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PROLOG<br />
INSIDER<br />
RICK ZABEL<br />
EINE GROSSE ENTTÄUSCHUNG<br />
Der Katusha-Alpecin-Profi berichtet über seinen Ausstieg bei der Tour.<br />
Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Jojo Harper/Team Katusha-Alpecin (Porträt), Chris Graythen/Getty Images<br />
Wenn es schlecht läuft,<br />
dann richtig. In den ersten<br />
fünf Jahren meiner<br />
Profikarriere war ich so gut wie nie<br />
krank. In diesem Jahr hat es mich<br />
dafür nun schon mehrfach erwischt.<br />
Nachdem ich nach einem schwierigen<br />
Saisonstart alles auf die Tour<br />
de France ausgerichtet hatte, ereilte<br />
mich im Laufe der zweiten Tour-<br />
Woche ein viraler Infekt. Einige<br />
Etappen kämpfte ich krank weiter,<br />
doch vor der elften Etappe war meine<br />
Frankreich-Rundfahrt endgültig<br />
vorbei. Zum zweiten Mal in Folge<br />
musste ich deshalb die Tour vorzeitig<br />
verlassen. Es ist schwer in Worte<br />
zu fassen, wie enttäuscht ich darüber<br />
bin – auch jetzt, nachdem alles<br />
schon einige Zeit zurückliegt.<br />
Das gilt umso mehr, als dass meine<br />
Form richtig gut war. Schon in<br />
den Tagen vor dem Start merkte ich,<br />
dass sich die vielen Trainings- und<br />
Rennkilometer im Vorfeld bezahlt<br />
gemacht haben. Auch auf den ersten<br />
Etappen bestätigte sich dieser Eindruck:<br />
Im Mannschaftszeitfahren<br />
gehörte ich als Nicht-Zeitfahrer zu<br />
den drei Stärksten im Team. Und<br />
als wir bei den Zwischenzeiten in<br />
Führung lagen, gab es sogar einen<br />
kurzen Moment, an dem ich vom<br />
Gelben Trikot träumen durfte.<br />
So gut der Auftakt auch war – von<br />
da an ging es kontinuierlich bergab.<br />
Immer wieder bekam ich am Abend<br />
nach den Etappen Kopfschmerzen,<br />
nach der ersten Bergankunft am<br />
sechsten Tag gesellte sich auch noch<br />
Fieber dazu. Ich fühlte mich schlapp<br />
und abgekämpft – einfach kaputt.<br />
Auf den folgenden Abschnitten ging<br />
es deshalb nur noch darum, das Ziel<br />
zu erreichen. Irgendwie hatte ich die<br />
Hoffnung, ich könnte mich wieder<br />
erholen. Doch bei der Tour ist das<br />
so gut wie unmöglich. Als das Fieber<br />
nach der zehnten Etappe auf fast<br />
40 Grad stieg, ich den Ruhetag<br />
komplett im Bett verbringen musste<br />
und am Morgen der elften Etappe<br />
einen Ruhepuls von 93 hatte, war<br />
klar: Ich muss aussteigen. Auch<br />
heute, ein paar Wochen später, frage<br />
ich mich immer noch, warum gerade<br />
mir das passieren musste. Schon im<br />
letzten Jahr war ich sehr enttäuscht,<br />
„ALS ICH AM MORGEN DER ELFTEN ETAPPE<br />
EINEN RUHEPULS VON 93 HATTE,<br />
WAR KLAR: ICH MUSS AUSSTEIGEN.“<br />
aber nun? Zwei Jahre in Folge? Normal<br />
kennt man mich als lockeren<br />
Typen im Peloton, der immer gut<br />
drauf ist. Aber dieses vorzeitige<br />
Ende der Tour de France <strong>2019</strong> hat<br />
mich schwer getroffen.<br />
Natürlich habe ich die Tour von zu<br />
Hause aus weiterverfolgt. Es war<br />
eine verrückte Tour, und so, wie die<br />
Frankreich-Rundfahrt in diesem<br />
Jahr verlaufen ist, hat es mich noch<br />
mehr geschmerzt, dass ich sie nicht<br />
zu Ende fahren habe können. Gerade<br />
durch die Etappenverkürzungen<br />
am Ende war es für Sprinter in<br />
diesem Jahr sehr einfach, es nach<br />
Paris zu schaffen – das tat doppelt<br />
weh. Aus deutscher Sicht war die<br />
Leistung von Emanuel Buchmann<br />
sicherlich eine unglaublich tolle<br />
Geschichte – auch wenn ich mir<br />
beim Kampf der Favoriten die<br />
ein oder andere Attacke mehr gewünscht<br />
hätte. Als Zuschauer auf<br />
Da war die Welt noch in Ordnung:<br />
Rick Zabel führt das Team Katusha-<br />
Alpecin beim Mannschaftszeitfahren<br />
als Erster über den Zielstrich.<br />
dem Sofa wird man eben auch als<br />
Profi zum Fan.<br />
Nun hoffe ich, bald wieder selbst<br />
Teil des Pelotons sein zu können. In<br />
den kommenden Wochen arbeite ich<br />
deshalb hart an meinem Comeback.<br />
Wann ich wieder zurückkehre, kann<br />
ich allerdings noch nicht sagen, da<br />
ich die Nachwirkungen meines Infektes<br />
von der Tour auch drei Wochen<br />
nach meinem Ausstieg immer<br />
noch spüre. Ein toller Zeitpunkt<br />
wäre sicherlich das WorldTour-Rennen<br />
in Hamburg oder aber auch die<br />
Deutschland Tour. Ich hoffe deshalb,<br />
dass ich euch beim nächsten<br />
Mal wieder Positives berichten kann.<br />
Dann habe ich vielleicht auch Neuigkeiten,<br />
wie es mit meinem Team<br />
Katusha-Alpecin weitergeht. Es gab<br />
ja in den vergangenen Wochen immer<br />
wieder Gerüchte um die Mannschaft<br />
– das Einzige, was ich sagen<br />
kann: Es wird weitergehen. Ich<br />
selbst mache mir jedenfalls keine<br />
Gedanken – Optionen gibt es immer.<br />
Geboren am 7. Dezember 1993,<br />
zog es den Sohn von Erik Zabel<br />
schon früh zum Radsport. Nach<br />
guten Platzierungen bei den Junioren<br />
wechselte er 2012 zum Rabobank<br />
Development Team. 2014<br />
wurde Rick Zabel Profi bei BMC und<br />
fuhr drei Jahre bei der US-amerikanischen<br />
Equipe. 2017 wechselte er<br />
zu Katusha-Alpecin und bestritt<br />
erstmals die Tour de France und<br />
die Straßen-WM.<br />
24 PROCYCLING | SEPTEMBER <strong>2019</strong>