießen. Trotz allem<br />

wurde keinem deutschen Seemann eine<br />

Kriegsauszeichnung verliehen, wenn<br />

man von den Opfern der „Meteor“ absieht.<br />

Auch dürfte nicht übersehen werden,<br />

dass die französischen Geschwader<br />

mehrmals im Herbst und sogar bis in<br />

den Winter hinein in der Nordsee operierten.<br />

Nachdem immer wieder Truppenteile<br />

aus Norddeutschland an die<br />

Front abgezogen wurden, verblieben zur<br />

Küstensicherung fast ausschließlich Ersatz-Truppenteile<br />

und Seewehrformationen.<br />

An den Küstenbefestigungen wurde<br />

unaufhörlich weitergearbeitet. Nicht von<br />

ungefähr war der Schrecken des Auftauchens<br />

starker Feindverbände der Anlass,<br />

vermehrt nach Kriegsende den Küsten-


48<br />

Swinemünde<br />

schutz zu forcieren und überhaupt ein<br />

Flottenbauprogramm zu intensivieren.<br />

Neue Waffen und Mächte zur See<br />

Es hatte sich eben gerächt, dass Deutschland,<br />

sprich Preußen, sich nie als Seemacht<br />

verstanden hatte. Fast unbemerkt<br />

vollzog sich in der Marinetechnik nach<br />

dem massiven Einsatz von Stahl zur Panzerung<br />

ein Vordringen neuer Kampfmittel<br />

wie des Torpedos und des U-Bootes<br />

als Ausgleich zu den schweren Kalibern<br />

der Schiffsartillerie. Am Rande sei festzuhalten,<br />

dass Dänemark nunmehr seine<br />

Rolle als Seemacht ausgespielt hatte und<br />

keine nennenswerte Flotte als neutraler<br />

Staat mehr unterhielt. Dennoch stand es<br />

in innerer Feindschaft zum neuen deutschen<br />

Reich, hatte es doch substantielle<br />

Gebietsverluste erlitten.<br />

Festung Swinemünde


Von Reinhard Dietrich 49<br />

Massen am Bollener<br />

Badestrand<br />

In den 50er Jahren gab es<br />

in Bollen einen schönen<br />

und viel besuchten Badestrand<br />

Es gab sogar eine DLRG-Ortsgruppe<br />

Uphusen/Bollen, die an der Weser in<br />

einem Turm das Badegeschehen sicherte.<br />

In der Holzbude wurden Süßigkeiten<br />

verkauft. Nach Saisonende<br />

wurden Turm und Bude bei Bormann in<br />

der „Strandhalle“ über den Winter eingelagert<br />

und zu Saisonbeginn wieder<br />

aufgebaut.<br />

Badestrand in Bollen (50er Jahre), Foto: Privatbesitz Rudolf Köhler (Hemelingen)<br />

Am 07.07.1952 berichtete das <strong>Achimer</strong><br />

Kreisblatt von 2 000 Badebesuchern.<br />

Da war ordentlich was los auf<br />

der noch nicht sonderlich gut ausgebauten<br />

Straße von Mahndorf nach Bollen,<br />

der heutigen Bollener Landstraße.<br />

Auch für das Dorf war der Besucheransturm<br />

der Badegäste eine Herausforderung.<br />

Zum Verhältnis: Bollen<br />

hatte am 01.01.1952 317 Einwohner.<br />

Am 25.11.1952 berichtete das <strong>Achimer</strong><br />

Kreisblatt dann erneut: „Die „Höxter“<br />

wird verschrottet. Die „Höxter“ kommt,<br />

die macht ganz hohe Wellen!’ Das war in<br />

den Sommermonaten immer das Signal<br />

für alle ‚Wasserratten’ längs des weiten<br />

Bollener Strandes, sich geschwind in<br />

die Fluten zu stürzen. Der große Heckraddampfer,<br />

der der Bremen-Mindener<br />

Schifffahrts-AG gehörte, machte kürzlich


50<br />

Badestrand in Bollen<br />

seine letzte Talfahrt. In diesen Tagen trat<br />

dieser Güterdampfer, der in der Gegend<br />

von Dresden gebaut wurde und zuletzt<br />

im Besitz des Schiffseigners Albert Diedrichs<br />

aus Oedelsheim war, seine Fahrt<br />

zu einer der vielen Unterweserwerften<br />

an, wo er verschrottet werden soll. Die<br />

„Höxter“ war der letzte Güterdampfer,<br />

der in diesem Jahr noch den Stückgutdienst<br />

auf Weser und Fulda versah.“<br />

Dieser Güter- und Schleppdampfer wurde<br />

1898 auf der Schiffswerft Übigau/<br />

Dresden mit der Baunummer 312 für<br />

die Bremer Schleppschifffahrtsgesellschaft<br />

(gegründet 1886) gebaut. 1939<br />

fusionierte die Bremer Schleppschifffahrtsgesellschaft<br />

mit der Mindener<br />

Schleppschifffahrtsgesellschaft (gegr.<br />

1893) zur Bremen-Mindener Schifffahrts<br />

AG. Hauptsächlich wurden die Heckraddampfer<br />

für den Transport von Eilgütern<br />

eingesetzt, gelegentlich auch als Schlepper<br />

für nicht motorisierte Schleppkähne.<br />

Technische Daten: 45,00 m lang, 6,10 m<br />

breit, Schornsteinhöhe 1,90 m, Tiefgang<br />

1,30 m, 178 t, 120 PS, 50,2 m² Heizfläche.<br />

Man kann sich gut vorstellen, dass dieser<br />

Heckraddampfer für Badespaß entlang<br />

der Weser gesorgt hat.<br />

DLRG-Wachturm und<br />

Verkaufsbude am<br />

Bollener Badestrand<br />

(50er Jahre), Foto:<br />

Privatbesitz Rudolf<br />

Köhler (Hemelingen)<br />

Der Heckraddampfer<br />

„Höxter“ auf einer<br />

Fahrt bergwärts.


Von Christian Kruse 51<br />

Schalt Dein Radio ein !<br />

25 Jahre Bürgerfunk in Achim<br />

Aber sie waren dem Aufruf in einem Zeitungsartikel<br />

gefolgt, der das ansprach,<br />

was sie in ihrer Verschiedenheit einte:<br />

der Traum, eine eigene Radiosendung<br />

gestalten zu dürfen!<br />

Initiator des Treffens war der zu dieser<br />

Zeit in Achim lebende Sozialpädagoge<br />

Martin Peter Busch. Herr Busch strebte<br />

als zusätzlichen Beruf den Medienberater<br />

im Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit<br />

an, und als Diplomarbeit wollte er Menschen<br />

an unterschiedliche Medien heranführen.<br />

Und so wurde die Stadt Achim<br />

ein Bestandteil des noch recht frischen<br />

„Offenen Kanal Umland der Stadt Bremen“.<br />

Ein Verband, der sich zusammensetzt<br />

aus den Medieninitiativen Lilienthal und<br />

Ganderkesee, Stuhr und Delmenhorst.<br />

Die Gründung eines Vereins war eine der<br />

Voraussetzungen dafür, die zum Senden<br />

notwendige Lizenz zu erhalten, die im<br />

Bundesland Niedersachsen von der Landesmedienanstalt<br />

Hannover ausgegeben<br />

wird.<br />

Darüber hinaus sah das Konzept von<br />

Martin Busch einen Videoschnittplatz<br />

vor, der für die Produktion von Fernsehsendungen<br />

genutzt werden konnte. Und<br />

auch der Umgang mit dem zu dieser Zeit<br />

noch relativ neuen Medium Computer<br />

sollte über die Medienwerkstatt vermittelt<br />

werden.<br />

Als Studio war die ehemalige Hausmei-<br />

Wahrscheinlich wären sich diese Menschen<br />

nie begegnet, die im März 1996<br />

im KaSch zusammenfanden und die<br />

Medienwerkstatt Achim und Umzu<br />

gründeten.<br />

sterwohnung in der Grundschule Uesen<br />

vorgesehen; Miete und Nebenkosten<br />

wurden von der Stadt Achim übernommen.<br />

Bevor dort jedoch an einen Sendebetrieb<br />

zu denken war, mussten erst<br />

einmal die Voraussetzungen durch Installation<br />

der technischen Gerätschaften<br />

und Renovierung der Räume geschaffen<br />

werden.<br />

Los ging es mit Vorproduktionen<br />

Und bis dahin hatten die Nutzer (Beteiligung<br />

seitens des weiblichen Geschlechts<br />

gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht)<br />

die Möglichkeit, Sendungen von einer<br />

halben Stunde Länge auf Audiocassette<br />

oder dem damals gängigen Digital Audio<br />

Tape (DAT) vorzuproduzieren. Diese<br />

wurden aus dem Studio in Delmenhorst,<br />

dem Hauptsitz des ‚OK Umland‘, ausgestrahlt.<br />

Während der auf einem analogen Vierspurgerät<br />

erstellte ‚<strong>Achimer</strong> Landfunk‘<br />

eine grenzwertige Hörqualität aufwies,<br />

waren die Vorproduktionen des Gründungsmitglieds<br />

Hartwig Töwe auf radiotauglichem<br />

Standard. Der gebürtige<br />

Kölner hatte sich auf seinem Grundstück<br />

in Verden ein eigenes Tonstudio hergerichtet.<br />

Nicht zuletzt dank der reichlichen Eigeninitiative<br />

der Vereinsmitglieder beim Streichen<br />

und Tapezieren waren die Räume in


52<br />

25 Jahre Bürgerfunk in Achim<br />

der Alten Dorfstraße bereit für den Sendebetrieb.<br />

Und so konnte am <strong>26</strong>. August<br />

1996 das „StattRadio Achim-Verden“<br />

erstmalig live auf Sendung gehen.<br />

Bürgerrundfunk in der BRD – ein<br />

geschichtlicher Rückblick<br />

Bertolt Brecht äußerte in seiner 1932<br />

fertiggestellten Radiotheorie folgende<br />

Überlegung: „Der Rundfunk wäre der<br />

denkbar großartigste Kommunikationsapparat<br />

des öffentlichen Lebens (…)<br />

wenn er verstünde, nicht nur auszusenden,<br />

sondern auch zu empfangen, also<br />

den Zuhörer nicht nur hören, sondern<br />

auch sprechen zu machen und ihn nicht<br />

zu isolieren, sondern ihn auch in Beziehung<br />

zu setzen.“<br />

Diesem Ansinnen Brechts gab im Jahr<br />

1984 die Einrichtung Offener Kanäle die<br />

Möglichkeit, in die Tat umgesetzt zu werden.<br />

Im selben Jahr wurden in der Bundesrepublik<br />

Deutschland private Rundfunk-<br />

und Fernsehsender eingeführt,<br />

deren Hauptziele darin bestanden, Gewinne<br />

zu erwirtschaften und politische<br />

Einflußnahme zu erreichen. Öffentlich<br />

rechtliche Rundfunkveranstalter haben<br />

dagegen frei von staatlichen Einflüssen<br />

zu sein, arbeiten nonkommerziell, und<br />

werden durch Rundfunkgebühren und<br />

Werbeeinnahmen finanziert.<br />

Mittels Offener Kanäle können alle Bürgerinnen<br />

und Bürger das Medium Radio<br />

und Fernsehen nach ihren Vorstellungen<br />

nutzen. Hierbei werden sie von Fachleuten<br />

(Medienassistenten) unterstützt,<br />

ohne manipuliert oder bevormundet zu<br />

werden. Allein die Verbreitung von menschenfeindlichen<br />

und gewaltverherrlichenden<br />

Inhalten ist untersagt, sowie<br />

Produkt- und Parteiwerbung. Als erster<br />

Offener Kanal ging am 1. Januar 1984<br />

Ludwigshafen am Rhein auf Sendung.<br />

Bremen hat seit August 1992 einen Offenen<br />

Kanal Fernsehen, im Februar 1994<br />

kam ein Hörfunkprogramm hinzu. In<br />

Niedersachsen fiel der Startschuss für<br />

Offene Kanäle 1993.<br />

Als eine Art Vorläufer der Offenen Kanäle<br />

werden gern die so genannten „Piratensender“<br />

bezeichnet, die „schwarz“, also<br />

ohne Sendelizenz, ausgestrahlt haben.<br />

Der Begriff bezieht sich auf den wohl bekanntesten<br />

Piratensender ‚Radio Caroline‘,<br />

der in den sechziger Jahren von einem<br />

Schiff außerhalb der Hoheitsgewässer<br />

vor der britischen Küste sendete.<br />

Als ein „Freies Radio“ bezeichnete sich<br />

das Projekt Radio Dreyeckland, welches<br />

1977 gegründet wurde aus dem Widerstand<br />

gegen die in der Senderegion befindlichen<br />

AKW.<br />

Starke Präsenz des <strong>Achimer</strong> Studios<br />

An den Pfingsttagen 1997 wurde der interessierten<br />

Hörerschaft ein 29-stündiges<br />

Dauerprogramm geboten. Initiator<br />

dieser Mammut- Sondersendung<br />

war Joachim Killenberg, der mit seiner<br />

Clubshow bis heute das neueste aus der<br />

House- und Technoszene über den Äther<br />

schickt. „DJ Killi“ durfte bereits zu seiner<br />

Studienzeit 1977 Studioluft schnuppern,<br />

als er bei Radio Bremen Hansawelle<br />

Platten von New wave- und Punkbands<br />

auflegte.<br />

Damit das Umschalten zwischen den<br />

zum Bürgerfunk Bremer Umland gehörenden<br />

Radiostudios Steinkimmen,<br />

Ganderkesee, Delmenhorst und Achim<br />

störungsfrei verlief, hatte der damalige<br />

Medienassistent Siegfried Becker die<br />

Sendekoordination übernommen. Bei<br />

Herrn Becker bekamen die zukünftigen<br />

Radiomoderatoren auch ihre Studioein-


Von Christian Kruse 53<br />

weisung und hilfreiche Ratschläge für<br />

die Gestaltung ihrer Produktionen.<br />

Am 28.11.98 wurde ein komplettes Hörfunkstudio<br />

in der Marktpassage aufgebaut<br />

und von dort live gesendet. Neben<br />

Musik aus der Konserve gab es einen<br />

Auftritt des Jugendchores Poco mit Band<br />

zu erleben.<br />

Auch Kommunalpolitiker kamen im <strong>Achimer</strong><br />

Sender zu Wort, dies beispielsweise<br />

bei einer Podiumsdiskussion zum Thema<br />

Bildungspolitik im Zuge der Landtagswahlen<br />

1998. Moderiert wurde die<br />

Veranstaltung von Martin Busch; für die<br />

Übertragung aus dem KASCH waren die<br />

Medienwerkstattmitglieder Jürgen Knocke,<br />

Sascha Masemann und Hermann<br />

Hemmen an den Reglern des Mischpultes<br />

tätig.<br />

Der Ende 1997 zur Medienwerkstatt gekommene<br />

Hermann Hemmen ermöglichte<br />

es Menschen, Radiosendungen zu<br />

machen, bei denen sich kein Bürgerfunkstudio<br />

in der Nähe befand. Kurzerhand<br />

lud er ein mobiles Studio in sein Auto<br />

und begab sich zu ihnen. So auch nach<br />

Bomlitz im Heidekreis, wo er aus dem<br />

Gemeinschaftshaus eine Sendung fuhr,<br />

bei der Sozialarbeiter, Polizei, Geistliche<br />

und Betroffene über häusliche Gewalt<br />

berichteten.<br />

Voraussetzung für eine Liveübertragung<br />

ist ein ISDN-Anschluss vor Ort, über den<br />

sich mit einem Musiktaxi eingewählt<br />

werden kann.<br />

Bei der Technik unterstützt wurde der<br />

aus den Niederlanden stammende Hemmen<br />

oftmals von Lars Sinda, der zu dieser<br />

Zeit zusammen mit seinem Schulkollegen<br />

Martin Baucke mit einer eigenen<br />

Radiosendung, der FunBoxx, zu hören<br />

gewesen ist. Lars Sinda, der damals<br />

über eine Zeitungsanzeige auf das Bürgerradio<br />

aufmerksam wurde, legt ab und<br />

an als DJ Yety im Dröönläänd House und<br />

Techno auf.<br />

Besonders viel Spass hatten die Produzenten<br />

der Sendung über den Mittelaltermarkt<br />

am 16. und 17. Juni 2001 im Kurpark<br />

der gerade zum Bad ernannten Stadt<br />

Fallingbostel. Zwei Tage lang zeichneten<br />

Hermann Hemmen, Lars Sinda und C.C.<br />

Kruse Originaltöne und Interviews auf,<br />

mischten sie mit passender Musik, und<br />

schickten diese Vorproduktion ein paar<br />

Tage später über den Sender. Die Stadt<br />

Bad Fallingbostel bedankte sich bei den<br />

drei Produzenten mit einem Essen, zu<br />

dem sie von der Gleichstellungsbeauftragten<br />

der Stadt begleitet wurden.<br />

Am 02. April 2005 war das StattRadio an<br />

der Gestaltung des Aktionstages „Verden<br />

ist bunt“ beteiligt, einer Gegenveranstaltung<br />

zu dem an diesem Tag stattfindenden<br />

NPD-Aufmarsch. Während auf<br />

dem Bahnhofsvorplatz die altbekannten<br />

stumpfsinnigen Parolen zu hören waren,<br />

bekamen die rund 5000 BesucherInnen<br />

in der Innenstadt ein vielseitiges Programm<br />

dargeboten, untermalt mit passender<br />

Musik von den Radiomachern.<br />

Illustre Gäste im Radio<br />

Die Geschichten von den Westerwiesen<br />

hieß ein Musikmärchen, welches mit<br />

Hartwig Töwe als Erzähler in Zusammenarbeit<br />

mit Richard Maaß und seinem<br />

Western Meadows Electric Orchestra im<br />

Stadtmagazin Verden als Vorproduktion<br />

aus Achim gesendet wurde.<br />

Lokale Projekte wie das Ökozentrum Verden,<br />

aber auch Musiker speziell aus der<br />

Richtung Blues wurden im „Kulturplatz“<br />

bei Thomas Meyer vorgestellt. Hermann<br />

Hemmen diskutierte in seiner Sendung<br />

„Achim am Abend“ mit im Studio anwesenden<br />

Ärzten über Organtransplantation.


54<br />

25 Jahre Bürgerfunk in Achim<br />

Vornehmlich Angehörige der „schreibenden<br />

Zunft“ waren bei C.C. Kruse in seiner<br />

„Factory27-Underground-Show“ zu Gast,<br />

aber es wurden dort auch Interviews<br />

geführt mit dem ehemaligen „Prinzen“-<br />

Sänger Sebastian Krumbiegel, der über<br />

sein Projekt mit geflüchteten Menschen<br />

berichten konnte, oder der Heavy Metal-Sängerin<br />

Doro Pesch, die ihre von<br />

der Tierschutzorganisation unterstützte<br />

„Lack-statt-Leder“-Kampagne bewarb<br />

(und nebenbei auch ihr neues Album).<br />

Aber auch ein anderes Klientel waren<br />

gern in das Studio geladene Gäste:<br />

BewohnerInnen der Stiftung Waldheim<br />

durften gemeinsam mit den Moderatoren<br />

Sendungen fahren und ihre Lieblings-CD´s<br />

mitbringen.<br />

Der Umzug in die Fußgängerzone<br />

Hermann Hemmen u. Christian C. Kruse<br />

im Studio.<br />

Im April 2008 erfolgte der Zusammenschluss<br />

der vier Sendeanstalten Bürgerrundfunk<br />

Bremen, Bürgerfunk Bremer<br />

Umland, Bürgerrundfunk Bremerhaven<br />

sowie Bürgerrundfunk Wesermündung<br />

e.V. zu Radio Weser TV.<br />

Unter diesem Namen kann das <strong>Achimer</strong><br />

Studio nun sein 25jähriges Bestehen feiern;<br />

seit dem 8. Mai 2018 ist es in der<br />

Heilbronnstraße in den Räumlichkeiten<br />

des früher dort ansässigen Schokolädchens<br />

zu finden. Und von dort aus senden<br />

live neben vielen anderen NutzerInnen<br />

die Herren Burkhard Kirschner<br />

und Jörg Schrickel ihre Oldiesendung<br />

„Flashback“, Thomas Tangemann und<br />

Sonja Labrenz stellen im „Radio Wellenwahn“<br />

Neuerscheinungen aus dem Independentbereich<br />

vor.<br />

Anfang 2018 wurde von Wolfgang Mindermann<br />

die Sendung „der Spaziergang“<br />

ins Leben gerufen. Unterstützt wird er<br />

von einem Team radiobegeisterter Menschen<br />

wie dem Geschichtswerkstattmitglied<br />

Hartmut Bleckwenn, und Sibylle<br />

Boysen, „die mit ihrem Knowhow dazu<br />

beiträgt, dass die einzelnen Beiträge in<br />

sendefähigem Zustand fristgerecht dem<br />

Sender geliefert werden“, so ist auf der<br />

Homepage derspaziergang.de zu lesen.<br />

Viel Interessantes gibt es also auf diesem<br />

kleinen Sender zu entdecken.<br />

Zu empfangen ist das Programm auf der<br />

UKW-Frequenz 92,5 MHz, oder im Internet<br />

über radioweser.tv, auf der auch das<br />

jeweils aktuelle Programm nachzulesen<br />

ist.<br />

Anmerkung: Die Sendungen von Hermann<br />

Hemmen sind auf CD gebrannt im<br />

Stadtarchiv gelagert, eine Auswahl von<br />

C.C. Kruses Factory27-Undergroundshow<br />

ist auf MP3 im Archiv der Schülerund<br />

Szenezeitschriften zu finden.<br />

Christian C. Kruse<br />

Quellen:<br />

Wikipedia<br />

Offene Kanäle: Ein idealer Ort der Partizipation<br />

und aktiven interkulturellen<br />

Medienarbeit? Hausarbeit von Theresa<br />

Riemer, 2012 <strong>Achimer</strong> Kreisblatt, <strong>Achimer</strong><br />

Kurier<br />

Gespräche mit ehemaligen Nutzern<br />

eigene Erinnerungen


Von Manfred Brodt 55<br />

<strong>Achimer</strong> raus,<br />

Briten rein!<br />

Die Auseinandersetzungen<br />

um die Beschlagnahmung<br />

von Häusern.<br />

Erfolgreicher Widerstand<br />

Das Casino „The Bridgers Arms“, die frühere<br />

Odeon-Gaststätte in der Obernstraße.<br />

Dies waren jedoch recht kurzfristige<br />

Aktionen, die schon 1945 und spätestens<br />

1946 wieder aufgehoben wurden.<br />

Die letzten 15 Immobilien wurden im<br />

Oktober 46 und weitere sechs im November<br />

1946 wieder freigegeben. Die<br />

frühere Odeon-Gaststätte in der Obernstraße<br />

und der heutigen Fußgängerzone<br />

diente in den ersten Nachkriegsjahren<br />

als Casino für die unteren Offiziersränge<br />

der Engländer und trug den Namen „The<br />

Bridgers Arms“.<br />

Überraschender aber ist, dass die Briten<br />

auch sechs Jahre nach Kriegsende deutsche<br />

Häuser beschlagnahmen wollten,<br />

was zu heftigen Auseinandersetzungen<br />

in der Region geführt hat.<br />

Familien droht Obdachlosigkeit<br />

Es war 1950 vier Tage vor Weihnachten,<br />

als die englische Beschlagnahmekommission<br />

unterwegs war und 24<br />

Wohnungen beschlagnahmen wollte.<br />

Dass die Siegermächte des Zweiten<br />

Weltkrieges, so auch die Besatzungsmacht<br />

England in unseren Breiten, nach<br />

der Niederlage Deutschlands hier Häuser<br />

besetzten, kann nicht überraschen.<br />

Ab Juni 1945 nahmen so die Engländer<br />

Besitz von <strong>Achimer</strong> Häusern, unter anderem<br />

in der Unterstraße, Bahnhofstraße,<br />

Pavillonstraße, Obernstraße,<br />

Zimmerplatz, Allerstraße und Embser<br />

Landstraße. Auch die Hotels „Gieschens“<br />

und „Drei Kronen“ sowie das Finanzamt<br />

gehörten dazu.<br />

Ein englischer Offizier betrat das <strong>Achimer</strong><br />

Rathaus, legte eine Verfügung auf<br />

den Tisch zur Beschlagnahme von zwölf<br />

<strong>Achimer</strong> Wohnungen und bat um Anerkennung,<br />

was prompt abgelehnt wurde,<br />

weil dann 31 <strong>Achimer</strong> Familien obdachlos<br />

geworden wären. Die Stadt bot stattdessen<br />

ein altes Gebäude, das Wolfsche,<br />

und ein Feuerwehrhaus im Öllager an,<br />

was wiederum die Briten nicht akzeptierten.<br />

Der Oberkreisdirektor teilte mit,<br />

dass die Briten mit einem solchen Ersuchen<br />

auch nach Verden gekommen<br />

seien. Der Kreis und die Stadt antworteten<br />

jedoch, die Briten sollten in England<br />

bleiben, bis Ende Juni 1951 Neubauten<br />

für sie in Verden errichtet seien. In Achim<br />

befand der Gemeinderat einmütig,<br />

dass die Beschlagnahmeverfügung für<br />

zwölf Häuser abgelehnt werde, weil dann<br />

31 Famiien und 75 Personen ausquartiert<br />

werden müssten. Die Stadt könne<br />

wegen einer Überbelegung von Wohnungen<br />

mit Flüchtlingen, Evakuierten,


56<br />

<strong>Achimer</strong> raus, Briten rein!<br />

Spätheimkehrern und anderen keinen<br />

Ersatzwohnraum für diese Ausquartierten<br />

zur Verfügung stellen. 400 Familien<br />

in Achim suchten schon eine Wohnung,<br />

davon 110 in der Dringlichkeitsstufe. Die<br />

Stadt schickte den Vertrag an den British<br />

Resident Officer Verden-Rotenburg<br />

zur Besetzung der <strong>Achimer</strong> Häuser zum<br />

15. Januar 1951 zurück. Insgeheim hatte<br />

sie aber auch einen Plan B beschlossen,<br />

falls die Briten sich durchsetzen sollten.<br />

Alle deutsche Stellen verweigern sich<br />

Zunächst aber verweigerten alle Stellen<br />

des Kreises, der Städte und Gemeinden<br />

jegliche Kooperation mit den Briten in<br />

dieser Frage. In Verden hatten die Briten<br />

gleich 50 Wohnungen ins Auge gefasst.<br />

Der Kreistag lehnte im November 1950<br />

einstimmig ab und verweigerte auch<br />

seine Mitarbeit in einer Kommission zur<br />

Beschlagnahmung - vier Briten und ein<br />

Deutscher in der Kommission- , da die<br />

Beschlagnahme fünf Jahre nach Einstellung<br />

der Feindseeligkeiten rechtswidrig<br />

und nicht durchführbar sei.<br />

Der Haus- und Grundeigentümerverein<br />

protestierte. So klagte der britische Resident<br />

am 29. Dezember 1950: „ Wie Sie<br />

wissen, mussten wir die Beschlagnahme<br />

von Häusern für die Familien britischer<br />

Offiziere, die von einem anderen Ort im<br />

Lande Niedersachsen nach dem Kreis<br />

Verden kamen, entwerfen, ohne dass<br />

irgendwelche Informationen von deutschen<br />

Stellen geliefert wurden. Als Ergebnis<br />

wurden einige Häuser gewählt,<br />

die nicht gewählt worden wären, wenn<br />

der britische Ausschuss die Verhältnisse<br />

gekannt hätte.“ Fünf Häuser in der<br />

Embser Landstraße, Osmersstraße und<br />

Goethestraße wurden so wieder ausgenommen,<br />

weil in einem zum Beispiel<br />

zehn Flüchtlinge untergebracht waren.<br />

Eine Geste der Briten, „damit ein Mini-<br />

Ein Foto der britischen Besatzungstruppe auf dem Hof der Schule am Markt<br />

(heute „GAMMA“) aus der unmittelbaren Nachkriegszeit (1946).


Von Manfred Brodt 57<br />

mum an Verdruß entsteht.“ Der Offizier<br />

bat den Stadtdirektor, dafür fünf andere<br />

Häuser als Ersatz zu nennen, doch<br />

der lehnte ab, da er an den Stadtratsbeschluss<br />

gebunden sei. So wählte der<br />

britische Offizier selbst zwölf Häuser<br />

mit 50 Wohnungen aus in der Feldstraße,<br />

An der Eisenbahn, Lous-Otten-Straße,<br />

Borsteler Landstraße, Goethestraße<br />

und in der Bergstraße sowie zwei Hotels<br />

und zwei Häuser in Uesen und Baden,<br />

die bis zum 15. Januar, 9 Uhr, beschlagnahmt<br />

werden sollten. In Verden betraf<br />

es 58 Häuser mit 120 Wohnungen und<br />

87 Familien. Im November 1950 wurde<br />

bekannt, dass noch einmal 50 Häuser im<br />

Kreis dazukommen sollten. Der britische<br />

Major ließ die Stadt Achim wissen, sollten<br />

die Eigentümer und Bewohner Beschwerden<br />

haben, sollten sie sich an die<br />

nicht kooperierende Stadt wenden. Die<br />

oder die Bewohner sollten dann Alternativen<br />

nennen. Doch kein Eigentümer<br />

unterschrieb die entsprechenden Verfügungen.<br />

Die Stadt schickte sie zurück<br />

und verweigerte sich auch sonst völlig.<br />

Befehl der Besatzungsmacht<br />

Das ließ sich der britische Resident Verden-Rotenburg<br />

nicht bieten und schrieb<br />

zurück: „Ich sende hiermit die Verträge<br />

zurück und muss betonen, dass die Forderungen,<br />

die darin enthalten sind, als<br />

ein Befehl unter der Geltung des Besatzungsstatuts<br />

erlassen sind.“<br />

Ministerpräsident Kopf hatte versucht,<br />

auf Landesebene zu vermitteln, doch<br />

erfolglos. Auch das Schreiben des Beauftragten<br />

des Bundeskanzlers für<br />

die Zusammenarbeit mit den Alliierten,<br />

nach dem er Neubauten statt Räumungen<br />

befürworte, brachte keine Lösung.<br />

Der Oberkreisdirektor warnte<br />

öffentlich, dass die britischen Anordnungen<br />

vor Weihnachten große Empörung<br />

in der Bevölkerung ausgelöst<br />

hätten und zu Unruhen führen könnten.<br />

Widerspricht dem Völkerrecht<br />

Inzwischen hatte sich eine Interessengemeinschaft<br />

der Beschlagnahmebetroffenen<br />

in Stadt und Kreis Verden gegründet,<br />

die ein mehrseitiges Protestschreiben<br />

publizierte und ihren Protest auch juristisch<br />

unterfütterte mit einem Gutachten<br />

des Hamburger Völkerrechtlers Lau. Der<br />

argumentierte, die bedingungslose Kapitulation<br />

Deutschlands durch General<br />

Dönitz habe das Ende der Kriegshandlungen,<br />

die Entwaffnung der deutschen<br />

Armee beinhaltet, aber keine Ermächtigung,<br />

die deutsche Bevölkerung und<br />

die deutschen Zivilbehörden unter militärische<br />

Befehle zu stellen. Dazu bedürfe<br />

es eines völkerechtlichen Vertrages.<br />

„ Aber keiner dieser Staaten, auch alle<br />

vier zusammen nicht, sind Gesetzgeber<br />

des allgemeinen Völkerrechts“, schrieb<br />

der Völkerrechter den vier Alliierten<br />

USA, England, Frankreich, Sowjetunion<br />

ins Stammbuch. Alle Bedingungen der<br />

Kapitulation wie Beendigung der Kriegshandlungen<br />

und Entwaffnung seien erfüllt.<br />

Somit gebe es keine Rechtsgrundlage<br />

zur Besetzung von Wohnungen der<br />

Deutschen, die nicht mehr kämpften.<br />

Dafür existierten auch keine miltärsche<br />

Notwendigkeiten. Es gehe doch nur um<br />

Truppenverschiebungen gen Osten. Das<br />

rechtfertige nicht, Deutschen die Wohnungen<br />

zu nehmen, schon gar nicht Familien.<br />

Die Notgemeinschaft fügte an,<br />

auch nach der Haager Landkriegsordnung<br />

seien Rechte und Ehre von Familien<br />

geschützt. Die Mitglieder der Notgemeinschaft<br />

fühlten sich im Übrigen nicht


58<br />

<strong>Achimer</strong> raus, Briten rein!<br />

verständlich erscheinen, dass fünf Jahre<br />

nach dem Kriege Engländer es ablehnen,<br />

mit deutschen Familien, die sie als Gäste<br />

aufnehmen wollen, zusammenzuleben.“<br />

Der CDU-Bundestagsabgeordnete von<br />

Merkatz telegrafierte, die Räumungen<br />

der Häuser seien vom 15. Januar auf den<br />

22. März verschoben worden, doch das<br />

dementierte der britische Landeskommissar<br />

für Niedersachsen. Man verhandle<br />

und müsse abwarten. Bekannt wird, dass<br />

in Verden die Hotels „Viktoria“, „Hannoverscher<br />

Hof“ und „Niedersachsen“ vorgesehen<br />

waren.<br />

Auch Notgemeinschaft ist zufrieden<br />

Roy Smith<br />

Kraftfahrer einer Pioniereinheit<br />

als Bürger eines besetzten Landes, sondern<br />

als Europäer. Die Europäer müssten<br />

doch zusammenarbeiten, wo der<br />

Bolschewismus an die Tür klopfe. Die<br />

Notgemeinschaft bot sogar britischen<br />

Offizieren an, als Quartiergäste hier zu<br />

wohnen, da man keine Zuspitzung der<br />

Situation wollte.<br />

Bundesweite Europademonstration<br />

In Verden kam es zu einer großen bundesweiten<br />

Demonstration der Jugend<br />

der Europa Union. Überall wehten in der<br />

Domstadt Euopafahnen und waren entsprechende<br />

Aufkleber zu sehen. Die Europajugend<br />

stellte fest : „Es will uns un-<br />

Am 19. Januar kommt es dann nach Verhandlungen<br />

der höchsten deutschen und<br />

britischen Stellen tatsächlich zu einer Einigung:<br />

Bis auf die fünf Verdener Häuser<br />

in der Dekanei, Hannoverscher Hof, Hotel<br />

Viktoria ud Niedersachsen Hof werden<br />

alle Häuser in Verden, Achim, Uesen und<br />

Baden freigegeben. Sobald die 108 neuen<br />

Wohnungen in Verden fertig werden,<br />

können auch in die genannten Verdener<br />

Häuser und Hotels wieder Deutsche einkehren.<br />

Am Verhandlungstisch saß auch<br />

die Notgemeinschaft der Beschlagnahmebetroffenen,<br />

und auch sie war mit<br />

dem Ergebnis hochzufrieden.<br />

Die Einheimischen hatten sich sechs<br />

Jahre nach Kriegsende nicht einfach<br />

als Bürger eines besetzten Landes<br />

behandeln lassen, wehrten sich<br />

mit demokratischen Mitteln plus zivilem<br />

Ungehorsam und hatten Erfolg!<br />

Quellen: Protokolle des <strong>Achimer</strong> Stadtrats,<br />

Stadtarchiv, <strong>Achimer</strong> Kreisblatt sowie<br />

Informationen und Archivfotos von<br />

Günter Schnakenberg.


Von Friedrich Priehs 59<br />

Ein einmaliges Exemplar<br />

Wie MAN den Motor der<br />

Badener Mühle entdeckte<br />

Bis zum Jahr 1928 lief der von MAN 1904<br />

gebaute Einzylinder-Dieselmotor zur<br />

Stromerzeugung in der Gemeinde Asendorf.<br />

Diesen Motor kaufte dann der Badener<br />

Müller Hermann Wilkens als Antrieb<br />

für seine Mühle in Baden. In mehreren<br />

aufwendigen Transporten wurde die zunächst<br />

per Bahn nach Achim verladene<br />

und in Teilen zerlegte große Anlage von<br />

Hermann Wilkens abgeholt. Zusammen<br />

mit seinem Vater, Johann Wilkens (dem<br />

Großvater des heutigen Mühlenbesitzers)<br />

wurden die schweren Teile vor Ort<br />

wieder aufgebaut. Jahrzehntelang diente<br />

dieser Einzylinder-Diesel-Motor als leistungsfähiger<br />

Antrieb der Mühle bis zum<br />

Ausbruch des Krieges.<br />

Vor dem Krieg war Hermann Wilkens bei<br />

der Rolandmühle in Bremen als Müller<br />

beschäftigt. Während der Kriegsjahre<br />

ruhte der Mühlenbetrieb in Baden, da<br />

das Pferdegespann abgegeben werden<br />

musste und Hermann Wilkens als Soldat<br />

eingezogen wurde. Dazu ist zu bemerken,<br />

dass die Familie während der<br />

Kriegsjahre und auch noch danach bis<br />

1948 von der Bremer Rolandmühle gut<br />

unterstützt wurde, um über die Runden<br />

zu kommen. Familie Wilkens hat der Rolandmühle<br />

daher viel zu verdanken und<br />

hat mit diesem Unternehmen noch etliche<br />

Jahre eine gute Geschäftverbindung<br />

gepflegt.<br />

Zu unserem Artikel im Heft 25 der <strong>Achimer</strong><br />

<strong>Geschichtsheft</strong>e über die Badener<br />

Dampfmühle liefert uns Friedrich<br />

Priehs aus Baden noch eine Hintergrundgeschichte:<br />

Als Hermann Wilkens nach dem Krieg<br />

1948 endlich aus der Gefangenschaft<br />

zurückgekehrt war, bat er seinen Sohn<br />

Johann Wilkens jun. um Mithilfe im Familienbetrieb.<br />

Der Großvater war bereits<br />

im Jahr 1945 verstorben. Johann Wilkens<br />

jun, wollte eigentlich nach Beendigung<br />

der Schule KfZ-Mechaniker werden,<br />

denn die Technik begeisterte ihn.<br />

Stattdessen trat er jedoch im Jahr 1951<br />

bei seinem Vater eine Lehre zum Müller<br />

an und unterstützte später den Familienbetrieb<br />

in Baden.<br />

Die Mühle in Baden war in diesen<br />

schweren Nachkriegsjahren noch nicht<br />

ganz ausgelastet. Johann Wilkens jun.<br />

ergriff als „Technikfreak“ die Gelegenheit,<br />

um bei dem LKW- und MAN-Großhändler<br />

Tiemann in Bremen auszuhelfen.<br />

Über diese Firma hatten die Badener<br />

Müller zwischenzeitlich auch einen MAN-<br />

Trecker für den Transport und die Auslieferungen<br />

von Getreide, Mehl und Hüh-


60<br />

Ein einmaliges Exemplar<br />

nerfutter erworben. Heute ein mit vielen<br />

Kilometern gelaufener und noch vorhandener<br />

Oldtimer im Familienbesitz. Johann<br />

Wilkens jun. besaß bereits den entsprechenden<br />

Führerschein und wurde<br />

folglich unter anderem zur Abholung und<br />

Überführung von neuen Lastkraftwagen<br />

aus dem Werk in München/Karlsfeld<br />

beauftragt. Bei solch einer LKW-Werksabholung<br />

für den Großhändler Tiemann<br />

kam es in München/Karlsfeld Ende der<br />

70er Jahre zu einer bemerkenswerten<br />

Begegnung.<br />

Wilkens mussste dort im Büro noch auf<br />

die notwendigen Papiere warten und<br />

schaute sich dabei sehr interessiert ein<br />

großes Plakat an, auf dem ein MAN-<br />

Einzylinder-Diesel-Motor abgebildet<br />

war. Auf sein Interesse hin angesprochen,<br />

antwortete Wilkens jun: „Genau<br />

den gleichen Motor haben wir bei uns in<br />

der Badener Mühle im Einsatz!“ Diese<br />

Äußerung löste im Moment etwas Verwunderung<br />

und leichte Zweifel bei den<br />

Mitarbeitern aus, und sie stellten weitere<br />

Fragen zum Motor. Am nächsten<br />

Tag lieferte Johann Wilkens jun. den<br />

LKW bei Tiemann in Bremen nach langer<br />

Überführungsfahrt ab. Dort wurde<br />

er zum Chef zitiert, der ihn fragte: „Herr<br />

Wilkens, was war denn gestern im MAN-<br />

Werk los?“ Wilkens antwortete: „Nichts<br />

Besonders.“ „Nun erzählen Sie doch einmal,<br />

was hatte das mit dem abgebildeten<br />

Dieselmotor auf sich?“, fragte der Chef<br />

weiter. „Ach so, das meinen Sie“. antwortete<br />

Wilkens. „Ich habe lediglich festgestellt<br />

und dort gesagt, dass wir exakt den<br />

gleichen Motor bei uns im Betrieb laufen<br />

haben, wie er dort abgebildet war.“ Der<br />

Chef fuhr dann ein wenig erstaunt und<br />

entrüstet fort: „Und das wissen wir hier<br />

nicht ?“- „Das hätten Sie uns doch sagen<br />

müssen!“ Somit nahm die Geschichte ihren<br />

Lauf. Bei MAN hatte man bemerkt,<br />

dass genau dieser Motor in deren historischer<br />

Werkssammlung noch fehlte<br />

und wohl nur noch als einziges Exemplar<br />

vorhanden war. Wie aus dem heiteren<br />

Himmel meldete sich bei Müller Wilkens<br />

völlig überraschend das MAN-Museum<br />

aus Augsburg und interessierte sich für<br />

den MAN-Diesel-Motor. Das Angebot aus<br />

Augsburg bestand darin, das Einzelstück<br />

im Werksmuseum auszustellen, und<br />

die gesamte Familie Wilkens nebst Kindern<br />

würden lebenslang freien Eintritt<br />

zum Museum erhalten. Dieses Angebot<br />

erschien den Badener Besitzern doch etwas<br />

dürftig.<br />

Es verging wiederum einige Zeit, bis<br />

sich Vertreter der Firma MAN aus München<br />

meldeten und sich nun auch für<br />

den Einzylinder lebhaft interessierten.<br />

Der Kontakt ging lange Zeit hin und her,<br />

und schließlich reiste eine dreiköpfige<br />

Delegation per Flieger von München<br />

nach Bremen an, um dann in Baden das<br />

ersehnte, letzte komplett funktionierende<br />

Exemplar, das derzeit im MAN -<br />

Werk gebaut wurde, in Augenschein zu<br />

nehmen. Nach mehreren Verhandlungsrunden<br />

unterbreitete MAN der Familie<br />

Müller Wilkens im Oktober 2020 ein ordentliches<br />

Angebot mit Übernahme der<br />

Kosten für die Demontage einschließlich<br />

der erforderlichen Öffnung des Daches<br />

und den Transport.<br />

Im ausführlichen und bebilderten Bericht<br />

von Werner Esdohr sind die aufwendigen,<br />

sich über mehrere Wochen hinziehenden<br />

Abbauarbeiten mit fachkundiger Unterstützung<br />

von Johann Wilkens jun. und<br />

einem ehemaligen MAN-Ingenieur ausführlich<br />

beschrieben. Diese Hintergrundgeschichte<br />

wurde dem Verfasser von Johann<br />

Wilkens jun. mündlich vorgetragen<br />

und zur Veröffentlichung freigegeben.


Von Gisela Ahnert 61<br />

Dieses fremdartige<br />

Unbekannte<br />

Rückblick und<br />

Ausblick nach den<br />

Corona-Jahren 2020 und 2021<br />

Auf das Jahr 2020 und auch 2021<br />

werden wir noch `ne zeitlang zurückblicken,<br />

denn das alles kam so<br />

plötzlich auf uns Menschen hernieder,<br />

womit niemand rechnen konnte.<br />

Wahrhaftig keiner war darauf vorbereitet.<br />

Es traf uns schlagartig, dieses fremdartige<br />

Unbekannte. Aber wie ist es zu bezwingen?<br />

Darüber rätselt die Menschheit.<br />

Wir haben doch eigentlich in Jahrzehnten<br />

ziemlich viel geschaffen, bewältigen<br />

können. Warum blicken<br />

wir auf einmal ins Ungewisse? Wer<br />

bürdet uns diese Last auf, die nun<br />

schon über Monate mit zu tragen ist?<br />

Von Woche zu Woche, von einem Tag<br />

auf den anderen immerzu beunruhigende<br />

Nachrichten in der Presse.<br />

Das bisher bekannte Problem trifft<br />

weltweit auf die Bevölkerung herein<br />

– und wo liegt die Lösung dieses Unheils,<br />

erreichbar, parat, wohl kaum.<br />

Ab wann können wir die hereingebrochene<br />

Pandemie als besiegt betrachten?<br />

Wie verkraftet ein einzelner Bürger die<br />

neu angeordnete Lebensweise? Was ist<br />

noch erlaubt und was gilt es zu beach-


62<br />

Dieses fremdartige Unbekannte<br />

ten: strenge Regeln sind einzuhalten?<br />

Wie soll man mit dem Ungewohnten umgehen<br />

– ein langer Lernprozess bahnte<br />

sich an. Ob als Privatmensch, Künstler,<br />

Geschäftsmann, Ladenbesitzer, Kulturschaffender,<br />

Einzelhandel, Frisör und<br />

Fotoläden – ein jeder sollte sich verantwortlich<br />

fühlen und die Vorgaben erfüllen.<br />

Schließung von Restaurants und Absagen<br />

von Veranstaltungen. Aber welche<br />

Möglichkeiten bestehen noch, um das<br />

Geschäftliche am Laufen halten zu können<br />

und zwar ab nun eben ganz anders,<br />

nach Richtlinien der neuen Auflagen?<br />

Noch wird erforscht, zum Schutz das<br />

passende Serum zu entwickeln/finden.<br />

Ist aber in der Erprobungsphase.<br />

Wie sah bislang der Übergang zum Jahreswechsel<br />

aus, wurde wie gehalten? Allgemein<br />

gesehen wird das neue Jahr immer<br />

freudigst begrüßt mit Wünschen für Verbesserung,<br />

für Gesundheit und Frieden.<br />

Jeder Monat hatte so seine Tücken (aufgebrummte<br />

Auflagen für zu erfüllende<br />

Vorschriften und Regeln betr. Hygiene,<br />

Abstand halten, Schutzmasken tragen,<br />

Einschränkungen bei der Kontaktpflege,<br />

Reisebeschränkungen, Ausgangsverbot,<br />

die Coronaverordnungen durchkreuzten<br />

sämtliche Vorhaben/Pläne.<br />

Pandemie<br />

Pandemie = Epidemie größeren Ausmaßes,<br />

allgemeine Verbreitung über<br />

mehrere Länder ausbreitende Seuche.<br />

Und trotz der stets lauernden Corona<br />

- Einschränkungen sollten alle zuversichtlich<br />

bleiben. Das sonst gewohnte<br />

unbeschwerte Leben ist und so peu a peu<br />

abhanden gekommen.<br />

Mit Corona leben heißt, unerwartet<br />

brockenweise Neuigkeiten zu verdauen.<br />

Dürfen keinesfalls ignoriert werden.<br />

Vor allem, was vermissen wir bis jetzt<br />

schon, Besuche von Verwandten/Angehörigen,<br />

Plauderstündchen mit Nachbarn<br />

und Freunden, herzliche Begrüßungen,<br />

Berührungen, Vereinstreffen, Kirchgang.<br />

Eben das ganz normale Leben wünschen<br />

wir zurück.<br />

Und nicht das zurzeit herrschende<br />

Ausweichen. Im zurückgezogenen<br />

Kämmerlein abwarten und sehen,<br />

was daraus wird, die Ruhe bewahren.<br />

Das Einhalten aller auferlegten Regeln<br />

gilt es unbedingt zu beachten und<br />

das Durchhalten sei zu empfehlen.<br />

Verzicht worauf – auf ganz langer Linie<br />

wurde uns Bürgern auferlegt. Wie<br />

fühlt es sich das Verzichtenmüssen an?<br />

Wie kam es in der Bevölkerung an?<br />

Es war allerorts merklich zu spüren.<br />

Uns wurde die Freizeit vergällt.<br />

Was sichtbar schien, keinem konnte man<br />

mehr ein Lächeln entlocken. Und ein<br />

herzhaftes Lachen ist einem sowieso vergangen,<br />

irgendwie abhanden gekommen.<br />

Wer schaut überhaupt noch fröhlich drein?<br />

Freundliche Begrüßungen etwa, seid<br />

doch trotzdem nett zu einander und<br />

bleibt frohen Mutes. Nein, man geht sich<br />

bewusst aus dem Wege, ein kurz gemurmeltes<br />

Hallo – das wars auch schon.<br />

Mit sorgenvoller Miene schleicht man<br />

des Weges. Wie eine finstere Wolke lastet<br />

dieses neuartige Virus über die<br />

Menschheit. Wer vermag vorherzusagen,<br />

nun reicht‘s aber? Noch mehr auf alles<br />

Lebenswerte verzichten zu müssen,<br />

bringt Verdruss, schürt Existenzängste.<br />

Wir haben reichlich Geduld aufgebracht,<br />

auf Urlaub und Freizeitvergnügen<br />

verzichtet. Das Maß ist voll.<br />

Was erwarten wir vom neuen Jahr?


Berichtet wird über einen Überfall der<br />

frierenden Bevölkerung auf einen Kohlezug<br />

auf der Strecke Hemelingen -<br />

Kirchweyhe und Kohlenklau am Bahnhof<br />

Kirchweyhe.<br />

Der fahrende Zug wurde auf der Strecke<br />

durch das gewaltsame Abdrehen eines<br />

Lufthahns zum Halten gebracht, Auf dieses<br />

Signal hin stürmten 400 Menschen<br />

herbei, rissen die Türen auf und raubten<br />

das „schwarze Gold“. Die Bahnpolizei<br />

konnte gegen die Menge nichts ausrichten.<br />

Polizeikräfte aus Hemelingen und<br />

Bremen kamen zur Verstärkung, aber<br />

auch sie konnten nicht verhindern, dass<br />

aus dem Zug 500 bis 600 Zentner Kohlen<br />

gestohlen wurden.<br />

Von Manfred Brodt 63<br />

Überfälle auf Kohlezüge in<br />

schwerer Zeit<br />

Eine Episode aus der<br />

Nachkriegszeit<br />

*<br />

Ein Bericht im <strong>Achimer</strong> Kreisblatt von<br />

Ende Januar 1951 lässt erahnen, wie<br />

schlecht es noch um die materielle Versorgung<br />

der Bevölkerung bestellt war.<br />

Das Kreisblatt erwähnte, dass Anklage<br />

wegen Landfriedensbruchs gestellt werden<br />

sollte und dass den Rädelsführern<br />

Zuchthaus drohe.<br />

Beim zweiten Überfall am Bahnhof Kirchweyhe,<br />

im Volksmund Zeche 3 genannt,<br />

stürmten 60 bis 80 Personen den dort<br />

abgestellten Kohlezug und bewarfen die<br />

andrückende Bahnpolizei mit Briketts<br />

und Bierflaschen. Die Ordnungshüter<br />

waren klar unterlegen.<br />

Für zukünftige Vorfälle wurde dringend<br />

Verstärkung aus Oldenburg gefordert.<br />

Zunächst einmal kamen Spezialisten mit<br />

Spürhunden zur „Zeche 3“, um das Geschehene<br />

aufzuklären.<br />

Solche und ähnliche Vorfälle gab es auch<br />

in Achim.<br />

Nach eineinhalb Jahren Corona-Pause<br />

traf sich die Geschichtswerkstatt erstmals<br />

wieder in großer Runde und wählte<br />

ihren geschäftsführenden Vorstand neu.<br />

Das Führungsteam der Geschichtswerkstatt<br />

Foto: Migowsky<br />

Der geschäftsführende Vorstand der Geschichtswerkstatt<br />

Achim, von links: Vorsitzender<br />

Helmut Köhler, Schatzmeister<br />

Michael Manthey, Schriftführerin Ulrike<br />

Uphoff-Maack, IT-Beauftragter Hartmut<br />

Nill und stellvertretender Vorsitzender<br />

Manfred Brodt.


64<br />

Von Günter Schnakenberg<br />

Verfolgung und Vernichtung<br />

von Juden<br />

Neue Stolpersteine erinnern<br />

an das Textilunternehmen<br />

Heilbronn, heute an Obernstraße<br />

und Bibliotheksplatz<br />

Seit 2007 erinnern Stolpersteine in Achim<br />

an die Verfolgung und Vernichtung<br />

<strong>Achimer</strong> Juden. Nun sind Stolpersteine<br />

hinzugekommen. Sie weisen auf Siegfried<br />

und Mathilde Heilbronn und mehrere<br />

Nachfahren hin. Siegfried und Mathilde<br />

Heilbronn betrieben eine Schneiderei<br />

und ein Manufakturwarengeschäft an<br />

der Obernstraße und dem heutigen Bibliotheksplatz.<br />

Sie, die sehr sozial waren<br />

und stets gegen Not in Achim gespendet<br />

hatten, mussten unter dem nationalsozialistischen<br />

Terror (Verfolgung unter<br />

anderem durch den Boykott jüdischer<br />

Gechäfte, neue Rassengesetze mit Entrechtung<br />

der Juden ab 1935) das prächtig<br />

gehende Textilgeschäft für wenig Geld<br />

verkaufen und nach England emigrieren.<br />

Sie entkamen damit noch dem Schlimmsten.<br />

Anders als viele andere.<br />

Die anderen <strong>Achimer</strong> Stolpersteine erzählen unter anderem diese Schicksale:<br />

Obernstraße 93 (Verdener Straße 138)<br />

1937/38 erwarb die Gemeinde das Restgrundstück<br />

mit Wohn- und Wirtschaftsgebäude.<br />

Bis dahin war Emma Baumgarten<br />

Mieterin in dem Haus ihres Bruders gewesen.<br />

Nach dem Verkauf zog sie Anfang<br />

1938 zu Verwandten nach Verden. In den<br />

überlieferten Akten steht, dass dieses<br />

aus gesundheitlichen Gründen geschah.<br />

Es kann aber auch nicht ausgeschlossen<br />

werden, dass sie auf Druck der<br />

Nazis ausziehen musste, denn in dem<br />

renovierten Stallgebäude des Hauses<br />

entsteht das „Gemeinschaftshaus der


Verfolgung und Vernichtung von Juden 65<br />

NSDAP“ und sicher wollte man dort keine<br />

Jüdin im Vorderhaus wohnen haben.<br />

Dann zieht Emma Baumgarten von Verden<br />

nach Bremen in die Geestemünder<br />

Straße 32. Von hier aus erfolgt 1942 die<br />

Deportation nach Theresienstadt. Später<br />

wird Emma Baumgarten nach Auschwitz<br />

geschafft, wo sie verstirbt.<br />

Eckstraße 16 (Mühlenstraße 301)<br />

Die Familie Anspacher (Karl und Lilli sowie<br />

die Kinder Liesel und Günther) wird<br />

direkt nach der Verhaftung am 17.11.1941<br />

von Achim nach Bremen verbracht,wenig<br />

später nach Minsk deportiert und dort<br />

ermordet.<br />

Günther Anspacher kann aus dem Getto<br />

fliehen, sein Schicksal ist unbekannt.<br />

Günther Anspacher wurde am 8.5.1945<br />

für tot erklärt.<br />

Obernstraße 6 (<strong>26</strong>5)<br />

Als letzter Spross der in Achim alteingessenen<br />

jüdischen Familie Alexander verkauft<br />

Paul Alexander aus „privaten , wirtschaftlichen<br />

Gründen“ 1937 sein Haus in<br />

Achim und zieht mit der Familie nach<br />

Bremen. Dort betreibt er einen Handel<br />

mit Benzin und Ölen. Er wird nach Minsk<br />

deportiert und dort ermordet.<br />

Ehefrau Grete Alexander, geb. Berndt,<br />

zieht 1937 nach Bremen, wird nach<br />

Minsk deportiert und dort ermordet.<br />

Auch die jungen Peter und Lotte Alexander<br />

müssen diesen Weg in die Todesfabrik<br />

antreten.<br />

Schmiedeberg 12<br />

(Gutenbergstraße 4, Richtweg 302)<br />

Die Familie des Viehhändlers Albert<br />

Anspacher wird direkt nach der Verhaftung<br />

1941 in Achim nach Bremen verbracht<br />

und wenig später nach Minsk<br />

deportiert. Albert und Emma kommen<br />

dort um. Sohn Kurt ist der einzige<br />

der <strong>Achimer</strong> Juden, der den Holocaust<br />

überlebt. Er wandert 1948 in die<br />

USA aus und lebt dort unter dem Namen<br />

Cord Parker.<br />

Am Schmiedeberg 10<br />

(Langenstraße 49)<br />

Viehhändler Paul und Ehefrau Grete Anspacher<br />

wohnen bis 1939 im Haus Langenstraße<br />

49. Auf Druck der Gemeinde Achim<br />

müssen sie dort ausziehen. Umzug in<br />

das Haus des Bruder Albert Anspacher,<br />

Richtweg 302 (später Gutenbergstraße 4).<br />

Dort erfolgt 1941 die Verhaftung mit anschließender<br />

Deportation nach Minsk<br />

und ihrer Ermordung.<br />

Am Schmiedeberg 10<br />

(Langenstraße 49)<br />

Kaufmann Louis Friedemann und Ehefrau<br />

Lina wohnten hier wie Paul und Grete Anspacher<br />

zur Miete. Auf Druck der Nazis<br />

wurden sie 1938 nach Bremen vertrieben.<br />

Tochter Ilse verheiratet sich dort mit<br />

Arnold Löwenstein. Später müssen die<br />

Friedemanns noch in ein „Judenhaus“<br />

umziehen. 1941 Deportation und Ermordung<br />

in Minsk. Auch Kaufmann Ernst<br />

Friedemann und Ilse Friedemann werden<br />

in Minsk umgebracht.<br />

Obernstraße 22 (116)<br />

Als letzte „<strong>Achimer</strong> Juden“ werden<br />

Schlachtermeister Albert und Ehefrau<br />

Nanny Seligmann (geb. Alexander) am<br />

25.3.1942 aus Achim vertrieben. Sie<br />

werden in Bremen, Nordstraße 210, in<br />

ein so genanntes Judenhaus gesteckt.<br />

Dann folgt ihre Deportation nach Theresienstadt,<br />

wo sie der Massenvernichtung<br />

zum Opfer fallen.


66<br />

Wir über uns:<br />

Impressum<br />

Die <strong>Achimer</strong> Geschichts-Hefte werden herausgegeben von der Geschichtswerkstatt<br />

Achim - Verein für Regionalgeschichte e.V. (Vereinsregister Walsrode VR 120146)<br />

und erscheinen unregelmäßig. Dieses regionalhistorische Magazin kostet 4,- €, ist<br />

im <strong>Achimer</strong> Buchhandel erhältlich und kann auch bestellt werden. Bei Bestellung<br />

gilt die Überweisung von 4,- € auf das Vereinskonto bei der KSK Verden:<br />

IBAN: DE23 2915 <strong>26</strong>70 0014 0010 69 - BIC: BRLADE21VER<br />

Für Vereinsmitglieder ist der Bezug der <strong>Achimer</strong> Geschichts-Hefte kostenlos.<br />

Die Geschichtswerkstatt Achim e.V. mit ihren über 100 Mitgliedern ist Mitglied des<br />

Niedersächsischen Heimatbundes e.V. und des Trägervereins „Kulturhaus Alter<br />

Schützenhof“. Sie wurde im Jahre 1986 als Teil der bundesweiten Geschichtswerkstattsbewegung<br />

gegründet, die sich die Erforschung der Regionalgeschichte aus der<br />

Sicht der Betroffenen als „Geschichte von unten“ auf ihre Fahnen geschrieben hat.<br />

Der jährliche Vereinsbeitrag beträgt 20,- €, ermäßigt für Schüler, Studierende, Auszubildende,<br />

Erwerbslose und Rentner 10,- €.<br />

Redaktion:<br />

Manfred Brodt, Werner Esdohr, Reinhard Dietrich, Karl-Heinz Hildebrandt, Monika<br />

u. Helmut Köhler, Christian Kruse, Marlies Migowsky, Günter Schnakenberg, Horst<br />

Zech.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />

wieder.<br />

Redaktionsanschrift:<br />

Geschichtswerkstatt Achim, c/o Helmut Köhler, Vogelerweg 8, 28832 Achim,<br />

Tel.: 04202-7650939 - Verantwortlich im Sinne des Presserechts.<br />

Internet:<br />

www.geschichtswerkstatt-achim.de und www.geschichte-im-Iandkreis-verden.de<br />

Satz:<br />

H.-J. Wuthe<br />

Druck und Gesamtherstellung:<br />

Haus der Werbung, Anita-Augspurg-Platz 7, 27283 Verden<br />

1. Auflage November 2021 - Alle Rechte vorbehalten<br />

© 2021 by Geschichtswerkstatt Achim - Verein für Regionalgeschichte e.V.<br />

ISSN 0935 -5642


Alles ganz nah.<br />

GUT LEBEN UND ARBEITEN IN ACHIM

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