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Ausgabe 04-2011

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Schwerpunktthema Dichtheitsprüfung<br />

ist ein Instandhaltungsrückstand in gigantischem Ausmaß.<br />

Unbestritten ist, dass mit einer GE-Anlagenschadensrate von<br />

bis zu 90 Prozent gerechnet werden muss. Die Gesamtkos-ten<br />

für die erstmalige Instandhaltungsaufnahme inklusive aller Planungs-<br />

und Ingenieurleistungen können mit rund 330,- Euro<br />

pro Meter angesetzt werden. Wird eine GE-Anlagengesamtlänge<br />

von geschätzten 1.000.000 km und eine sanierungsbedürftige<br />

Schadensrate von nur (!) 50 Prozent zugrunde gelegt,<br />

wären rund 500.000 km privater Abwasserleitungen kurz- bis<br />

mittelfristig zu sanieren. Folglich wären rund 165 Milliarden<br />

Euro aufzubringen, um die Hälfte des gesamten privaten Entwässerungsnetzes<br />

zu sanieren [14], [15]. Diese zurückhaltende<br />

monetäre Bewertung des Sanierungsvolumens vermittelt einen<br />

ersten Eindruck über den anstehenden Instandhaltungsbedarf<br />

auf privaten Grundstücken.<br />

Die große Menge privater Entwässerungsanlagen befindet sich nach wie vor<br />

in desolatem Zustand. Der Instandhaltungsrückstand hat ein gigantisches Ausmaß.<br />

Mit ausgiebigen Diskussionen über den Schutz von Boden<br />

und Grundwasser und der Identifizierung von Handlungsfeldern<br />

ging in der Vergangenheit viel Zeit ins Land – zu viel.<br />

Je mehr Fachleute sich mit Vorschlägen beschäftigten, desto<br />

mehr Schwierigkeiten traten auf. Dies mag auch damit zusammenhängen,<br />

dass sich der Gehalt von Handlungsansätzen<br />

naturgemäß erst in den Details offenbart. Entscheidende Fortschritte<br />

konnten jedoch nicht erzielt werden. Nach allem, was<br />

die Praxis bislang gelehrt hat, ist davon auszugehen – dies ist<br />

an dieser Stelle einmal deutlich zum Ausdruck zu bringen –,<br />

dass gemächliche politische Entscheidungsprozesse und bürokratische<br />

Schwerfälligkeiten in den Zuständigkeitsregelungen<br />

und -organisationen die umfassende Aufnahme der Untersuchung<br />

und Sanierung von Entwässerungsanlagen auf privaten<br />

Grundstücken nicht fördern, sondern behindern. Die tägliche<br />

Praxis liefert Hinweise: So werden etwa Untersuchungs- und<br />

Sanierungsaufforderungen über die Stadt- und Kommunalpolitik<br />

nur sehr zögerlich an GE-Anlagenbetreiber herangetragen.<br />

Gelegentlich wird auch ganz gezielt vermieden, mit der<br />

brisanten Angelegenheit auf Bürger zuzugehen. Offenbar soll<br />

der ohnehin schon strapazierten Politikakzeptanz nicht noch<br />

weiterer Vorschub geleistet werden. Und in manchen Fällen<br />

wird sogar mehr oder weniger offen zugegeben, dass sich<br />

Inaktivitätsvarianten wie die des »Wegsehens«, des »Nichtregelns«<br />

oder des »Abwartens« mit Blick auf (Wieder-)Wahlen<br />

und politische Karrieren durchaus als nutzbringende Wege<br />

erweisen können.<br />

Manch einflussreicher Verfechter des »Weiter so« steuert in diesem<br />

Zusammenhang auch gerne die ebenso volksnahe wie<br />

opportunistische Grundsatzfrage bei, ob flächendeckende<br />

Erstprüfungen von GE-Anlagen in Zeiten großer Sparnotwendigkeiten<br />

angebracht sind, zumal die von diesen Anlagen<br />

ausgehenden Gefahren doch als gering und deshalb als vernachlässigbar<br />

einzuschätzen seien, da sie in der Regel nicht<br />

kontinuierlich beaufschlagt werden und zudem deutlich geringere<br />

Abwasservolumina als öffentliche Kanäle führen. Von<br />

daher müsse auch von geringeren Exfiltrationsraten ausgegangen<br />

werden.<br />

Welche Gedankenwelten dahinterstecken, erschließt sich auf<br />

den ersten Blick nicht. Dass solche Sichtweisen technisch gesehen<br />

allenfalls auf Einzelfallbetrachtungen zutreffen, letztlich<br />

aber alle häuslichen Abwässer, welche von der öffentlichen<br />

Kanalisation aufgenommen und abgeleitet werden, über private<br />

Abwasserleitungen, die im Übrigen um ein Mehrfaches<br />

schadhafter als öffentliche Kanäle sind, in die öffentliche Kanalisation<br />

gelangen und somit das absolute Schadenspotenzial<br />

aller GE-Anlagen im Land von Interesse ist und nicht nur das<br />

einzelner GE-Anlagen oder gar einzelner Abwasserleitungen,<br />

steht außer Frage. Insofern mag hier mangelndes Fachwissen<br />

erklärend sein. Getragen werden solche Argumentationslagen<br />

aber wohl auch von der Tatsache, dass Bau- und<br />

Instandhaltungsmaßnahmen an öffentlichen Abwasseranlagen<br />

gebührenwirksam sind und damit über die Allgemeinheit<br />

der an diese Anlagen angeschlossenen GE-Anlagenbetreiber<br />

abgetragen werden. Gebührenerhöhungen oder einmalige<br />

Beiträge für die Errichtung, die Sanierung und den Betrieb öffentlicher<br />

Abwasseranlagen werden in den zuständigen politischen<br />

Gremien diskutiert und beschlossen – im Hinblick auf<br />

private GE-Anlagen wären unbequeme und direkte Bürgeransprachen<br />

erforderlich.<br />

Die diskursive Verlagerung auf die genannten und nun unendlich<br />

bemühten Probleme trägt kaum zur Lösung der gegenwärtigen<br />

entwässerungstechnischen Situation auf privaten<br />

Grundstücken bei. Die vorgebrachten Erklärungsketten wirken<br />

in der Regel zwar überlegt – überzeugen können sie aber<br />

nicht. Schließlich sind die abwassertechnischen Problemstellungen<br />

auf privaten Grundstücken nicht neu. Und formale,<br />

sachliche oder gesetzliche Einschränkungen, kommunal- und<br />

ortsgesetzliche Vorgaben zu konzipieren und umzusetzen, bestanden<br />

in der Vergangenheit nicht. Es stand ein genügend<br />

langer Zeitraum zur Verfügung, um anstehende Aufgaben einzuleiten<br />

und Maßnahmen zu ergreifen.<br />

Da passt eine von der EU-Kommission gesetzte Nachfrist von<br />

zwei Monaten für die Umsetzung von EU-Vorschriften über<br />

strafrechtliche Sanktionen bei Meeresverschmutzungen und<br />

anderen Umweltdelikten, gut ins Bild. Aus einer Pressemitteilung<br />

vom 16. Juni <strong>2011</strong> geht hervor, dass neben anderen<br />

Mitgliedsstaaten der EU auch Deutschland trotz früherer<br />

Mahnungen wiederholt dazu aufgefordert werden musste, die<br />

RO-KA-TECH Journal <strong>04</strong> / <strong>2011</strong> | 33

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