Waffenmarkt-Intern 02/2020
Waffenmarkt-Intern – Das Insider-Magazin für Jagd, Messer, Schießsport und Security / Ausgabe Februar 2020
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<strong>02</strong>/2<strong>02</strong>0 · 44 Marketing & Wirtschaft<br />
Der Laden als „Third Place“<br />
Ein Ort zum Wohlfühlen. Ein Ort, um<br />
andere Menschen zu treffen. Um zu<br />
entspannen, kreativ zu sein, sich weiterzubilden,<br />
unterhalten zu werden.<br />
Hier soll man sich möglichst lange<br />
aufhalten – und natürlich kaufen. Dem<br />
Einzelhandel kommen zunehmend die<br />
unterschiedlichsten Aufgaben zu, um<br />
den Umsatz langfristig anzukurbeln.<br />
Ein Geschäft muss heutzutage mehr<br />
bieten als lediglich die zu verkaufenden<br />
Produkte. Denn dass das Shoppen<br />
ein echtes Erlebnis sein soll, um gegen<br />
die Konkurrenz – insbesondere<br />
den dominanten Onlinehandel – zu bestehen,<br />
ist inzwischen hinlänglich bekannt.<br />
Und das gelingt mit großer<br />
Wahrscheinlichkeit am besten, wenn die Vorzüge des direkten und persönlichen<br />
Kundenkontaktes entsprechend ausgespielt werden. Um<br />
Konsumenten in die Läden vor Ort zu locken, müssen dann natürlich stetig<br />
neue Strategien und Konzepte entwickelt werden.<br />
Um Kunden zum Kaufen zu verführen, werden – bewusst und unterbewusst<br />
– sämtliche Sinne angesprochen: Nicht nur das Sehen, sondern<br />
auch das Hören, Riechen, Schmecken und vor allem das Fühlen – sowohl<br />
haptisch als auch emotional – werden bei der Shopgestaltung mehr und<br />
mehr berücksichtigt. Hintergrundmusik, spezielle Beleuchtung, Duftmarketing,<br />
Probierhäppchen, die Raumtemperatur oder die Anordnung der<br />
Waren – praktisch nichts wird dem Zufall überlassen. Läden sind in der<br />
heutigen Zeit im Prinzip bereits multifunktionale Räume und nicht mehr<br />
nur Flächen, in denen Geschäfte abgewickelt werden. Sie sind offen und<br />
interaktiv gestaltet, sodass die Kunden in großzügig bemessenen Bereichen<br />
die Produkte idealerweise live erleben können. Doch zwischenzeitig<br />
geht die Entwicklung sogar noch einen Schritt weiter: Angelehnt an die<br />
Idee des „Third Place“ mutieren Geschäfte vieler Branchen immer mehr<br />
zur wahren „Begegnungstätten“.<br />
Entliehen beim amerikanischen Soziologen Ray Oldenburg, der bereits 1989<br />
in seinem Werk „The Great Good Place“ das Konzept des „Dritten Ortes“ erstmals<br />
umfassend vorgestellt hat, gewinnt diese Idee auch im Einzelhandel<br />
zunehmend an Bedeutung. Gemeint ist damit ursprünglich Folgendes: „Seiner<br />
Auffassung nach dient der Erste Ort dem Arbeits-, der Zweite Ort dem<br />
Familienleben. Der Dritte Ort bietet zu beidem einen Ausgleich und ist ein<br />
Treffpunkt für die nachbarschaftliche Gemeinschaft“, heißt es bei Wikipedia.<br />
Und weiter: „Oldenburg zufolge soll ein Dritter Ort acht Charakteristika aufweisen:<br />
Erstens befindet er sich auf neutralem Boden, jeder außer den dort<br />
arbeitenden Menschen kann daher kommen und gehen, wie es ihm beliebt.<br />
Zweitens steht er grundsätzlich allen Bevölkerungsschichten offen und soziale<br />
Unterschiede werden abgeschwächt. Drittens ist Konversation erwünscht.<br />
Viertens sind Dritte Orte einfach zu erreichen. Fünftens verfügen<br />
sie über Stammgäste. Sechstens steht die Optik des Dritten Orts nicht über<br />
seiner Funktion, Oldenburg spricht von einem ‚low profile‘. Siebtens herrscht<br />
eine spielerische (‚playful‘) Stimmung, allzu ernste Themen werden vor der<br />
Tür gelassen. Achtens dient der Dritte Ort als zweite Heimat bzw. Zweitfamilie.“<br />
www.wikipedia.de<br />
Die Amerikaner, die den Begriff „Third Place“ geprägt haben, verstehen darunter<br />
also einen informellen, sozialen Treffpunkt jenseits von den beruflichen<br />
Zwängen des Arbeitsplatzes und den häuslichen Verpflichtungen in<br />
den privaten Wohnräumen. Während für Oldenburg beispielsweise deutsche<br />
Biergärten, die Wiener Kaffeehäuser oder britische Pubs typische<br />
„Dritte Orte“ waren, trifft dies inzwischen überwiegend auch auf Bibliotheken<br />
zu, die meist nach räumlichen Umbauten über die reine Ausgabe und<br />
Rücknahme von Büchern heute zu einem Treffpunkt ohne Konsumzwang<br />
oder einem Forum für Lesungen oder Vorträge geworden sind.<br />
Soweit zur Ursprungsidee, doch schon bald hat sich die konsumorientierte<br />
Welt dieses Begriffes bemächtigt. So war die Starbucks-Kette eines der ersten<br />
Unternehmen, das seine Cafés als „Dritte Orte“ bezeichnet hat – obwohl<br />
die Gäste sie dank WLAN durchaus auch als Arbeitsorte (per Laptop, Tablet<br />
oder Smartphone) nutzen. Dem Beispiel Starbucks folgend sind auch und<br />
gerade Buchhandlungen immer häufiger „Third Places“: In den dort zum<br />
Verkauf angebotenen Büchern zu stöbern und nebenher einen Tee, Kaffee<br />
oder ein Kaltgetränk – idealerweise in Verbindung mit einem Snack oder<br />
einem Stück Kuchen – zu genießen, lädt förmlich zum Verweilen ein.<br />
Etwas weit ausgeführt nun zurück zur Branche der Jäger und Sportschützen.<br />
Denn: „So individuell, die Konzepte des stationären Handels in den unterschiedlichen<br />
Branchen auch sind, ihre Zielsetzung ist in der Regel identisch:<br />
Sie alle wollen ein ‚Third Place‘ für ihre Kunden sein – ein sogenannter<br />
dritter Ort, den die Menschen neben ihrem Zuhause (erster Ort) und ihrem<br />
Arbeitsplatz (zweiter Ort) ganz selbstverständlich aufsuchen, um dort andere<br />
Menschen zu treffen, sich mit ihnen auszutauschen und sich wohlzufühlen“,<br />
heißt es etwa in einem Bericht des EHI Retail Institute, dem Forschungs-<br />
und Beratungsinstitut für den Handel und seine Partner, das sich<br />
mit solchen Fachthemen unter anderem im Handelsmagazin „stores+shops“<br />
beschäftigt. Was lässt sich also von diesen Ideen in den Ladenlokalen für<br />
www.wm-intern.de<br />
Bilder: © EHI – Jens Pfisterer, © Jahr Top Special Verlag