32 Von Reinhard Dietrich „Faule, unartige, widerspenstige und boshafte Kinder“ Züchtigungen in der einklassigen Schule in Bollen In der „Schulordnung für die Landschulen in den Herzogthümern Bremen und Verden“ vom 10. Februar 1752 wurde in zwei Paragraphen auf die Möglichkeit von Züchtigungen der Schulkinder eingegangen: Ein prügelnder Lehrer (1842) Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
„Faule, unartige, widerspenstige und boshafte Kinder“ 33 „§ 67. Den Schulhaltern wird gar nicht untersagt, die faulen, unartigen, widerspenstigen und boshaften Kinder zu züchtigen. Doch müssen sie auch solche Maße halten, daß sie weder den Kindern an der Gesundheit Schaden zufügen, und den Eltern damit Gelegenheit geben, sich über sie zu beschweren, noch auch die Lust, zur Schule zu gehen, durch ein unvernünftiges und brutales Wesen und Verfahren bei den Kindern niederzuschlagen. § 68. Insonderheit wird ihnen das Schlagen auf den Kopf der Kinder, es geschehe nun mit einem Stocke, Buche, oder Hand, und das Werfen nach denselben gänzlich verboten, und sie überhaupt, zumal den kleinen Kindern, angewiesen, mehr die Rute, als den Stock zu, gebrauchen.“ Zum Unterricht gehörten Strafmaßnahmen und Beschämungen zur Aufrechterhaltung von Disziplin, aber auch gegen Lernunwillen und gegen „Dummheit“. Der „faule Schüler“ sitzt auf dem Strafesel und trägt noch zusätzlich die Eselskappe; Lehrer und Schüler beschimpfen und beschämen ihn. Zusätzlich droht der Lehrer massiv mit dem Stock. Links kniet ein Schüler auf der spitzen Seite eines Holzscheits beim Auswendiglernen des ABC; seine ABC-Tafel liegt vor ihm auf dem Boden. Körperlicher Schmerz wurde selbstverständlich hingenommen. Siehe Bild am Ende des Artikels. Der spätere Lehrer Johann Dietrich Schierloh (*11.12.1878, Hirtensohn aus dem Boller Holz, eingeschult Ostern 1884, ausgeschult 28.03.1893, also Schüler bei Lehrer Johann Peter Klindworth (Lehrer in Bollen von Ostern 1860 bis 1893) schreibt in seinen Lebenserinnerungen: „Wenn ich mich kurz zur Schulzucht äußern möchte, so geschieht das unter größter Zurückhaltung, weil es sich um ein Gebiet handelt, über das nicht leicht geurteilt werden kann. Die finstere Strenge macht es sich sehr leicht, die Güte hat es unendlich schwer. Die Kindesnatur, das Familienleben, sie sind so verschieden, daß es unmöglich wird, einen geraden Weg unangefochten zu gehen. Und die Persönlichkeit des Lehrers, die dabei eine überragende Rolle spielt, darf in der Beurteilung nicht vergessen werden. Dazu kommt noch der jeweils herrschende Zeitgeist, der damals auf persönliche Autorität abgestimmt war. Wie oft wurde so drauflosgeprügelt! Aus dem Vorhergehenden kann schon entnommen werden, daß die kindliche Fröhlichkeit nicht zu ihrem Recht kam. Wie weit das in einer einklassigen Schule möglich ist, das möge dahingestellt sein. Ich weiß nur, daß ich unter der freudlosen Art sehr gelitten habe. An gutem Lernwillen hat es bei mir nie gefehlt. Ich leugne aber auch nicht, daß der Übermut mich manchmal über gewisse Grenzen des Wohlverhaltens hinausgetrieben hat. Der Stock spielte dann als Zuchtmittel eine ziemliche Rolle. Ich glaube, es wäre mit weniger Hieben auch gegangen, vielleicht sogar besser. Aber ein Verstehen, ein gütiges Zureden gab es nicht. So geriet ich mehr und mehr in einen Gegensatz zum Lehrer, der mich auch strafte, wenn ich mir die größte Mühe gab, keinen Anstoß zu erregen. Immer wieder verbannte er mich in den berüchtigten „Luhnort“, den Vorplatz. Da stand man denn und schaute die Prinzenäpfel in Papens Garten an und harrte der Dinge, die da kommen sollten.“ Erklärung „Papens Garten“: Hier handelt es sich um den Garten der Hofstelle Nr. 4, heute steht dort das Haus Bollener Deich 4.