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advantage Nr 3 Juli 2019

Vorteil in Wirtschaft und Leben

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18 <strong>advantage</strong> | Menschen & Wirtschaft <strong>advantage</strong> 19<br />

——— I n t e r v i e w ———<br />

Doch was ist das Unverfügbare? Und<br />

hat es der alte Mann mit dem weißen<br />

Bart – der Gott ihrer Eltern – erschaffen?<br />

Hätte man die Tochter der evangelischen<br />

Pfarrersfamilie während ihrer ersten 40<br />

Lebensjahren danach gefragt, hätte sie wohl<br />

eindeutig mit „Ja“ beantwortet. Heute –<br />

nach Jugendzeiten frommer Gläubigkeit,<br />

ihrem engagierten Theologiestudium, der<br />

Vertiefung in die Geschichte der unterschiedlichsten<br />

Religionen, unzähligen Reisen<br />

zu mehr oder weniger heiligen Orten dieser<br />

Welt, beeindruckender Bibelkenntnis und<br />

verspürter Langweile gegenüber einem alten<br />

Mann mit weißem Bart, abendlichem Beten<br />

voller Inbrunst, veralteten Gottesbildern und<br />

einer Zeichnung ihrer Tochter, die sie erstaunen<br />

ließ – hat sich ihr Gott verändert.<br />

Geblieben ist jedoch ihre Überzeugung, dass<br />

es etwas gibt, worüber wir nicht verfügen<br />

können. Etwas, dass jenseits der Grenze des<br />

Diesseits liegt. Und über diese Grenze hinaus<br />

zu denken, heißt Transzendenz zu<br />

denken.<br />

„Transzendenz bedeutet neben vielem<br />

anderen auch, Distanz zum Weltgeschehen<br />

zu bekommen. Es ist eine<br />

Distanz, die befreien kann von jenen<br />

Trieben, die unsere Welt und die<br />

Menschheit im Moment zu zerstören<br />

drohen. Es ist eine Distanz, die<br />

befreien kann von dem Wunsch, alles<br />

alleine zu besitzen, von dem Wunsch,<br />

die Welt und was auf ihr wächst und<br />

existiert, nicht teilen zu wollen.“<br />

—————————————<br />

„Weil Unendlichkeit<br />

das Gegenteil<br />

von Herrschaft ist“<br />

Und weil wir mit der Fähigkeit ausstaffiert<br />

wurden, über unsere Grenzen hinaus zu<br />

denken, und weil unsere Grenzen gar nicht<br />

so sehr unsere sind, sondern vielmehr das<br />

Ergebnis des Effiziensdenkens der Gesellschaft,<br />

in der wir leben, braucht es, so<br />

Schmidkunz, keine Ratgeberliteratur, die<br />

eine universelle Anleitung zum verloren<br />

gegangen Denkmodell der Transzendenz<br />

erklärt. Vielmehr bietet sie dem denkenden<br />

Leser mit ihrem Buch 180 Seiten essayistischer<br />

Beobachtungen über Religionsge­<br />

Renata Schmidtkunz,<br />

Moderatorin, Redakteurin<br />

und Dokumentarfilm-Regisseurin<br />

beim ORF.<br />

—————————————<br />

schichte, Herrschaftssysteme, Unverfügbarkeit,<br />

Liebe und gehirnerfrischende Dinge.<br />

Über Gottesbilder, die sich verändern, Solidarität<br />

und Gemeinschaft, über fast vergessene<br />

Worte und den Glauben daran, Teil<br />

einer Ganzheit zu sein. Kurz gesagt: Man<br />

wird angeregt, zu denken.<br />

Doch das Interesse an Transzendenz als<br />

Denkmodel scheint verloren gegangen. In<br />

Europa, dem Kontinent der großen Utopien,<br />

der vielfältigen religiösen Traditionen,<br />

ist an die Stelle Gottes (in welcher Form<br />

auch immer) die Logik der Finanzmärkte<br />

und die Notwendigkeit der Profiterzielung<br />

getreten. Denn was nichts bringt, wird nicht<br />

mehr gemacht. Höher, schneller, weiter<br />

scheint die Devise zu sein.<br />

Woher nimmt der Mensch dann<br />

noch Kraft und Mut für Ideen?<br />

Für Träume?<br />

Das, was uns zum Menschen macht – nämlich<br />

die Fähigkeit zu Liebe, Freude, Mitgefühl<br />

oder Barmherzigkeit– ist nicht in<br />

Warenwert zu ermessen. Also nichts wert?<br />

Dass die Entwertung einer Gesellschaft<br />

dann beginnt, wenn man alles zu einer Ware<br />

macht, scheinen wir – in einer utopielosen<br />

Welt – vergessen zu haben. Schmidtkunz<br />

plädiert also eindringlich dafür, dass die<br />

Kraft, aus der wir schöpfen können – und<br />

auch müssen – in Kommunikation,<br />

Gemeinschaft und Solidarität zwischen<br />

Menschen, in Kunst und Poesie liegt. Auch<br />

in der Liebe, also in der Ganzheit, also in<br />

Gott, also in der Transzendenz. Und nicht<br />

nur die Kraft kommt von hier, auch der<br />

Sinn für ein gerechtes und gutes Leben –<br />

unabhängig von Geschlecht oder Herkunft<br />

– verbirgt sich hinter den vorgegebenen<br />

Grenzen unseres Denkens. Denn wenn<br />

Grenzen aufhören, hört auch Herrschaft<br />

auf. Oder, um es mit Schmidtkunz Worten<br />

zu sagen: „Weil Unendlichkeit das Gegenteil<br />

von Herrschaft ist.“<br />

Wer im Buch des Denkens also auf die<br />

zusammengefassten „Big five for Transcendence“<br />

hofft, wird nicht fündig werden.<br />

Vielmehr stößt man in jedem Kapitel au<br />

etliche Aussagen, die dazu einladen, sich<br />

von der üblichen Perspektive zu lösen und<br />

sich aus der Distanz einen Blick auf unseren<br />

Planeten zu gönnen. Schon möglich, dass<br />

man sich nach der Lektüre gegen die Dystopien<br />

unserer Zeit und sinnfreie Gespräche<br />

wehren will, dass man seine Sinne schärfen<br />

und Lebendigkeit erfahren will, dass man<br />

die Schönheit der Dinge, die mit Liebe und<br />

Leidenschaft hergestellt wurden, finden<br />

kann und die Unverfügbarkeit von<br />

Erdbeeren im Winter respektieren möchte.<br />

Wie wäre es, sich ganz plötzlich einmal<br />

mit anderen Fragen zu beschäftigen?<br />

In welcher Welt will ich leben?<br />

Wem will ich helfen?<br />

Was will ich noch lernen?<br />

Wer inspiriert mich?<br />

Was ist mein Traum? |<br />

Buchinfos<br />

Renata Schmidtkunz<br />

Himmlisch frei.<br />

Warum wir wieder<br />

mehr Transzendenz<br />

brauchen.<br />

Verlag: edition a<br />

Foto: WKK/Helge Bauer<br />

Kärnten ist seit Jahren das<br />

Bundesland mit der schlechtesten<br />

Bevölkerungsprognose.<br />

Wie sehen Sie diese Entwicklung?<br />

Jürgen Mandl: Besorgt. Uns betreffen<br />

Problematiken wie Abwanderung und Überalterung.<br />

Hier verzeichnen wir Rückgänge,<br />

wo andere Bundesländer Zuwächse haben.<br />

30.000 Fachkräfte werden in Kärnten fehlen<br />

– und zwar nicht irgendwann, sondern<br />

2030. Was Kärnten braucht, sind also nicht<br />

politische Sonntagsreden, Lippenbekenntnisse<br />

und Alibiaktionen wie die Welcome-<br />

Center oder die Standortinitiative ohne<br />

Mittel, sondern konkrete Maßnahmen.<br />

Was stellen Sie sich vor?<br />

Wir brauchen zündende Ideen, wir<br />

brauchen ein glaubwürdiges Versprechen,<br />

mit dem wir junge Menschen in Kärnten<br />

halten können und andere dazu bewegen, zu<br />

uns zu kommen. Das heißt: Arbeitsplätze,<br />

Wohnungen, Bildungsangebote, Kinderbetreuungseinrichtungen<br />

– und das alles<br />

besser gestern als morgen. Dazu gehören<br />

aber auch Leuchtturmprojekte wie unser<br />

MAKERSPACE Carinthia: Damit haben<br />

wir einen Ort geschaffen, an dem sich Innovationstreiber<br />

austauschen können und ihre<br />

Ideen durch die Entwicklung von Prototypen<br />

verwirklichen können. Ein, wie ich<br />

finde, extrem wichtiger Ansatz in der Anpassung<br />

an neue Arbeitswelten.<br />

mit Jürgen Mandl,<br />

WK-Präsident<br />

Mission für ein starkes Kärnten<br />

WK-Präsident Jürgen Mandl hat ein klares Ziel vor Augen:<br />

Bis 2030 soll Kärnten der beste Lebensstandort in Österreich sein.<br />

Wie er den Stern des Südens aufgehen lassen will, erzählt er im Interview.<br />

Die wirtschaftliche Grundstimmung<br />

im Land ist aber prinzipiell nicht<br />

schlecht, oder?<br />

Keineswegs. In einer gemeinsamen Anstrengung<br />

der konstruktiven politischen Kräfte<br />

im Land ist es in den vergangenen Jahren<br />

gelungen, den Trend umzukehren, die<br />

Vergangenheit wirtschafts- und finanzpolitisch<br />

aufzuarbeiten und wesentliche<br />

Weichen in Richtung Zukunft zu stellen.<br />

Dabei kommt den Kärntner Unternehmerinnen<br />

und Unternehmern eine besondere<br />

Bedeutung zu, denn: Wirtschaft ist nicht<br />

alles, aber Grundlage für alles. Ohne gesunde<br />

Betriebe keine sicheren Arbeitsplätze, ohne<br />

gute Einkommen kein Wohlstand, keine<br />

Steuern, keine soziale Sicherheit, keine<br />

Lebensqualität.<br />

Wo soll Kärnten Ihrer Meinung<br />

nach 2030 stehen?<br />

Ich habe eine klare Vorstellung: Kärnten<br />

soll bis dahin der beste Lebensstandort in<br />

Österreich sein. Ein Stern des Südens, wo<br />

Menschen gerne leben und arbeiten.<br />

Wie soll diese Ziel erreicht werden?<br />

Ich stelle mir ein Aufholprogramm vor. Mit<br />

diesem haben wir erfreulicherweise bereits<br />

begonnen. Kärnten nimmt seit zwei Jahren<br />

eine Vorreiterrolle in Österreich ein. 2017<br />

haben wir mit +3,9 Prozent das stärkste<br />

Wirtschaftswachstum aller Bundesländer<br />

erzielt. 2018 waren wir zweiter hinter der<br />

Steiermark. Und die aktuellen Wirtschaftsdaten<br />

geben Anlass zur Hoffnung, dass<br />

wir diesen Aufholprozess durch eine kluge<br />

Wirtschaftspolitik des Landes fortsetzen<br />

können. Damit das so bleibt, ist es wichtig,<br />

dass das Land die richtigen Investitionsschwerpunkte<br />

setzt: Dazu zählen die Infrastruktur<br />

mit Breitband-Internet, Export,<br />

Qualitätstourismus und eine weitere<br />

Steigerung der Investitionsbereitschaft der<br />

Betriebe durch Entbürokratisierungsmaßnahmen.<br />

Ein besonderer Glücksfall ist<br />

natürlich die Investition von Infineon am<br />

Standort Villach von insgesamt 1,6 Milliarden<br />

Euro. Das wird langfristig eine positive<br />

Veränderung des gesamten Landes und eine<br />

weitere Internationalisierung bewirken Dazu<br />

kommen in den nächsten Jahren mit dem<br />

Koralmtunnel und der neuen chinesischen<br />

Seidenstraße bis zu den Häfen Triest,<br />

Venedig, Rijeka und Koper zwei Jahrhundertchancen,<br />

die Kärnten aus der<br />

ewigen Randlage herausrücken und zu<br />

einem dynamischen Logistikschnittpunkt<br />

zwischen Süd-, Mittel- und Osteuropa<br />

machen können. Wenn wir das konsequent<br />

umsetzen, wird er aufgehen, unser Stern<br />

des Südens. |

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