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Von Manfred Brodt 57<br />
mum an Verdruß entsteht.“ Der Offizier<br />
bat den Stadtdirektor, dafür fünf andere<br />
Häuser als Ersatz zu nennen, doch<br />
der lehnte ab, da er an den Stadtratsbeschluss<br />
gebunden sei. So wählte der<br />
britische Offizier selbst zwölf Häuser<br />
mit 50 Wohnungen aus in der Feldstraße,<br />
An der Eisenbahn, Lous-Otten-Straße,<br />
Borsteler Landstraße, Goethestraße<br />
und in der Bergstraße sowie zwei Hotels<br />
und zwei Häuser in Uesen und Baden,<br />
die bis zum 15. Januar, 9 Uhr, beschlagnahmt<br />
werden sollten. In Verden betraf<br />
es 58 Häuser mit 120 Wohnungen und<br />
87 Familien. Im November 1950 wurde<br />
bekannt, dass noch einmal 50 Häuser im<br />
Kreis dazukommen sollten. Der britische<br />
Major ließ die Stadt Achim wissen, sollten<br />
die Eigentümer und Bewohner Beschwerden<br />
haben, sollten sie sich an die<br />
nicht kooperierende Stadt wenden. Die<br />
oder die Bewohner sollten dann Alternativen<br />
nennen. Doch kein Eigentümer<br />
unterschrieb die entsprechenden Verfügungen.<br />
Die Stadt schickte sie zurück<br />
und verweigerte sich auch sonst völlig.<br />
Befehl der Besatzungsmacht<br />
Das ließ sich der britische Resident Verden-Rotenburg<br />
nicht bieten und schrieb<br />
zurück: „Ich sende hiermit die Verträge<br />
zurück und muss betonen, dass die Forderungen,<br />
die darin enthalten sind, als<br />
ein Befehl unter der Geltung des Besatzungsstatuts<br />
erlassen sind.“<br />
Ministerpräsident Kopf hatte versucht,<br />
auf Landesebene zu vermitteln, doch<br />
erfolglos. Auch das Schreiben des Beauftragten<br />
des Bundeskanzlers für<br />
die Zusammenarbeit mit den Alliierten,<br />
nach dem er Neubauten statt Räumungen<br />
befürworte, brachte keine Lösung.<br />
Der Oberkreisdirektor warnte<br />
öffentlich, dass die britischen Anordnungen<br />
vor Weihnachten große Empörung<br />
in der Bevölkerung ausgelöst<br />
hätten und zu Unruhen führen könnten.<br />
Widerspricht dem Völkerrecht<br />
Inzwischen hatte sich eine Interessengemeinschaft<br />
der Beschlagnahmebetroffenen<br />
in Stadt und Kreis Verden gegründet,<br />
die ein mehrseitiges Protestschreiben<br />
publizierte und ihren Protest auch juristisch<br />
unterfütterte mit einem Gutachten<br />
des Hamburger Völkerrechtlers Lau. Der<br />
argumentierte, die bedingungslose Kapitulation<br />
Deutschlands durch General<br />
Dönitz habe das Ende der Kriegshandlungen,<br />
die Entwaffnung der deutschen<br />
Armee beinhaltet, aber keine Ermächtigung,<br />
die deutsche Bevölkerung und<br />
die deutschen Zivilbehörden unter militärische<br />
Befehle zu stellen. Dazu bedürfe<br />
es eines völkerechtlichen Vertrages.<br />
„ Aber keiner dieser Staaten, auch alle<br />
vier zusammen nicht, sind Gesetzgeber<br />
des allgemeinen Völkerrechts“, schrieb<br />
der Völkerrechter den vier Alliierten<br />
USA, England, Frankreich, Sowjetunion<br />
ins Stammbuch. Alle Bedingungen der<br />
Kapitulation wie Beendigung der Kriegshandlungen<br />
und Entwaffnung seien erfüllt.<br />
Somit gebe es keine Rechtsgrundlage<br />
zur Besetzung von Wohnungen der<br />
Deutschen, die nicht mehr kämpften.<br />
Dafür existierten auch keine miltärsche<br />
Notwendigkeiten. Es gehe doch nur um<br />
Truppenverschiebungen gen Osten. Das<br />
rechtfertige nicht, Deutschen die Wohnungen<br />
zu nehmen, schon gar nicht Familien.<br />
Die Notgemeinschaft fügte an,<br />
auch nach der Haager Landkriegsordnung<br />
seien Rechte und Ehre von Familien<br />
geschützt. Die Mitglieder der Notgemeinschaft<br />
fühlten sich im Übrigen nicht