syndicom magazin Nr. 12
Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.
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syndicom
Nr. 12 Juli–August 2019
magazin
Der
Kollege
Roboter
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Weiterbildungskurse
für die Medienbranche
Du arbeitest in der Medienbranche, der visuellen
Kommunikation oder in der grafischen Industrie und
willst mit dem technologischen Wandel Schritt halten?
Mit den Kursen des Weiterbildungszentrums
Helias bleibst du à jour und erwirbst Kompetenzen,
die du auch in der Freizeit brauchen kannst. Helias
ist das gemeinsame Weiterbildungsinstitut der Gewerkschaften
syndicom und Syna sowie von Viscom,
dem Arbeitgeberverband der grafischen Industrie.
Die Institutsleitung wird von syndicom – Abteilung
Bildung wahrgenommen.
Unsere nächsten Kurse
Adobe Illustrator für Fachleute
Clever ausschiessen – effizient produzieren
Web-Auftritte mit WordPress und Elementor
Photoshop, Bildbearbeitung für Print und Web
Weiterbildung für Korrektorinnen und Korrektoren
Adobe Photoshop für Einsteiger
Adobe Illustrator Tipps & Tricks
Workshop: Grafische Gestaltung und Typografie
Adobe Lightroom weiterführend
Adobe Animate CC und Adobe Character Animator
für Einsteiger
26. und 27. September
3. und 4. Oktober
23. und 24. Oktober
29. und 30. Oktober
31. Oktober/1. und 2. November
13. November
14. November
20. und 21. November
22. November
25. und 26. November
Mehr Informationen und Anmeldung
unter helias.ch
Inhalt
4 Teamporträt
5 Kurz und bündig
6 Die andere Seite
7 Gastautor Kurt Pärli
8 Für Roboter arbeiten
16 Arbeitswelt
21 Garantien für «mytime»
22 Was sollen wir lehren?
25 Digitale Überwachung
26 Freizeit
27 1000 Worte
28 Bisch im Bild
30 Aus dem Leben von ...
31 Kreuzworträtsel
32 Was muss sich ändern?
Hey Siri! Okay, Google!
Heute fragen wir unser Handy nach Informationen
und regulieren aus der Ferne die Temperatur
zu Hause. In einigen Jahren wird es normal
sein, eine nicht-menschliche Kollegin zu haben
oder einen Roboter, der unsere Arbeit erledigt.
Schon heute arbeiten wir mit Paketdrohnen,
führerlosen Bussen und sogar mit RoboterjournalistInnen.
Das Dossier in dieser Ausgabe
widmet sich der Entwicklung der Künstlichen
Intelligenz (KI) in den Berufsfeldern unserer
Gewerkschaft.
Wenn die Entwicklung der KI weiter so voranschreitet,
haben wir bald Computer, die so intelligent
sind wie wir, aber viel schneller. Einige
Forscher fürchten diesen Moment, der als
«technologische Singularität» bezeichnet wird.
Von da an könnte eine KI sich von uns unabhängig
machen – mit ernsthaften Risiken für uns
Menschen.
Theoretische Spekulation? Apokalyptische
Science-Fiction à la «Terminator»? Wer weiss.
In der Zwischenzeit müssen wir als Gewerkschaft
sicherstellen, dass die Politik eine soziale
Digitalisierung durchsetzt, die sich auf das
Wohlergehen der Menschen konzentriert. Dazu
fordern wir eine Verkürzung der Arbeitszeit und
pochen auf Weiterbildung. Denn, wie Professor
Gambardella auf Seite 22 festhält, die jungen
Generationen müssen Kreati vität, Soziabilität,
Aufgeschlossenheit und kritisches Denken stärken.
Die typisch menschlichen Eigenschaften,
die die menschliche Intelligenz ausmachen.
4
8
22
Giovanni Valerio, syndicom-Redaktor
4
Teamporträt
«Ein GAV, bei dem es nur Verbesserungen
gibt»
Christophe Demierre (53)
Der ehemalige Automechaniker in der
Garage der Post ist heute Aussendiensttechniker
für Freiburg. Seine Arbeit
besteht darin, die gesamte Infrastruktur
der Postgebäude instand zu
halten. Der Einwohner von Villargiroud
(FR) ist seit dreissig Jahren Mitglied
von syndicom (und ihrer Vorläuferin
PTT-Union).
Ahmed Dakoumi (57)
Der Techniker HLKSE (Heizung, Lüftung,
Klima, Sanitär, Elektro) arbeitet seit
2011 bei der Post Immobilien Management
und Services AG (IMS) in Genf
Montbrillant. Zuvor leitete er die Elektroabteilung
einer Privatklinik. Er ist seit
32 Jahren Gewerkschaftsmitglied und
engagiert sich in der Sektion Genf.
Christian Studer (49)
Der Aussendiensttechniker für La
Chaux-de-Fonds und Neuenburg arbeitet
seit 29 Jahren bei der Post für IMS.
Seit 29 Jahren ist er auch Mitglied der
Gewerkschaft. Seit 5 Jahren ist er Präsident
des nationalen Vorstandes IMS.
Text: Sylvie Fischer
Bild: François Graf
«Wir haben das Boot
wieder flottgemacht
und in Fahrt gebracht»
«Wichtig ist, dass der neue GAV keine
Verschlechterung des Status der
Mitarbeitenden bedeutet. Im Gegenteil,
wir haben nur Verbesserungen
erzielt», stellt Christian Studer zufrieden
fest. Er ist Vorsitzender des
Verhandlungsausschusses für den
GAV von IMS, die Immobilienverwaltung
von Gebäuden der Post und anderer
Kunden. IMS beschäftigt rund
1500 Mitarbeitende.
«Die Post wollte nur den GAV
2017 erneuern, aber wir strebten
Verbes serungen an, weil wir viel
verloren hatten», fährt Christophe
Demierre fort. Wichtige Verhandlungspunkte
wurden mit den Mitarbeitenden
identifiziert. Anschliessend
wurde eine Onlineumfrage
durchgeführt, um die Bedeutung der
einzelnen Punkte für das Personal
zu ermitteln. An erster Stelle stand
die Verbesserung der Sozialvereinbarung
für IMS: «Wir hätten uns einen
Sozialplan wie bei Post CH gewünscht,
aber diese Vereinbarung ermöglicht
immerhin eine Abfindung
im Fall einer Entlassung, die nach
Dienst und Lebens alter variiert»,
fügt er an.
Auch eine Lohnmatrix, die einen
höheren Anstieg der Niedriglöhne
ermöglicht, wurde akzeptiert. Eine
gute Verhandlung ermöglichte, die
Erhöhung nicht mehr als Einzelprämien
zu erhalten, sondern als Teil
des Gehalts. Nur wer bereits über
dem Lohnband liegt, erhielt eine
Einzelprämie von 500 Franken.
Die Mahlzeitenzulage wird erhöht,
und eine Pauschale von
250 Franken kommt Aussendienst
Mitarbeitenden zugute, «das ist etwas
mehr als die Hälfte dessen, was
gefordert wurde». Ein Recht auf
Weiterbildung wird ermöglichen, im
Falle einer Ablehnung einen Eskalationsprozess
zu aktivieren. Die geforderten
drei zusätzlichen Urlaubstage
für alle ab 50 wurden abgelehnt,
stattdessen wird eine zusätzliche
bezahlte Nachmittagspause für alle
Mitarbeitenden eingeführt.
«Damit so etwas möglich wird,
müssen wir uns noch mehr gewerkschaftlich
organisieren.» Die Errungenschaften
zeigen, dass es sich
lohnt.
Kurz und
bündig
Lohnmassnahmen PostFinance \ Lohnmassnahmen SecurePost \
Berufsprüfung GewerkschaftssekretärIn bestanden \ Jahrheft
des Presserats \ Internazionale-Festival \ Ein guter Sozialplan
für die ZustellerInnen bei DMC
5
Lohnmassnahmen 1:
PostFinance
Viele Mitglieder bei PostFinance meldeten
sich bei syndicom. Sie hinterfragten
die Umsetzung der Lohnmassnahmen
und ebenso ihre Lohnerhöhung. Sie hatten
ihre Lohndaten in unseren Online-
Lohnrechner eingegeben und festgestellt,
dass sie den Vorschlagswert
nicht erhalten hatten. Der Vorschlagswert
ist zwar nicht zwingend geschuldet,
aber eine Abweichung muss von
PostFinance begründet werden – und
nicht alle Begründungen sind zulässig.
Dank der Intervention von syndicom
wird das jetzt genauer überprüft.
Lohnmassnahmen 2:
SecurePost
Nach dem Angebot von Fr. 200.– und zusätzlichen
Fr. 350.– bei Erreichen des
Zielbandes gelangte syndicom an die
Schlichtung. Denn die wirtschaftlichen
Kennzahlen liessen vermuten, dass das
Zielband nur schwer erreicht werden
würde. Die Mitglieder waren gleicher
Meinung und lehnten das Resultat ab.
Mit der Einigung auf garantierte 450
Franken (pro rata Beschäftigungsgrad)
erreicht syndicom vor der Schlichtung
eine Verbesserung. Denn die Auszahlung
wird allen Mitarbeitenden unter dem
GAV bedingungslos gewährt.
Herzlichen Glückwunsch!
Vier KollegInnen von syndicom haben
ihren eidgenössischen Fachausweis der
Berufsprüfung GewerkschaftssekretärIn
erhalten. Auf dem Bild von links: Dietmar
Helbig (St. Gallen, Logistik), Azra Ganic
(Zürich, ICT), Adriano Troiano (Bern,
Logistik) und Caroline Diethelm (Zürich,
Rechtsdienst). In der Mitte der Präsident
von syndicom, Daniel Münger.
Der 2010 gegründete und vom Staatssekretariat
für Bildung, Forschung und
Innovation anerkannte Kurs vermittelt
Rechtswissen und Kenntnisse für die
Organisation von Kampagnen. Die Weiterbildung
bei Movendo umfasst zehn
Pflichtmodule und neun Tage Vertiefung,
insgesamt 40 Ausbildungstage.
Info: valerie.boillat@movendo.ch
Der Presserat online
Der Schweizerische Presserat hat im
vergangenen Jahr 102 Beschwerden erledigt,
sich neu mit Online-Medien befasst
und kontroverse Fälle diskutiert
(z. B. das Foto der beiden syrischen
Kinder, die nach einem Giftgasangriff
starben). Das Jahrheft 2019 ist online
in den Landessprachen und auf Englisch
verfügbar und enthält auch Überlegungen
über die rasanten Veränderungen
des Berufs. Presserat.ch.
Mit syndicom nach Ferrara
ans Internazionale-Festival
Seit 2007 organisiert die Zeitschrift
Internazionale ein Festival in Ferrara,
mit Zehntausenden Besuchern an drei
Tagen mit Workshops, Treffen und Präsentationen
von Büchern und Filmen
(oft auf Englisch). Das nächste Festival
findet vom 4. bis 6. Oktober statt. syndicom
bietet den Mitgliedern des Sektors
Presse und elektronische Medien
die Möglichkeit, am Festival inkl. einer
Übernachtung in Ferrara zu einem attraktiven
Preis teilzunehmen. Anmeldungen:
nicola.morellato@syndicom.ch
ZustellerInnen brauchen
grosszügigen Sozialplan
Die ZustellerInnen bei der Direct Mail
Company (DMC), einer Post-Tochter,
sind von grossen Veränderungen betroffen.
Sie erhalten rund 150 neue KollegInnen
von der Distriba, die von DMC
aufgekauft wurde. syndicom begrüsst
grundsätzlich die Harmonisierung der
Arbeitsbedingungen. Offen bleibt, zu
welchen Bedingungen dies geschehen
soll. Gleichzeitig beabsichtigt die Post,
ab 2020 die Anzahl Zustelltage bei DMC
zu reduzieren. Dies bedeutet für über
3000 ZustellerInnen Arbeitszeit reduktion
und damit Lohnkürzung. syndicom
fordert als Abfederung einen grosszügigen
Sozialplan. Zurzeit finden in der
Deutschschweiz und in der Romandie
Informationsanlässe statt.
Agenda
September
15. 9.
Lauf gegen Rassismus
Am Bettag laufen wir wieder in Zürich,
Bäckeranlage, gegen Rassismus und
Ausgrenzung. Egal ob mit professioneller
Vorbereitung oder gemütlich mit
dem Kinderwagen. Wer mitmacht,
setzt ein Zeichen.
28. 9.
Kl!ma des Wandels
Nationale Demo für konsequente
Klima politik und mehr Klimagerechtigkeit.
Start: 13.30 Uhr auf der Schützenmatte
in Bern, weitere Infos auf
Klimademo.ch
28. 9.
Jugendkonferenz
Unsere Arbeitswelt verändert sich
ständig. Wir müssen diese Veränderungen
aktiv mitgestalten. Deshalb beschäftigen
wir uns mit der Arbeit von
morgen: Wie wird sie aus sehen? Wie
ist es, wenn eine App den Arbeitsalltag
bestimmt? Und wie können wir mitbestimmen?
Alle syndicom-Mitglieder
unter 31 sind ganz herzlich eingeladen.
Anmeldungen an jugend@syndicom.ch
Oktober
5. 10.
Besichtigung der Rega-Basis
St. Gallen. Organisiert von der
Regional gruppe Rheintal-Buchs des
Sektors Logistik. Anmeldung auf
syndicom.ch/veranstaltungen
November
14. 11.
Seminar: Generation Slashers
Welche (arbeits-)rechtlichen Fragen
stellen sich, wenn ich mehrere Arbeitgebende
habe. Nidau, Lago Lodge.
Anmeldung unter sp@syndicom.ch
syndicom.ch/agenda
6 Die andere
Martina Müggler
Seite
ist mit 34 Jahren Leiterin Strategie & Innovation bei Post-
Auto und Mitglied der Geschäftsleitung. Seit 2014 leitete sie
den Bereich Mobilitätsentwicklung bei PostAuto und konnte
das autonome Shuttle (SmartShuttle-Projekt) realisieren.
1
Im September 2017 zog PostAuto eine
positive Bilanz der beiden in Sion
verkehrenden autonomen Busse.
Wo stehen wir jetzt?
Angesichts des enormen auch internationalen
Interesses bat die Stadt
Sion PostAuto, den Pilotversuch über
Ende 2017 hinaus zu verlängern. Am
vergangenen 23. Juni feierten wir den
dreijährigen Betrieb. Inzwischen haben
wir am Bahnhof Sion eine Linie
hinzugefügt, Ampeln in die Strecke
integriert und fast 50 000 Passagiere
befördert. Im Allgemeinen ist das
Echo der Kunden sehr positiv.
2
Welches Budget war für die Durchführung
dieses Projekts nötig? Ist es
eine Partnerschaft zwischen PostAuto
und den anderen Partnern (Stadt
Sion, Kanton Wallis, EPFL, Navya-
Hersteller ...)? Wer bezahlt was genau?
Wir können keine Zahlen vorlegen.
Das Projekt wurde zunächst durch
den Innovationsfonds der Post finanziert
(insgesamt 430 Millionen, Anm.
d. Redaktion), aber inzwischen sind
es die Stadt Sion und ihre Partner, die
alle Kosten übernehmen.
3
Können die derzeit von Fahrern bedienten
Linien auch von den autonomen
Bussen übernommen werden?
Autonome Shuttles sind eine Ergänzung
zu den «konventionellen»
Bussen mit unseren Fahrern. Sie
sorgen für die Mobilität des letzten
Kilometers. Es kommt daher nicht in
Frage, bestehende Linien zu ersetzen.
Dies ist ein zusätzliches Angebot für
Orte, wo es noch keine Mobilitätslösungen
gibt und wo ein herkömmlicher
Bus etwa aufgrund seiner
Grösse Zugangsprobleme hätte.
4
Können wir uns vorstellen, dass
schwierige Strecken, zum Beispiel in
den Bergen, bald von autonomen
Bussen bedient werden?
Shuttles sind ideal für kurze Entfernungen,
aber die Technologie ist derzeit
noch nicht ausreichend entwickelt
für diese Art der Anwendung. Zu
komplizierte Strecken oder schwierige
Wetterbedingungen (Schnee, starker
Regen) bleiben eine Herausforderung.
Grosse Fortschritte werden
durch Projekte wie in Sion erzielt, bei
denen wir schrittweise die Komplexität
der zu fahrenden Strecke erhöhen.
Text: Sylvie Fischer
Bild: François Graf
5
Kann man sagen, wann und wo dies
eines Tages der Fall sein könnte?
Selbst wenn wir mit Projekten wie
denen in Sion grosse Fortschritte
machen, muss die Technologie noch
erheblich weiterentwickelt werden.
Darüber hinaus ist die notwendige
Regelung, die den regelmässigen Betrieb
von autonomen Bussen ohne
Fahrer ermöglichen würde, noch
nicht eingeführt. PostAuto bleibt in
diesem Bereich aktiv und beabsichtigt,
künftig neue Pilotversuche auf
immer komplexeren Strecken zu starten,
ohne zum jetzigen Zeitpunkt
mehr dazu sagen zu können.
6
Hat PostAuto geschätzt, wie viele
Fahrer durch autonome Busse ersetzt
werden könnten, zum Beispiel in
zehn Jahren?
Es wird keinen Ersatz geben. Im Gegenteil:
Nach den Prognosen des
Bundesrats wird die Nachfrage nach
öffentlichen Verkehrsmitteln bis
2040 um 51 % steigen. PostAuto wird
mehr Fahrer brauchen. Allein die Eröffnung
des Eisenbahntunnels Monte
Ceneri im Dezember 2020 wird erheblichen
Bedarf an zusätzlichem
Personal mit sich bringen. Die autonomen
Shuttles werden weiterhin
eine ergänzende Massnahme zu den
von unseren Fahrern gefahrenen
Bussen bleiben.
Gastautor
Die Digitalisierung ist ein weltweiter
Treiber der Verbreitung neuartiger und oft prekärer
Beschäftigungsformen. Arbeit und Dienstleistungen
werden zunehmend über digitale
Plattformen organisiert. Plattformen wie Uber
verstehen sich nicht als Arbeitgeber und lagern
möglichst alle Risiken auf Kunden und auf die
ArbeitnehmerInnen aus. Die Arbeitsinhalte und
die Arbeitsintensität verändern sich. Viele Tätige
werden durch Roboter oder Algorithmen ersetzt.
Es entstehen neue Jobs; sie erfordern andere
Qualifikationen. Die Anforderungen an ArbeitnehmerInnen
steigen. Die Technologie erlaubt
auch eine immer raffiniertere Überwachung.
Dazu kommt: Die allgegenwärtige Nutzung von
Smartphones und Notebooks bringt die Grenzen
zwischen Privat- und Arbeitsleben zum Verschwinden.
Das bringt mehr Autonomie, kann
aber auch die Gesundheit beeinträchtigen.
Die Digitalisierung wird sich nicht aufhalten
lassen. Unter welchen Bedingungen die Plattformen
ihr Geschäft betreiben, was alles an
Überwachung zulässig ist, wie die Arbeitszeit
erfasst und kontrolliert werden soll: das ist alles
gestaltbar und kein Naturereignis. Das wissen
auch jene Kreise, die einen Abbau bestehender
Regulierung (freie Fahrt für Uber, Liberalisierung
der Arbeitszeiten u. Ä.) fordern. Hier gilt es
Gegen steuer zu geben, die Gefahren der Plattformbeschäftigung
sind zu benennen und zu
bekämpfen. Die Arbeitswelt steht an einem
Scheideweg. Die Digitalisierung bietet Chancen
für die Befreiung von monotoner Arbeit, für eine
Flexibilität, die den Interessen der Arbeitnehmenden
und der Betriebe dient. Das bedingt
starke Gewerkschaften und Demokratie am
Arbeits platz. Die Alternative sind die Erosion des
arbeitsrechtlichen Schutzes, der Verlust an sozialer
Sicherheit und die totale Überwachung
durch eine rechtlich nicht gebändigte Technologie.
Innovation ist, den Fortschritt so zu nutzen,
dass er allen und nicht nur wenigen dient.
Die Überwachung wird
immer raffinierter
Prof. Dr. Kurt Pärli absolvierte zunächst
eine Ausbildung zum Sozialarbeiter an
der Berner Fachhochschule und studierte
dann Rechtswissenschaften in Freiburg.
Nachdem er als Jurist wie als
Sozialarbeiter berufstätig gewesen war,
machte er bei Prof. Dr. Thomas Geiser
an der Universität St. Gallen seine
Doktorarbeit im Arbeitsrecht, wo er sich
auch habilitierte. Nach Aufenthalten als
Gastforscher an der Universität von
Kalifornien Berke ley und am Institut für
Arbeitsrecht in London unterrichtet er
seit Februar 2016 als Professor für
Soziales Privatrecht an der Universität
Basel.
7
Arbeiten
mit und
Sie nehmen unsere Jobs bei PostAuto, in Callcentern und Medien.
Künstliche Intelligenz macht die Kontrolle in der Arbeitswelt total.
Wir füttern sie. So machen sie uns zu ihren Klickproletariern.
GPT 2, die Künstliche Intelligenz für Manipulation und Weltherrschaft.
Dossier 9
für Roboter
10 Dossier
Roboter können viel, weil wir es ihnen
beibringen. Dafür wollen wir jetzt
Gegenleistungen. Etwa mehr Freizeit.
Die Blechkollegen sind unter uns. In den Fabriken.
Sie fahren unsere Postautos. Sie reden
für und mit uns. Sie schreiben unsere Artikel.
Sie kontrollieren uns und nun sollen sie eine
Million Arbeitende ersetzen. Stecker ziehen?
Besser: Nutzen wir sie für bessere Arbeit und
ein besseres Leben. Digital muss sozial.
Nur wollen wir das oft nicht wahrhaben. Diese KI-
Maschinen haben unser Leben in Nullen und Einsen eingeteilt,
sie haben uns digitalisiert. Manchmal finden wir
das bequem, wenn etwa ein chinesisches Handy in einem
französischen Netz nach zwei SMS aus Bern plötzlich
schweizerdeutsche Korrekturvorschläge macht. Aber was
wissen Huawei und mein Telefonanbieter in Marseille
sonst noch über mich?
Text: Sylvie Fischer, Oliver Fahrni
Bilder: Hélène Tobler
In 16 Jahren übernimmt die Künstliche Intelligenz (KI)
das Kommando über die Menschheit. Das behaupten Leute,
die an dieser Künstlichen Intelligenz bauen. Oder die
davon leben, dies zu behaupten, etwa der MIT-Professor
und Firmengründer Ray Kurzweil, der als Technik-Genie
gilt.
Dieser Putsch wird, so vermutet er, schlagartig geschehen.
Selbstlernende und miteinander kommunizierende
Computer und Roboter werden dann angeblich durch
eine «Intelligenzexplosion» plötzlich so rasend schlau,
dass sie den Menschen nicht mehr benötigen – und der
Mensch seinerseits nicht mehr versteht, was die KI da
treibt. Immerhin, einen kleinen Trost gibt es: Diese «technische
Singularität» hätte eigentlich schon eintreten müssen,
sie wurde aber mehrmals abgesagt. Dafür hat die
Künstliche Intelligenz jetzt sogar eine eigene Kirche,
«Way of the Future», gegründet vom Roboterpionier
Antho ny Levandowski.
Sie arbeiten mit uns – und wir für sie
Ob ein Bittgebet an die KI hilft, wenn die Killermaschinen
kommen? 1000 Experten aus dem Silicon Valley haben
2015 in einem offenen Brief die Menschheit vor Kampfrobotern
gewarnt, die sich selbständig machen könnten,
um die Gattung Mensch auszurotten. Irre Vorstellung?
Stephen Hawking hatte den Brief unterschrieben, Apple-
Mitbegründer Steve Wozniak, weiter der Chef von Tesla,
Elon Musk, und etliche Leute wie Demis Hassabis, der
«Deep Mind» leitet, das Programm von Google für Künstliche
Intelligenz. Das war keine Gang von Technikfeinden.
Sie müssten es ja eigentlich wissen.
Ihr Planet der Roboter ist zwar schön gruselig und faszinierend.
Doch seit George Orwells Roman «1984» wissen
wir, dass negative Utopien dazu dienen, eine Entwicklung,
die bereits im Gange ist, dadurch zu verschleiern,
dass man sie in die Zukunft wegbefördert. Das verstellt
uns den Blick auf unsere Wirklichkeit.
Roboter sind längst unter uns. Nicht nur nette wie
«SpotMini», der Roboterhund, der Türen aufmachen
kann, oder die klassischen Produktionsroboter, von denen
jedes Jahr fast 400 000 neu zum Einsatz kommen. Wir
leben und arbeiten mit Robotern in jeder Form. Mit
Sprachmaschinen, Drohnen, Pflegerobotern, Steuerungstools,
Social Media Bots etc. Sie arbeiten für und mit uns.
Oder, das ist inzwischen häufiger, genau anders rum: Sie
arbeiten mit uns (oft ohne unser Wissen) und wir für sie.
Denn mit jedem Klick trainieren wir ihre Algorithmen,
ihre Künstliche Intelligenz. Wir korrigieren sie ständig
und füttern sie mit den Daten, die sie brauchen, um uns
zu ersetzen. Wir sind ihre Klickproletarier.
«Dieser Job ist wegrationalisierbar»
Intelligente Maschinen entscheiden zunehmend an unserer
Stelle. Etwa der Anlageroboter von PostFinance. Er
glaubt, mich besser zu kennen als ich mich. Die Roboter
kontrollieren uns und es entgeht ihnen wenig, wie die Angestellten
in Callcentern am eigenen Leib erfahren. Kein
Zögern, keine Verlangsamung des Arbeitseifers, keine
emotionale Aufwallung bleibt unbemerkt. Fehler ohnehin
nicht. Da geht dann kein Vorgesetzter dazwischen,
sondern die KI: sie unterbricht, rügt, weist an. Die Maschine
ist der Chef.
Solche Techniken werden in immer mehr Berufsfeldern
eingesetzt. Sie erzeugen einen Stress, der in der
Arbeitsmedizin für dringenden Handlungsbedarf sorgt.
Das eigentliche Ziel dieser Formen von KI besteht darin,
so viel Wissen und Know-how aus der menschlichen Tätigkeit
und Kommunikation abzusaugen («Hand und Wort»),
dass sie den Menschen kontrollieren, vorausberechnen
und imitieren können. Dann soll die Maschine dem Aktionär
melden: Dieser Job ist wegrationalisierbar. Doch der
Roboter ist ein Stück Blech oder Silizium, er hat keinen eigenen
Willen, keine ausbeuterische Persönlichkeit. Er ist
dafür programmiert. Mit einfachen, ausführenden Programmen.
Und – das ist das Besondere an Künstlicher Intelligenz
– mit Meta-Befehlen wie: Suche nach Möglichkeiten,
den Arbeitsvorgang X effizienter, billiger und
menschenfrei zu machen.
Immer sind der Roboter und die Künstliche Intelligenz
nur der bewaffnete Arm des Kapitals im Kräfteverhältnis
mit der Arbeit. Wetten Aktionäre und ihre Manager
mit Milliarden-Innovationsprogrammen auf die
Digitalisierung, will es die elementare Logik, dass dies
zwei Zielen dient. Erstens wollen sie im Markt mithalten.
Unsere
Ausbildungen
veralten?
Zahlt uns die
Fortbildung!
Und zweitens soll die menschliche Arbeit soweit möglich
eliminiert oder zumindest grundlegend neu organisiert
werden.
Klar geschieht dies so, als gäbe es nichts Neues unter
der Sonne. Es ist zwar beunruhigend, in einem Postauto
ohne Chauffeur über Walliser Bergstrassen zu kurven.
Doch nein, versichert PostAuto, es geht nicht darum,
Streiks abzuwenden, krankheitsbedingte Abwesenheiten
zu verringern oder gar Personal abzubauen, wenn der
Konzern automatisch fahrende Busse entwickelt. Doch
das Projekt wird kräftig vorangetrieben. In Sion (siehe Interview
Seite 6) lernen die Fahrzeuge von PostAuto jeden
Tag besser, die Schwierigkeiten des führerlosen Betriebs
zu bändigen. Der Chauffeur in Graubünden oder im Val
d’Anniviers, der sich vorstellt, nur ein Mensch könne
einen Bus sicher durch Steinschläge und Kurven am Abgrund
bringen, unterschätzt die Möglichkeiten der Künstlichen
Intelligenz. Sein hohes Berufsethos macht ihn zum
unfreiwilligen Helfer seiner eigenen Abschaffung, wenn
er den Robotern alles beibringt, was ihn lange Jahre im
Beruf gelehrt haben. Wie dies etwa die beiden «Begleiter»
im «Smart Shuttle» von Sion tun, die man auf unserem
Titel bild mit verschränkten Armen sieht (siehe auch das
Gespräch mit Adriano Troiano unten).
«Die Arbeiter sind sich der Automatisierung,
die ihre Arbeitsplätze bedroht, nicht bewusst»
Adriano Troiano ist Regionalleiter im
Berner Regionalsekretariat von syndicom
und hat gerade den neuen eidgenössischen
Fachausweis der Berufsprüfung
Gewerkschaftssekretär
erhalten (s. Seite 5). Seine Abschlussarbeit
«Die Logistik der Zukunft: Drohnen
und selbstfahrende Fahrzeuge.
Werden bald Roboter den Menschen in
der Paketzustellung ersetzen?» erhielt
den Preis für die originellste Arbeit.
Haben die Arbeitenden, die Adriano als Gewerkschafter trifft,
Angst vor einer solchen Entwicklung? «Nein, leider nicht. Die
Chauffeure von PostAuto glauben nicht an eine Zukunft mit
selbstfahrenden Bussen und denken nicht, dass ihre Arbeit
automatisiert werden kann. Die Entwicklung wird wohl erst
die nächste Generation betreffen. Was aber unterschätzt wird,
ist, dass die Arbeitnehmenden für die Bewältigung dieses
Wandels, der bereits im Gange ist, geschult werden müssen.
Man braucht nur das Interesse von Galliker, eines der wichtigsten
Transportunternehmen der Schweiz, an der Robotisierung
und Automatisierung in der Logistik zu beachten.
Ich hingegen habe ein wenig Angst vor dieser Entwicklung.
Ich habe eine Reportage über eine Fabrik in China gesehen, in
der nur noch eine Person arbeitet, in der Kontrolle. Durch die
Automatisierung der Lieferung von Paketen geht alles viel
schneller und der Kapitalismus wird immer weniger Menschen
bezahlen müssen, weil er sie nicht mehr braucht. Deshalb
müssen wir jetzt eine Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnkürzung
fordern. Diese Forderung sollte von allen Gewerkschaften
auf europäischer Ebene getragen werden.»
Warum hast du dich für dieses Thema interessiert? «Ich hatte
einen Bericht über Drohnen bei Amazon und die Videos der
Post über die Lieferung von Laborproben gesehen. Da täglich
20 000 Pakete nur in die Stadt und den Grossraum Bern gehen,
kann das keine allgemeine Lösung sein. Aber für bestimmte
Lieferungen sind Drohnen gefragt. Diese müssen sich aber
noch weiterentwickeln, im Moment können sie wegen der Batteriegrösse
nur kleine Lasten tragen. Vernetzte Häuser könnten
auch den Zugang für die Roboter ermöglichen, somit wird
der Paketbote überflüssig. Derzeit haben die Drohnenunfälle
in der Schweiz und den USA die Begeisterung etwas gedämpft,
und der Skandal rund um PostAuto hat die Investition in neue
Technologien gebremst. Hinzu kommt eine gewisse Unsicherheit
über die gesetzlichen Rahmenbedingungen.»
Diese Tests sind teuer. Wäre es nicht besser, das Geld für die
Aufrechterhaltung eines effizienten öffentlichen Dienstes zu
verwenden? «Diese Entwicklung kann nicht aufgehalten werden,
auch wenn ich lieber Arbeitsplätze erhalten möchte. Ich
befürchte eine 2KlassenPost mit Automaten, wo die Kunden
die Ware abholen. Und die Lieferung nach Hause wird teurer.»
12 Dossier
Für die begleiteten Lieferroboter der Post in Zürich
oder die Paketdrohnen, die nach 3500 Flügen und einigen
Zwischenfällen vorerst am Boden bleiben, gilt dasselbe.
Niemand denkt, die Post werde irgendwann ihre 138 Millionen
Pakete (2018) per Drohne befördern. Es geht dem
gelben Konzern darum, Techniken zu testen, Gesetze und
Regulierungen auszuloten (und zu lockern) und sich das
praktische Logistikwissen seiner Mitarbeitenden in Form
von Künstlicher Intelligenz anzueignen.
Auf diese Weise löschen sich derzeit ganze Berufe in
vielen Wirtschaftszweigen aus. Durch die eigene Arbeit
wird meine Arbeit abgeschafft. In nur zwölf Jahren, so
glauben die Unternehmensberater von McKinsey zu wissen,
werden in der Schweiz 1 bis 1,2 Millionen Jobs der
Digitalisierung zum Opfer fallen (Statistik Seite 15).
Ist Verweigern eine Lösung?
Ihr wollt
automatisieren?
Schön. Wir freuen uns
auf viele bessere
Arbeitsplätze!
Doch was tun? Sollen wir uns verweigern? Das ist eine
schwierige Option. Besser nutzen wir unsere Organisations
macht, unsere Verhandlungsmacht und unsere
institu tionelle Macht, um mit der Digitalisierung bessere
Arbeit und ein besseres Leben zu gewinnen. Das beginnt
mit dem einfachsten gewerkschaftlichen Prinzip: Ihr
wollt, dass wir eure Maschinen trainieren? Das bekommt
ihr nur mit Gegenleistung.
Die Produktivität steigt stark an. Bestens. Verkürzen
wir die Arbeitszeit. Massiv. So gewinnen wir Lebensqualität
und entfalten unsere Kreativität. Ihr sagt, dass unsere
Qualifikationen schnell veralten? Nun denn, richten wir
das Recht auf finanzierte permanente Aus- und Weiterbildung,
Alterslehre etc. ein. Ihr schafft viele prekäre Plattform-
und Klickjobs? Okay, aber prekär geht nicht. Jede
Arbeit muss einem universellen Arbeitsvertrag unterstellt
sein. Ihr wollt automatisieren? Schön, auch wir finden
manche Jobs zum Kotzen. Schafft viele bessere Arbeitsplätze.
Und da wäre noch einiges mehr.
Gelingt es uns, die Digitalisierung für eine bessere Verteilung
des Wohlstandes zu nutzen, müssen wir am Ende
nicht beim «Mechanischen Türken» anheuern. Diese
Platt form von Amazon heisst wirklich so (www.mturk.
com) wie der Schach-«Roboter» von 1769, in dem ein leibhaftiger
Schachspieler versteckt war. Kein schlechter
Name. Der Amazon-Konzern, der seine Angestellten zu
miesen Bedingungen schuften lässt, bietet hier Auftraggebern
die Möglichkeit, Klickproletarier für noch mieseren
Lohn zu finden. Es beginnt, so steht es in den Geschäftsbedingungen,
mit «0,1 Cent pro Job».
Dossier
Rassistische Maschinen und
brandgefährliche Algorithmen
13
Bisher interessierte sie Konzerne und Staaten
nur lau. Doch jetzt explodieren die Investitionen
in die Künstliche Intelligenz. Denn
schliesslich geht es um die Weltherrschaft.
Text: Oliver Fahrni
Bilder: Hélène Tobler
Sind Sie sicher, dass ein Mensch den Artikel geschrieben
hat, den Sie gerade lesen? Einer, der sich mit seinem Namen
hinstellt und dem Sie sagen können, wie Peter Bichsel
es einmal getan hat: «Fahrni, was schnurrisch wieder
für e Seich?»
Die Wahrheit ist: Nein, Sie können sich nicht mehr sicher
sein. Schon 2016 hat die Washington Post 850 Artikel
publiziert, die der «Heliograf» verfasst hatte, ein «robot
reporter». Also ein Computer, der von einem Schreib-
Algorith mus gesteuert wurde. Einige Artikel drehten sich
um die Olympischen Sommerspiele in Rio. Sportresultate
oder Börsenkurse automatisch in Artikel zu verwandeln,
ist relativ einfach. Doch in 500 Roboter-Artikeln der
Washington Post wurden die US-Präsidentschaftswahlen
besprochen. Es fiel nicht weiter auf. Die Storys generierten
eine halbe Million Klicks.
GPT 2: Zu gefährlich für diese Welt
Das war vor drei Jahren, in der schnellen digitalen Welt
also in der Steinzeit. «Künstliche Intelligenz» (über diesen
Begriff werden wir noch sprechen müssen) und ihre Werkzeuge
zur Produktion von künstlichem Inhalt werden täglich
leistungsstärker. Weltweit arbeiten Tausende Teams
unter Hochdruck an neuen «Content Creation Tools», finanziert
von Konzernen wie Alphabet (Google), Amazon,
Facebook, Microsoft, Apple und von Banken und Hedgefonds.
Im Februar 2019 gab der Thinktank «Open AI» bekannt,
er habe eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die
«zu gefährlich» sei, um ihren Code freizugeben. Denn was
da unter dem Namen «GPT 2» läuft, könne komplett irreführende
Inhalte erzeugen, sogenannte Deepfakes, die
nicht mehr als Fälschung identifizierbar seien. Darunter
können wir uns etwa authentisch wirkende Videos vorstellen,
in denen US-Präsident Donald Trump eigenhändig
politische Gegner enthauptet. Das Bild und der Ton sind
der Beweis. Hat man die entsprechende Rechnerleistung
zur Verfügung und Algorithmen wie GPT 2, kann man jeden
Menschen alles machen lassen. Zumindest medial.
Das ist dann kaum mehr zu dementieren. Informationsterrorismus
wird real.
Zu Beginn der Künstlichen Intelligenz steht die doppelte
Absicht, Jobs durch Automatisierung zu streichen
und das Verhalten der Menschen (als Konsumenten und
Bürgerinnen) zu steuern. Es war schlaues Marketing, die
KI-Maschine von «Open AI» als «zu gefährlich für diese
Welt» zu outen. Deren Co-Präsident ist der Tech-Milliardär
Elon Musk (Tesla-Autos, Weltraumfahrt). In seinem
Business, das von irren Wetten auf die Zukunft lebt, ist Ankündigung
schon die halbe Miete. Nur ist ebenso klar,
dass diese Software kann, was sie verspricht. Meldungen
erfinden, ganze Romane schreiben, künstliche «Wirklichkeiten»
in jeder Form erzeugen. Und fraglos kommt sie
zum Einsatz. Vielleicht heute schon. Vor wenigen Wochen
hat der Microsoft-Konzern eine Milliarde Dollar frisches
Forschungsgeld in Musks Thinktank eingeschossen. Eine
Milliarde? Eine Milliarde.
Schliesslich geht es um die Weltherrschaft. Wer die KI
kontrolliert, kann seine Ziele durchsetzen, wirtschaftlich,
politisch, gesellschaftlich. Bis in zwei Jahren, so haben
Wirtschaftsforscher ausgerechnet, werden die Konzerne
und einige Staaten wie China mehr als 50 Milliarden Franken
in Künstliche Intelligenz investiert haben. Aufgeschreckt,
hat jetzt auch die EU ein 20-Milliarden-Programm
angekündigt. Denn die Künstlichen Intelligenzen
sollen bald, so schätzt das McKinsey Global Institute, zwischen
9,5 und 15,4 Billionen Dollar Business generieren.
Deepfakes:
völlig echt wirkende
Videos, die nicht mehr
als Fälschung entlarvt
werden können.
14
Dossier
Firma Midas-IT. Ihr Roboter stellt nicht nur eine Menge
intimer Fragen, er analysiert die Antworten, die Wortwahl,
die Satzstellung und Stimmveränderungen, beobachtet
Augenbewegungen, Körpersprache, Konzentration,
Zeichen der Nervosität. Und dies alles gleicht er mit
einer Menge Informationen ab, die er zuvor über den
Kandidaten oder die Kandidatin auf dem Netz gesammelt
hat. Am Ende macht er eine Rangliste der Bewerber.
Die selben Techniken durchdringen zunehmend die Welt
der Bildschirmarbeit in sämtlichen Branchen (vergleiche
Seite 19).
Künstliche Intelligenz ist nicht wirklich klug
Ein Indiz ist der internationale «AI-Index» der Universität
Stanford, das Verzeichnis von wissenschaftlichen Publikationen
zum Thema. China, das mit seinen Tech-Konzernen
wie Huawei gerade Europa aufrollt, publiziert wissenschaftlich
über lernende Maschinen, neuronale Netze
und Roboterwahrnehmung 50 Prozent mehr Ergebnisse
als die US-Forscher.
Hohe Summen investiert China in Polizei-Algorithmen,
in die repressive KI. Angeblich sollen seine Überwachungssysteme
einen Mann in einer Menge von 50 000
Menschen identifizieren können. Sagen die Chinesen.
Möglich sei das, weil ihre Computer mehr leisten als nur
Gesichtserkennung – Algorithmen identifizieren die Menschen
etwa anhand von ganz individuellen Bewegungsmustern.
Batman war gestern
Solche Überwachungstechniken sind, getarnt als «präventive
Polizeiarbeit», auch in weiten Teilen der westlichen
Welt längst an der Arbeit, etwa bei der Schweizer Polizei.
Wenn Sicherheitsapparate – wie in Chicago oder in Brixton
(London) – Kameraüberwachung, Auswertung der sozialen
Medien wie Facebook und Twitter, soziale Profile
und mehr in KI-Systemen zusammenführen, sind die persönliche
Freiheit, die Menschenrechte und das Rechtssystem
akut in Gefahr. Der Überwachungsstaat ist kein
Zukunftsszenario, er wird gerade gebaut.
Oft unbemerkt, steuern Algorithmen immer mehr Bereiche
der Wirtschaft und unseres Alltags. KI macht den
automatischen Anlageberater in der Bank. Ärzte lesen
Scannerbilder per KI. Buchhalter sind ein aussterbender
Beruf. Inzwischen rekrutieren viele Konzerne ihr Personal
per Skype. Das ist die Spezialität der südkoreanischen
Der «präventive»
Überwachungsstaat
wird gerade
gebaut.
Wie viele Ihrer Freunde auf Facebook oder Twitter sind
gar keine Menschen? Inzwischen ist nicht mehr abzuschätzen,
wie gross der Anteil der Chatbots und Social
Bots am Verkehr auf den sozialen Netzwerken, die doch
eigentlich der menschlichen Kommunikation dienen
sollten, ist. Fest steht nur: Er ist hoch. So hoch, dass diese
Bots jetzt sogar den erst kürzlich erfundenen Beruf der Influencerin
gefährden. Schade ist das nicht. Aber auch bei
den traditionellen Medien ist die Beschleunigung rasant.
Fast alle wichtigen Agenturen und Medienhäuser investieren
massiv in Künstliche Intelligenz, der Anteil automatischer
Texte und Videos steigt.
Technisch mag das faszinieren. Nüchtern betrachtet,
ist Künstliche Intelligenz ein umstrittener Begriff. Was
tun diese Maschinen? Sie sind nicht intelligent im
menschlichen Sinne. Erst einmal sind es riesige Datensammlungen
(«GPT 2» wurde mit 40 Giga Textmaterial gemästet,
etwa aus «Game of Thrones»). Aus diesen Daten
zieht ein Algorithmus mit statistischen Methoden und
Verknüpfungen jene Befehle, die die Maschine tun soll
(schreiben, steuern, kommunizieren etc.). Algorithmen
kann man so schreiben, dass sie bei der Benutzung durch
Kunden und das neue Klickproletariat (vergleiche Seite
10) und im Austausch mit anderen Maschinen lernen.
Diese Fähigkeit zu lernen wirkt auf viele unheimlich.
Etwa als der Microsoft-Bot «Tay» plötzlich massenhaft rassistische
Nazi-Sprüche twitterte. Sein Publikum hatte den
«Tay»-Algorithmus entsprechend trainiert.
Das syndicom-Dossier zum Thema:
bit.ly/2L7eVpx
Fotostrecke
Die freischaffende Fotografin Hélène Tobler hat dieses Dossier
bebildert. Sie gewann bereits 1995 und 2000 das Swiss
Press Photo, 1999 den grossen Preis der Fondation vaudoise
pour la promotion et la création artistiques und 2000 den
Schweizer Pressefoto Award. Ihr Interesse am Menschen und
ihre Neugierde veranlassen sie, sich mit sehr unterschiedlichen
Themen auseinanderzusetzen, in denen sich fotografische
Reportage mit ästhetischer Forschung vermischt.
Sie hat mit Menschen mit Behinderungen gearbeitet, mit
Schweizer ÄrztInnen in Tansania und Vietnam, an Orten der
Erinnerung, der Konflikte und der sozialen Debatten. Auch
die Olympischen Spiele in Turin und Beijing verfolgte sie.
www.helenetobler.ch
Roboter und Digitalisierung sind Werkzeuge für die Aktionäre, um Jobs zu streichen \
An jedem dritten Arbeitsplatz werden bald völlig neue Qualifikationen verlangt \
Nicht Technik erzwingt das, sondern eine neue Organisation des Kapitalismus:
15
Der Roboter macht es
Zahl der Industrieroboter pro 10000 Arbeitende (2017)
Südkorea
Singapur
Deutschland
Japan
Schweden
USA
Italien
Spanien
Slowakei
Frankreich
Schweiz
China
380000
Jährlich werden derzeit über
380000 Industrieroboter in
Dienst gestellt. Davon ein
starkes Drittel allein in China
(133000 im Jahr 2018).
Quelle: IFR World Robotics 2018
322
308
240
200
190
157
151
137
129
97
710
658
Fast jeder 2. Job betroffen
Weltweit fallen in naher Zukunft nach eher zurückhaltenden
Schätzungen der OECD 14% der Jobs durch Digitalisierung weg
und 32% der Jobs werden sich signifikant verändern.
14% 32%
Was uns alle zu Klickproletariern macht
Blockchains sind gerade der grosse Hype. Sie sollen in
der Welt schon wieder alles neu machen. Nicht nur Dinge
wie Kryptowährungen. Einer ihrer riesigen Knotenrechner
steht in der Mongolei. Eine regelrechte Computerfarm,
die so viel Strom verbraucht wie eine Grossstadt. Der
Strom kommt aus einem Kohlekraftwerk. So ist das
manchmal in der schönen neuen Digitalwelt. Ganz real
und dreckig.
Digitalisierung kennen wir schon lange, gerade in den
syndicom-Branchen. Roboter waren schon für Da Vinci
ein alter Hut. Das Internet wurde gerade 50-jährig. An
Künstlicher Intelligenz wird offiziell seit 1965 gearbeitet,
tatsächlich schon viel länger. Auf sozialen Netzwerken
konnte man schon 1980 flirten. Im Jahr 825 erschien, auf
Arabisch, ein Buch über Algorithmen. Es hiess: «Algorismi
hat gesagt». Tja.
Der Punkt ist: Heute wird dies alles zusammengefügt.
Weltkonzerne wie die «GAFAM» und Tausende von Entwicklungslabors
arbeiten unter gigantischem Aufwand
daran, selbstlernende Computer mit neuronalen
Netzwerk fähigkeiten zu Deep-Learning-Plattformen
zusammen zuführen, die mit andern Computern interagieren,
um komplexe Probleme zu lösen, wie etwa die Prozesse
der Roboter-Automatisierung. Und ihre Künstliche Intelligenz
auf immer neue Levels zu heben. Mit Menschen
kommu nizieren sie via Spracherkennung über Chatbots
oder Social Bots und via Internet und Soziale Medien.
Damit werden Ziele wie Automatisierung, Roboterisierung,
totale Kontrolle (Biometrie, Telematik etc.) und
Manipu lation menschlichen Verhaltens (etwa im Brain-
Project der EU mit Schweizer Unis), künstliche Herstellung
von Inhalten in jeder Form und einiges mehr verfolgt.
Die GAFAM bauen sich gerade einen neuen digitalen
Kapitalismus, übrigens weitgehend mit fiktivem Kapital,
in dem die Masse der Menschen als Crowdworker ohne
Vertrag, soziale Sicherheit und ausreichendes Einkommen
beschäftigt wird.
Quelle: OECD, The Future of Work, 2019
Dieser Prozess entfaltet eine ungeheure Wucht. Weil er
von einer Handvoll Aktionären entschieden und gemacht
wird und nicht von der Technik, können wir auf ihn einwirken.
Voraussetzung aber ist, dass wir unser Bewusstsein
für diese neue Ökonomie schärfen.
Oliver Fahrni
1 Million Jobs wegdigitalisiert
In der Schweiz werden, so behauptet der Managementberatungskonzern
McKinsey, bis 2030 (also in den nächsten 12 Jahren) zwischen 1 und 1,2
Millionen Arbeitende ihren Job durch Digitalisierung verlieren.
Finanz Verkauf Industrie Verwaltung
-30–40% -25–30% -25–30% -10–15%
Wie viele in neu geschaffenen
Berufen
und Jobs ihr Brot
finden werden, ist
ungewiss. Eine stark
wachsende Beschäftigung
erwarten
die Firmenberater in
Gesundheitswesen
und Wissenschaft.
Quelle: McKinsey 2018
16
Eine bessere
Arbeitswelt
nordsix
Diplômée du CFP
affichiste, designer
Arts (Genève) et de
éditorial, illustratrice,
l’IAA (International
spécialiste en signalétique
et pour des
Advertising Association),
Silvia Francia
identités de marques.
a suivi une formation
de technicienne
a enseigné de 1993
En parallèle, elle
en publicité
à 2002 comme
au SAWI. Membre
maître d’atelier à
fondatrice du collectif
d’indépendants
appliqués de Genève
l’Ecole des arts
Fiona Ross est spécialiste dans la conception et la typographie
Le Belvédère (atelier et, plus récemment,
de caractères non latins, avec une formation en langues et un doctorat de création blvdr), elle a exercé à la
en paléographie indienne (SOAS University of London). Elle travaille
Silvia Francia travaille
principalement intervenante invitée.
HEAD comme
à la fois comme consultante, conceptrice de caractères, auteure
et conférencière ; ses récents travaux de création de caractères ont été
dans le domaine Elle est aussi
réalisés en collaboration avec Tim Holloway, John Hudson
culturel comme experte aux examens
et Neelakash
de graphiste CFC.
Kshetrimayum pour
Silvia Francia
des clients tels
a été primée en 2006,
qu’Anandabazar
2007 et 2008 au
Patrika, Adobe,
Festival international
Microsoft, Monotype,
de Chaumont, et, en
des caractères
ainsi qu’avec
2008, 2009 et 2010 au
latins, grecs et
les éditions Harvard
concours «100 Beste
cyrilliques.
University Press
Plakate »; elle a
De 2008 à 2010, elle
pour le projet « Murty
remporté à plusieurs
a travaillé pour la
Classical Library
reprises le Grand Prix
compagnie Monotype,
participant à
of India» (collection
présentant les
création, catégorie
la création de carac-
romand de la
grandes œuvres
graphic-design,
tères d’entreprise
littéraires indiennes).
ainsi que le 2e prix,
pour des clients internationaux,
et a éga-
Fiona est professeure
catégorie poster,
de conception de
du Joseph Binder
lement contribué à
caractères non latins
Award en 2016.
la réalisation de
et conservatrice
nouveaux caractères,
de la collection de
tels que la famille
caractères non latins
Ysobel (avec
au Département
Robin Nicholas),
de typographie
et Rotis II Sans.
et de communication Tania Prill, graphiste,
Alice Savoie
graphique de l’Université
de Reading
a étudié la com-
(Ecole nationale
vit à Zurich. Elle
enseigne à l’Ensba
en Angleterre.
munication visuelle
supérieure des
En 2014, Fiona est
à la Haute Ecole
beaux-arts de Lyon)
récompensée du
d’art de Brême
et à l’Atelier national
de recherche
Prix SoTA (Society
en Allemagne et à
of Typographic Aficionados)
et en 2018
École d’art de Zurich.
(Nancy). Elle est
la ZHdK, Haute
typographique
par la Médaille
Publications
actuellement
d’excellence du TDC
récentes:
(Type Directors Club).
Unter dem Radar.
et le Grand Prix
Elle dirige actuellement
un projet
und Selbstpublika-
Undergroundde
recherche, financé
tionen 1965-1975
par le Leverhulme
(«Sous radar.
Trust, « Women in
Underground- et
type» à l’Université
auto-publications
de Reading en
1965-1975 »)
collaboration avec
publié en 2016, en
Alice Savoie.
collaboration avec
Jan-Frederik Bandel
et Annette Gilbert,
et Typografie
als künstlerisches
Ereignis («La
typographie en tant
que manifestation
artistique»), publié
en 2016, en
collaboration avec
Michael Glasmeier.
Inscriptions
www.journeetypo.info
Lieu
UNI Global Union
8-10 Avenue Reverdil
1260 Nyon
Organisateurs officiels
Tania Prill a reçu
de nombreux prix
internationaux,
dont le Prix Jan
nommée professeur
de typographie à
la Haute Ecole d’arts
de Bremen.
Tschichold de
En 2010, elle est
l’Office fédéral de
la culture en 2007,
le Designpreis
der Bundesrepublik
Deutschland en 2011,
à trois reprises le Prix
suisse du design
de l’Office fédéral
de la culture en
Imprimé sur Algro Design Duo 160 g/m 2 par
2014, 2008, 2007,
du Type Directors
Club, Tokyo en 2018.
De 2004 à 2010,
Tania Prill est professeure
de «design
en communication »
17 e Journée romande
de la typographie
28 septembre 2019
Nyon
histoire de la typographie.
Diplômée
de l’Université de
Reading (MA et
PhD), elle a collaboré
notamment
avec les fonderies
Monotype, Process
Type Foundry,
Frere-Jones Type.
Elle développe
également des
systèmes multiscriptes,
incluant
post-doctorante
à l’Université
de Reading dans
le cadre du projet
« Women in Type »,
dirigé par Fiona
le caractère
Ross. Elle a publié
Faune en 2018,
Centre national
une commande du
indépendante et
chercheuse en
en partenariat
des arts plastiques
avec l’Imprimerie
nationale (Paris).
caractères
est créatrice de
Alice Savoie
Après des études
d’histoire de l’art,
Florence Marguerat travaille
plusieurs années en tant
que journaliste culturelle et
collabore avec diverses
institutions artistiques.
Puis elle rejoint, en 2003,
le Département de
Communication visuelle de
la HEAD – Genève.
Maître d’enseignement,
elle partage désormais
son temps entre
des cours théoriques
en design et design
graphique, un enseignement
en atelier, l’accompagnement
de projets de
Bachelor et l’organisation
de workshops pour
son département.
Parallèlement, elle poursuit
des projets de rédaction
et d’édition dans
le domaine de la création
contemporaine.
Au fil des expériences,
lectures et rencontres
qui jalonnent son parcours,
elle a affûté son
regard dans le champ
du design graphique et
suit avec intérêt
les transformations
permanentes de ce dernier.
Elle a reçu pour
Certificate of typocette
création un
graphic excellence
du TDC.
Fiona Ross
Silvia Francia
Tania Prill
Alice Savoie
Depuis 2016,
un nouveau Master
Type Design est
Mitch Paone.
thèmes de prédilection
de
Modération
Florence Marguerat
proposé à l’ECAL/
Exposition
Master Type Design ECAL
Das offizielle Plakat des Typografie-Tags 2019 der Romandie. (© Nordsix)
Allemagne.
à la Haute Ecole
d’art et de design
de Karlsruhe en
www.ecal.ch
Ecole cantonale
d’art de Lausanne.
Ce programme
s’organise autour
d’une équipe
de professionnels
reconnus, suisses
et étrangers,
qu’ils soient dessinateurs
de
caractères (Bruno
Maag, Matthieu
Cortat, Chi-Long
Trieu), graphistes
(Julia Born, Marie
Lusa, Wayne Daly)
ou les deux à la
fois (Kai Bernau,
Radim Peško,
François Rappo).
Durant les deux
ans que dure cette
formation, les
étudiants participent
à des workshops
réguliers, touchant
à divers domaines
liés à la lettre :
lettrage, calligraphie,
graphisme éditorial,
gravure
sur linoléum, sur
pierre, ou avec
un bras robotique.
L’exposition
présente les travaux
réalisés par les
étudiants de
première année
lors de l’un de
ces workshops,
en mai 2019.
Il a été mené par
Mitch Paone,
partenaire et directeur
artistique de
l’agence créative DIA
Studio (Brooklyn),
lors du semestre
de résidence qu’il
a passé à
La Becque (Vevey).
Durant ce workshop,
les étudiants
ont été invités à
expérimenter
avec la typographie
cinétique, le rythme,
le mouvement,
Frauen setzen
Schrift-Zeichen
Die 17. Journée romande de la typographie
(JRT), die syndicom mit Swiss
Graphic Designers organisiert, findet
am 28. September in Nyon wieder mit
hochkarätigen ReferentInnen statt:
Als Spezialistin für nichtlateinische
Schriftzeichen erhielt Fiona Ross 2018
die Exzellenz-Medaille des TDC. Sie
leitet das Forschungsprojekt «Women
in type» der Universität Reading mit
Alice Savoie, ebenfalls Referentin an
der JRT 2019. Die Französin ist Schriftgestalterin,
Dozentin in Lyon und
forscht zur Geschichte der Typo gra fie.
Die Grafikerin Tania Prill studierte visuelle
Kommunikation in Zürich und
Bremen, wo sie heute nach Auszeichnungen
mit internationalen Preisen
unterrichtet. Die Genferin Silvia Francia,
Mitgründerin des Kollektivs «Le
Belvédère», arbeitet hauptsächlich als
Plakatgestalterin, in der Signaletik
und im Branding. Der Tag bietet auch
die Möglichkeit, den Master-Lehrgang
Type Design der ECAL Lausanne zu
entdecken: gezeigt werden die Arbeiten
eines Workshops bei Mitch Paone,
DIA Studio Brooklyn, von AbsolventInnen
des ersten Jahrgangs Type Design.
Melina Schröter
Journée romande de la typographie:
Journeetypo.info
Künstliche Intelligenz
zwischen Fortschritt
und Ethik
Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial,
unser Leben auf vielfältige
Weise zu verbessern. Zum Beispiel
Übersetzungsprogramme wie DeepL.
Oder KI-Diagnosen bei Unfällen, um
Leben zu retten. Beim 3D-Druck erkennt
KI Produktionsfehler und reduziert
Materialverschwendung. Chatbots
beantworten immer komplexere
Fragen, sei es im KundInnendienst
oder auf dem Smartphone. KI ist auch
zunehmend in Autos im Einsatz, z. B.
als Einparkhilfe oder als Abstandsregler.
Bei «Smart City»-Städten übernimmt
KI die Aufgabe, durch Verknüpfen
von Daten der Bevölkerung
höhere Lebensqualität bei minimalem
Ressourcenverbrauch zu bieten.
Auf der anderen Seite wollte der
bundesrätliche Beirat «Digitale Transformation»
den Krankenversicherern
den Zugang zu allen PatientInnendaten
öffnen – ein Milliardengeschäft.
Selten war an einer Sitzung so viel
Wirtschaftsmacht vertreten. Aussen
vor die Gewerkschaften, die KonsumentInnen,
der Datenschutz. Deshalb
fordert syndicom vom Bundesrat, den
einseitigen Beirat durch einen breit
abgestützten Digital rat zu ersetzen.
Nur so wird sicher auch der Ethik
der nötige Platz eingeräumt. Denn die
Menschen müssen über die Maschinen
herrschen.
Giorgio Pardini, Leiter Sektor ICT und
Mitglied der Geschäftsleitung
«Der Spruch des Schiedsgerichts war bei Redaktionsschluss noch
nicht bekannt. Wir hoffen auf ein möglichst günstiges Urteil.» Melina Schröter
17
Ein Sieg der Solidarität
Der Kampf um einen Sozialplan für Le Matin dauert schon 13 Monate.
Im Rückblick macht vieles wütend auf die reiche, verhärtete
Tamedia. Trotzdem ist der Kampf schon jetzt erfolgreich.
Ein Jahr und 25 Tage: So lange warten
die 41 Entlassenen von Le Matin bei
Redaktionsschluss dieser Ausgabe bereits
auf einen akzeptablen Sozialplan.
Am 28. Juni 2018 stellte Tamedia,
der grösste Verlag der Schweiz,
JournalistInnen, Fotografen, Layouterinnen,
Zeichner, Korrektorinnen und
Mitarbeitende der Administration der
orangen Tageszeitung auf die Strasse.
Am 28. Juni 2019 fand die Schlussverhandlung
vor dem Schiedsgericht
statt, das über den Konflikt zwischen
dem Zürcher Medienhaus und seinen
ehemaligen Mitarbeitenden entscheiden
muss.
Zum Verhandeln braucht es
immer zwei
Wie konnte ein Konzern, der 2018
129,5 Mio. Franken Gewinn erwirtschaftet
hat, seine soziale Verantwortung
während über einem Jahr ignorieren?
Wie konnten die Verhandlungen
über einen Sozialplan in eine solche
Sackgasse geraten, die bitter ist für die
Entlassenen, die nicht einmal in Ruhe
Abschied von ihrer Tageszeitung, ihrer
Arbeit und – in einigen Fällen – gar
ihrem Beruf nehmen können?
Die Antwort ist einfach: Zum Verhandeln
braucht es immer zwei. Und
Tamedia hat sich nie wirklich bemüht,
einen Schritt auf die andere Seite zuzugehen.
An Gelegenheiten hätte es
nicht gefehlt. Da gab es die Schlichtungsstelle,
die bereits Monate vor der
Ankündigung, dass Le Matin eingestellt
würde, von den Westschweizer
Tamedia-Redaktionen und unterstützt
von syndicom und Impressum
angerufen wurde, dann die Konsultationsphase
nach den Entlassungen,
die Mediation durch die Waadtländer
und Genfer Staatsräte und schliesslich
die Verhandlungen rund um den
Sozialplan.
Bilanz dieses langen Kampfes:
kein einziger geretteter Arbeitsplatz,
keine zusätzlichen Mittel für die Webseite
LeMatin.ch – Überbleibsel der
gedruckten Zeitung Matin semaine,
die mit einem nur 15-köpfigen Team
den Riesen 20minutes konkurrieren
soll – und noch immer kein vernünftiger
Sozialplan für die Entlassenen.
Eine Kopie des Sozialplans von allen
Massenentlassungen bei Tamedia
Dabei ist das Obligationenrecht völlig
klar: Es verpflichtet Schweizer Arbeitgeber,
bei Massenentlassungen «mit
den Arbeitnehmern Verhandlungen
mit dem Ziel zu führen, einen Sozialplan
aufzustellen». Besondere Massnahmen
also für besondere Situationen.
Statt Verhandlungen erhielten
die 41 Entlassenen, die sich selbst die
«41 du Matin» nennen, aber nur die
Kopie eines Plans, den Tamedia bei all
ihren Massenentlassungen anwendet.
Ähnliche Vorschläge wurden seit Beginn
dieses Kampfes in anderen Konzernbereichen
schon dreimal unterzeichnet
– natürlich hat Tamedia das
lauthals verkündet, um die ehemaligen
Le Matin-Mitarbeitenden als verwöhnte
Kinder zu verunglimpfen, die
einen Plan ablehnen, den andere sehr
wohl akzeptieren.
Unwürdig angesichts der Stärke
des Unternehmens
Aber diese Starre und dieser Druck
konnten der Entschlossenheit der
Entlassenen nichts anhaben, die einen
Sozialplan ablehnen, den sie für
unwürdig halten: unwürdig angesichts
der wirtschaftlichen Stärke von
Tamedia, angesichts der Jahre oder
Jahrzehnte des Engagements, um die
Zeitung an 365 Tagen pro Jahr herauszugeben,
aber auch angesichts der
letzten Monate voller Unsicherheit
und der Arbeitssituation in der Pressebranche.
Ein Jahr nach dem Ende von
Le Matin hat weniger als ein Viertel der
Betroffenen eine neue Stelle gefunden,
die meisten von ihnen in einem
ganz anderen Bereich. Die andern
wechseln zwischen Arbeitslosigkeit,
Praktika und temporären Einsätzen,
ohne sich ihre berufliche Zukunft
wirklich vorstellen zu können und
ohne Sozialplan, was eine allfällige
Umschulung ernsthaft erschwert.
Geeint und kämpferisch geblieben
Noch liegt das Urteil des Schiedsgerichts
nicht vor. Aber die «41 du Matin»,
die von den anderen Westschweizer
Redaktionen des Konzerns
unterstützt werden, konnten einen
Sieg der Solidarität erringen: Während
über einem Jahr sind sie geeint
und kämpferisch geblieben. Dank Beiträgen
in den sozialen Netzwerken
und mehreren Kundgebungen pro
Monat vor dem Edipresse-Turm in
Lausanne haben sie sich erfolgreich
dagegen gewehrt, vergessen zu gehen.
Jetzt hoffen sie auf ein möglichst
günstiges Urteil, damit sie endlich ein
neues Kapitel aufschlagen können.
Melina Schröter, Regionalsekretärin
Medien und eine der «41 du Matin»
Die Entlassenen des Matin wurden unterstützt und liessen sich nicht klein machen. (© Patricia Alcaraz)
Neuigkeiten zum Matin erscheinen auf
syndicom.ch
18 Arbeitswelt
«Theoretisch ist alles bestens organisiert. Aber wie ist die
konkrete Situation in den Betrieben vor Ort?» Angelo Zanetti
Gesundheit und Sicherheit
in der grafischen Industrie:
Wo stehen wir?
Über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz wird nie
genug geredet. syndicom will konkret wissen, was in den
GAV-Betrieben vor sich geht.
Korrekt angeschriebene Notausgänge können lebenswichtig sein.
Der Arbeitgeber ist für die Sicherheit
und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
verantwortlich. Das verlangt
das Gesetz. In der grafischen Industrie
hat der Arbeitgeberverband
Viscom eine vereinfachte «Branchenlösung»
entwickelt, welche
die Betriebe nutzen
können. Auch die Gewerkschaften
sind beteiligt.
Im Rahmen dieser
«Branchenlösung» werden
die Richtlinien und
alle notwendigen Materia
lien zum Thema Gesundheit
und Sicherheit
am Arbeitsplatz erarbeitet
und zur Verfügung gestellt.
Es werden auch
Schulungen für die Kontaktperson
Arbeitssicherheit
(KOPAS) angeboten,
die jeder Betrieb einsetzen muss. So
bleibt den beteiligten Betrieben bedeutender
bürokratischer und organisatorischer
Aufwand erspart.
Theoretisch ist alles bestens organisiert.
Es ist jedoch nicht bekannt,
wie die tatsächliche Situation in den
dem GAV unterstellten Betrieben aussieht.
Theorie und Praxis: Ihr seid gefragt!
Werden die Informationen an das
Personal weitergegeben? Wurde die
Kontakperson Arbeitssicherheit bestimmt?
Wird das Schutzmaterial in
den Betrieben zur Verfügung gestellt?
Gibt es einen Pausenraum?
Dies sind einige Fragen der Erhebung,
die syndicom auf nationaler
Ebene lanciert hat, um gegebenenfalls
mit Viscom zu besprechen, welche
Korrekturmassnahmen in der «Branchenlösung»
umgesetzt werden sollen.
Die Formulare werden von den
Regionalsekretären und Regionalsekretärinnen
mit der wertvollen Unterstützung
der Vertrauensleute in den
verschiedenen Betrieben verteilt. Ihr
seid somit eingeladen, mitzumachen,
wie auch an den anderen Aktivitäten
der Branche! Im Nationalvorstand
sind noch freie Sitze zu besetzen.
Angelo Zanetti
Zentralsekretär Grafische Industrie
und Verpackungsdruck
syndicom.ch, Meine Arbeitswelt
Grafische Industrie und Verpackungsdruck
Auf zum neuen GAV der Post!
Die Vorbereitungen dauerten, nun ist es so weit: Am 19. August
begannen die Verhandlungen des schuldrechtlichen Teils des
neuen Gesamtarbeitsvertrags mit der Post. Ein GAV notabene,
der für zirka 35 000 Angestellte der Konzernbereiche Post CH,
PostAuto und PostFinance gilt – ein GAV mit Vorzeigecharakter.
Im ersten Quartal dieses Jahres hat
der Sektor Logistik bei syndicom eine
breit angelegte Umfrage durchgeführt.
Jede und jeder zehnte Postangestellte
hat daran teilgenommen. Nun
sind die Bedürfnisse der Postangestellten
bekannt: Sie wünschen sich
soziale Arbeitsbedingungen, eine gesunde
Arbeitswelt und eine faire Entlöhnung
(die Resultate der Umfrage
im Detail: syndicom.ch/gavpost).
Im zweiten Schritt hatten die RegionalsekretärInnen
sowie die Sektionen
die Umfrageergebnisse gemeinsam
mit VertreterInnen der Miliz
vertieft. Daraus entstand ein Forderungskatalog,
mit dem die Verhandlungsdelegation,
angeführt von Sektorleiter
Matteo Antonini, in die
Gespräche steigen wird.
«Wir erwarten einen grossen Schritt
nach vorne»
Matteo Antonini ist zuversichtlich:
«Unsere Forderungen widerspiegeln
die unterschiedlichen Probleme und
Herausforderungen, mit denen die
Postangestellten tagtäglich konfrontiert
sind. Es ist im ureigenen Interesse
der Post, sich den Anliegen der Mitarbeitenden
anzunehmen und als
fortschrittlicher Arbeitgeber Hand zu
bieten für faire Lösungen. Wir erwarten
einen grossen Schritt nach vorne.»
Und so wird die Verhandlungsdelegation
am 30. September, wenn es
erstmals um den normativen Teil des
GAV der Post CH geht, selbstbewusst
auftreten können. Die Verhandlungen
mit PostAuto und PostFinance starten
übrigens ungefähr im Januar 2020,
nach Abschluss der Verhandlungen
über den GAV von Post CH.
Die Verhandlungsdelegation, bestehend
aus Vertretenden der Miliz aller
Konzernbereiche, kann sich sicher
sein: Sie geniesst die volle Unterstützung
und das Vertrauen der Basis. Dieses
Selbstvertrauen werden sie schöpfen
dürfen aus einer hoffentlich hohen
Beteiligung und Mobilisierung, auf
welche die Kampagne von syndicom
ausgerichtet ist und die im Herbst
einige Höhepunkte verspricht.
Matthias Loosli
Umfrage-Ergebnisse:
syndicom.ch/gavpost
«Mit der zunehmenden Künstlichen Intelligenz wird der Weg
wichtiger als das Ziel – und das ist gut so.» Michael Moser
19
Kreative Köpfe sollen für den
kreativen Prozess bezahlt werden
Mit jedem Programm-Update erleichtert Künstliche Intelligenz
das Arbeiten in der grafischen Branche – und überlässt uns
andere Wege, den Mehrwert zu erschaffen.
Prozesse wie Bildretuschen oder
-kombi nationen, die vor ein paar Jahren
noch Stunden dauerten, brauchen
heute nur noch wenige Klicks, und immer
mehr mühsame Fleissarbeit wird
von klugen Algorithmen übernommen.
Dass hier Künstliche Intelligenz
mitspielt, ist einem oft gar nicht bewusst,
aber die Unterstützung ist bei
der täglichen Arbeit nicht mehr wegzudenken.
Wer sich anschaut, wie vor
Photoshop und Co. gearbeitet wurde,
wird sich der Dimen sionen schnell bewusst.
Wer auf diese Hilfsmittel verzichten
will, realisiert unverzüglich,
dass das kaum mehr machbar ist.
In der Konsequenz wird nicht nur
immer mehr möglich, sondern die
anfallende Arbeit kann auch immer
schneller und von immer weniger Personen
ausgeführt werden. Man könnte
fast meinen, dass sich die Branche
so weit automatisieren will, bis sie
ganz ohne Personal auskommt. Die
eine oder andere Firma scheint tatsächlich
dorthin zu wollen.
Daneben aber besteht ein viel grösserer
und auch viel spannenderer und
lukrativerer Markt mit Kunden, die
nicht einfach ein fertiges Produkt, ob
gedruckt oder digital, brauchen, sondern
die das kreative Denken der Leute
der grafischen Branche auf dem
Weg der Erstellung benötigen. Die
grafische Branche wird hier gerade
neu erfunden. Nicht nur das finale
Produkt ist die Dienstleistung, sondern
immer mehr zählt der Weg dahin.
Nicht zufällig schiessen Studiengän
ge wie Design Thinking wie Pilze
aus dem Boden und kaufen Beratungsfirmen
in grossem Stil Werbeagenturen
mit ihren kreativen Köpfen auf.
Für syndicom als Trägerin der Berufsbilder
der grafischen Branche bedeutet
diese Entwicklung und das Zunehmen
der Künstlichen Intelligenz,
dass sich auch die Ausbildungen weiterentwickeln
müssen. Für die laufende
Revision des Berufsbildes Polygraf
bedeutet dies, dass ein Polygraf in Zukunft
nicht nur umsetzen muss – das
übernimmt immer mehr die KI –, sondern
der Mehrwert, den eine Polygrafin
schaffen wird, findet immer mehr
auf dem Weg zum Produkt statt.
Wenn die Branche es schafft, die
Dienstleistungen, die auf dem Weg
zum finalen Produkt erbracht werden,
klug zu vermarkten und auch zu verrechnen,
wird sich das Potenzial der
Branche um ein Vielfaches erweitern.
Michael Moser
Die grafische Industrie wird gerade neu erfunden – auch in den Berufsbildern. (© syndicom)
Die syndicom-Kurse der grafischen Branche
werden ausgeschrieben auf Helias.ch
Lena & Tobi: wenn die
Algorithmen
Vornamen bekommen
Stephanie Vonarburg leitet die Branche Presse
und elektronische Medien und ist Mitglied der GL.
Die beiden Algorithmen – «Roboterjournalisten»
– von Keystone-SDA und
Tamedia: nehmen sie den Medienschaffenden
die Arbeit weg? Bereits
vor Jahren wurden Wetterprognosen
und TV-Programme automatisiert.
Die Leute haben neue Tätigkeiten
über nom men – oder ihre Stellen verloren.
In beiden Betrieben versichern
nun die Verantwortlichen, dass die
Programme niemanden ersetzen. Tamedia
möchte mit automatisierten
Texten primär in Wirtschaft und Sport
zusätzliche Leistungen anbieten. SDA
setzt bei Abstimmungen und Wahlen
auf Hilfe bei grossen Datenmengen.
Die Vorarbeiten sind aber aufwendig,
Satz strukturen und Textbausteine
sind zu entwickeln. Und was weiterhin
nur Menschen leisten können, sind
kritische Einordnung und Kontextualisierung.
Zum Sparen taugt die automatische
Produktion also nicht. Tatsächlich
kann sie einen publizistischen
Mehrwert darstellen.
Als Gewerkschaft kämpfen wir
nicht gegen Neuerungen. Wir fordern,
dass ihre Einführung im Interesse der
Medienschaffenden und des Journalismus
gestaltet wird: Die Redaktionen
müssen frühzeitig einbezogen
werden. Gegenüber der Leserschaft ist
Transparenz herzustellen. Entwicklung
und Anwendung müssen in die
Ausbildung integriert werden. Damit
Lena & Tobi nicht zu Feinden des Journalismus
herangezüchtet werden.
20 Arbeitswelt
«Die Kühnheit der KollegInnen in der Redaktion könnte
die Machtverhältnisse im Gruppo CdT verändern.» Nicola Morellato
Corriere: Das will die Redaktion
Nach einer Umstrukturierung, die neun Stellen gekostet hat,
wird beim Corriere del Ticino eine Redaktionskommission
gebildet. Damit das Personal nicht mehr die Rechnung für
unkluge Führungsentscheidungen bezahlen muss.
Der neue Newsroom beim Corriere del Ticino. (© CdT)
Sieben Entlassungen und zwei Frühpensionierungen:
In der 128-jährigen
Geschichte des Corriere del Ticino
(CdT) hat es das noch nicht gegeben.
Ende Mai kündigte die älteste Tageszeitung
des Tessins eine Umstrukturierung
an, die nicht mehr weit von
einer Massenentlassung (zehn Stellenstreichungen)
entfernt ist. Dies
schockierte auch die Tessiner Öffentlichkeit
nur ein Jahr nach dem Konkurs
des Giornale del Popolo. Der Gruppo
Corriere del Ticino kontrolliert u. a.
das grösste Druckzentrum im Tessin,
wo auch die Zeitschriften von Coop
und Migros gedruckt werden. In seiner
Mitteilung beruft sich der Stiftungsrat
der Gruppe auf den Rückgang
im Werbemarkt – kurz: alle
gehen so vor. Aber die Rechnung, auch
für unkluge Führungsentscheide, zahlen
in der Regel die Mitarbeitenden.
Unbeantwortete Fragen
Auch beim CdT. Entlassen wurden ein
Chefredaktor, Vater von drei Kindern,
zwei Journalistinnen, die nach dem
Mutterschaftsurlaub in Teilzeit arbeiten,
eine Empfangsdame und eine Archivarin
in Teilzeit, eine Praktikantin,
deren Vertrag nicht verlängert wird.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser
Wahl! Gab es wirklich keine Alternativen
unter den vielen Leuten, die demnächst
das Vorruhestandsalter erreichen
(in den nächsten fünf Jahren
etwa ein Dutzend), statt Familienväter
und Mütter mit Teilzeitpensum zu
wählen? Waren wirklich keine Rationalisierungen
möglich im überdimensionierten
Kader (etwa zehn Personen
unter den rund 200 Mitarbeitenden
der Gruppe tragen den Titel «Direktor»)
oder bei den strukturellen Investitionen
(z. B. dem millionenschweren
«Newsroom»)?
Reaktion der Arbeitnehmenden
Sofort forderte syndicom den Widerruf
der Entlassungen sowie Konsultationen
zu alternativen Sparmassnahmen.
Der Verwaltungsrat lehnte sofort
ab und schloss den Dialog aus. Inzwischen
haben die RedaktorInnen des
CdT jedoch reagiert: eine Petition zur
Einsetzung einer Redaktionskommission
wurde unterzeichnet, mit dem
Ziel, bei betrieblichen Entscheidungen
mitreden zu können. Trotz grosser
Widerstände bei der Führung
scheint dank dem Druck aus der Öffentlichkeit
und der externen Unterstützung
der Gewerkschaft der Dialog
aufgenommen zu werden. Wenn die
Bemühungen gelingen, könnte die
Kühnheit der KollegInnen in der Redaktion
die Machtverhältnisse in der
gesamten Gruppe verändern. Wenn
alle Mitarbeitenden der CdT-Gruppe
(auch der Druckerei) beschliessen,
sich durch Personalkommissionen in
Vertretungsgruppen zu organisieren,
würden sie endlich über angemessene
Mittel verfügen, um sich Gehör zu verschaffen
und respektiert zu werden.
Das könnte eine Wiederholung der Ereignisse
vom letzten Mai vermeiden.
Nicola Morellato, Regionalsekretär
Neue Garantien für das
Arbeitszeitsystem
«mytime» 2.0
Matteo Antonini ist Leiter des Sektors Logistik und
Mitglied der syndicom-Geschäftsleitung
Ab September wird das Arbeitszeitsystem
«mytime» 2.0 für Paketboten und
-botinnen der Post nur ein Jahr nach
seiner Einführung neu gestaltet. Das
System wird auch den Inhalt ändern.
Dies ist ein vorteilhafter Paradigmenwechsel
für die Mitarbeitenden, die
nach mehr als einem Jahrzehnt Konzepte
wie Stichtage, Vergleiche mit
dem Amtsinhaber, Saisonberechnungen
etc. vergessen können.
syndicom konnte diese Änderung
auch mit wichtigen Garantien versehen,
zum Beispiel der Reduzierung
des Auslagerungsrisikos, einer nicht
nur auf Produktivität und Schnelligkeit
basierten Personalführung sowie
bei Bedarf Massnahmen zur Entlastung
des Betriebspersonals über 55
Jahre.
Die explosionsartige Zunahme der
Paketzahlen und neue Postprodukte
wie «Same-Day Delivery» werden für
die Mitarbeitenden eine grosse Herausforderung
darstellen. «mytime» 2.0
ist auch eine Antwort auf diese Veränderungen.
syndicom konnte rückwirkende
Zahlungen in Höhe von mehreren Millionen
Franken verhandeln. Möglich
wurde dies durch eine starke Mobilisierung
der Basis und durch die Tatsache,
dass Hunderte von Zustellerinnen
und Zustellern aus der ganzen
Schweiz der Gewerkschaft syndicom
und ihrer Delegation ein klares Verhandlungsmandat
erteilt haben.
Details auf syndicom.ch/mytime
«Die Journalistinnen und Journalisten hätten den einzigen
GAV der Schweiz, der die Löhne nicht regelt.» Marco Geissbühler
21
Ein Gesamtarbeitsvertrag Medien
muss die Löhne schützen.
Seit Jahrzehnten sinken real die Löhne und Honorare
für Journalistinnen und Journalisten. Helfen könnte ein
Gesamtarbeitsvertrag. arbeitsvertrag. Doch die Verleger blocken ab.
Selbst Tieflöhne sind im Journalismus
keine Seltenheit mehr. In einer Umfrage
der Hochschule Winterthur zu
Löhnen in der Medienbranche gaben
16 Prozent der Befragten an, weniger
als 4000 Franken zu verdienen. Für
eine Vollzeitstelle, trotz abgeschlossenem
Studium. Noch weniger erhalten
freischaffende Journalistinnen und
Journalisten. Je nach Auftragslage
kommen sie auf nicht einmal 3000
Franken im Monat.
Bis jetzt sind die
Verleger nicht wirklich
nass geworden.
(© Max Spring)
Traumrenditen, aber Horrorlöhne
Generell stagnieren die Löhne in der
Branche. Selbst langjährige Mitarbeitende
bekommen kaum je eine Lohnerhöhung.
Gleichzeitig wird das Leben
teurer. Medienschaffende haben
so immer weniger Geld im Portemonnaie.
Besonders betroffen sind
Junge und Frauen.
Dabei wäre das Geld da. Tamedia
zum Beispiel erzielte 2018 allein mit
den Bezahlmedien eine Rendite von
über 8 Prozent. Davon können andere
Branchen nur träumen.
Anders als in der Romandie fehlt in
der Deutschschweiz aktuell ein Gesamtarbeitsvertrag
(GAV), der die Löhne
und Arbeitsbedingungen festlegt.
Seit Oktober 2017 verhandeln die Mediengewerkschaften
mit dem Verlegerverband.
Mittlerweile liegt zwar ein
Resultat vor, aber bei den Löhnen blocken
die Verleger ab: Keine Mindestlöhne,
keine Lohnentwicklung, keine
Lohnverhandlungen auf Ebene der
Verlage – nichts. Es wäre der einzige
Gesamtarbeitsvertrag der Schweiz,
der die Löhne nicht regelt.
JournalistInnen wollen faire Löhne
Die Lohnentwicklung in der Medienbranche
beunruhigt mittlerweile auch
die offizielle Schweiz. Anfang Juli lud
die tripartite Kommission des Bundes
(bestehend aus Arbeitgebern, Arbeitnehmenden
und dem Staatssekretariat
für Wirtschaft) die Verleger und die
Mediengewerkschaften zu einer Anhörung
vor. Die Kommission erwartet
bis im Herbst eine klare Aussage von
den Verlegern, wie sie zur Lohnentwicklung
in der Branche stehen.
Die Journalistinnen und Journalisten
haben ihrerseits bereits ein eindeutiges
Statement abgegeben. In
einer Umfrage von syndicom zum Medien-GAV
lehnten bei Redaktionsschluss
85 Prozent das Verhandlungsresultat
ab – die meisten, weil Mindestlöhne,
Mindesthonorare und
Lohn entwicklungen fehlen. Die Umfrage
läuft noch.
Marco Geissbühler
Die Umfrage und Infos zum Medien-GAV:
syndicom.ch/mediengav
Ist der Mindestlohn
wirklich das
Branchenübliche?
Sheila Winkler, Zentralsekretärin des
Sektors Logistik
Der Jura schreibt sämtliche konzessionierten
Buslinien aus. Anbieter aus
dem In- und Ausland können bis Ende
Jahr eine Offerte einreichen. Dies
birgt grosse Gefahren für die betroffenen
BusfahrerInnen, auch wenn neue
Konzessionäre per Gesetz angehalten
sind, das Personal zu branchenüblichen
Bedingungen zu übernehmen.
Denn dies schützt die FahrerInnen
nur scheinbar vor Dumpinganbietern.
Das Bundesamt für Verkehr (BAV)
definiert die Branchenüblichkeit u. a.
mit einem Mindestlohn von 58 300
Franken. Zu diesem Lohn ist es kaum
möglich, qualifiziertes Fahrpersonal
zu finden. Zudem haben die FahrerInnen
der angestammten Unternehmen
über die Jahre eine Lohnentwicklung
erfahren.
Der Kanton Jura kann auch eigene
Kriterien für die Vergabe definieren.
Bei der Branchenüblichkeit verweist
er jedoch auf das BAV, was ihn zum
Mittäter macht. Mit dieser Definition
von Branchenüblichkeit nimmt der
Kanton Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen
der FahrerInnen,
also seiner eigenen BürgerInnen, in
Kauf. Die Personalkosten machen einen
Grossteil der Produktionskosten
aus. Deshalb ist es bei Ausschreibungen
immens wichtig, dass die geltenden
Durchschnittslöhne als branchenüblich
definiert werden. Sonst wird
der Wettbewerb auf dem Rücken des
Personals ausgetragen, was staatlich
gefördertem Lohndumping gleichkommt.
syndicom.ch/stopdumping
22
Wir müssen denkende,
kritische junge Menschen
Wie kann man Studierenden die Ausbildung geben, die sie
brauchen, um den Herausforderungen der Digitalisierung zu
begegnen? Welche Werkzeuge sind für den Umgang mit
Künstlicher Intelligenz nützlich? Wie können «Non-Digital-
Natives» (z. B. heutige Lehrkräfte!) Wissen an eine hypervernetzte
Generation weitergeben? Ein Dozent gibt Antworten.
Text: Luca Maria Gambardella, Direktor des Dalle-Molle- Instituts für
Künstliche Intelligenz (IDSIA) der Universität Lugano (USI-SUPSI)
Bild: Andrea Rizzoli/IDSIA
Heute möchte ich über uns und unsere
Kinder sprechen, über die neuen
Generationen und die Zukunft,
die uns erwartet. Ich habe selber
zwei Kinder, einen 26-jährigen Sohn
und eine 21-jährige Tochter. Bei der
Arbeit habe ich mit Studierenden zu
tun, und wenn sie mich auffordern,
über Digitalisierung und die künftige
Welt zu sprechen, vergleiche ich
mich mit den Kindern und Jugendlichen
an Grundschulen, Mittelschulen,
Gymnasien.
Von dem, was ich höre und verstehe,
ist eines sicher: Dieser digitale
Wandel bewirkt Veränderungen
auf vielen Ebenen: wirtschaftlich,
technologisch und sozial. Das Phänomen
betrifft auch das Zwischenmenschliche
und führt zur Diskussion
über die Kompetenzen, die
erforderlich sind, um diese neue Ära
zu entwickeln und zu konsolidieren.
Soziales Denken fehlt mehr
als technische Fertigkeit
Beginnen wir mit dem Thema des
digitalen Analphabeten: Das bin an
erster Stelle ich, aber nicht nur ich,
sondern wir Erwachsenen im Allgemeinen,
kurz gesagt alle in meinem
Alter (ich bin 57) bzw. alle über 30.
Im Grunde genommen sind wir
anmassend. Denn wir glauben verstanden
zu haben, was Digitalisierung
ist, und wir wollen, dass unsere
Kinder nicht zurückbleiben.
Wie machen wir das? Wir schicken
sie an 3-jährige Programmierkurse,
4-jährige Robotikkurse,5-jährige
Videospielkurse. Muss ich noch
mehr sagen? Definitiv wollen wir
unsere eigenen Wissenslücken über
unsere Kinder schliessen.
Der verantwortungsbewusste
digitale Erwachsene darf sich nicht
von der Idee beherrschen lassen,
dass die neuen Generationen vor allem
technische und technologische
Fähigkeiten erwerben sollten. Die
Kinder entwickeln diese Fähigkeiten
auf natürliche Weise, während
ihrer Ausbildung und indem sie mit
der Welt um sie herum interagieren.
Wir Erwachsenen müssen ihnen
helfen, Kreativität, Sozialität, Aufgeschlossenheit
und vor allem einen
23
fördern
kritischen Sinn und eine humanistische
Kultur zu entwickeln (oder
weiter zuentwickeln).
Das Fehlen dieser Kompetenzen
beunruhigt mich mehr als die
Unfähigkeit, einen Programmcode
zu schreiben oder einen Computer
zu konfigurieren. Dazu genügt es,
den neuen Master in Artificial Intelligence
an der USI in Lugano zu absolvieren,
wo wir auch einen Kurs
über Philosophie und Künstliche Intelligenz
lanciert haben.
Sind wir bereit für
künstliche Gesprächspartner?
In der Welt von morgen werden wir
mit intelligenten Maschinen und
Robotern konfrontiert, die uns aus
vielen Daten und ausgefeilter Logik
komplexe Lösungen anbieten. Sind
wir bereit, mit solchen künstlichen
Gesprächspartnern umzugehen?
Ich weiss nicht, ich bin mir dessen
nicht sicher. Heute stelle ich fest,
dass eine Meinung, die vom Internet
oder von einer Maschine geäussert
wird, manchmal mehr gehört
wird als die eines Menschen.
Faul zu werden und Entscheidungen
an Maschinen zu delegieren,
bringt uns in die falsche Richtung.
Aus diesem Grund müssen wir
die Voraussetzungen schaffen, um
denkende und kritische junge Menschen
zu fördern.
Die Fähigkeit zur Vernunft
Wir müssen ihnen helfen, sich an
die Interaktion mit der digitalen
Welt zu gewöhnen, und dabei vermeiden,
dass sie von der realen Welt
abgeschirmt leben und ihr Alltag
nur noch aus Social Media und technischen
Geräten besteht. Deshalb
ist ihre Fähigkeit zur Vernunft, zum
Ausdruck ihrer Individualität und
Sozialität, zum verantwortungsvollen
Handeln, aber auch zum
gesunden Vergnügen und zum harmonischen
Wachsen nach wie vor
entscheidend. Vergessen wir auch
Geschichte und Geografie, Philosophie
und Sprachen (einschliesslich
unserer Muttersprache) nicht.
Unsere Kinder sollten auch ermutigt
werden, ein gutes Verhältnis
zu sich selbst und zur Natur zu pflegen.
An einem Gymnasium wurde
ich gefragt, welche Gefahr ich für
die neuen Generationen im Zeitalter
der Digitalisierung sehe. Ein grosses
Risiko ist die Unfähigkeit, Freizeit
von Arbeit zu unterscheiden. Das
kann bis hin zum Paradoxon gehen,
die eigene Arbeit in ein Hobby zu
verwandeln. Wenn ich höre, dass es
Menschen gibt, die rund um die Uhr
berufliche E-Mails beantworten und
stolz darauf sind, dann mache ich
mir Sorgen. Ich ermutige deshalb zu
Untätigkeit, Spaziergängen in den
Bergen, Konzerten und Momenten
der Geselligkeit ohne Internet.
Sind wir in diesem Szenario ein
gutes Beispiel für unsere Kinder,
oder sind wir die Ersten, die Stunden,
Abende oder ganze Nächte mit
dem Smartphone in der Hand verbringen
und dann unsere Kinder
anschreien, wenn sie es auch tun?
Auch Pythagoras sagte: Erwecke
gute Beispiele zum Leben, und du
wirst vom Schreiben guter Regeln
befreit sein.
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24 Politik
Der Staat als Auftraggeber
wird endlich sozial
Die Regeln im öffentlichen
Beschaffungswesen sind
zentral für die Arbeitnehmenden.
Denn ein schlecht
verfasstes BöB (Bundesgesetz
über das öffentliche Beschaffungswesen)
kann Lohn- und
Sozialdumping Tür und Tor
öffnen. Umso erfreulicher ist,
dass es den Gewerkschaften
bei der Totalrevision des BöB
gelang, Verschlechterungen
zu verhindern.
Text: Luca Cirigliano, SGB
Bild: Felix Imhof
Die eidgenössischen Räte haben
sich mit dem neuen BöB bewegt:
weg von der ruinösen Preisspirale
hin zu sozialer und nachhaltiger
Qualität – ein erfreulicher Sieg für
die Gewerkschaften. Zufrieden ist
der SGB auch damit, dass öffentliche
Pensionskassen nicht mehr
dem BöB unterstehen.
Dennoch bleibt viel zu tun,
dies mal bei der Umsetzung in den
Kantonen: Sie müssen Massnahmen
gegen endlose Subunternehmerketten,
missbräuchliche Konkurse und
Temporärarbeit einführen.
Schutz durch das
Leistungsort-Prinzip
Das Parlament hat entschieden,
beim bewährten Leistungsort-Prinzip
zu bleiben. Das heisst, dass ein
Unternehmen, das sich um einen
öffentlichen Auftrag bewirbt, die
Löhne und Arbeitsbedingungen am
Ausführungsort einhalten muss.
Eine Firma aus dem Tessin etwa, die
in Zürich für den Bau einer Halle offeriert,
muss Zürcher Löhne zahlen.
Wäre das Parlament wie erst geplant
aufs Herkunftsort-Prinzip gewechselt,
würden die Bedingungen vom
Firmensitz oder Niederlassungsort
gelten. Das Tessiner Unternehmen
könnte mit Tessiner Löhnen offerieren,
womit Anbieter aus Kantonen
mit guten Arbeitsbedingungen im
Vergleich zu Anbietern aus «Niedriglohn-Kantonen»
schlechter gestellt
wären. Um mithalten zu können,
müssten sie eine Verschlechterung
der eigenen Arbeitsbedingungen
anstreben. Fazit: Das Herkunftsortprinzip
hätte eine Spirale nach unten
in Gang gesetzt.
Damit ist das Leistungsortprinzip
zentral für alle, welche die
orts- und branchenüblichen Löhne
und Arbeitsbedingungen schützen
wollen. Nun müssen die Kantone
ihr interkantonales Konkordat zum
öffentlichen Beschaffungswesen anpassen
und das Leistungsortprinzip
wieder einführen.
Kantone gegen
Subunternehmer-Ketten
Auch weitere Punkte zum Schutz der
Arbeitnehmenden im Beschaffungswesen
betreffen kantonale Kompetenzen.
Hier müssen die Kantonsregierungen
und -parlamente aktiv
werden und ihre Gesetze anpassen.
So ist die Subunternehmerkette
auf eine Ebene zu beschränken.
Heute sind gerade im Bau derart
lange Subunternehmerketten gang
und gäbe, dass die Bauherren rasch
den Überblick verlieren, wer überhaupt
zu welchen Bedingungen
wann auf der Baustelle welche Arbeit
ausführt. Bund, Kantone und
Gemeinden wissen oft nicht, wer am
Schluss welche Arbeit leistet. Skandale
sind damit programmiert,
denn die Wahrscheinlichkeit für
Dumping und Schwarzarbeit nimmt
mit jeder Subunternehmer-Ebene
rasant zu. Umso wichtiger, dass zumindest
im öffentlichen Beschaffungswesen
dieser Praxis ein Riegel
vorgeschoben wird.
GAV-Konformität nachweisen,
Zeitarbeit einschränken
Weiter sollen die kantonalen Beschaffungsgesetze
endlich aussagekräftige
Nachweise der GAV-Konformität
verlangen, bevor ein Auftrag
an eine Firma aus einer einem Gesamtarbeitsvertrag
unterstellten
Branche vergeben werden kann.
Wichtig ist auch, dass die Kantone
im Beschaffungswesen die
Temporärarbeit einschränken; der
Kanton Genf geht mit einem guten
Beispiel voran. Hier wird derzeit diskutiert,
die kantonale Regelung, die
den Anteil von Temporärangestellten
bei öffentlichen Aufträgen ursprünglich
auf höchstens 20 % begrenzte,
gesetzlich zu verankern.
Mehr zum Thema:
SGB.ch/themen/arbeit/arbeitsrechte
Recht so!
25
Guten Tag,
ich arbeite im Aussendienst für ein Unternehmen. Bis anhin
holte ich die täglichen Arbeitsaufträge am Dienstort ab und
startete dann den Arbeitstag. Ein Firmenfahrzeug wird für
die Arbeit zur Verfügung gestellt. Die Arbeitszeiterfassung
erfolgt jeweils am Dienstort.
Nun sind einige Änderungen vorgesehen. Die Idee ist, auf
dem privaten Mobiltelefon eine App für die Aufträge und
auch gleich eine App für die Arbeitszeiterfassung zu installieren.
Ich finde es nicht richtig, dass der Arbeitgeber mein
privates Mobiltelefon für die Arbeit nutzen will.
Ist es nicht so, dass der Arbeitgeber die totale Kontrolle
und Überwachung über meine Person hat, wenn er mir ein
mobiles Arbeitsgerät mit GPS für die Arbeitszeiterfassung
und die Auftragsbearbeitung zur Verfügung stellt?
Was habe ich als Arbeitnehmer für Möglichkeiten, Einfluss
auf die Einführung eines Überwachungssystems via mobiles
Arbeitsgerät zu nehmen?
Antwort des syndicom-Rechtsdienstes
Sofern nichts anderes verabredet
oder üblich, hat der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer mit den Geräten und
dem Material auszurüsten, die dieser
für die Arbeit benötigt. Stellt der Arbeitnehmer
selber die Geräte und das
Material für die Arbeit zur Verfügung,
hat ihn der Arbeitgeber dafür angemessen
zu entschädigen. Dein privates
Mobiltelefon ist dein persönliches
Gerät, auf dem du auch private Daten
speicherst. Du bist nicht verpflichtet,
dieses Gerät deinem Arbeitgeber für
die Arbeit zur Verfügung zu stellen.
Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmenden
die für die Arbeit erforderlichen
Geräte, auch etwa ein Tablet,
zur Verfügung zu stellen.
In Arbeitsverhältnissen unter dem Arbeitsgesetz
sind Überwachungs- und
Kontrollsysteme, die das Verhalten
der Arbeitnehmenden am Arbeitsplatz
überwachen, unzulässig. Aus
anderen Gründen, zum Beispiel aus
Sicherheitsgründen oder für eine
Leistungsüberwachung, können sie
zulässig sein. Sie sind aber so zu
gestalten und anzuordnen, dass die
Gesundheit und die Bewegungsfreiheit
der Arbeitnehmenden nicht
beeinträchtigt wird, und sie müssen
verhältnismässig sein. Sie müssen
gleichzeitig den Persönlichkeits- und
Gesundheitsschutz des Arbeitnehmenden
bestmöglich wahren.
Zum Beispiel ist die Wegregistrierung
von Firmenautos für die Sicherheit,
Arbeitsplanung oder Arbeitsorganisation
zulässig. Eine totale Überwachung
in Echtzeit ist nicht zulässig.
Die Arbeitnehmenden sind vorgängig
über den Einsatz von Überwachungssystemen
zu informieren.
Die Arbeitnehmervertretung deines
Betriebes ist im Bereich der Gesundheitsvorsorge
zur Mitwirkung heranzuziehen.
Die Einführung von Überwachungs-
und Kontrollsystemen
fällt in diesen Bereich. Über die
Arbeitnehmervertretung kannst du
folglich Einfluss nehmen.
syndicom.ch/rechtso
26 Freizeit
Tipps
Helias im Herbst
Helias ist das gemeinsame Weiterbildungsinstitut
für die grafische
Industrie der Gewerkschaften Syna
und syndicom so wie von Viscom,
dem Arbeitgeberverband. Die Leitung
wird von syndicom wahrgenommen.
Gegründet wurde das Bildungsinstitut
auf Initiative der
Gewerkschaft, um die Arbeitnehmenden
in der grafischen Industrie
zu unterstützen. Wo Berufe aufgrund
des technologischen Wandels
verschwinden, entstehen neue Berufsbilder,
die anderes Knowhow
verlangen. Umso dringender sind
auf die Arbeitnehmenden zugeschnittene
Weiterbildungsmöglichkeiten,
die auch noch bezahlbar
sind. Genau das bietet Helias.
Das zweite Halbjahr listet in der
Deutschschweiz insgesamt 13 Kurse,
die allen Interessierten offenstehen.
syndicomMitglieder pro fitieren
von reduzierten Tarifen,
gelernte Berufsleute in Betrieben
des Viscom oder in vertragstreuen
Betrieben bezahlen gar nichts.
Im September gibt es unter anderem
neue InDesignKurse für Beginner
und Fortgeschrittene. Weiter
gehts im Oktober mit dem Design
von Webseiten und der Bearbeitung
von Bildern für Print und Web. Ganz
spezifisch wird darüber hinaus eine
Weiterbildung für KorrektorInnen
angeboten. Im November kann, wer
sich für bewegte Bilder interessiert
und eine Figur zum Leben erwecken
will, den Kurs zu Adobe Animate
und Adobe Character Animator
besuchen. Die damit hergestellten
Figuren sind sowohl fürs Web als
auch für die MobileVerwendung
optimiert.
Detaillierte Informationen zu
allen Kursen gibt es auf Helias.ch.
Da kann man sich auch gleich anmelden,
bevor der Wunschkurs ausgebucht
ist. (cap)
Ausgeschriebene Kurse und Anmeldung:
Helias.ch
© EKM
Ein umfassender Blick auf die
Geschichte der Migration
«Terra cognita» Nr. 39, die neueste
Zeitschrift der Eidgenössischen
Migrationskommission (EKM), ist
eine gelungene Ausgabe zur Geschichte
von Asyl und Migration in
der Schweiz. Besonderes Augenmerk
wurde auf die Bilder gelegt, deren
AutorInnen zum Teil unbekannt
bleiben. Etienne Piguet vergleicht
in seinem Beitrag den aktuellen
Diskurs über «wahre» und «falsche»
Flüchtlinge mit älteren Typisierungen.
Er zeigt auf, dass es schon
immer unterschiedliche Gründe
gab, um Asyl zu beantragen. Das
Titelbild illustriert einen dieser
Gründe: es zeigt eine junge Frau
nach ihrer autorisierten Ausreise
aus der DDR 1977, die ihren Freund
in Zürich trifft.
Die Bilder zeigen viele Facetten
der Migration in die Schweiz: die tamilischen
Flüchtlinge, die in Graubünden
in ein Postauto steigen, erinnern
an die Einwanderung der
80erJahre. Ein Foto von 1968 erinnert
uns an die Solidarität mit dem
Widerstand in Osteuropa. Ein anderes
erzählt von den chilenischen
Flüchtlingen nach dem Staatsstreich
von 1973. Die Bilder der Ungarn
von 1956 zeigen Flüchtlinge,
die «kein Problem darstellten» und
die «Fluchtgründe hatten, die der
damaligen Gesetzgebung entsprachen».
Zurzeit werden jedes Jahr
15 000 Asylanträge gestellt, nachdem
1998/99 und 2015 die Spitzenwerte
von 40 000 Anträgen erreicht
wurden. (SF)
Die Zeitschrift kann bestellt werden unter:
terracognita.ch
Dark Gossip Vol. 2:
Museum im Dunkeln
Verschlossene Türen, Einsamkeit
und schwarze Geschichten. Etwas
Bekanntes auf völlig neue Art erleben.
Das Museum für Kommunikation
in Bern hat sich vorgenommen,
seinen Gästen solch ein Erlebnis zu
bieten. Es öffnet dafür seine Türen
in der Nacht – ohne die Lichter anzumachen.
Man bewegt sich durch
das Museum in der Dunkelheit im
Licht der Taschenlampe oder etwas
zeitgemässer im Licht des eigenen
Mobiltelefons.
Die eigene Stimmung verändert
sich durch die Dunkelheit und die
Stille. Dazu kommt, dass sich nicht
annähernd so viele Personen durch
die Dunkelheit bewegen, wie es bei
Tage und bei hellen Räumen wären.
Die Perspektiven verschieben sich.
Ein kommunikativer Rundgang
durch ein verlassenes Museum entsteht.
Altes und für manchen Besucher
Bekanntes wird neu beleuchtet.
Der persönliche Lichtkegel zerrt
bisher Verstecktes ins eigene Licht.
Mehr Experiment als Routine.
Dark Gossip Vol. 2 ist, wie der
Titel schon sagt, keine Premiere.
Die erste Ausgabe hat im ersten
Halbjahr viermal stattgefunden. Jedes
Mal war die spezielle Führung
ausverkauft. Der grosse Erfolg hat
die Veranstalter dazu bewegt, weitere
Nachtführungen durchzuführen.
Sie finden von Oktober bis Dezember
statt und dauern rund zwei
Stunden. Wer also Lust auf dieses
spezielle und seltene Freitagabenderlebnis
verspürt, tut gut daran, sich
bald für sein Datum der Wahl anzumelden.
Alle Infos finden die Freunde
der Nacht auf der Webseite des
Museums. (cap)
Anmeldung:
MFK.ch/darkgossip
© MFK Bern
1000 Worte
Ruedi Widmer
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28 Bisch im Bild 14. Juni 2019:
Ein historisches Datum für die Schweiz. Mehrere hunderttausend Frauen nahmen
am Frauen*Streik teil, der grössten politischen Demonstration der jüngeren
Geschichte. Ein klares Signal, dass jetzt subito Gleichstellung gefordert ist.
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1. Lohn. Zeit. Respekt. Motto des Tages, hier in Zürich. (© syndicom)
2. Fahnen, die auch in Bern im Wind wehen. (© syndicom)
3. Frauen jeden Alters am Umzug in Lausanne. (© syndicom)
4. In Bellinzona, kurz vor dem Umzug, der 10 000 Menschen mobilisierte:
Rekordzahlen für die Tessiner Hauptstadt. (© syndicom)
5. Die Stimme der Frauen wurde im Bundeshaus sicher gehört. (© syndicom)
6. Die Forderungen in Genf. (© Demir Sönmez)
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7. In Basel versammelten sich 40 000 Personen. (© František Matouš)
8. In Lausanne gingen auch Journalistinnen auf die Strasse. (© syndicom)
9. Im Tessin, in Lugano, begann der Tag auf der Piazza Riforma mit
öffentlichen Lesungen von Protesttexten. (© Ursula Rampoldi)
10. In Baden: Protest der JournalistInnen der Dornbusch Medien. (© syndicom)
11. Die lilafarbene Menschenmenge in Luzern. (© syndicom)
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Aus dem
Leben von ...
«Ich habe früh angefangen, mich gegen
solche Ungerechtigkeiten zu engagieren»
Regula Fallegger, 1971 geboren, begann
nach der Geburt ihres ersten Kindes als
Frühzustellerin bei der Presto Presse-
Vertriebs AG. Seit 17 Jahren arbeitet
die vierfache Mutter für das Unternehmen.
Die Obwaldnerin engagierte sich
auch als syndicom- und Peko-Mitglied.
Im August hat sie die Stelle gewechselt.
Sie arbeitet nun – wie bereits vor
20 Jahren – bei der Spitex und als Verkäuferin.
Bei Presto arbeitet sie weiterhin
auf Abruf. Der Grund: So kann sie
in der Peko bleiben und weiterhin gegen
eine Verschlechterung der Anstellungsbedingungen
kämpfen.
Text: Basil Weingartner
Bild: Alexander Egger
«Die erste Aufwertung
seit Jahrzehnten»
Dass man im Leben kämpfen muss,
habe ich früh gemerkt. Mit meinen
Eltern und meinen sieben Geschwistern
lebte ich auf einem Bergbauernhof.
Gekrampft haben wir jeden Tag.
Krampfen tue ich auch heute. 12 Jahre
lang hatte ich keinen einzigen
Sonntag frei. Über sechshundert
Sonntage am Stück stand ich mitten
in der Nacht auf – um Zeitungen auszutragen.
Früher begann meine Tour
um halb drei in der Nacht. Fertig war
ich meistens gegen 8 Uhr. Ich mochte
die Ruhe in der Nacht.
Seit einem Jahr beginnen die
Touren erst um 4. Grund dafür ist die
Schliessung des Ringier-Druckzentrums
in Adligenswil. Seither kommen
alle Zeitungen von weiter weg –
und treffen später in der Region ein.
Für die Angestellten ist das ein Problem.
Denn die Zeitungen müssen
rascher ausgetragen werden. Eine
Tour dauert nur noch 90 Minuten.
Da rentiert sich der Arbeitseinsatz
kaum noch. Ich habe deshalb nur
noch unter der Woche Touren übernommen.
Die verkürzte Arbeitszeit
war nur eine von vielen Verschlechterungen,
die es in den 17 Jahren gab,
die ich für Presto arbeite.
Presto verteilt für verschiedene
Medienhäuser die Zeitungen in die
Haushalte. Wir Mitarbeitenden tun
dies in deren Auftrag, mit unserem
eigenen Auto. Früher wurde auch
der Anfahrtsweg zum Lager bezahlt,
doch diese Kilometerabgeltungen
wurden gestrichen. Früh begann ich
mich wegen solcher Ungerechtigkeiten
zu engagieren. Ich sitze in der
fünfköpfigen Peko, die über 1000
ZeitungsverträgerInnen in der gesamten
Innerschweiz vertritt. Die
Organisa tion der Angestellten ist
schwierig. Dies nicht zuletzt deshalb,
weil sich Presto weigert, die Peko
und ihre Tätigkeit den Angestellten
bekannt zu machen. Und weil jeder
seine eigenen Touren hat, treffen wir
unsere ArbeitskollegInnen auch auf
der Arbeit eigentlich nie.
Das Fass zum Überlaufen brachte
die vor Kurzem kommunizierte Einstellung
der Zentralschweiz am Sonntag.
Deswegen werden weniger Sonntagszusteller
gebraucht. 350 haben
die Kündigung oder Änderungskündigungen
erhalten. Trotzdem weigerte
sich die Presto AG, eine Mitarbeiterinformation
durchzuführen und
sich unseren Fragen zu stellen. Mich
persönlich betraf das zwar nicht
mehr direkt. Ich spürte aber, dass ich
für die anderen kämpfen will und
muss. Ich bin ihnen das schuldig.
So nahmen wir mit syndicom
Kontakt auf, wo viele von uns Mitglied
sind. Gemeinsam nahmen wir
Verhandlungen auf – und über gaben
der Geschäftsführung unsere Forderungen.
Die waren ziemlich verblüfft.
Wir konnten daraufhin für die Entlassenen
Abgeltungen herausholen –
und für jene, die ihren Job behalten
konnten, voraussichtlich vertragliche
Verbesserungen. Es wären die
ersten Verbesserungen seit Jahrzehnten
– die vier bisherigen Vertragsänderungen
waren stets zuungunsten
von uns Angestellten.
syndicom.ch: Meine Arbeitswelt,
Früh- und Drucksachenzustellung
Impressum
Redaktion: Sylvie Fischer (Leitung), Giovanni Valerio,
Marc Rezzonico, Marie Chevalley
Tel. 058 817 18 18, redaktion@syndicom.ch
Mitarbeit: Rieke Krüger
Porträts, Zeichnungen: Katja Leudolph
Fotos ohne ©Copyright-Vermerk: zVg
Druck, Layout und Korrektorat: Stämpfli AG, Bern
Adressänderungen: syndicom, Adressverwaltung,
Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern
Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17
Inserate: priska.zuercher@syndicom.ch
Abobestellung: info@syndicom.ch
Abopreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für
Nichtmitglieder: Fr. 50.– (Inland), Fr. 70.– (Ausland)
Verlegerin: syndicom – Gewerkschaft
Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,
Postfach, 3001 Bern
Das syndicom-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.
Ausgabe Nr. 13 erscheint am 25. Oktober 2019
Redaktionsschluss: 30. September 2019
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Gleichheit.
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Das geht
noch besser!
Nach dem Frauenstreik: Was muss
in deinem Betrieb, deiner Branche
dringend anders werden?
Tiziana Conte, freie Journalistin
und Kultur veranstalterin
Prekäre Beschäftigung, die auch in
öffentlichen Unternehmen immer
mehr zunimmt, muss aufhören.
Sie schafft Ungerechtigkeit, demütigt
die Menschen, schwächt die
Lebensqualität und untergräbt die
Würde der Arbeitneh merInnen
ernst haft.
Laurence Bedeau, Grafikerin
Matin dimanche
Es ist dringend notwendig,
die Sicht barkeit von Frauen
in den Zeitungen von
Tamedia zu erhöhen.
Und es braucht auch mehr
Lohngleichheit.
Nicole Sabatier, Technical
Assistant bei Swisscom
Der Zugang von Mäd chen zu
technischen Studiengängen
muss gefördert werden. Meine
Chefin hat nur Männer unter
sich – aber ihr Bei spiel zeigt,
dass es möglich ist.
Julie Kummer,
Journalistin 24 Heures
Wir brauchen Nachweise
für die Lohn gleichheit,
denn kaum alle Frauen
wissen davon, wenn sie
schlechter bezahlt werden
als ihre männlichen
Kollegen.
Mariem Fiadjigbe, Mitarbeiterin UPC
Die Entwicklung neuer Technologien wie
Künstliche Intelligenz sollte von Frauen
mitgeprägt werden. Gerade im Machine
Learning ist es aus meiner Sicht
essenziell, dass die Systeme nicht nur
auf Männer trainiert werden. Auch
deshalb brauchen wir Diversität.
Jasmin Weirauch,
Buch händlerin bei
Lüthy Balmer Stocker
Was für ein Tag, dieser
14. Juni! Diesen Schwung
müssen wir unbedingt
nutzen für unsere Themen:
Gleiche Löhne, Arbeitszeiten,
Rentenalter ... Was ich
besonders toll fand, sind die
vielen jungen Frauen, die
mitgelaufen sind. Frauen, es
lohnt sich zu kämpfen!
Barbara Roelli, Journalistin
Dass die Medien täglich über
die Arbeit, die Meinungen
und das Wissen von Frauen
und Männern berichten.
Ich bin überzeugt, dass die
Achtung der Parität in der
Information einen positiven
und nachhaltigen Einfluss
auf unsere Gesellschaft
haben kann.
Angela Parisi, Mitarbeiterin Post
Abschaffung der Teilzeitbeschäftigung,
die für viele Frauen nicht mehr notwendig
ist, sondern oft eine Anforderung des
Arbeitgebers. Teilzeitarbeit bedeutet für
uns ein unzureichendes Gehalt, gleichzeitig
müssen wir flexibler sein, aber
ohne Regelmässigkeit, was uns daran
hindert, einen zweiten Job zu finden und
Beruf und Familie in Einklang zu bringen.
Susanne Keller, Customer Service
International, Post CH AG
Zu meiner Zeit konnte Frau froh sein,
überhaupt eine Ausbildung zu
machen. Ein KV war noch eine gute
und vielseitige Ausbildung, reicht
heute aber ohne Weiterbildung
nicht mehr. Wir Eltern haben es
in der Hand, unsere Kinder so zu
erziehen, dass beide Geschlechter
die gleichen Rechte und Chancen
haben.
Marianne von Dach,
Zustellerin bei PostMail
Genf
Es ist vorrangig, dass der
Beschäftigungsgrad von
teilzeitbeschäftigten
Frauen eingehalten wird.