Taxi Times DACH - November/Dezember 2019
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TITELSTORY<br />
DIE GEPLATZTE<br />
NACHHALTIGKEITSBLASE<br />
Jahrelang wurden uns neue Mobilitäts-Apps als klimarettende Heilsbringer<br />
verkauft. Mittlerweile ist das als große Lüge entlarvt und Politik und Bürger sehen<br />
das deutlich differenzierter. Dazu hat auch das <strong>Taxi</strong>gewerbe beigetragen.<br />
Was war das noch für ein Hype in den Jahren 2014 bis<br />
2018. Uber, Lyft &. Co inszenierten sich als die<br />
Weltretter. Sie waren die modernen App-Vermittler,<br />
die den Menschen endlich eine Beförderungsalternative zu den<br />
anachronistisch und eingestaubten <strong>Taxi</strong>s bieten konnten. Fahrten<br />
mit Uber, Lyft, später dann auch mit Moia, CleverShuttle und seit<br />
Neuestem auch mit Free Now, dem <strong>Taxi</strong>-Verräter des Jahres (siehe<br />
Beitrag auf Seite 38), sollten nicht nur billiger sein, sie sollten<br />
auch die Luft verbessern und den Verkehr reduzieren, weil all<br />
diese Menschen dank der neuen Plattformen jetzt endgültig auf<br />
ihr eigenes Fahrzeug verzichten würden.<br />
Doch all diese Versprechen haben sich nicht erfüllt, im Gegenteil,<br />
sie haben sogar das Gegenteil bewirkt. Es war ein langer und<br />
schleichender Prozess, der nach und nach zu einer Bewusstseinsveränderung<br />
innerhalb der Politik und der Gesellschaft geführt<br />
hat. Das konnte man speziell im Jahr <strong>2019</strong> beobachten und der<br />
Höhepunkt wurde vor einigen Wochen<br />
mit einer weltweiten Aktion mehrerer<br />
Naturschutzverbünde erreicht. Uber &<br />
Co. werden mittlerweile nicht mehr als<br />
klima- und gesellschaftspolitische Heilsbringer,<br />
sondern als Umweltzerstörer<br />
und Sozialcrasher gesehen.<br />
Der Umweltschutzbund NABU<br />
spricht inzwischen von einer „Uberkalypse“,<br />
die unbedingt gestoppt werden<br />
muss. Sie haben deshalb Ende <strong>November</strong><br />
eine gleichnamige Aktion gestartet<br />
und fordern die Bürger dazu auf, eine<br />
Protestmail an den Bundesverkehrsminister<br />
Andreas Scheuer zu schreiben,<br />
damit dieser der „Uberkalypse einen Riegel<br />
vorschiebt“ und die Städte vor einer<br />
Autoflut rettet. „Uber will in Deutschland<br />
massiv expandieren und dafür bestehende<br />
Gesetze aufweichen. Dies würde zu<br />
einem massiven Anstieg an Autoverkehr<br />
und klimaschädlichen Abgasen führen“,<br />
begründet der NABU seinen Appell an<br />
»Das Geschäftsmodell<br />
ist trotz Apps eine<br />
Welt von vorgestern.«<br />
Der Naturschutzbund NABU ruft zum<br />
Protest gegen die „Uberkalypse“ auf.<br />
Herrn Scheuer. Uber bringe Tausende zusätzliche Pkw auf die Straßen<br />
und sorge so für Millionen mit dem Auto zurückgelegte Kilometer<br />
– vornehmlich in den Innenstädten, wo der US-Vermittlerr<br />
mit öffentlichem Nahverkehr konkurriere.<br />
„Uber inszeniert sich gerne als Teil einer neuen Mobilitätswelt“,<br />
schreibt der NABU. „Aber in Wirklichkeit will man dem umweltfreundlichen,<br />
öffentlichen Nahverkehr Fahrgäste abjagen. Mit<br />
Kampfpreisen unterbietet die appbasierte Plattform die gesetzlich<br />
festgelegten Beförderungstarife der <strong>Taxi</strong>s und sorgt so für zusätzliche<br />
Fahrten.<br />
Noch bemerkenswerter als die Klimaschutzforderung ist bei<br />
dieser Aktion die Tatsache, dass der NABU auch die gesellschaftliche<br />
Schieflage anprangert, die durch Uber & Co. entsteht. „Uber<br />
sieht sich nicht als Arbeitgeber und bietet kein sicheres Einkommen,<br />
geregelte Arbeitszeiten oder Altersvorsorge. Stattdessen<br />
müssen Sub-Unternehmer einen großen Teil ihrer Einnahmen an<br />
Uber als Gebühren abgeben. Das<br />
Geschäftsmodell der Auto-Mobilität ist<br />
trotz Apps und Image eine Welt von vorgestern.“<br />
Speziell bei Uber komme noch<br />
erschwerend hinzu, dass man sich nicht<br />
an geltende Gesetze halte. „Geltendes<br />
Recht erlaubt den Fahrdienstservice<br />
eigentlich nicht“, hat der NABU erkannt.<br />
Als Beleg dafür wird das UberX-Verbot<br />
des Kölner Landgerichts angeführt, das<br />
Uber nicht anerkennt (siehe Beitrag ab<br />
Seite 12).<br />
„Deshalb soll jetzt ein neues Gesetz<br />
her, dass Ubers Expansion offiziell absegnet.<br />
Die geplante Überarbeitung des Personenbeförderungsgesetzes<br />
könnte so<br />
dem Anbieter Tor und Tür öffnen“, warnt<br />
der NABU vor einer „uberfreundlich“ ausgestalteten<br />
Liberalisierung des Personenbeförderungsgesetzes<br />
PBefG.<br />
Die Warnung ist ganz speziell an Bundesverkehrsminister<br />
Andreas Scheuer<br />
FOTOS: Adobe Stock / macrovector / magann / satapatms / kichigin19<br />
6 NOVEMBER / DEZEMBER / <strong>2019</strong> TAXI