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Achimer Geschichtsheft 26

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„Faule, unartige, widerspenstige und boshafte Kinder“ 33<br />

㤠67. Den Schulhaltern wird gar nicht untersagt,<br />

die faulen, unartigen, widerspenstigen<br />

und boshaften Kinder zu züchtigen.<br />

Doch müssen sie auch solche Maße<br />

halten, daß sie weder den Kindern an der<br />

Gesundheit Schaden zufügen, und den Eltern<br />

damit Gelegenheit geben, sich über<br />

sie zu beschweren, noch auch die Lust,<br />

zur Schule zu gehen, durch ein unvernünftiges<br />

und brutales Wesen und Verfahren<br />

bei den Kindern niederzuschlagen.<br />

§ 68. Insonderheit wird ihnen das Schlagen<br />

auf den Kopf der Kinder, es geschehe<br />

nun mit einem Stocke, Buche, oder Hand,<br />

und das Werfen nach denselben gänzlich<br />

verboten, und sie überhaupt, zumal den<br />

kleinen Kindern, angewiesen, mehr die<br />

Rute, als den Stock zu, gebrauchen.“<br />

Zum Unterricht gehörten Strafmaßnahmen<br />

und Beschämungen zur Aufrechterhaltung<br />

von Disziplin, aber auch gegen<br />

Lernunwillen und gegen „Dummheit“.<br />

Der „faule Schüler“ sitzt auf dem Strafesel<br />

und trägt noch zusätzlich die Eselskappe;<br />

Lehrer und Schüler beschimpfen<br />

und beschämen ihn. Zusätzlich droht<br />

der Lehrer massiv mit dem Stock. Links<br />

kniet ein Schüler auf der spitzen Seite eines<br />

Holzscheits beim Auswendiglernen<br />

des ABC; seine ABC-Tafel liegt vor ihm<br />

auf dem Boden. Körperlicher Schmerz<br />

wurde selbstverständlich hingenommen.<br />

Siehe Bild am Ende des Artikels.<br />

Der spätere Lehrer Johann Dietrich<br />

Schierloh (*11.12.1878, Hirtensohn aus<br />

dem Boller Holz, eingeschult Ostern<br />

1884, ausgeschult 28.03.1893, also Schüler<br />

bei Lehrer Johann Peter Klindworth<br />

(Lehrer in Bollen von Ostern 1860 bis<br />

1893) schreibt in seinen Lebenserinnerungen:<br />

„Wenn ich mich kurz zur Schulzucht<br />

äußern möchte, so geschieht das<br />

unter größter Zurückhaltung, weil es sich<br />

um ein Gebiet handelt, über das nicht<br />

leicht geurteilt werden kann. Die finstere<br />

Strenge macht es sich sehr leicht, die<br />

Güte hat es unendlich schwer. Die Kindesnatur,<br />

das Familienleben, sie sind so<br />

verschieden, daß es unmöglich wird, einen<br />

geraden Weg unangefochten zu gehen.<br />

Und die Persönlichkeit des Lehrers,<br />

die dabei eine überragende Rolle spielt,<br />

darf in der Beurteilung nicht vergessen<br />

werden. Dazu kommt noch der jeweils<br />

herrschende Zeitgeist, der damals auf<br />

persönliche Autorität abgestimmt war.<br />

Wie oft wurde so drauflosgeprügelt!<br />

Aus dem Vorhergehenden kann schon<br />

entnommen werden, daß die kindliche<br />

Fröhlichkeit nicht zu ihrem Recht kam.<br />

Wie weit das in einer einklassigen Schule<br />

möglich ist, das möge dahingestellt<br />

sein. Ich weiß nur, daß ich unter der<br />

freudlosen Art sehr gelitten habe. An<br />

gutem Lernwillen hat es bei mir nie<br />

gefehlt. Ich leugne aber auch nicht,<br />

daß der Übermut mich manchmal über<br />

gewisse Grenzen des Wohlverhaltens<br />

hinausgetrieben hat. Der Stock spielte<br />

dann als Zuchtmittel eine ziemliche<br />

Rolle. Ich glaube, es wäre mit weniger<br />

Hieben auch gegangen, vielleicht sogar<br />

besser. Aber ein Verstehen, ein gütiges<br />

Zureden gab es nicht. So geriet ich<br />

mehr und mehr in einen Gegensatz zum<br />

Lehrer, der mich auch strafte, wenn ich<br />

mir die größte Mühe gab, keinen Anstoß<br />

zu erregen. Immer wieder verbannte er<br />

mich in den berüchtigten „Luhnort“, den<br />

Vorplatz. Da stand man denn und schaute<br />

die Prinzenäpfel in Papens Garten an<br />

und harrte der Dinge, die da kommen<br />

sollten.“ Erklärung „Papens Garten“:<br />

Hier handelt es sich um den Garten der<br />

Hofstelle Nr. 4, heute steht dort das Haus<br />

Bollener Deich 4.

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