Handelsverband Journal RETAIL 1/2018
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— storys<br />
Mehr Vertrauen<br />
in die Lieferkette<br />
Studie. Die Blockchain-Technologie könnte das Supply-Chain-Management<br />
revolutionieren. Eine Studie des AIT im Auftrag der Wirtschaftsauskunftei<br />
CRIF und des <strong>Handelsverband</strong>es zieht aus bestehenden Anwendungsfällen<br />
jedoch eine gemischte Bilanz.<br />
In einer Lieferkette haben viele Akteure<br />
miteinander zu tun, die einander<br />
nicht unbedingt hundertprozentig<br />
vertrauen. Allerdings ist Vertrauen ein<br />
Faktor, der effiziente Zusammenarbeit wesentlich<br />
befördert – oder überhaupt erst<br />
ermöglicht. Hier kommt die Blockchain<br />
ins Spiel. Ein Team des Austrian Institute<br />
of Technology (AIT) unter Leitung<br />
von Ross King hat im Auftrag von CRIF<br />
und <strong>Handelsverband</strong> untersucht, wie<br />
die Technologie hinter Bitcoin im Supply-Chain-Management<br />
eingesetzt werden<br />
könnte. Derzeit ist die Blockchain ja in<br />
aller Munde. „Das ist zum einen wohlverdient“,<br />
sagt King. „Denn der Erfolg von<br />
Bitcoin beweist, dass die Technologie<br />
grundsätzlich funktioniert. Ein weniger<br />
guter Grund für den Hype liegt in dem<br />
dramatischen Preisanstieg von Bitcoin<br />
und manch anderen Kryptowährungen,<br />
der mit der Nützlichkeit der Technologie<br />
an und für sich nichts zu tun hat.“ King<br />
hat mit seinen Kollegen bestehende<br />
Blockchain-Anwendungen im Bereich<br />
landwirtschaftlicher Lieferketten untersucht.<br />
Der grundsätzliche Mehrwert einer<br />
Blockchain besteht darin, dass damit eine<br />
nahezu unveränderbare Transaktionshistorie<br />
geschaffen werden kann – von der<br />
Herkunft des Rohstoffs über die Verarbeitung<br />
bis zur Verpackungshistorie. „Blockchains<br />
könnten so ein neues Fundament<br />
für Transparenz, Rückverfolgbarkeit und<br />
damit Vertrauen schaffen“, so King.<br />
Das Problem der Schnittstelle<br />
Der Teufel liegt allerdings im Detail.<br />
„Es ist unklar, ob die Blockchain in jedem<br />
Anwendungsfall die geeignete Lösung<br />
ist, um das Supply-Chain-Management<br />
zu verbessern“, sagt der AIT-Forscher. Ein<br />
Problem ist die Schnittstelle zwischen der<br />
physischen und der digitalen Welt. In den<br />
vorliegenden Anwendungsfällen müssen<br />
Vorgänge von Menschen oder einer Maschine<br />
außerhalb der Blockchain protokolliert<br />
werden, erst dann können sie in der<br />
Blockchain unveränderbar und nachvollziehbar<br />
festgehalten werden. Wenn man<br />
diesen Einheiten (Menschen oder Maschinen)<br />
außerhalb der Blockchain ohnehin<br />
vertrauen kann, dann bräuchte man gar<br />
keine Blockchain. „Dann würde eine zentrale<br />
Datenbanklösung mit gemeinsamen<br />
Lese- und Schreibrechten ausreichen“,<br />
erklärt King. „Wenn man umgekehrt den<br />
externen Einheiten nicht vertrauen kann,<br />
dann kann auch die Blockchain das Vertrauensproblem<br />
nicht lösen.“<br />
Vorsicht bei „Smart Contracts“<br />
Ein Versprechen der Blockchain-Technologie<br />
besteht in einer weitreichenden<br />
Automatisierung des Wirtschaftsgeschehens.<br />
Eine zentrale Rolle nehmen dabei<br />
im Vorhinein programmierte und in der<br />
Blockchain abgelegte „Smart Contracts“<br />
ein: So könnte das Eintreffen eines<br />
Produkts an einem bestimmten Ort automatisch<br />
weitere Verarbeitungsschritte<br />
auslösen. Routineprozesse könnten<br />
auf diese Weise quasi selbstständig<br />
ablaufen. King und seine Kollegen<br />
raten jedoch vom Einsatz der smarten<br />
Verträge derzeit noch ab: „Grundlegende<br />
Eigenschaften und Bestandteile von Verträgen<br />
können derzeit nur unzureichend<br />
als ,Smart Contract‘ abgebildet werden.“<br />
Ein weiteres Problem besteht darin,<br />
dass in vielen Entwicklungsländern die<br />
technische Infrastruktur nicht ausreicht,<br />
um beispielsweise alle Bauern und<br />
Zwischenhändler als Teilnehmer einer<br />
Blockchain-Lösung einzubeziehen.<br />
Sämtliche vom AIT untersuchten Anwendungsfälle<br />
setzen auf sogenannte<br />
„permissioned blockchains“. Bei diesen<br />
können – im Gegensatz etwa zu Bitcoin –<br />
nur bestimmte Akteure teilnehmen,<br />
zudem ist der Zugang zu den Daten<br />
18 — April <strong>2018</strong>