Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Schwerpunktthema Dichtheitsprüfung<br />
ist ein Instandhaltungsrückstand in gigantischem Ausmaß.<br />
Unbestritten ist, dass mit einer GE-Anlagenschadensrate von<br />
bis zu 90 Prozent gerechnet werden muss. Die Gesamtkos-ten<br />
für die erstmalige Instandhaltungsaufnahme inklusive aller Planungs-<br />
und Ingenieurleistungen können mit rund 330,- Euro<br />
pro Meter angesetzt werden. Wird eine GE-Anlagengesamtlänge<br />
von geschätzten 1.000.000 km und eine sanierungsbedürftige<br />
Schadensrate von nur (!) 50 Prozent zugrunde gelegt,<br />
wären rund 500.000 km privater Abwasserleitungen kurz- bis<br />
mittelfristig zu sanieren. Folglich wären rund 165 Milliarden<br />
Euro aufzubringen, um die Hälfte des gesamten privaten Entwässerungsnetzes<br />
zu sanieren [14], [15]. Diese zurückhaltende<br />
monetäre Bewertung des Sanierungsvolumens vermittelt einen<br />
ersten Eindruck über den anstehenden Instandhaltungsbedarf<br />
auf privaten Grundstücken.<br />
Die große Menge privater Entwässerungsanlagen befindet sich nach wie vor<br />
in desolatem Zustand. Der Instandhaltungsrückstand hat ein gigantisches Ausmaß.<br />
Mit ausgiebigen Diskussionen über den Schutz von Boden<br />
und Grundwasser und der Identifizierung von Handlungsfeldern<br />
ging in der Vergangenheit viel Zeit ins Land – zu viel.<br />
Je mehr Fachleute sich mit Vorschlägen beschäftigten, desto<br />
mehr Schwierigkeiten traten auf. Dies mag auch damit zusammenhängen,<br />
dass sich der Gehalt von Handlungsansätzen<br />
naturgemäß erst in den Details offenbart. Entscheidende Fortschritte<br />
konnten jedoch nicht erzielt werden. Nach allem, was<br />
die Praxis bislang gelehrt hat, ist davon auszugehen – dies ist<br />
an dieser Stelle einmal deutlich zum Ausdruck zu bringen –,<br />
dass gemächliche politische Entscheidungsprozesse und bürokratische<br />
Schwerfälligkeiten in den Zuständigkeitsregelungen<br />
und -organisationen die umfassende Aufnahme der Untersuchung<br />
und Sanierung von Entwässerungsanlagen auf privaten<br />
Grundstücken nicht fördern, sondern behindern. Die tägliche<br />
Praxis liefert Hinweise: So werden etwa Untersuchungs- und<br />
Sanierungsaufforderungen über die Stadt- und Kommunalpolitik<br />
nur sehr zögerlich an GE-Anlagenbetreiber herangetragen.<br />
Gelegentlich wird auch ganz gezielt vermieden, mit der<br />
brisanten Angelegenheit auf Bürger zuzugehen. Offenbar soll<br />
der ohnehin schon strapazierten Politikakzeptanz nicht noch<br />
weiterer Vorschub geleistet werden. Und in manchen Fällen<br />
wird sogar mehr oder weniger offen zugegeben, dass sich<br />
Inaktivitätsvarianten wie die des »Wegsehens«, des »Nichtregelns«<br />
oder des »Abwartens« mit Blick auf (Wieder-)Wahlen<br />
und politische Karrieren durchaus als nutzbringende Wege<br />
erweisen können.<br />
Manch einflussreicher Verfechter des »Weiter so« steuert in diesem<br />
Zusammenhang auch gerne die ebenso volksnahe wie<br />
opportunistische Grundsatzfrage bei, ob flächendeckende<br />
Erstprüfungen von GE-Anlagen in Zeiten großer Sparnotwendigkeiten<br />
angebracht sind, zumal die von diesen Anlagen<br />
ausgehenden Gefahren doch als gering und deshalb als vernachlässigbar<br />
einzuschätzen seien, da sie in der Regel nicht<br />
kontinuierlich beaufschlagt werden und zudem deutlich geringere<br />
Abwasservolumina als öffentliche Kanäle führen. Von<br />
daher müsse auch von geringeren Exfiltrationsraten ausgegangen<br />
werden.<br />
Welche Gedankenwelten dahinterstecken, erschließt sich auf<br />
den ersten Blick nicht. Dass solche Sichtweisen technisch gesehen<br />
allenfalls auf Einzelfallbetrachtungen zutreffen, letztlich<br />
aber alle häuslichen Abwässer, welche von der öffentlichen<br />
Kanalisation aufgenommen und abgeleitet werden, über private<br />
Abwasserleitungen, die im Übrigen um ein Mehrfaches<br />
schadhafter als öffentliche Kanäle sind, in die öffentliche Kanalisation<br />
gelangen und somit das absolute Schadenspotenzial<br />
aller GE-Anlagen im Land von Interesse ist und nicht nur das<br />
einzelner GE-Anlagen oder gar einzelner Abwasserleitungen,<br />
steht außer Frage. Insofern mag hier mangelndes Fachwissen<br />
erklärend sein. Getragen werden solche Argumentationslagen<br />
aber wohl auch von der Tatsache, dass Bau- und<br />
Instandhaltungsmaßnahmen an öffentlichen Abwasseranlagen<br />
gebührenwirksam sind und damit über die Allgemeinheit<br />
der an diese Anlagen angeschlossenen GE-Anlagenbetreiber<br />
abgetragen werden. Gebührenerhöhungen oder einmalige<br />
Beiträge für die Errichtung, die Sanierung und den Betrieb öffentlicher<br />
Abwasseranlagen werden in den zuständigen politischen<br />
Gremien diskutiert und beschlossen – im Hinblick auf<br />
private GE-Anlagen wären unbequeme und direkte Bürgeransprachen<br />
erforderlich.<br />
Die diskursive Verlagerung auf die genannten und nun unendlich<br />
bemühten Probleme trägt kaum zur Lösung der gegenwärtigen<br />
entwässerungstechnischen Situation auf privaten<br />
Grundstücken bei. Die vorgebrachten Erklärungsketten wirken<br />
in der Regel zwar überlegt – überzeugen können sie aber<br />
nicht. Schließlich sind die abwassertechnischen Problemstellungen<br />
auf privaten Grundstücken nicht neu. Und formale,<br />
sachliche oder gesetzliche Einschränkungen, kommunal- und<br />
ortsgesetzliche Vorgaben zu konzipieren und umzusetzen, bestanden<br />
in der Vergangenheit nicht. Es stand ein genügend<br />
langer Zeitraum zur Verfügung, um anstehende Aufgaben einzuleiten<br />
und Maßnahmen zu ergreifen.<br />
Da passt eine von der EU-Kommission gesetzte Nachfrist von<br />
zwei Monaten für die Umsetzung von EU-Vorschriften über<br />
strafrechtliche Sanktionen bei Meeresverschmutzungen und<br />
anderen Umweltdelikten, gut ins Bild. Aus einer Pressemitteilung<br />
vom 16. Juni <strong>2011</strong> geht hervor, dass neben anderen<br />
Mitgliedsstaaten der EU auch Deutschland trotz früherer<br />
Mahnungen wiederholt dazu aufgefordert werden musste, die<br />
RO-KA-TECH Journal <strong>04</strong> / <strong>2011</strong> | 33