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<strong>DE</strong>UTSCHLAND<br />
MÄRZ <strong>2020</strong>, € 2,50<br />
ABSEITS <strong>DE</strong>S ALLTÄGLICHEN<br />
SPRICHST DU<br />
<strong>DE</strong>UTSCHRAP?<br />
Teste dein Wissen<br />
im großen Quiz<br />
DAVE<br />
BAUTISTA<br />
Wie der<br />
Hollywood-Star<br />
lernte, seinen<br />
Gefühlen zu<br />
vertrauen<br />
DIE EIS-EILIGE<br />
Short-Track-Star ANNA SEI<strong>DE</strong>L<br />
erklärt, wie sie ihre Aufregung<br />
in Kraft verwandelt<br />
Für Abonnenten der<br />
JETZT ABONNIEREN!<br />
GETREDBULLETIN.COM
LET’S<br />
KEEP ON<br />
BUILDING<br />
STEAM<br />
youtu.be/qKyvk5aww3k<br />
LET’S<br />
ON ROL
STEAM. SPLASH.<br />
SPRAY.<br />
CLIFF 4×4<br />
ADVENTURE VAN<br />
SUNLIGHT<br />
BUILDING DREAMS<br />
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Wir sind Erlebnis-Nomaden. Wir lieben das<br />
Abenteuer. Und wir tragen Träume in uns,<br />
die genauso raus müssen in die Welt wie<br />
wir … Deshalb haben wir eine unserer großen<br />
Visionen Wirklichkeit werden lassen: Wir<br />
haben den ultimativen Adventure Van<br />
gebaut – stark, völlig verrückt und absolut<br />
einzigartig.<br />
Der Adventure Van bringt uns nicht nur<br />
überall hin, er ist selbst ein Abenteuer.<br />
Unser CLIFF 4 × 4 hat eine Winch auf dem<br />
Dach, eine Kletterwand am Heck und<br />
einen Kicker an Bord. Die Dusche ist genauso<br />
flexibel wie Sofa, Bett und Boomboxen.<br />
Man kann die Slackline spannen, das<br />
Bike in den Montageständer klemmen und<br />
inder Hängematte chillen.<br />
SPRAY<br />
youtu.be/DXlEwb1F3iA<br />
WIR SIND SCHON<br />
IMMER GUT DAMIT<br />
GEFAHREN,<br />
ZU GEHEN.<br />
Unsere Profi-Athleten vom SUNLIGHT Factory Team<br />
haben den Adventure Van liebend gern den härtesten<br />
Tests unterzogen. Mit ihren Bikes den Ätna befahren<br />
war der große Traum von Guido Tschugg & Oli Dorn.<br />
Wakeboard-Virtuoso Felix Georgii hat 500 Meter Winch-<br />
Seil ausgeworfen und die Freeriderinnen Aline Bock &<br />
Lena Stoffel hatten Powder-Alarm im WhiteOut.<br />
Ihre Abenteuer und unseren Adventure<br />
Van seht Ihr in den Webisodes – SPLASH,<br />
STEAM, SPRAY.<br />
KEEP<br />
LING.<br />
SPLASH<br />
youtu.be/_299645FfOE
E D I T O R I A L<br />
SCHIRM-HERREN<br />
Inspiriert von den Beatles<br />
posierte die Kult-Band<br />
Wanda mit Regenschirmen<br />
für uns. Was die Österreicher<br />
von den legendären<br />
Engländern lernten, liest du<br />
ab Seite 56.<br />
WILLKOMMEN<br />
COOL<br />
RUNNINGS<br />
Von einem Moment auf den anderen kann alles vorbei<br />
sein: In kaum einem Sport gilt dieses Prinzip so erbarmungslos<br />
wie im Short Track. Auf Schlittschuhen<br />
treten die Athleten auf engen Rundkursen im Pulk an,<br />
Millimeter entscheiden über Sieg oder Massencrash.<br />
Ein nervenaufreibender Kampf, den weltweit<br />
nur wenige so geschickt beherrschen wie<br />
Anna Seidel aus Dresden. Vor der WM in Südkorea<br />
(13.–15. <strong>März</strong>) erklärt uns die 21-jährige<br />
Athletin ab Seite 44, wie sie lernte, ihre Nervosität<br />
zu umarmen, und warum sie bloß niemand<br />
Eisschnellläuferin nennen sollte.<br />
Um den Umgang mit Gefühlen geht es auch<br />
in unserem Interview mit Hollywood-Bad-Boy<br />
Dave Bautista, der ab Seite 36 ungewöhnlich<br />
offen erzählt, wie er ausgerechnet als Türsteher eines<br />
zwielichtigen Nachtclubs lernte, seinen Emotionen<br />
zu vertrauen.<br />
Viel Spaß mit der<br />
neuen Ausgabe von<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>!<br />
Die <strong>Red</strong>aktion<br />
NEUE KÖPFE FÜR<br />
FANTASY-FANS<br />
Wir haben Nachfolger für<br />
„Game of Thrones“-Autor<br />
George R. R. Martin<br />
gesucht. Unsere<br />
Kandidaten: ab Seite 88<br />
Swag<br />
oder<br />
Smombie?<br />
Welchen Begriff<br />
prägte Rapper<br />
Money Boy? Diese<br />
und weitere Fragen<br />
im großen Rap-<br />
Quiz. Ab Seite 64<br />
500<br />
Kilo wirken auf die<br />
Knie von Balletttänzern.<br />
Forscher<br />
wollen die Belastungen<br />
reduzieren.<br />
Ab Seite 68<br />
ROSIGE<br />
AUSSICHTEN<br />
Short-Track-Athletin<br />
Anna Seidel brachte<br />
ihre Brille zum<br />
Shooting mit. Was sie<br />
sonst noch zum Erfolg<br />
braucht: ab Seite 44<br />
RICHARD WALCH/ RED BULL CONTENT POOL, (COVER), FELIX KRÜGER<br />
6 THE RED BULLETIN
W W W . R A D O N - B I K E S . C O M<br />
„Radon Slide Trail 10.0 – I steh danebn. Könnt<br />
mer net vielleicht irgenwer a Watschn gebn ?<br />
Danke, jetzt is mer klor: Es is wohr, es is wohr!“<br />
Steve Schneider<br />
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INHALT<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />
im <strong>März</strong> <strong>2020</strong><br />
24<br />
COVERSTORY<br />
44 RISIKO ON ICE<br />
Short-Track-Athletin Anna<br />
Seidel erklärt, wie sie ihre<br />
Entscheidungen trifft –<br />
im Rennen und im Leben.<br />
FOTOGRAFIE<br />
24 GLETSCHER VON INNEN<br />
Steig mit Eiskletterer Will<br />
Gadd in Grönland hinab in<br />
den Bauch des ewigen Eises.<br />
HOLLYWOOD<br />
36 <strong>DE</strong>R SENSIBLE RIESE<br />
Dave Bautista ist mit seinen<br />
Gefühlen im Reinen – auch<br />
wenn er dafür fluchen muss.<br />
POP<br />
40 SIE IST SO FREI<br />
Wie Sängerin Balbina heute<br />
von ihrer Außenseiterrolle<br />
auf dem Schulhof profitiert.<br />
SKI<br />
42 ECHT STEILE KARRIERE<br />
Wie Paddy Graham vom<br />
flachen England aus die weltweite<br />
Freeski-Szene eroberte.<br />
5-MINUTEN-COACH<br />
54 SO LIEST DU GEDANKEN<br />
Thorsten Havener durchschaut<br />
Personen schneller als andere.<br />
Hier verrät er, wie das geht.<br />
ROCK<br />
56 WANDA-TAGE<br />
Die Wiener Kult-Band über<br />
Exzess, Entspannung und die<br />
Suche nach dem guten Leben.<br />
10 GALLERY<br />
16 ZAHLEN, BITTE!<br />
18 PLAYLIST<br />
19 FUNDSTÜCK<br />
20 LIFE HACKS<br />
22 CLUB <strong>DE</strong>R TOTEN <strong>DE</strong>NKER<br />
INNOVATOR<br />
52 ÜBER <strong>DE</strong>N SEE RA<strong>DE</strong>LN<br />
Das steckt hinter dem Hydrofoil-Bike<br />
Manta5. Plus: Hotel<br />
mit positiver Energiebilanz.<br />
HIP-HOP<br />
64 DAS GROSSE<br />
<strong>DE</strong>UTSCHRAP-QUIZ<br />
Von Bonez MC bis Money Boy:<br />
Teste dein Wissen über<br />
deutschsprachigen Hip-Hop.<br />
TANZ<br />
68 LEICHTER <strong>DE</strong>NN JE<br />
Für den Körper ist Ballett<br />
eine Tortur. Mit Sportwissenschaft<br />
will man das ändern.<br />
guide<br />
<strong>DE</strong>IN PROGRAMM<br />
82 REISEN. Allrad in Albanien statt<br />
Alltag daheim: ein Abenteuer<br />
zwischen Bunkern und Bergen<br />
86 FITNESS. Sauna-Workout mit<br />
Lauf-Legende Christian Schiester<br />
88 LESESTOFF. Wer schreibt<br />
das neue „Game of Thrones“?<br />
90 EVENTS. Wichtige Termine<br />
für die kommenden Wochen<br />
92 EVENTS SPEZIAL. Alles zum<br />
Fun-Rennen <strong>Red</strong> Bull Homerun<br />
94 GAMING. Warum du dank „Mario<br />
Kart“ unbeschwerter lebst<br />
95 ENTERTAINMENT. <strong>Red</strong> Bull<br />
TV-Highlights, live & on demand<br />
96 IMPRESSUM<br />
98 PERFEKTER ABGANG<br />
HÄNG DICH REIN Eiskletterer Will Gadd<br />
über dem eiskalten Abgrund.<br />
44<br />
SCHAU VORAUS Short-Track-Ass Anna<br />
Seidel hat Olympia 2022 in Peking im Blick.<br />
56<br />
TREIB’S BUNT Die Band Wanda sucht<br />
Optimismus, wo ihn sonst keiner findet.<br />
CHRISTIAN PON<strong>DE</strong>LLA / RED BULL CONTENT POOL, FELIX KRÜGER, DAVID FISCHER, RICK GUEST<br />
8 THE RED BULLETIN
68<br />
BEGEHRE AUF<br />
Das Royal Ballet London<br />
will Ballett neu erfinden –<br />
und menschlicher machen.<br />
THE RED BULLETIN 9
10<br />
GRAEME MURRAY
HUKA FALLS,<br />
NEUSEELAND<br />
Ziemlich<br />
auf Zack<br />
An dieser Stelle des Flusses Waikato<br />
in Neuseeland schießen jede Sekunde<br />
220.000 Liter Wasser durch eine<br />
15 Meter schmale Felsdüse. Zum<br />
Vergleich: Mit diesem Wasserdruck<br />
könnte man ein olympisches Schwimmbecken<br />
in ungefähr elf Sekunden<br />
füllen. Und ja, es gibt Kajakfahrer, die<br />
Spaß daran finden, einen Weg durch<br />
das Inferno zu finden. Dieser hier<br />
heißt Zack und ist erst 14 Jahre alt.<br />
Instagram: @graememurraynz
LOFOTEN,<br />
NORWEGEN<br />
Völlig<br />
losgelöst<br />
Als Freeskier Sven Kueenle in diesem<br />
astronautenhaften einteiligen Anzug<br />
aufkreuzte, war für Fotograf Pally<br />
Learmond sofort klar, wie das Bild<br />
aussehen müsste: schwerelos, wie<br />
ein Spaziergang im All. Das mit dem<br />
Ausschalten der Schwerkraft bekam<br />
der Deutsche dann mühelos hin,<br />
für den Sternenstaub im Hintergrund<br />
sorgten ein paar vor dem Abflug über<br />
die Skispitzen verteilte Schaufeln<br />
Pulverschnee.<br />
Instagram: @pallylearmond
MARQUESAS,<br />
FRANZÖSISCH-<br />
POLYNESIEN<br />
Hold<br />
the Line<br />
Man nehme: eine 370 Meter lange<br />
Slackline, gespannt in 72 Meter Höhe<br />
über die „baie des requins“ (Haibucht;<br />
übrigens heißt sie nicht nur so) auf<br />
der Insel Ua Pou in der Südsee, und<br />
einen Mann wie den Franzosen Nathan<br />
Paulin, der es sich bei 50 km/h Wind<br />
zutraut, da drüberzugehen. Dann fehlt<br />
nur noch dieser magische Moment<br />
kurz vor Sonnenuntergang, der<br />
all diese Zutaten zu einem wirklich<br />
außergewöhnlichen Bild verschmilzt.<br />
Voilà: Jeremy Bernard hat ihn mit<br />
seiner Kamera erwischt.<br />
Instagram:<br />
@jeremy_bernard_photography<br />
13
LOS ANGELES,<br />
KALIFORNIEN<br />
Überirdisch<br />
Das irritierend anmutige Licht; der<br />
Schatten des Geländers an der Mauer<br />
dahinter, der aussieht wie gemalt; und<br />
dann macht auch noch einer ganz oben<br />
einen Handstand! Obwohl das Foto<br />
des Amerikaners Dan Krauss wirkt,<br />
als wäre es in einem Paralleluniversum<br />
aufgenommen worden, hat sich tatsächlich<br />
alles genau so zugetragen.<br />
Und kurz darauf wurde Parkourkünstler<br />
Joel Fridman-Rojas von einem Sicherheitsorgan<br />
aufgefordert, sofort mit<br />
dem Blödsinn aufzuhören.<br />
Instagram: @DanKrauss<br />
14
Z A H L E N , B I T T E !<br />
SAISONSTART<br />
Brumm, brumm!<br />
Die Formel 1 ist zurück! Zum Saisonauftakt in Australien (15. <strong>März</strong>):<br />
die stärksten Zahlen aus der Königsklasse des Motorsports.<br />
372,6<br />
km/h ist die höchste je in einem<br />
Rennen erzielte Geschwindigkeit:<br />
gefahren von Juan Pablo<br />
Montoya 2005 in Monza.<br />
68<br />
Rennstrecken wurden seit<br />
Gründung der Serie 1950<br />
in 25 Ländern befahren.<br />
7<br />
Weltmeistertitel errang<br />
Michael Schumacher, der bislang<br />
erfolgreichste F1-Pilot<br />
(307 Rennstarts, 91 Siege).<br />
½<br />
WM-Punkt erzielte die Italienerin<br />
Lella Lombardi beim Spanien-GP<br />
1975. Ausser ihr gelang es keiner<br />
Pilotin, jemals in der WM-<br />
Wertung anzuschreiben.<br />
24.<br />
und Letzter wurde der Inder Narain<br />
Karthikeyan 2011 beim Grossen Preis<br />
von Spanien. Es war der höchste jemals<br />
gewertete Rang, weil bei dem Rennen<br />
sämtliche Teilnehmer ins Ziel kamen.<br />
0,09<br />
Sekunden trennten beim Grand<br />
Prix von Italien 1971 fünf Autos,<br />
die hintereinander ins Ziel<br />
fuhren. Knapper geht’s nicht.<br />
4.093.305<br />
Live-Zuschauer wurden bei den 21 GPs 2018 gezählt.<br />
4<br />
Kilo verlieren die Fahrer<br />
durchschnittlich pro Rennen –<br />
die Temperaturen im Cockpit<br />
erreichen bis zu 50 Grad.<br />
250.000<br />
Dollar war der Diamant an<br />
der Nase von Christian Kliens<br />
Jaguar R5 beim Grossen Preis<br />
von Monaco 2004 wert (ein PR-<br />
Gag). Der Österreicher crashte<br />
in der ersten Runde, der Stein<br />
ist bis heute verschollen.<br />
18<br />
Mechaniker sind bei einem<br />
regulären Boxenstopp beteiligt.<br />
Bis 2009 waren zwei weitere<br />
Mechaniker zum Betanken dabei.<br />
80.000<br />
Einzelteile hat ein F1-Auto.<br />
1,8<br />
Meter lang war die Karriere des<br />
Deutschen Ernst Loof: Bei seinem<br />
einzigen Start 1953 beim<br />
heimatlichen Grand Prix blieb<br />
er wegen eines Benzinpumpenproblems<br />
gleich wieder stehen.<br />
GETTY IMAGES (4), THOMAS BUTLER/RED BULL CONTENT POOL CLAUDIA MEITERT<br />
16 THE RED BULLETIN
P L A Y L I S T<br />
UN<strong>DE</strong>RWORLD<br />
Musik, die<br />
dein Hirn<br />
beflügelt<br />
Karl Hyde ist Musiker, Maler<br />
und Videokünstler. Sein Kreativgeheimnis?<br />
Inspirierende Songs.<br />
Hier empfiehlt er vier davon.<br />
Das walisische Duo Underworld<br />
zählt zu den erfolgreichsten und<br />
innovativsten Künstlern der elektronischen<br />
Musik: Seit ihrem Megahit<br />
„Born Slippy“ 1996 erfinden<br />
sich Karl Hyde (im Bild rechts) und<br />
Rick Smith mit jedem Projekt neu.<br />
Sie haben bereits zehn Alben aufgenommen,<br />
daneben kreieren sie<br />
Soundtracks für Filme, <strong>The</strong>aterstücke<br />
und Computerspiele.<br />
Sie komponierten die Musik zur<br />
Eröffnung der Olympischen Spiele<br />
in London (2012) und betreiben<br />
mit Tomato ihre eigene High-Tech-<br />
Kreativagentur. Wovon sie sich<br />
inspirieren lassen, wenn die Ideen<br />
ausgehen? Von Musik, erklärt der<br />
62-jährige Hyde. Genauer: der Musik<br />
seiner Helden. Die folgenden vier<br />
Aufnahmen bringen seine kleinen<br />
grauen Zellen zum Leuchten.<br />
Neues Album: „Drift Series One“ ;<br />
underworldlive.com<br />
Brian Eno<br />
Needles in the Camel’s Eye<br />
(1974)<br />
„Brian ist ein spannender Typ, von<br />
dem ich bei unserer Zusammenarbeit<br />
viel gelernt habe, gerade was<br />
Inspiration betrifft. Wir erfanden<br />
ein Spiel, bei dem wir einander<br />
Städte vorschlugen, die der andere<br />
besuchen musste: ‚Fahr nach<br />
Birmingham.‘ – ‚Warum?‘ – ‚Fahr<br />
einfach.‘ Raus aus der Werkstatt,<br />
rein ins Neuland – dieser Ansatz<br />
führt immer zu einer guten Idee.“<br />
Bob Dylan<br />
Lily, Rosemary & the Jack<br />
of Hearts (1975)<br />
„Dylan ist extrem wandlungsfähig<br />
und riskiert immer alles. Als er<br />
dachte, keiner würde sich mehr<br />
für ihn interessieren, ging er so<br />
lange auf Tour, bis alle ihn wieder<br />
mochten. Ich habe ihn im Sommer<br />
im Hyde Park erlebt und finde es<br />
irre, wenn Leute sagen: ‚Er ist nicht<br />
mehr, was er mal war.‘ Na Gott sei<br />
Dank! Von seinem Ansatz kann<br />
jeder Künstler lernen.“<br />
Iggy Pop<br />
Nightclubbing<br />
(1977)<br />
„Die Art, wie Iggy improvisiert, ist<br />
einzigartig: Er betritt das Studio<br />
und legt los. In seinem Kopf bearbeitet<br />
er spontan Erinnerungen<br />
an Zeitungsartikel, Bücher und Gespräche.<br />
Das setzt er zusammen<br />
und kotzt es ungefiltert einfach<br />
raus. Das kann man in dem Stück<br />
gut hören. Sein Ansatz ist total<br />
inspirierend, besonders wenn man<br />
mit einer Idee nicht weiterkommt.“<br />
Kraftwerk<br />
Europe Endless<br />
(1977)<br />
„Mit Kraftwerk bin ich aufgewachsen<br />
– genau wie mit Neu! und Can.<br />
Diese deutschen 1970er-Jahre<br />
Bands haben meine Liebe für<br />
re petitive Beats entfacht. Gleichklang<br />
hat etwas Hypnotisches, das<br />
mich in eine produktive Stimmung<br />
versetzt. Das sich ständig wiederholende<br />
Element, das man in<br />
diesem Track hört, findet sich folglich<br />
in allem wieder, was ich tue.“<br />
PEROU FLORIAN OBKIRCHER<br />
18 THE RED BULLETIN
F U N D S T Ü C K<br />
DAN WINTERS CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO<br />
„THE WALKING <strong>DE</strong>AD“<br />
Farben des Grauens<br />
Schminkpalette für das Make-up der Zombies in der TV-Serie „<strong>The</strong> Walking Dead“, USA, 2011<br />
Wir wissen: Untote, die Menschen bedrohen, gibt es nicht. Aber die Zombies in der 2010 gestarteten<br />
TV-Serie „<strong>The</strong> Walking Dead“ sehen so realistisch aus, dass es zum Fürchten ist. Lohn der Übung:<br />
zwei Emmys für das beste Make-up, ein Golden Globe für die beste TV-Serie.<br />
Neue Staffel: ab 24. Februar bei Sky<br />
THE RED BULLETIN 19
L I F E H A C K S<br />
SCIENCE-BASTLER<br />
Tricks für<br />
Handy-Pics<br />
Neue Ideen für die Dinge des Alltags, Volume 18:<br />
Mit diesen Fotografie-Hacks holst du aus deiner<br />
Smartphone-Kamera noch mehr raus.<br />
AUSLÖSER<br />
Knipsen mit Kopfhörer<br />
Die Lautstärke-Knöpfe der Ohrenstöpsel als Auslöser<br />
verwenden: nie wieder verwackelte Selfies!<br />
BLITZ-TUNING<br />
Romantisches Licht<br />
Fotos mit Blitz müssen nicht automatisch hässlich<br />
aussehen: So leuchtest du jedes Indoor-Foto sanft aus.<br />
1<br />
Finde heraus, wo auf<br />
deinem Smartphone<br />
das Objektiv, der<br />
Sensor und der Blitz<br />
liegen. Decke Objektiv<br />
und Sensor mit Klebeband<br />
ab. Nur der Blitz<br />
bleibt frei.<br />
SCHWEBE-EFFEKT<br />
Nur Fliegen ist schöner<br />
Wirkt mit Himmel als Hintergrund am besten: Telefon<br />
knapp an eine Stufe legen und Selbstauslöser aktivieren.<br />
2<br />
Das Telefon waagrecht<br />
auf den Tisch legen.<br />
Von einer weißen (!)<br />
Kerze einen Wachstropfen<br />
direkt auf den<br />
Blitz tropfen.<br />
Ein Fuß schwebt über<br />
dem Objektiv, die Ferse<br />
des anderen Fußes<br />
steht fest, ist aber im<br />
Bild abgeschnitten.<br />
3<br />
Die Klebebänder wieder entfernen.<br />
FATA MORGANA IM SPIEGEL<br />
Spukhafte Verdopplung<br />
Die Panorama-Funktion nimmt viele Bilder hintereinander<br />
auf. So kannst du auf einem Foto zweimal erscheinen.<br />
4<br />
Mit Klebeband den<br />
Wachstropfen fixieren.<br />
Das Blitzlicht wird<br />
so besser im Raum<br />
gestreut.<br />
Mit der Pano-Funktion langsam über die Person vor dem Spiegel<br />
schwenken. In der Mitte des Schwenks dreht die sich schnell<br />
zum Spiegel und macht etwas Charakteristisches mit den Händen.<br />
CLEMENS MAKANAKY SASCHA BIERL<br />
20 THE RED BULLETIN
Für Arbeit, Freizeit<br />
oder beides<br />
Thule Crossover 2<br />
Collection<br />
Robuste und funktionale<br />
Reisetaschen, ideal für<br />
die Geschäftsreise oder<br />
den nächsten Urlaub.
D E R C L U B D E R T O T E N D E N K E R<br />
FRIEDRICH SCHILLER<br />
Macht Gaming mich<br />
zu einem besseren Menschen?<br />
Die größten Denker aller Zeiten beantworten<br />
Fragen unserer Gegenwart, übermittelt<br />
durch den Philosophen Christoph Quarch.<br />
Diesmal: Friedrich Schiller verrät, wie wir<br />
spielend menschlicher werden.<br />
Ach, das Spielen – wie habe ich es doch geliebt!<br />
Als junger Mann spielte ich nächtelang<br />
Karten, und so manchen Einfall zu einem<br />
Gedicht habe ich auf einer Spielkarte notiert. Später<br />
dann, als ich bei Caroline und Charlotte – meiner<br />
späteren Frau und ihrer Schwester – ein und aus<br />
ging, da liebten wir es, zu dritt Blinde Kuh zu spielen.<br />
Oh, das hatte einen leicht frivolen Reiz, den ich nicht<br />
leugnen kann und auch nicht leugnen möchte. Doch<br />
zu meiner Zeit, im späten 18. Jahrhundert, spielten<br />
alle. Und die anzüglichen Spiele<br />
schätzten wir am meisten.<br />
Ist also etwas dagegen einzuwenden,<br />
dass erwachsene Menschen spielen?<br />
Gewiss nicht, kann ich nur sagen,<br />
denn – wenn’s erlaubt ist, dass ich<br />
mich an dieser Stelle selbst zitiere –<br />
der Mensch ist nur da ganz Mensch,<br />
wo er spielt. Womit auch die Antwort<br />
auf die mir gestellte Frage<br />
ausgesprochen wäre. Doch ganz so<br />
leicht will ich es mir nicht machen.<br />
Schon als ich im Jahre 1792 diese<br />
Worte schrieb, haben sie nur wenige<br />
verstanden. Deshalb scheint es mir geboten, in groben<br />
Strichen darzulegen, von welcher Art des Spiels ich<br />
denke, dass es unbedingt zu einem guten Menschenleben<br />
nötig ist.<br />
Denn es gibt viele verschiedene Spiele, darunter<br />
auch solche, von denen ich nicht behaupten möchte,<br />
sie zu spielen bedeute, wahrhaft Mensch zu sein. An<br />
welche Spiele ich dabei denke, steht in einem meiner<br />
Briefe „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“:<br />
Der Mensch soll nur mit der Schönheit spielen. Davon<br />
kann ich bei einigen der bei euch gängigen Spiele<br />
nichts entdecken. Vor allem dann nicht, wenn es darum<br />
geht, Geld zu gewinnen. Wettspiele zum Beispiel,<br />
oder Glücksspiele am Automaten.<br />
„Schön ist das<br />
Spiel, weil es<br />
für das Alltagsleben<br />
nutzlos ist;<br />
und weil du als<br />
Spieler frei bist,<br />
dich selbst im<br />
Spielen vergisst.“<br />
Vielleicht fragt ihr nun: Was meint der Schiller, wenn<br />
er sagt, nur Schönheit sei ein würdiger Gegenstand des<br />
Spielens? Nun, ich meine nicht etwas, das hübsch anzusehen<br />
wäre. Sondern dasjenige, was den Eindruck<br />
erweckt, ganz in sich zu ruhen. Etwas, was um keines<br />
äußeren Nutzens willen da ist, sondern sich selbst<br />
genügt. Denkt dabei an eine schöne Musik. Sie folgt<br />
keinen äußeren Zwängen und Gesetzen. Sie ist einfach<br />
nur sie selbst. Und ebendeshalb ist sie schön. Und bedenkt:<br />
Wir sagen nicht zufällig, Musik werde gespielt.<br />
Spiele sind also gerade dann sinnvoll, wenn sie für<br />
das Alltagsleben vollkommen nutzlos sind. Bei solchen<br />
Spielen kann man sich selbst vergessen – und sich<br />
genau deshalb frei und wirklich menschlich fühlen.<br />
Bei Glücksspielen ist das anders. Da spielt man nicht<br />
um des Spielens willen, sondern weil man sich das<br />
schnelle Geld erhofft. Ähnlich ist es bei dem, was man<br />
bei euch „Gamification“ nennt. Da wird etwas als Spiel<br />
verpackt, um etwas zu erreichen, was<br />
nichts mit dem Spiel zu tun hat. Dabei<br />
werden Spiele instrumentalisiert, und<br />
das nimmt ihnen die Schönheit.<br />
Manchmal ist das vielleicht gerecht<br />
fertigt, etwa bei Lernspielen für<br />
Kinder, manchmal aber geht es nur<br />
darum, den Spielern still und heimlich<br />
bestimmte Verhaltensweisen anzutrainieren.<br />
Solche Spiele nehmen euch<br />
die Freiheit, statt sie euch zu schenken.<br />
Ich weiß, dass Blinde Kuh heute nicht<br />
mehr so hoch im Kurs steht und jedermann<br />
mit seinem Computer spielt.<br />
Ich will das auch keinem ausreden, aber gebt acht,<br />
dass diese Spiele euch nicht mehr fesseln als beleben;<br />
dass sie euch nicht süchtig machen, sondern euch die<br />
Chance geben, für eine Weile in eine gänzlich zweckfreie,<br />
fantasievolle Zauberwelt einzutauchen.<br />
FRIEDRICH SCHILLER (1759 – 1805)<br />
ist den meisten als Dichter und Dramatiker bekannt. Tatsächlich<br />
aber sind seiner Feder eine Reihe bedeutender Schriften zur<br />
<strong>The</strong>orie von Kunst und Schönheit zu verdanken. Mit ihnen wurde<br />
er zum Wegbereiter der Romantik, deren Vordenker sich vor allem<br />
von Schillers in den Briefen „Über die ästhetische Erziehung<br />
des Menschen“ vorgetragenen Gedanken über die Bedeutung<br />
des Spielens inspirieren ließen. Mit seiner <strong>The</strong>se, der Mensch sei<br />
nur da ganz Mensch, wo er spielt, wurde Schiller zudem zu einem<br />
Pionier der Lebenskunst-Philosophie des 20. Jahrhunderts.<br />
CHRISTOPH QUARCH BENE ROHLMANN<br />
22 THE RED BULLETIN
FRIEDRICH SCHILLER (1759–1805)<br />
Dichter, Philosoph, Ur-Gamer: „Der Mensch<br />
ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“<br />
THE RED BULLETIN 23
GRÖNLAND<br />
ON THE ROCKS<br />
Der kanadische Eiskletterer WILL GADD hat sich an<br />
einen Ort vorgewagt, an dem vor ihm noch niemand war:<br />
in eine Gletschermühle tief im Bauch Grönlands.<br />
Text ANDREAS WOLLINGER<br />
Fotos CHRISTIAN PON<strong>DE</strong>LLA
Kathedrale aus Eis<br />
Das ist ein Lieblingsbild von Fotograf<br />
Christian Pondella: Es fasst<br />
das Surreale und die Einzigartig keit<br />
der Klettertour im Eisschild Grönlands<br />
auf eindrucksvolle Art zusammen.<br />
25
„Nach einem<br />
halbstündigen Flug<br />
setzte uns der Heli<br />
ab: nur flaches Eis,<br />
so weit das Auge<br />
reichte.“
Wüste in Weiß<br />
Eine Gletschermühle entsteht,<br />
wenn Schmelzwasser von der Oberfläche<br />
in die Tiefe sickert. Ihre<br />
Beschaffenheit erzählt eine Menge<br />
über das Abschmelzen des Eisschilds<br />
im Zuge des Klimawandels.<br />
27
Der Eiskönig Will Gadd, 52, muss nichts mehr beweisen. Als Eiskletterer hat er alles bewältigt,<br />
was denkbar ist – so ist es ihm etwa 2015 als Erstem gelungen, die Niagarafälle zu bezwingen.<br />
Warum ihn Grönland von innen interessierte? Ganz einfach: weil dort noch keiner gewesen war.<br />
Ilulissat, Grönland Das Dorf am Ende der Welt im Westen Grönlands war<br />
der Ausgangspunkt der „Beneath the Ice“-Expedition. Es liegt an der bekannten Diskobucht.
Ab ins Ungewisse<br />
Die „Moulins“, wie Gletschermühlen<br />
im Fachjargon heißen, erwiesen<br />
sich als bedeutend größer<br />
und gefährlicher als ursprünglich<br />
gedacht. Besonders deshalb, weil<br />
ständig Eis abbricht und in die<br />
Tiefe stürzt. Wenn dich so ein<br />
Brocken trifft, dann gute Nacht.<br />
29
Eislaufplatz,<br />
senkrecht<br />
Steil fallen die Wände Richtung<br />
Abgrund ab, bevor nach rund<br />
90 Metern der Boden erreicht ist.<br />
Ganz unten gibt es Wassertümpel,<br />
in denen Will Gadd eigentlich<br />
tauchen gehen wollte. Daraus<br />
wurde aber nichts: zu gefährlich.<br />
31
„Ich feiere jeden<br />
Moment, in dem<br />
ich intensiv leben<br />
kann. Hier zu<br />
klettern fühlt sich<br />
sehr lebendig an.“
In seinem Element<br />
Will Gadd klettert aus dem Abgrund<br />
und lässt es aussehen, als wär’s<br />
ganz einfach. Den Soundtrack dazu<br />
kann man sich als permanentes<br />
Krachen, Knacken und Stöhnen<br />
des Eises vorstellen.<br />
33
Licht ins Dunkel<br />
Will Gadd und Jason Gulley,<br />
Professor an der University<br />
of South Florida, am Grund der<br />
Gletscherhöhle. Die Expedition<br />
brachte wichtige Erkenntnisse<br />
für die Klimaforschung.
Aufwärmen am Eisberg Bevor es in die Tiefe des Eisschildes ging, kletterte sich Will Gadd auf einigen Eisbergen vor der Küste Grönlands<br />
ein. Für Fotograf Christan Pondella ergab das ein paar wirklich großartige Motive.<br />
THE RED BULLETIN 35
Dave Bautista<br />
„Du musst zu<br />
deinen Gefühlen<br />
stehen“<br />
Wann immer sie in Hollywood den Typ „sensibles<br />
Muskelpaket“ brauchen, ist Dave Bautista die erste Wahl.<br />
Hier erklärt der 51-Jährige, wie er auf Tuchfühlung<br />
mit sich selbst bleibt und warum er dafür fluchen muss.<br />
Text RÜDIGER STURM<br />
Ob in „Guardians of the Galaxy“,<br />
„James Bond: Spectre“ oder „Blade<br />
Runner 2049“ – Schauspieler Dave<br />
Bautista ist die Idealbesetzung für<br />
den Kämpfer mit Seele. Das ist kein<br />
Zufall: Der 51-jährige Ex-Wrestler<br />
(1,98 Zentimeter, 132 Kilo) ist unter<br />
schwierigen Umständen aufgewachsen<br />
und sah sich lange gezwungen,<br />
seine wahren Gefühle zu unterdrücken.<br />
Nach Jahrzehnten der<br />
Übung weiß er heute, wie wichtig es<br />
ist, sein Herz auf der Zunge zu tragen.<br />
Wo er einen gesunden Umgang mit<br />
seinen Emotionen lernte? Standesgemäß<br />
als Rausschmeißer in einer<br />
Diskothek in einem zwielichtigen<br />
Viertel.<br />
the red bulletin: In „Der Spion<br />
von nebenan“ spielen Sie einen<br />
CIA-Agenten, der es mit einem<br />
naseweisen Mädchen zu tun bekommt.<br />
Ihre Partnerin war die elfjährige<br />
Chloe Coleman. Konnten<br />
Sie von ihr etwas lernen?<br />
dave bautista: Oh ja. Sie war einer<br />
der professionellsten Menschen,<br />
denen ich je begegnet bin. Ich konnte<br />
mir meistens meinen Text nicht<br />
merken, und sie beherrschte ihren<br />
aus dem Effeff. Deshalb bat ich sie,<br />
auch meine Zeilen zu lernen, damit<br />
sie mir notfalls einsagen kann. Aber<br />
was ich wirklich an ihr liebe, ist, dass<br />
sie bei aller Professionalität ein Kind<br />
geblieben ist. Sie will eines sein und<br />
ihre Kindheit genießen!<br />
Steckt in Ihnen auch etwas<br />
von einem Kind?<br />
Aber klar. Ich versuche, mich wie<br />
ein Erwachsener zu verhalten, aber<br />
gleichzeitig nehme ich das Leben<br />
nicht zu ernst. Ich würde mich zum<br />
Beispiel nie in einen normalen Bürojob<br />
zwängen lassen. Da verlierst du<br />
nur die Tuchfühlung mit deinem Ich.<br />
Was ich an Kindern ganz besonders<br />
mag, ist, dass sie völlig offen und<br />
ehrlich sind. Sie sprechen aus, was<br />
sie fühlen – ohne Filter und ganz<br />
unverstellt.<br />
Tun Sie das auch?<br />
Jetzt schon. Ich bin ein sehr emotio<br />
naler Mensch – das muss ich von<br />
meiner Mutter haben, die ist noch<br />
extremer drauf als ich. Aber es gab<br />
eine Zeit in meinem Leben, in der<br />
mir das peinlich war und ich meine<br />
Gefühle zu kontrollieren versuchte –<br />
das war allerdings vollkommen aussichtslos.<br />
Dann habe ich begriffen:<br />
Solange du niemandem wehtust, ist<br />
es völlig okay, emotional und auch<br />
mal wütend zu sein. Ich weiß, dass<br />
ich meine Gefühle nicht mit Fäusten<br />
auszudrücken brauche, ich kann das<br />
auch mit Worten tun. Und so darf<br />
ich ruhig mein Herz auf der Zunge<br />
tragen.<br />
Der Schlüssel besteht also darin,<br />
seine Gefühle zu akzeptieren?<br />
Exakt. Sorge nur dafür, dass sie den<br />
richtigen Weg nehmen. Und bleibe<br />
offen dabei. Du kannst von etwas<br />
leidenschaftlich überzeugt sein, aber<br />
es gibt immer Leute, die eine andere<br />
Meinung haben. Hör dir die an, vielleicht<br />
findest du raus, dass du doch<br />
falschliegst, oder du gehst einen<br />
Kompromiss ein. Sei leidenschaftlich,<br />
sei ehrlich, aber nicht verbohrt.<br />
Leichter gesagt als getan, aber das<br />
ist das, was ich im Laufe der Zeit für<br />
mich herausgefunden habe.<br />
Wie leidenschaftlich Sie sein<br />
können, hat man im Fall von<br />
James Gunn, dem Regis seur von<br />
„Guardians of the Galaxy“, erlebt.<br />
Das Studio wollte ihn feuern,<br />
weil er vor Jahren mal anzügliche<br />
Tweets verbreitet hatte, aber Sie<br />
traten öffentlich für ihn ein …<br />
Es gab Leute, die ihre Bedenken hatten,<br />
weil ich das so offen getan habe.<br />
Und ich dachte auch, dass mir das<br />
vielleicht schaden kann. Aber der<br />
Punkt ist: Wenn du genau weißt, was<br />
das Richtige ist, und du tust es trotzdem<br />
nicht – zu was für einem Menschen<br />
macht dich das? Ja, es war riskant,<br />
aber es war mir egal. Ich wollte<br />
meinen Freund verteidigen, weil<br />
er das brauchte. Und ich war völlig<br />
davon überzeugt. Keine einzige<br />
Sekunde habe ich daran gezweifelt.<br />
Haben Sie überhaupt je Selbstzweifel?<br />
Das kann ich nicht sagen. Wenn<br />
ich mal einen Schritt aus meiner<br />
Komfortzone mache, dann spüre<br />
FRANCINE ORR/LOS ANGELES TIMES VIA CONTOUR RA RÜDIGER STURM<br />
36 THE RED BULLETIN
„Ich verhalte<br />
mich erwachsen,<br />
nehme das<br />
Leben aber<br />
nicht zu ernst.“<br />
Dave Bautista über den Wert<br />
seines inneren Kindes<br />
THE RED BULLETIN 37
Dave Bautista<br />
Die Kleine und das Biest<br />
CIA-Agent JJ (Dave Bautista) steht im Film „Der<br />
Spion von nebenan“ nach einigen Vorfällen kurz<br />
vor dem Rauswurf. Als letzte Chance soll er das<br />
Haus einer Familie überwachen. Als deren neunjährige<br />
Tochter Sophie (Chloe Coleman) den Spion<br />
entdeckt, verspricht sie dichtzuhalten – unter der<br />
Bedingung, dass JJ sie zur Spionin ausbildet. Ein<br />
ungleiches Duo nimmt die Zusammenarbeit auf …<br />
Kinostart: 12. <strong>März</strong><br />
ich Angst. Das ist ganz normal. Aber<br />
mehr Angst habe ich davor, etwas<br />
nicht auszuprobieren.<br />
Sie haben zwei fast erwachsene<br />
Töchter und einen zwölfjährigen<br />
Sohn. Wie haben Sie gelernt,<br />
ein guter Vater zu sein?<br />
Von meinem Vater – indem ich<br />
versuchte, ein anderer Vater zu<br />
sein als er. Ich wollte nicht die gleichen<br />
Fehler wie er machen, denn<br />
er war wirklich furchtbar. Was ich<br />
bei meinen Töchtern gelernt habe,<br />
war, dass ich irgendwann nicht<br />
mehr Verantwortung für ihre Fehler<br />
übernehmen kann. Ich musste einen<br />
Schritt zurück machen – etwas, was<br />
alle Eltern früher oder später lernen<br />
müssen. Für den zwölfjährigen Sohn<br />
von meiner geschiedenen Frau würde<br />
ich hingegen gerne mehr da sein.<br />
Er ist sehr unsicher, hinterfragt sich<br />
ständig. Er ist einfach ein kleiner<br />
Mann, der sich im Leben zurechtzufinden<br />
versucht.<br />
Was wollen Sie ihm weitergeben?<br />
Er hängt ständig mit seinem Smartphone<br />
herum, schaut YouTube oder<br />
spielt Videospiele. Das finde ich<br />
nicht gut. Ich verstehe den Wert<br />
des technischen Fortschritts, aber<br />
Kinder dürfen sich nicht abkapseln.<br />
Sie müssen das Leben und die Natur<br />
kennenlernen. Das habe ich als Kind<br />
auch gemacht. Ich möchte, dass er<br />
sich mehr mit anderen Menschen<br />
beschäftigt, nur so kann er sich<br />
weiterentwickeln.<br />
Hört er auf Sie?<br />
Ja, aber ich muss es ihm ständig<br />
sagen. Deshalb will ich jetzt in seine<br />
Nähe ziehen, damit ich besser<br />
Einfluss nehmen kann. Wenn ich<br />
ihm das sage, dann ist er erst mal<br />
irritiert, aber wenn er dann zehn<br />
Minuten von seinem Telefon weg<br />
ist, ist er glücklich und zufrieden.<br />
Und was haben Sie von Ihren<br />
Kindern gelernt?<br />
Da müsste ich nachdenken. Ich bin<br />
versucht zu sagen, dass ich von<br />
ihnen Geduld gelernt habe. Aber<br />
streng genommen stimmt das nicht.<br />
Ich habe Geduld gelernt, als ich<br />
13 Jahre lang als Rausschmeißer in<br />
Nachtclubs gearbeitet habe. Daher<br />
würde ich sagen: Ich warte noch<br />
auf den Tag, an dem mein Sohn mir<br />
etwas beibringt. Dann werde ich sehr<br />
stolz sein. Aber bis dahin muss ich<br />
mit gutem Beispiel vorangehen.<br />
Beim Dreh zu „Der Spion von<br />
nebenan“ haben Sie das allerdings<br />
nicht getan. Da musste jedes<br />
Teammitglied, hört man, beim<br />
Gebrauch von Schimpfwörtern<br />
in einen Topf einzahlen …<br />
Tja, da habe ich eine Stange Geld<br />
verloren. Wenn viele Kinder am<br />
Set waren, habe ich versucht, mich<br />
zurückzuhalten. Andererseits: Ich<br />
bin, der ich bin. Ich komme von der<br />
Straße, ich war Wrestler. In so einem<br />
Milieu benutzt du nun mal solche<br />
Ausdrücke. Das ist ein Teil von mir.<br />
Ich versuche, es auf eine Art und<br />
Weise zu tun, in der sich niemand<br />
verletzt fühlt – einfach nur, um meine<br />
Gefühle rauszulassen. Denn wie<br />
ich schon sagte: Du musst zu deinen<br />
Gefühlen stehen.<br />
Sie haben ja angedeutet, dass<br />
Ihre Kindheit eher schwierig war.<br />
Oh ja! Es gab Zeiten, da hatte ich<br />
nicht einmal was zu beißen.<br />
„Ich bin<br />
emotional,<br />
meine Mutter<br />
ist aber noch<br />
extremer.“<br />
Würden Sie sie gegen eine glückliche<br />
Kindheit tauschen wollen?<br />
In keiner Sekunde. Ich habe durch<br />
diese Erfahrungen gelernt, bescheiden<br />
und mit wenig zufrieden zu<br />
sein. Ja, ich war von Armut und Gewalt<br />
umgeben, aber ich hatte auch<br />
großartige Zeiten. Und all das hat<br />
mich zu dem gemacht, was ich bin:<br />
ein Kämpfer.<br />
COURTESY OF STXFILMS<br />
38 THE RED BULLETIN
Was nicht passt,<br />
wird auch nicht<br />
passend gemacht.<br />
Wer frei denken will, braucht kontroverse Standpunkte<br />
und diskursfähige Positionen.–Diese finden Sie seit<br />
70 Jahren täglich in der Frankfurter Allgemeinen.<br />
Freiheit hat viele Seiten.<br />
Jetzt mehr erfahren und testen.<br />
freiheitimkopf.de<br />
Frankfurter<br />
Allgemeine<br />
Freiheit beginnt im Kopf.
Balbina<br />
„Freiheit ist<br />
alles für mich“<br />
Balbina hat Straßenrap-Vergangenheit und ist die wohl<br />
eigenwilligste Popmusikerin des Landes. Ein Gespräch<br />
über Mobbing, Machos und den Mut zur Unabhängigkeit.<br />
Text BJÖRN SPRINGORUM<br />
Foto CHRISTOPH KASSETTE<br />
In eine Schublade stecken lässt sich<br />
Balbina Monika Jagielska nicht so<br />
leicht. Angefangen hat die heute<br />
36-Jährige mit hartem Straßenrap<br />
im Rahmen des Berliner Kollektivs<br />
Royal Bunker. 2015, als ihr zweites<br />
Album „Über das Grübeln“ erschien,<br />
ging sie mit Deutschrock-Legende<br />
Herbert Grönemeyer auf Tour. Jetzt,<br />
knapp fünf Jahre später, liefert sie<br />
mit einem verwunschenen Rammstein-Cover<br />
(„Sonne“) den Song zu<br />
einer Kampagne des US-Sportartikelriesen<br />
Nike – als erste deutsche<br />
Künstlerin überhaupt. Seinerzeit,<br />
als ihre Eltern von Polen nach Berlin<br />
zogen und sich bald darauf scheiden<br />
ließen, wusste sie noch nicht, dass<br />
ihre Erfahrungen als Außenseiterin<br />
einmal ihre Stärke sein würden.<br />
the red bulletin: Wann hast du<br />
dich erstmals als Außenseiterin<br />
gefühlt?<br />
balbina: Ich kann mich nicht erinnern,<br />
dass ich mich jemals nicht so<br />
gefühlt habe. In der Schule war ich<br />
immer die Außenseiterin, ich habe<br />
viel gelesen, war still – die anderen<br />
konnten nichts mit mir anfangen.<br />
Da wird man schnell zur Zielscheibe.<br />
Ich wurde extrem beleidigt und<br />
fertiggemacht, jeder Tag war eine<br />
Qual. Ich hoffte einfach nur, dass<br />
der Schultag schnell vorübergeht.<br />
Als Teenager ist man wahrscheinlich<br />
noch nicht in der Lage, solche<br />
Erfahrungen als Chance zu sehen.<br />
Das stimmt. Lange habe ich darin<br />
nur mein eigenes Unvermögen gesehen.<br />
Aber ich habe es überstanden.<br />
Damals habe ich gelernt, mich<br />
auf das zu konzentrieren, was ich<br />
kann. Was mich glücklich macht.<br />
Ich habe früh damit angefangen,<br />
Gedichte und Songs zu schreiben.<br />
Irgendwann merkte ich, dass ich gar<br />
nicht versuchen musste, in einen<br />
bestimmten Rahmen zu passen, sondern<br />
dass ich mir meinen eigenen<br />
Rahmen schaffen musste. Das ist<br />
ein Prozess, der immer noch nicht<br />
abgeschlossen ist.<br />
Helfen dir deine Erfahrungen<br />
heute, mit Kritik und der allgegenwärtigen<br />
Häme in den sozialen<br />
Medien umzugehen?<br />
Ja, ich habe Hass abbekommen,<br />
und das nicht zu knapp. Wenn mich<br />
heute jemand hassen will, denke<br />
ich: nicht mein Problem. Ich habe<br />
mir ein echt dickes Fell angeeignet.<br />
Ohne das wäre ich längst nicht mehr<br />
in der Musikbranche. Heute interessiert<br />
mich überhaupt nicht, was<br />
irgendjemand über mich denkt.<br />
Nach der Schule hast du in der<br />
Berliner Deutschrap-Szene Fuß<br />
gefasst, die männerdominiert ist.<br />
Warst du da auch Außenseiterin?<br />
Interessanterweise nicht. Ich hatte<br />
damals Rückenwind und Unterstützung<br />
von allen Seiten. In der<br />
Rap-Szene spielen viele mit Macho-<br />
Klischees, in Wahrheit sind die<br />
meisten wahnsinnig offen. Klar gibt<br />
es schwierige Typen. Aber ehrlich<br />
gesagt: Ich habe mehr mit solchen<br />
zu tun, seit ich zu einem Major-Label<br />
gewechselt bin.<br />
Du hast die radikale feministische<br />
Rapperin Ebow als Gast auf dein<br />
Album eingeladen und coverst<br />
„Sonne“ von Rammstein. Beides<br />
steht nicht für Mainstream-Pop.<br />
Ist es dir wichtig, mit solchen<br />
Entscheidungen Unabhängigkeit<br />
zu demonstrieren?<br />
Ja, auch die Gründung meines<br />
eigenen Labels „Polkadot“ war ein<br />
Schritt in diese Richtung. Ich war es<br />
leid, meine Entscheidungen erklären<br />
und rechtfertigen zu müssen. Damit<br />
habe ich viel zu viel Energie und Zeit<br />
verschwendet. Freiheit ist alles für<br />
mich. An vielen Orten auf der Welt<br />
haben Menschen nicht die Möglichkeit,<br />
sich so zu verwirklichen wie<br />
ich. Es ist wichtig, sich dieser Freiheit<br />
bewusst zu sein und sie auszuleben.<br />
Heute weiß ich: Man muss<br />
nicht sich verbiegen und anpassen.<br />
Sondern die Umstände.<br />
Balbinas aktuelles Album „punkt.“<br />
ist im Januar erschienen.<br />
40 THE RED BULLETIN
„Ich war es leid,<br />
meine Entscheidungen<br />
erklären<br />
zu müssen.“<br />
Als Musikerin und Label gründerin arbeitet<br />
Balbina in selbst aufgebauten Strukturen.<br />
THE RED BULLETIN 41
Paddy Graham<br />
„Ich dachte<br />
mir: Das ist<br />
krank. Das will<br />
ich auch.“<br />
Paddy Graham über seine ersten<br />
Begegnungen mit Freeskiern<br />
British Airways<br />
Paddy Graham zählt zur Weltelite der Freeskier.<br />
Das Besondere daran: Er ist Engländer. Und hat erst<br />
mit elf Ski fahren gelernt – auf einer künstlichen Piste.<br />
Text HUGH FRANCIS AN<strong>DE</strong>RSON<br />
Fotos GIAN PAUL LOZZA<br />
Vor gut zwei Jahren wollte Paddy<br />
Graham einen Weltrekord aufstellen<br />
– das Ziel war, bei einem Sprung<br />
länger als vier Sekunden in der Luft<br />
zu bleiben. Man hatte ihm für diesen<br />
Zweck im italienischen Livigno in<br />
gut vier Wochen Arbeit eine Riesenschanze<br />
aus 100.000 Kubikmeter<br />
Schnee gebaut. Beim ersten Versuch<br />
rast Graham mit 117 km/h über den<br />
Kicker, springt und landet sicher.<br />
Aber „schon“ nach 3,8 Sekunden.<br />
Beim zweiten Versuch wählt er<br />
eine noch waghalsigere Anfahrtsgeschwindigkeit.<br />
Nach 4,5 Sekunden<br />
schlägt er aus 30 Meter Höhe auf<br />
der Piste auf. Die Folgen: gerissenes<br />
Kreuzband und kaputter Meniskus<br />
im einen Bein, ein gebrochener<br />
Knöchel im anderen.<br />
Nur ein Detail macht die Aktion<br />
noch verrückter, als sie ohnehin<br />
war: Paddy Graham ist nicht mit<br />
Skiern an den Beinen aufgewachsen<br />
– so wie die meisten anderen aus der<br />
Freerider-Weltelite. Er ist Engländer.<br />
Geboren in Sheffield, einer Industriestadt<br />
im Herzen des Landes.<br />
Hier gibt es keine hohen Berge<br />
und selten Schnee. Aber es gab die<br />
größte künstliche Skipiste Europas,<br />
ausgestattet mit Half- und Quarterpipe,<br />
Kicker und Grindrails – sie ist<br />
inzwischen leider abgebrannt. Dort<br />
lernte Paddy Graham mit elf Ski<br />
fahren – bloß weil er jeden anderen<br />
Sport langweilig gefunden hatte.<br />
„Ich sah Menschen mit Skiern springen<br />
und Tricks machen und dachte:<br />
Das ist krank, das will ich auch.“ Und<br />
dann ging alles ganz schnell. „Am<br />
Anfang war’s ein Kampf“, erinnert<br />
sich Graham heute grinsend. „Aber<br />
meine Lernkurve stieg rasch an.“<br />
Natürlich haben die Älpler anfangs<br />
über den fliegenden Briten gelacht<br />
– aber nicht lange. Inzwischen<br />
gilt Graham als mit Abstand bester<br />
Freerider Englands. 2009 ist er nach<br />
Innsbruck übersiedelt und hat dort<br />
mit Freunden die Gruppe „Legs of<br />
Steel“ gegründet, mit der er spektakulären<br />
Film-Content herstellt.<br />
Der jüngste Film wurde in Japan<br />
gedreht. Er heißt „121“, in Anlehnung<br />
an ein neues Skimodell der<br />
Marke Völkl. Dieses wurde mit Input<br />
von Legs of Steel entwickelt. „Er<br />
kann Freeride, Tiefschnee, Backcountry-Sprünge<br />
und Skitouren“,<br />
schwärmt Graham, „ein wahrer<br />
Gamechanger.“ Graham meint den<br />
Ski. Er könnte das auch von sich<br />
selbst sagen.<br />
legsofsteel.film<br />
42 THE RED BULLETIN
ALPHATAURI.COM
DIE EIS-EILIGE<br />
Rasantes Tempo, packende Duelle, spektakuläre Stürze:<br />
Short Track ist die aufregendste Sportart auf Eis.<br />
Top-Athletin ANNA SEI<strong>DE</strong>L erklärt, wie Nervosität ihr<br />
dabei hilft, riskante Entscheidungen zu treffen –<br />
auf der Bahn und im Leben.<br />
Text DOMINIK SCHÜTTE<br />
Fotos FELIX KRÜGER
Born to skate: Schon<br />
im Alter von 15 Jahren<br />
debütierte Anna Seidel<br />
bei Olympia.<br />
45
„Ich brauche die Nervosität,<br />
um fokussiert und wachsam zu sein.“<br />
Anna Seidel lernte, ihre Aufregung in eine Stärke zu verwandeln.
RICHARD WALCH/RED BULL CONTENT POOL<br />
Wie eingefroren steht sie da.<br />
Die Augen weit aufgerissen,<br />
aus dem Mund kommen<br />
stoßweise Atemwölkchen,<br />
unter ihren Füßen befinden<br />
sich rasiermesserscharfe<br />
Kufen. Genau wie<br />
bei ihren Gegnerinnen nebenan auf der<br />
Eisbahn. Kaum knallt die Startpistole,<br />
katapultieren sich Anna Seidel und ihre<br />
Konkurrentinnen mit schnellen Schritten<br />
über die Startlinie. Nur bis hierhin läuft<br />
jedes Rennen gleich, danach beginnt ein<br />
unvorhersehbares Spektakel – typisch<br />
für Anna Seidels Sportart Short Track<br />
oder, wie manche es nennen: NASCAR-<br />
Rennen auf Eis. Wie die PS-Geschosse der<br />
US-Motorsportart kämpfen die Eisläufer<br />
auf einem Rundkurs um den Platz ganz<br />
vorn, nur eben auf Schlittschuhen statt<br />
mit Rennwagen. Mit bis zu 50 Stundenkilometern<br />
schießen die Kontrahenten<br />
um die Kurven des 111 Meter langen<br />
Rundkurses. Kufe an Kufe, Helm an<br />
Helm. Massencrashs sind eher die Regel<br />
als die Ausnahme. Nur wer sein Risiko<br />
am klügsten abwägt, kann gewinnen.<br />
Weltweit taktieren wenige gerissener<br />
als Anna Seidel, 21, aus Dresden. Noch<br />
mit Zahnspange tritt sie 2014 im Alter<br />
von nur 15 Jahren in Sotschi bei ihren<br />
ersten Olympischen Spielen an. Es folgen<br />
zwei Bronzemedaillen bei Europameisterschaften,<br />
ab dem 13. <strong>März</strong> startet sie nun<br />
bei den Weltmeisterschaften in Seoul,<br />
Südkorea. Natürlich will sie auch dort<br />
Medaillen gewinnen. Weil sie ehrgeizig<br />
ist, aber auch weil sie Short Track in<br />
Deutschland noch bekannter machen<br />
will. Seit Sotschi sind ihr hier große<br />
Schritte gelungen. Dank Annas sportlichen<br />
Erfolgen und wegen ihrer selbstbewussten<br />
Auftritte in der Öffentlichkeit<br />
– zum Beispiel in den sozialen Medien.<br />
the red bulletin: Anna, dein Instagram-Name<br />
ist „Dark redgrape“.<br />
Was hat es denn auf sich mit dir und<br />
dunkelroten Weintrauben?<br />
anna seidel: Ich liebe sie einfach!<br />
Ich hab ja früh mit Instagram begonnen,<br />
dennoch war „Anna Seidel“ bereits vergeben.<br />
Nun bin ich nicht der Typ, der<br />
sich „AnnaSeidel13“ nennt. Deswegen<br />
habe ich „Dark redgrape“ ausprobiert.<br />
War frei, super. Irgendwann wollte ich<br />
zu meinem Namen zurück, aber da hatte<br />
sich Darkredgrape schon durchgesetzt.<br />
Wenn man es nicht besser wüsste,<br />
könnte dein Account auch der einer<br />
Schauspielerin oder eines Models sein.<br />
Es war die Fotografie, die mich anfangs<br />
für Instagram begeisterte. Gleichzeitig<br />
lege ich aber Wert darauf, dass ich mehr<br />
kann als bloß fotografieren. Ich bin<br />
Leistungssportlerin, darum verbringe<br />
ich mittlerweile auch etwas weniger Zeit<br />
auf Insta gram. Die Entwicklung mit der<br />
vielen Werbung und den Influencern ist<br />
nicht so mein Ding. Mein Antrieb ist es,<br />
meine Sportart bekannter zu machen.<br />
Short Track kennen noch nicht alle.<br />
Was macht deinen Sport aus?<br />
Es ist ähnlich wie Eisschnelllauf …<br />
… das hätte ich aber jetzt nicht sagen<br />
dürfen, oder?<br />
Nein, auf keinen Fall, aber ich als Short-<br />
Trackerin darf das. Anders kriegt man<br />
es auch schwer vermittelt. Eisschnelllauf<br />
kennen nun mal die meisten, beim<br />
Kufe an Kufe: Anna Seidel (re.) hält eine Verfolgerin auf Distanz.<br />
Short Track geht es nicht gegen die Uhr,<br />
sondern direkt gegen die Konkurrenten.<br />
Man muss also taktisch richtig viel auf<br />
der Kette haben. Und es geht natürlich<br />
mit höheren Risiken einher.<br />
Hätte ein Eisschnellläufer eine Chance<br />
gegen dich im Short Track?<br />
Haha, null! Die fliegen meistens aus der<br />
Kurve! Der Radius ist bei uns viel enger.<br />
Lustig ist es immer früh in der Saison. Da<br />
haben die kleinen Bahnen oft schon Eis,<br />
die großen noch nicht. Also sieht man<br />
die Eisschnellläufer manchmal bei uns<br />
trainieren, und das sieht schon wackelig<br />
aus. Short Track ist schneller und härter.<br />
Es ist auch hoch spezialisiert.<br />
Ein Sportlerleben lang auf dem linken<br />
Bein um die schärfste Kurve, die man<br />
sich vorstellen kann?<br />
Ja, meine Hüfte ist etwas schief, und<br />
linkes Knie und Bein sind stärker.<br />
Kann man das sehen?<br />
Nein, aber messen. Mit Links springe ich<br />
auch höher.<br />
Nach deinem Olympia-Debüt in Sotschi<br />
2014 hast du die Gefährlichkeit deines<br />
Sports zu spüren bekommen. Nach<br />
einem schwerem Sturz lautete die<br />
Horror-Nachricht: Wirbelbruch. Wenn<br />
einem so früh das Karriereende droht,<br />
wie kommt man damit klar?<br />
Das war eine schwere Zeit, doch sie ging<br />
recht schnell vorbei. Ich hatte das Glück,<br />
dass mich mein Umfeld aufgefangen hat.<br />
THE RED BULLETIN 47
ANNAS TIPPS FÜR<br />
VEGANE POWER<br />
Immer mehr Spitzensportler<br />
verzichten auf tierische Produkte,<br />
so auch Anna Seidel. Hier gibt sie<br />
fünf Ratschläge für Anfänger:<br />
1. Wer noch zweifelt: Ich habe auf Netflix den<br />
Film „What the Health“ geguckt. Der hat mir die<br />
Augen geöffnet, was Fleischproduktion bedeutet<br />
– für die Tiere, für die Umwelt, für den eigenen<br />
Körper. Da fällt einem der Start leichter.<br />
2. Genug Protein aufnehmen: Das ist das<br />
Wichtigste und auch das, worüber Omis (und<br />
Trainer) sich am meisten sorgen. Ich mache das<br />
mit Hülsenfrüchten – Bohnen und Kichererbsen<br />
zum Beispiel. Oder trinke nach hartem Training<br />
mal einen Proteinshake.<br />
3. Nahrungsergänzungsmittel nutzen: Ich<br />
supplementiere Vitamin B ¹²<br />
. Das sollten Veganer<br />
definitiv machen, aber auch Fleischesser profitieren<br />
davon. Denn viele Nahrungsmittel sind<br />
industriell so stark verändert, dass der Körper<br />
das Vitamin kaum noch extrahieren kann.<br />
4. Abwechslung ist der Trick: Wer immer das<br />
Gleiche isst, sitzt oft einem Missverständnis auf<br />
– nämlich dass er das Fleisch vermisst. Das ist<br />
Quatsch, man hat nur noch nicht genug leckere<br />
fleischlose Rezepte entdeckt.<br />
5. Langsam anfangen: Keiner zwingt einen, von<br />
einem Tag auf den anderen radikal den eigenen<br />
Lifestyle über den Haufen zu werfen. Fangt langsam<br />
an, mit kleinen Portionen. Ich zum Beispiel<br />
bin noch weit von einem komplett veganen Leben<br />
entfernt, aber ich nähere mich dem an – so wie<br />
viele Menschen meiner Generation.
Fernziel im Blick: Bei den<br />
Olympischen Spielen in<br />
Peking 2022 will Anna Seidel<br />
noch einmal angreifen.<br />
49
Immer voll entspannt:<br />
Yoga und Meditation<br />
helfen Anna Seidel<br />
beim Abschalten.<br />
Styling<br />
TOMISLAV BLAIC/<br />
NINA KLEIN AGENCY<br />
Make-up & Haare<br />
KRISTINA GRIFFATO/<br />
NINA KLEIN AGENCY<br />
Skinsuit<br />
LYCOTEX
Hast du gleich bemerkt, dass etwas<br />
kaputtgegangen war?<br />
Gar nicht. Es hat wehgetan, klar, aber ich<br />
bin noch allein in die Kabine gehumpelt.<br />
Im Krankenhaus wurde es dann relativ<br />
schnell ernst. Und Metall in den Rücken<br />
geschraubt zu bekommen – das ist echt<br />
nicht schön. Da wird einem dann klar,<br />
wie ernst die Situation ist.<br />
Du musstest wochenlang pausieren.<br />
Wann ging es wieder bergauf?<br />
Es hat sehr geholfen, wieder Kufen unter<br />
den Füßen zu haben. Mit einer Psychologin<br />
lernte ich wieder, einfach zu laufen<br />
und nicht mehr an den Unfall zu denken.<br />
Gehst du seither anders mit dem Risiko<br />
deines Sports um?<br />
Bewusster, klar. Wichtig war eine Erfahrung,<br />
die man in einer solchen Situation<br />
zwangsläufig macht – auch wenn es wie<br />
ein Klischee klingt: What doesn’t kill you,<br />
makes you stronger. Und man lernt seine<br />
Gesundheit noch mehr zu schätzen.<br />
Deine zweiten Olympischen Spiele<br />
wurden zu einer herben Enttäuschung:<br />
Du bist zweimal gestürzt.<br />
Dabei war es im Training so gut gelaufen!<br />
Aber ich konnte nichts davon zeigen, gar<br />
nichts. Das war bitter.<br />
Kann man analysieren, was schiefgelaufen<br />
ist, wenn die Kufe wegrutscht<br />
und Monate Vorbereitung kaputt sind?<br />
Die Frage ist, warum einem die Kufe<br />
wegrutscht. War es Nervosität, muss man<br />
an sich arbeiten. War das Eis schmutzig,<br />
ist es Schicksal. Es war eine Kombination<br />
aus beidem. 2014 war mein Motto: Dabei<br />
sein ist alles. 2018 war das nicht mehr<br />
so. Ich war zu verkrampft.<br />
Vielleicht, weil zehnmal so viele<br />
Kameras auf dich gerichtet waren.<br />
Kameras waren 2014 auch genug da. Die<br />
Erwartungen waren zehnmal so hoch.<br />
Beim Short Track darfst du nicht<br />
zu lange zögern; wenn du eine Lücke<br />
siehst, musst du deine Chance nutzen<br />
und auch mal Risiken eingehen. Klingt<br />
ein bisschen wie das wahre Leben.<br />
Das ist ein sehr schöner Vergleich. Wie<br />
im wahren Leben muss man aber auch<br />
immer darauf achten, dass man nicht<br />
überdreht, zu viel Risiko nimmt und<br />
dann aus der Kurve knallt. Gleichzeitig<br />
darf man nicht zu viel Angst haben – ein<br />
Balanceakt.<br />
„Wie im wahren Leben musst du auf<br />
dem Eis darauf achten, nicht zu viel Risiko<br />
einzugehen – es ist ein Balanceakt.“<br />
Bist du privat so wie auf dem Eis?<br />
Ich will jedenfalls nicht zögerlich sein,<br />
sondern mit meinem Leben etwas anstellen,<br />
meine Chancen nutzen – auch<br />
nach der aktiven Karriere.<br />
Jetzt bist du 21 und schon sechs Jahre<br />
Profi. Hast du dich sehr verändert?<br />
Im Kern bin ich die alte Anna. Ich habe<br />
noch immer diesen Killerinstinkt, aber inzwischen<br />
kann ich etwas entspannter mit<br />
gewissen Situationen umgehen. Ich bin<br />
nicht mehr so nervös wie früher.<br />
Wie hast du diese Nervosität in den<br />
Griff bekommen?<br />
Man trainiert ja immer noch mehr und<br />
noch mehr. Ich bin körperlich also viel<br />
stärker geworden, das hilft auch mental.<br />
Auf deiner Website gibt’s einen Fragebogen,<br />
bei manchen deiner Antworten<br />
wird man stutzig. Bei der Auswahl<br />
„Geduldsprofi vs. Nervenbündel“ hast<br />
du „Nervenbündel“ angekreuzt.<br />
Ich brauche die Nervosität durchaus, um<br />
fokussiert und wachsam zu sein. Ich habe<br />
das auch deswegen angekreuzt, weil<br />
ich privat nicht gerade der geduldigste<br />
Mensch bin. Sagen wir so: Ich bin ein<br />
richtig gutes Nervenbündel.<br />
Super Antwort, wenn man mal im<br />
Stress ist: „Ich bin ein Nervenbündel,<br />
aber ein gutes Nervenbündel.“<br />
Wenn ich nicht aufgeregt bin, bin ich<br />
auch gar nicht richtig da.<br />
Das nächste Kreuz bei „Glas halb voll<br />
vs. halb leer“. Hier hast du „halb leer“<br />
gewählt. Mir wäre fast mein halb volles<br />
Glas umgekippt.<br />
Ich halte mich nicht für die Größte, vielmehr<br />
habe ich mich selbst immer etwas<br />
kleiner gemacht. Wahrscheinlich, um<br />
die Erwartungen runterzuschrauben.<br />
Ein bisschen mehr Optimismus täte mir<br />
aber gut. Da arbeite ich gerade hart dran.<br />
Was ist dein Mental-Werkzeug ?<br />
Bei mir ist’s eine Mischung aus Ablenkung<br />
und Lernen. Mir sind Freunde außerhalb<br />
des Sports wichtig, mit denen man über<br />
ganz andere Dinge spricht. Und dann bin<br />
ich recht tief in diesem Meditations- und<br />
Yoga-Ding drin. Macht Spaß, und ich<br />
lerne viel über mich.<br />
Du bist nun 21 und arbeitest auf deine<br />
dritten Spiele hin. Wann haben Short-<br />
Tracker ihren Leistungshöhepunkt?<br />
Bei Frauen zwischen 20 und 25. Bei<br />
Männern kommt der Peak etwas später.<br />
Warum sind die Karrieren so kurz?<br />
Short Track geht brutal auf die Knochen.<br />
Viele bekommen Probleme mit Knie, Rücken<br />
oder Hüfte. Dann kannst du nicht<br />
mehr im nötigen Umfang trainieren.<br />
Du ernährst dich seit kurzem vegan.<br />
Waren deine Trainer irritiert?<br />
Teils, teils. Ich habe schon Sachen gehört<br />
wie „Du schon wieder mit deinen Ideen!“.<br />
Aber dann habe ich meine Trainingsleistungen<br />
steigern können, seitdem höre<br />
ich eigentlich nichts mehr. War wohl<br />
die beste Antwort. Ich schlafe nun auch<br />
viel besser und bin viel vitaler.<br />
Ist dein Rücken nach der Verletzung<br />
dein Schwachpunkt?<br />
Ja, und er wird es immer bleiben. Mit<br />
Physio und Mobilisierung kann ich vieles<br />
machen, aber der Rücken ist sicher nicht<br />
böse, wenn ich meine aktive Karriere<br />
irgendwann beende.<br />
Werden die Olympischen Spiele<br />
in Peking 2022 deine letzten sein?<br />
Ich möchte jedenfalls noch viele andere<br />
Dinge probieren in meinem Leben, und<br />
für die brauche ich einen geraden Rücken<br />
und auch noch etwas Zeit. Zu 90 Prozent<br />
werde ich aufhören.<br />
Ist diese Entscheidung befreiend<br />
für dich?<br />
Ehrlich gesagt, ja. Ich kann nun diese<br />
zweieinhalb Jahre sehr strategisch angehen,<br />
noch mal alles reingeben. Ich gehe<br />
auch ganz befreit in die Halle und habe<br />
mehr Spaß. Selbst wenn es in Peking mit<br />
einer Medaille nicht klappt, ist es ja nicht<br />
so, als hätte sich das alles nicht gelohnt.<br />
Es war eine richtige tolle Zeit.<br />
THE RED BULLETIN 51
Fliegendes Fahrrad:<br />
Tragflächen (Foils)<br />
aus Carbon sorgen<br />
für Stabilität und<br />
Auftrieb im Wasser.<br />
INNOVATOR<br />
START-UPS,<br />
PIONIERE UND<br />
GENIALE<br />
ERFINDUNGEN<br />
E-Bike<br />
Hält dich<br />
über Wasser<br />
Mit dem Manta5 sind Radfahrer<br />
auch in Flüssen oder Seen in ihrem<br />
Element. Dank Foiling-Technologie<br />
und elektronischer Unterstützung.<br />
Radfahrer sehnen sich<br />
nach freien Wegen. Was<br />
aber, wenn drängelnde<br />
Autos, Ampeln und andere<br />
Radfahrer diesen Wunsch<br />
zunichtemachen? Dann<br />
wechselt man das Milieu. So<br />
dachte Guy Howard-Willis,<br />
passionierter Biker aus Neuseeland,<br />
im Jahr 2011 und<br />
begann an einem Fahrrad<br />
fürs Wasser zu tüfteln.<br />
Neun Jahre später ist das<br />
Hydrofoil-Bike Manta5 er-<br />
Mit dem Manta5 sind Geschwindigkeiten<br />
von knapp 21 km/h möglich.<br />
52 THE RED BULLETIN
IN ALLER<br />
KÜRZE<br />
I<strong>DE</strong>E FÜR<br />
SCHNEE<br />
Werden die Winter<br />
wärmer, rauchen<br />
auch die Köpfe.<br />
Zwei Alternativen<br />
bei Schneemangel:<br />
hältlich: ein pedalgesteuertes<br />
Fahrzeug auf Tragflächen,<br />
wie man sie aus dem Segelsport<br />
kennt. Der Fahrer sitzt<br />
dabei aufrecht am Lenker, bewegt<br />
mithilfe eines 460-Watt<br />
Elektromotors die Antriebsschraube<br />
und hebt so ab.<br />
Top-Speed: knapp 21 km/h,<br />
Akkulaufzeit: eine Stunde.<br />
Wer vorher müde wird,<br />
geht auch nicht unter. Anders<br />
als normale Bikes schwimmt<br />
das Manta5. manta5.com<br />
NATURFLOCKEN AUS<br />
<strong>DE</strong>R KUNSTWOLKE<br />
Michael Bacher und<br />
sein Team erzeugen in<br />
einem (aufblasbaren)<br />
Konstrukt wie in einer<br />
Wolke Schneekristalle.<br />
Das Ergebnis: leichter,<br />
weicher Schnee für<br />
urbanen Wintersport.<br />
neuschnee.co.at<br />
STOFF, AUS <strong>DE</strong>M DIE<br />
WINTERTRÄUME SIND<br />
Das Start-up um CEO<br />
Jens Reindl entwickelt<br />
textile Skipisten und<br />
Loipen, die ohne Strom,<br />
Wasser und Schmiermittel<br />
ideale Gleiteigenschaften<br />
besitzen und<br />
sogar Carven erlauben.<br />
mr-snow.de<br />
Mehr Inspiration für<br />
Zukunftsmacher gibt es<br />
im aktuellen INNOVATOR.<br />
Infos und Abo unter:<br />
redbulletininnovator.com<br />
MANTA5, KLASZKLEEBERGER ARCHITECTS AND <strong>DE</strong>SIGNERS, MR.SNOW, SNØHETTA /PLOMPMOZES<br />
Sieht aus wie ein eben gelandetes UFO, ist aber ein intelligentes<br />
Hotelprojekt – das Haus erzeugt mehr Energie, als es verbraucht.<br />
Energiewunder<br />
Der Kreis des Lebens<br />
Luxus im Namen der Umwelt: Am Polarkreis<br />
Norwegens entsteht das weltweit erste<br />
Hotel mit einer positiven Energiebilanz.<br />
Schon die Lage des<br />
Hotels ist ikonisch:<br />
Das „Svart Resort“<br />
befindet sich genau am<br />
Polarkreis, unterhalb des<br />
Svartisen, des zweitgrößten<br />
Gletschers Norwegens,<br />
am Ufer des idyllischen<br />
Holandsfjords. An einem<br />
solchen Ort ist ökologische<br />
Bau weise fast Pflicht.<br />
Doch der Bauherr, Arctic<br />
Adventure of Norway,<br />
wollte noch ein Schauferl<br />
drauflegen: Das Hotel wird<br />
das erste mit einer positiven<br />
Energiebilanz nach dem<br />
Powerhouse-Standard<br />
sein. Das heißt, dass es<br />
über einen Zeitraum von<br />
sechs Jahren gerechnet<br />
mehr Energie erzeugt als es<br />
verbraucht – inklusive Bau,<br />
Nutzung und Abriss.<br />
Möglich macht dies<br />
einerseits die sorgsame<br />
Auswahl der Materialien<br />
(deren Gewinnung und<br />
Transport wird in die Bilanz<br />
mit eingerechnet), andererseits<br />
eine intelligente Architektur:<br />
große Fenster für<br />
Wärmenutzung auch bei<br />
tiefstehender Wintersonne,<br />
abgesonderte Terrassen für<br />
Schatten und natürliche<br />
Kühlung im Sommer. Zudem<br />
sorgen Solarpaneele<br />
am Dach für Strom und<br />
<strong>The</strong>rmalquellen für die<br />
Heizung.<br />
Dadurch verbraucht das<br />
kreisförmige, auf Stelzen<br />
in den Fjord gebaute Hotel<br />
85 Prozent weniger Energie<br />
als vergleichbare Projekte.<br />
Die Eröffnung ist für<br />
2021 geplant. Gäste erreichen<br />
ihr Reiseziel übrigens<br />
nur per energieneutralem<br />
Bootsshuttle. (Öko)logisch!<br />
svart.no<br />
THE RED BULLETIN 53
5 - M I N U T E N - C O A C H<br />
01:59<br />
00:00<br />
Kalibriere deine<br />
Mitmenschen<br />
Die größte Freiheit des Menschen ist<br />
die, selbst zu entscheiden, was er von<br />
sich preisgibt. Deshalb spielen wir im<br />
Alltag oft Rollen. Als Ehemann oder als<br />
Tochter geben wir andere Dinge preis<br />
als im Job. So funktioniert unser Zusammenleben.<br />
Wer versteht, wie sich<br />
Menschen in Rollen darstellen, kann<br />
lesen, ob sie gerade spielen – oder echt<br />
sind. Wie? Indem man Muster im Verhalten<br />
erkennt – in der Psychologie<br />
nennt man das „kalibrieren“. Das heißt,<br />
anhand einer Nulllinie Abweichungen<br />
zu erkennen. Beobachte genau: Wie<br />
sieht dein Gegenüber normalerweise<br />
aus, wenn er lobt? Wie schaut er, wenn<br />
er es ernst meinst? Gehen die Augenbrauen<br />
nach oben, rückt er nach vorn?<br />
Und dann vergleichst du: Wie sieht<br />
derjenige aus, wenn er gestresst ist und<br />
nur so tut, als meine er, was er sagt?<br />
Blinzelt er häufiger? Verschränkt er<br />
die Arme? Kalibrieren hilft dir, herauszufinden,<br />
ob jemand es ehrlich meint.<br />
00:18<br />
SO TICKT<br />
<strong>DE</strong>IN<br />
GEGENÜBER<br />
Gedanken<br />
lesen lernen<br />
Mentalist THORSTEN HAVENER tritt in ausverkauften<br />
Häusern auf, weil er in andere hineinschauen kann – das<br />
glaubt zumindest sein Publikum. Dabei weiß er bloß, wie<br />
Menschen kommunizieren, und findet so heraus, was sie<br />
denken. Wie auch du andere entschlüsselst, verrät er hier.<br />
Simuliere Nähe<br />
zu Fremden<br />
Du triffst jemanden, den du nicht<br />
kennst, trotzdem möchtest du den<br />
Eindruck erwecken, als wüsstest du<br />
alles über ihn. Beim ersten Date zum<br />
Beispiel. Das gelingt, wenn du eine<br />
feine Beobachtungsgabe hast und gut<br />
kombinieren kannst. Zum Beispiel<br />
schätzt du, wie alt dein Gegenüber<br />
ist. Dann ist es leicht, dir auszumalen,<br />
wie die Sorgen oder Wünsche in diesem<br />
Lebensalter aussehen.<br />
Nehmen wir etwa an, dein Date ist<br />
Ende zwanzig. Da liegt es nahe, dass<br />
er oder sie sich fragt, wie es beruflich<br />
langfristig weitergeht. Menschen<br />
Mitte vierzig fragen sich dagegen,<br />
was ge wesen wäre, wenn gewisse Entscheidungen<br />
nach der Matura anders<br />
gefallen wären. Das geht uns allen so,<br />
es sind hohe Wahrscheinlichkeiten<br />
für Menschen in einem bestimmten<br />
Alter. Mit solchen Annahmen kannst<br />
du den Eindruck tiefer Empathie<br />
erwecken.<br />
03:07<br />
Stell bessere<br />
Fragen<br />
Ich liebe Musik. Aber ich frage nicht:<br />
„Was ist deine Lieblingsband?“ Ich<br />
frage: „Welches Lied magst du, obwohl<br />
es dir eigentlich peinlich ist? Bei mir ist<br />
das ‚My Heart Will Go On‘ von Celine<br />
Dion.“ Indem ich eine Schnulze super<br />
finde, öffne ich mich und gebe zugleich<br />
etwas von mir preis.<br />
„Was machst du beruflich?“ – Was<br />
für eine langweilige Frage! Schieß<br />
lieber deine Vermutungen ab: „Du bist<br />
bestimmt jemand, der in seinem Beruf<br />
viel mit Menschen zu tun hat.“ Im<br />
schlimmsten Fall verneint dein Visavis<br />
– findet aber vielleicht, du hast eine<br />
interessante Seite an ihm gesehen. Auf<br />
jeden Fall steigst du gut ins Gespräch<br />
ein! Diese Taktik funktioniert beim<br />
ersten Date genauso wie in langen<br />
Beziehungen: „Was ist los?“ – „Nix.“ –<br />
„Ist irgendwas?“ – „Nein.“ Das sind<br />
geschlossene Fragen, die niemanden<br />
öffnen. Stattdessen solltest du Ich-Aussagen<br />
senden, denen dein Gegenüber<br />
nicht widersprechen kann: „Ich hab<br />
den Eindruck, es gibt etwas, das dich<br />
beschäftigt. Wie kann ich dir helfen?“<br />
Sei der Spiegel<br />
deines<br />
Gegenübers<br />
Je besser die Stimmung, desto wahrscheinlicher<br />
die Zustimmung. In der<br />
Hypnose gibt es dazu den Fachbegriff<br />
„Rapport“: wenn die Kommunikation<br />
nonverbal, allein mit Körpersprache<br />
funktioniert. Verliebt sein ist eine<br />
Ex tremform davon: Wenn der Partner<br />
SAMMY HART NICLAS SEYDACK<br />
01:58<br />
54 THE RED BULLETIN
03:08<br />
nickt, nickt die Partnerin auch. Ich<br />
habe schon gesehen, dass sie einen<br />
Schluck aus dem Glas nimmt und er<br />
sich danach den Mund abwischt. Verliebte<br />
ergänzen und vervollständigen<br />
ihre Bewegungen. Diese Art von Vertrautheit<br />
kann man auch simulieren.<br />
Ein Sofort-Tipp für den Job: Pass<br />
deine Körpersprache deinem Gegenüber<br />
an. Wenn dein Chef mit übereinandergeschlagenen<br />
Beinen dasitzt,<br />
mach es auch. Unterbewusst werdet<br />
ihr euch beide wohler fühlen – weil<br />
ihr euch angleicht.<br />
In seinem neuen Buch<br />
„Sag es keinem weiter“<br />
erklärt Thorsten Havener,<br />
wie Geheimnisse unser<br />
Leben prägen und warum<br />
wir sie brauchen – gerade<br />
in Zeiten von Big Data,<br />
Facebook und Co.<br />
„Stell dir mal vor, wie der<br />
Fußboden in deinem Kinderzimmer<br />
aussah, als du fünf<br />
Jahre alt warst. Haben sich<br />
jetzt gerade deine Augen<br />
bewegt, weil du mit ihnen<br />
nach der Information in<br />
deinem Kopf gesucht hast?“<br />
Thorsten Havener<br />
04:13<br />
Flunkere mit<br />
einem Lächeln<br />
Wir gehen davon aus, dass Menschen<br />
immer die Wahrheit sagen. Wir suchen<br />
in Gesprächen unterbewusst nach<br />
Beweisen für diese Annahme. Trotzdem<br />
glaube ich: Flunkern ist einer der<br />
Schmierstoffe, die unsere Gesellschaft<br />
zusammenhalten. Die Frage „Geht’s dir<br />
gut?“ und die Antwort „Ja“ sind ein<br />
Ritual: Wir zeigen, wir haben uns wahrgenommen.<br />
Dir geht’s überhaupt nicht<br />
gut, aber du hast keine Lust, deine<br />
Lebensgeschichte zu erzählen? Dann<br />
musst du flunkern. Das geht am besten<br />
mit einem Lächeln, das spontan Nähe<br />
herstellt.<br />
Es gibt eine Methode, Kritik zu<br />
äußern, ohne jemandem zu nahe zu<br />
treten – ein sogenanntes „Sandwich“:<br />
„Das ist ein wunderschönes Kleid!<br />
Ich bin mir nicht sicher, ob der Schnitt<br />
zu dir passt. Aber diese Farbe, wow!“<br />
Lob, Kritik, Lob – Kommunikation<br />
ist ein Spiel, im Alltag sind solche kleinen<br />
Tricks erlaubt. Aber wenn es wirklich<br />
ernst ist – wenn es etwa um Liebe<br />
geht, um echte Emotion –, hilft nur<br />
eines: Dann musst du ehrlich sein.<br />
05:00<br />
THE RED BULLETIN 55
<strong>DE</strong>R<br />
WANDA-<br />
ZIRKUS<br />
WANDA waren eine Revolution.<br />
Deutschsprachige Musik klang<br />
nach ihnen anders als vorher. Im<br />
Interview erzählen sie vom Rausch<br />
der frühen Tage, was sie antreibt,<br />
wer sie auffängt und wo sie sich<br />
zu Hause fühlen.<br />
Text STEFAN NIE<strong>DE</strong>RWIESER<br />
Fotos DAVID FISCHER<br />
Österreichs aktuell größte Rockband (von links): Gitarrist<br />
Manuel Christoph Poppe, Keyboarder Christian Hummer,<br />
Sänger Marco Michael Wanda, Bassist Reinhold „Ray“<br />
Weber und Drummer Lukas Hasitschka<br />
56
Frontmann Marco<br />
Michael Wanda:<br />
„Wir wissen, dass<br />
wir keine Virtuosen<br />
sind. Wir müssen<br />
bluten für unsere<br />
Arbeit.“<br />
58 THE RED BULLETIN
„ICH GLAUBE ÜBERHAUPT<br />
NICHT AN <strong>DE</strong>N ABGRUND ALS<br />
QUELL <strong>DE</strong>R INSPIRATION.“<br />
MARCO MICHAEL WANDA<br />
Hunderttausend sollen es gewesen sein. Aber<br />
so genau weiß das niemand. Als Wanda voriges<br />
Jahr auf der Wiener Donauinsel auftraten,<br />
konnte halb Österreich aus voller Kehle mitsingen,<br />
„Bologna“, „Columbo“ und „Bussi<br />
Baby“. Innerhalb von nur fünf Jahren haben<br />
Wanda die deutschsprachige Musikszene erobert.<br />
Sogar auf Konzerten in Hamburg grölen<br />
die Fans die Hits mit – und das im Wiener<br />
Dialekt. Der Hype hinterließ nicht nur Spuren<br />
im kollektiven Bewusstsein, sondern auch bei<br />
den Musikern. Das Tempo war manches Mal zu<br />
hoch und forderte seinen Tribut. Wanda haben<br />
seither einen Gang zurückgeschaltet. „Können<br />
wir bitte bald nach Hause gehen“, singen sie<br />
auf ihrer jüngsten Single, ein anderes Mal senden<br />
sie ein „S. O. S.“. Aber wie beim legendären<br />
„Help!“ von den Beatles klingen Wandas Rufe<br />
nach Hilfe nicht so, als wären sie kurz davor<br />
auf zugeben – sondern wie ein Appell an die<br />
Willenskraft, weiter alles zu geben.<br />
the red bulletin: Zum Einstieg eine<br />
elementare Frage – wo ist zu Hause?<br />
manuel christoph poppe: Bei den liebsten<br />
Menschen. Das kann an jedem Ort der Welt<br />
sein. Zuhause ist auch die Familie, bis hin zu<br />
den Haustieren. Auf unserer Rock ’n’ Roll-Reise<br />
sind das wir fünf als Freunde, wir fangen uns<br />
gegenseitig auf – in guten wie in schlechten<br />
Zeiten, wie’s so schön heißt.<br />
marco michael wanda: Es ist schwer,<br />
Zuhause einzugrenzen, es ist eine ewige<br />
Problemstellung, eine endlose Reise, ein Anund<br />
Ablegen. Menschen versuchen, in ihrem<br />
eigenen Geist zu Hause zu sein. Gleichzeitig ist<br />
man für andere ein Zuhause, für seine Liebsten.<br />
Und wir als Band sind schließlich auch ein Zuhause<br />
für unser Publikum.<br />
Woher kommt diese Sehnsucht nach einem<br />
Zuhause?<br />
wanda: Ich habe mein Leben lang in Songs<br />
nach Sinn gesucht. Ich traue keiner Politik,<br />
ich traue wenigen Dingen, aber ich traue der<br />
Musik. Die ist deshalb so wahr, weil sie gar nicht<br />
wahr sein will und nicht wahr sein kann. Ich<br />
schreibe einzelne Songs, dabei beschäftigt mich<br />
so vieles, und einiges kann ich ausdrücken, anderes<br />
nicht. Ich lerne mich immer noch kennen<br />
und mein Handwerk besser zu verstehen.<br />
Marco, auf eurem neuen Album singst du<br />
erstmals über Kinder und darüber, dass du<br />
nicht weißt, wo du bist, wo du stehst.<br />
wanda: Ich bin älter geworden. Und wir alle<br />
kennen das Gefühl, dass wir sitzen bleiben,<br />
während die ganze Welt sich weiterdreht.<br />
Die Frage, zu wem oder was wir nach Hause<br />
kommen, haben wir uns alle gestellt. Wir haben<br />
sehr viel erlebt, haben es auch über trieben, nie<br />
gab es Ruhe. 2016 und 2017 waren teilweise<br />
nur noch ein Leerlauf, eine sinnlose Suche<br />
nach Exzess und der nächsten Erkenntnis.<br />
Wie seid ihr da herausgekommen?<br />
wanda: Ich glaube, über die Musik. Und über<br />
Menschen, die uns wirklich nahestehen. Außerdem<br />
haben wir heute deutlich mehr Erfahrung.<br />
Wir sind nicht mehr am Jupiter, sondern<br />
schweben bloß ein paar Zentimeter über dem<br />
Boden.<br />
poppe: Wir haben gelernt, dass Körper und<br />
Geist zur selben Zeit am selben Ort sein müssen.<br />
(Beide lachen.)<br />
Musstet ihr zwischendurch abtauchen,<br />
um Kräfte zu sammeln?<br />
wanda: Wir sind wider Erwarten durchaus<br />
lernfähig. Wir übernehmen uns nicht mehr<br />
und fahren mit guter Geschwindigkeit.<br />
Wie bleibt ihr hungrig, wie lasst ihr euch<br />
auf Neues ein?<br />
wanda: Ich bin grundsätzlich ein sehr fauler<br />
Mensch. Wenn mir niemand sagte, probiere<br />
dieses oder jenes aus, würde ich in meiner<br />
Gewohnheit versinken. Unser Produzent Paul<br />
Gallister ist zum Glück jemand, der unglaublich<br />
geschickt und herzlich fordern kann.<br />
THE RED BULLETIN 59
„HELFEN MUSS MAN SICH<br />
SELBST. ABER FREUN<strong>DE</strong><br />
FANGEN DICH AUF.“<br />
MANUEL CHRISTOPH POPPE<br />
Viele Leute brauchen jemanden, der sie<br />
motiviert und antreibt. Seid ihr zueinander<br />
auch so?<br />
wanda: Eher nein, wir lassen einander in<br />
Ruhe. Wir verlangen voneinander nicht viel.<br />
Aber wir wissen, dass wir keine Virtuosen sind.<br />
Wir müssen bluten für unsere Arbeit. Das ist ein<br />
Kampf. Steuern können wir ihn nicht, unsere<br />
Arbeit ist immer einem Faktor X unterworfen,<br />
dem Intuitiven und dem Mentalen. Wenn gar<br />
nichts mehr geht, muss man es aussitzen. Songs<br />
sind wie Geister, die einen besuchen kommen.<br />
Geister lassen sich auch beschwören …<br />
wanda: Das heißt aber noch lange nicht, dass<br />
sie kommen. Man braucht viel Geduld, einen<br />
langen Atem und unbedingt ein gutes Leben.<br />
Ich glaube überhaupt nicht an den Abgrund<br />
als Quell der Inspiration.<br />
Wusstest du in den drei Wochen, in denen<br />
du das neue Album „Ciao!“ großteils geschrieben<br />
hast, dass jetzt der richtige Zeitpunkt<br />
ist?<br />
wanda: Ja. Alle Geister haben mich auf einmal<br />
besucht. Früher habe ich alles dafür versucht,<br />
jedes Hilfsmittel war recht. Aber irgendwann<br />
war das kein gutes Leben mehr.<br />
Haben euch die Beatles besucht, haben sie<br />
euch beeinflusst?<br />
wanda: Der Einfluss, den diese Gruppierung<br />
auf die Musik, auf die gesamte Kultur hat,<br />
der lässt sich vorne und hinten nicht verfehlen.<br />
Und ja: Wir haben etwas gemeinsam. Immerhin<br />
waren wir alle bei den Beatles in der Schule.<br />
Das ist eine Art, Musik zu denken, die uns verwandt<br />
ist. Ich verstehe, in welchem Rahmen<br />
sie arbeiten wollten. Diese Musik ist mir viel<br />
näher und verständlicher als vieles andere.<br />
Aber die neuen Beatles wollen wir nicht sein –<br />
und das können wir auch nicht sein.<br />
Manche Harmonien, Instrumentierungen<br />
und Rhythmen erinnern dennoch stark<br />
an die Beatles. Auch ein Songtitel wie<br />
„Swing Shit Slide Show“.<br />
wanda: Ich verstehe das als eine Art Öffnung.<br />
In einem Magazin habe ich eine Werbeeinschaltung<br />
für diese Freakshow namens<br />
„Swingshift Sideshow“ gesehen, und in diesem<br />
Moment war mir klar, dass ich nicht über mich<br />
schreiben will, sondern so viele Geschichten<br />
wie möglich erzählen möchte. Wie auf einem<br />
„SONGS SIND WIE GEISTER, DIE<br />
EINEN BESUCHEN KOMMEN.“<br />
Festival, bei dem sich Menschen ihren Ängsten<br />
stellen und dafür auch noch Eintritt zahlen.<br />
Im Übrigen halte ich auch dieses Lied für<br />
grandios gescheitert.<br />
poppe: In drei Akten erfolgreich gescheitert.<br />
(Beide lachen.)<br />
Auf dem Cover eures neuen Albums lauft<br />
ihr mit einem Schiff aus, auf dem „Ciao!“<br />
steht. Das soll angeblich eine Einladung<br />
zur Reise sein.<br />
wanda: Das haben wir nie gesagt. (Lacht.)<br />
Überhaupt spürt man eine große Lebens-,<br />
aber auch eine Todessehnsucht. In euren<br />
Videos geht ein Auto in Flammen auf, ein<br />
anderes geht unter, und ein Boot säuft ab.<br />
Die neuen Songs heißen „S. O. S.“, „Ein<br />
schneller Tod“ oder „Nix reparieren“.<br />
Geht es euch gut?<br />
wanda: Wanda will den Optimismus finden,<br />
wo es vermeintlich keinen gibt. Wanda will<br />
den Karneval, wo alles grau ist. Das war immer<br />
die geistige Reise dieser Band, für uns als Menschen<br />
wie als Musiker.<br />
poppe: Ein Lied, das sich nicht an das kollektive<br />
Unbewusste richtet, wäre uninteressant.<br />
wanda: Es ist immer ein Versuch. Vielleicht<br />
lernt man das nie, aber der Versuch ist wichtig.<br />
Nichts kann jemals fertig sein, genauso wie<br />
ein Leben niemals fertig ist. Man stirbt, bevor<br />
irgendwas passiert ist. Wenn man die eigene<br />
Sterblichkeit versteht, aber auch die aller<br />
anderen, kann man niemandem mehr wehtun<br />
wollen. Dann kann man nicht spalten wollen.<br />
Alle Menschen, die spalten, haben überhaupt<br />
keine Ahnung vom Leben.<br />
Denkt ihr, dass eure Fans das genauso sehen?<br />
wanda: Meine Mutter ist <strong>The</strong>rapeutin. Sie<br />
meinte kürzlich, was wir als Musiker machen,<br />
ist eine Katharsis für den Moment. Man fühlt<br />
sich während eines Konzerts sehr stark, aber<br />
am nächsten Tag ist vermutlich nicht viel<br />
hängen geblieben. Ich muss noch darüber<br />
nachdenken. Sollte das allerdings stimmen,<br />
werde ich den Rest meines Lebens dagegen<br />
ankämpfen.<br />
Heilen und geistige Gesundheit sind derzeit<br />
große gesellschaftliche <strong>The</strong>men. Ihr wirkt<br />
aber eher wie Menschen, die nicht oft in<br />
den Rückspiegel schauen.<br />
poppe: Die Rückspiegel sind abmontiert –<br />
habe ich einmal gesagt.<br />
wanda: Und ich hab dir damals den Slogan<br />
gestohlen und ihn aus Verlegenheit in vielen<br />
Interviews verwendet.<br />
poppe: Eigentlich ziemlich kaputt. (Lacht.)<br />
MARCO MICHAEL WANDA<br />
60 THE RED BULLETIN
Hoch die Schirme:<br />
Für unser Shooting<br />
stellten Wanda<br />
ein berühmtes<br />
Album-Cover der<br />
Beatles nach.
wanda: In dieser Zeit war ich vollkommen<br />
kaputt. Aufs Leben zurückblicken würde ich<br />
aber nur mit Stolz. Ich finde viel Schönes<br />
in dem, was wir erlebt haben.<br />
Wie helft ihr euch?<br />
poppe: Helfen muss man sich selbst. Aber man<br />
kann einander gegenseitig auffangen. So wie<br />
in dieser Band, die als Freundschaft begonnen<br />
hat. Wenn einer fliegt, halten vier das Netz.<br />
Menschen helfen sich auch anders: Yoga, Ernährung,<br />
Medikamente, Astrologie. Ihr habt<br />
den Song „Gerda Rogers“ geschrieben …<br />
wanda: Hier summiert sich alles, worüber wir<br />
gerade reden. Die Zweifel an Politik und Wissenschaft<br />
haben ein Vakuum hinterlassen, in dem<br />
sich viele Scheinexperten tummeln, sei es auf<br />
YouTube, wo mir irgendjemand inbrünstig erklärt,<br />
wie ich leben soll, oder Blogger, die meinen,<br />
die Erde sei flach. Das hat mich fasziniert:<br />
62 THE RED BULLETIN
„WANDA WILL <strong>DE</strong>N<br />
KARNEVAL, WENN ALLES<br />
AN<strong>DE</strong>RE GRAU IST.“<br />
MARCO MICHAEL WANDA<br />
die schlechtere Welt? Gibt es so was überhaupt<br />
noch? Das ist für mich die große Frage.<br />
Stimmt es, dass du kein Smartphone hast?<br />
wanda: So etwas besitze ich nicht.<br />
poppe: Ich habe eines.<br />
wanda: Und wir sind trotzdem Freunde. Und<br />
wir können telefonieren. (Lacht.)<br />
Die Textzeile „Alles schaut so gut aus, so, dass<br />
man es fast glaubt“ soll Instagram meinen.<br />
wanda: Ich bin immer wieder begeistert, was<br />
Menschen in diese Texte hineinlesen. Das ist<br />
sehr schmeichelhaft und eine der Säulen der<br />
Freude. Die Interpretationen übertreffen einen<br />
selbst bei weitem.<br />
poppe: Ich fühle mich dadurch gerade sehr<br />
bereichert.<br />
Brauchst du weniger im Leben? Tun dir<br />
andere leid, wenn sie viele Dinge kaufen?<br />
wanda: Wenn ich hinausgehe, sehe ich keine<br />
gefühllosen Roboter. Die Menschen sind angefüllt<br />
mit Angst, Schmerz, Liebe und Leidenschaft.<br />
In solchen Momenten empfinde ich<br />
Mitleid, das rührt mich. In diesen Momenten<br />
schreibe ich Lieder.<br />
Möchtest als Experte gesehen werden?<br />
wanda: Das steht mir nicht zu.<br />
poppe: Wanda will Menschen aus den<br />
verschiedensten Gegenden, Gesellschaftsschichten<br />
und Denkweisen zusammenführen.<br />
wanda: Und wir erleben das auf unseren<br />
Konzerten, wenn sie sich in den Armen liegen.<br />
Keyboarder Christian<br />
Hummer am Steuerrad.<br />
Wanda haben mittlerweile<br />
einen guten Weg<br />
zwischen Ruhe und<br />
Exzess gefunden.<br />
die Hilflosigkeit, aus der heraus wir uns auf die<br />
Suche nach Wahrheit machen.<br />
Du sprichst von einem unbekannten Zeitalter.<br />
Wie meinst du das?<br />
wanda: Das ist das große Jetzt. Ich kenne den<br />
Ort nicht, auf den wir als Menschen zusteuern.<br />
Es sind so viele Deutungen im Raum, dass<br />
ich keine Ahnung habe, welches Versprechen<br />
sich jetzt einlöst. Wird das die bessere oder<br />
„CIAO!“ ZUSAMMEN<br />
Hier kannst du Wanda live erleben.<br />
Ab Ende Februar gehen die Österreicher mit ihrem<br />
aktuellen Album „Ciao!“ auf Deutschland-Tournee.<br />
Das sind die Daten:<br />
25. 02. <strong>2020</strong> Würzburg, Posthalle<br />
26. 02. <strong>2020</strong> Mannheim, Rosengarten<br />
28. 02. <strong>2020</strong> Berlin, Max-Schmeling-Halle<br />
29. 02. <strong>2020</strong> München, Olympiahalle<br />
02. 03. <strong>2020</strong> Ulm, Ratiopharm Arena<br />
03. 03. <strong>2020</strong> Hannover, Swiss Life Hall<br />
04. 03. <strong>2020</strong> Leipzig, Haus Auensee<br />
07. 03. <strong>2020</strong> Hamburg, Sporthalle<br />
08. 03. <strong>2020</strong> Bremen, Pier 2<br />
09. 03. <strong>2020</strong> Wiesbaden, Schlachthof<br />
12. 03. <strong>2020</strong> Dortmund, Warsteiner Music Hall<br />
13. 03. <strong>2020</strong> Köln, Palladium<br />
08. 05. <strong>2020</strong> Regensburg, Donau-Arena<br />
wandamusik.com<br />
THE RED BULLETIN 63
Sprichst du<br />
Deutschrap?<br />
Von Fanta 4 bis Capital Bra, von<br />
Blumentopf bis Bonez MC – wie tief<br />
geht dein Wissen über deutschsprachigen<br />
HIP-HOP? Das große Quiz.<br />
Text MARC BAUMANN<br />
Die Deutschrap-Szene ist so riesig wie nerdig. So viele<br />
Kontro versen. So viele Sprüche. Und so viele Rapper mit<br />
Masken. Da kann man schon mal den Überblick ver lieren.<br />
Demnächst startet auf dem YouTube-Kanal „<strong>Red</strong> Bull Rap<br />
Einhundert“ ein neues Quiz-Format, in dem sich prominente<br />
Kandidaten mit ihrem Wissen messen. Hier kannst du dich<br />
vor ab selbst testen: In diesem Quiz punktet nur, wer textsicher<br />
ist, die aktuelle Szene im Auge hat und sich auch<br />
in den abseitigen Kapiteln der Rap-Geschichte auskennt.<br />
Lösungen am Ende der Story.<br />
1<br />
Die Fantastischen Vier<br />
entstanden aus einer<br />
Band mit dem Namen:<br />
a) Die zwielichtigen Zwei<br />
b) Die verrückten Vier<br />
c) Die glorreichen Sieben
2<br />
Wer sampelte schon<br />
die Titelmelodie<br />
von Pippi Langstrumpf<br />
in einem Lied?<br />
a) K.I.Z in dem Song<br />
„Ein Affe und ein Pferd“<br />
b) Fler in dem Song<br />
„Villa in Kunterbunt“<br />
c) Frauenarzt in dem Song<br />
„Titti-Fucka-Land“<br />
3<br />
Welcher dieser<br />
Moderatoren nahm<br />
1980 einen der<br />
ersten deutschen<br />
Rapsongs auf?<br />
ROBERT GRISCHEK, UNIVERSAL MUSIC, GETTY IMAGES (2), APA PICTURE<strong>DE</strong>SK<br />
a) Stefan Raab<br />
als zwölfjähriger<br />
„MC Ra(a)p“ mit<br />
dem Song „Deine<br />
Mudder“, den er auf dem<br />
Pausenhof erfolgreich<br />
verkaufte.<br />
b) Thomas Gottschalk<br />
als Teil eines<br />
Trios namens<br />
G.L.S.-United<br />
mit dem Song „Rapper’s<br />
Deutsch“, in dem sie von ihrer<br />
Liebe zur Rockmusik singen.<br />
c) Günther Jauch<br />
als „Günther und<br />
die furiosen Fünf“<br />
mit dem Song<br />
„Bundes-Rap-Publik“ während<br />
einer Radiosendung auf<br />
Bayern 3.<br />
4<br />
Nur einen dieser drei<br />
Masken rapper haben<br />
wir erfunden. Welchen?<br />
a) Entetainment (rappt<br />
mit einer Entenmaske)<br />
b) SpongeBOZZ (rappt<br />
im SpongeBob-Kostüm)<br />
c) Elephantman (rappt in<br />
einer Benjamin-Blümchen-<br />
Maske)<br />
5<br />
Mit welcher Coverversion erreicht Shirin<br />
David erstmals die Top 10 der deutschen und<br />
österreichischen Singlecharts?<br />
a) „Du liebst mich nicht“ von Sabrina Setlur<br />
b) „Schlüsselkind“ von Cora E.<br />
c) „Doppel-X-Chromosom“ von Nina MC<br />
THE RED BULLETIN 65
Wer ist der erste deutsche Rapper mit einem<br />
eigenen Instagram-Filter?<br />
a) Gzuz. Mit seinem Filter trägst du Handschellen.<br />
b) Cro. Mit seinem Filter kriegst du ein niedliches<br />
Panda-Gesicht.<br />
c) Capital Bra. Mit seinem Filter hängt dir eine goldene<br />
Capital-Bra-Kette um den Hals.<br />
6<br />
8<br />
Aus welchem unter<br />
dem Radar laufenden<br />
Ort kommen RIN, Bausa<br />
und Shindy, was ihn zu<br />
Deutschlands heimlicher<br />
Rap-Hauptstadt macht?<br />
c<br />
b<br />
a<br />
a) Rielasingen-Worblingen<br />
b) Bietigheim-Bissingen<br />
c) Oberhausen-Rheinhausen<br />
9<br />
Wer rappte „Ich habe<br />
einen grünen Pass<br />
mit ’nem goldenen Adler<br />
drauf“?<br />
7<br />
Wo drehte Jan Delay<br />
sein Musikvideo „Ich<br />
möchte nicht, dass ihr<br />
meine Lieder singt“?<br />
a) Auf dem Kölner<br />
Karneval<br />
b) Auf dem Münchner<br />
Oktoberfest<br />
c) Am Ballermann<br />
in Mallorca<br />
a) Advanced Chemistry im<br />
Lied „Fremd im eigenen<br />
Land“, in dem sie von<br />
ihren Erfahrungen mit<br />
Rassismus singen<br />
b) Der damalige Innenminister<br />
Wolfgang Schäuble<br />
in einem PR-Video, das er<br />
noch am Veröffentlichungstag<br />
löschen ließ<br />
c) Der russlanddeutsche Rapper<br />
Pharaoh, der während<br />
des Einbürgerungstermins<br />
unerlaubt ein Musikvideo<br />
drehte – und den Pass<br />
daher nicht bekam.<br />
10<br />
Wo hat Trettmann nicht<br />
mitgespielt?<br />
a) Im Zentralen Pionierund<br />
FDJ-Ensemble<br />
Karl-Marx-Stadt<br />
b) Im Reggae-Soundsystem<br />
Rotzlöffel HiFi<br />
c) Im Knabenchor der Regensburger<br />
Domspatzen<br />
66 THE RED BULLETIN
11<br />
Warum hat Österreich<br />
2018 seine Chart-Regeln<br />
geändert?<br />
PAUL RIPKE, 21 ENT., JENS HERRNDORFF<br />
a) Weil der Regierung<br />
die Songtexte deutschsprachiger<br />
Rapper zu<br />
gewaltverherrlichend<br />
waren, sind seither nur<br />
mehr Lieder mit Jugendfreigabe<br />
zugelassen.<br />
b) Weil 13 der Top-14-Lieder<br />
von RAF Camora und<br />
Bonez MC waren, wurde<br />
die Regel eingeführt, dass<br />
von einem Künstler nicht<br />
mehr als drei Songs in die<br />
Ö3-Charts dürfen.<br />
c) Weil ein Jahr ohne Unterbrechung<br />
Deutsch rapper<br />
an der Spitze standen,<br />
wird die Zahl der Abrufe<br />
auf Streaming-Plattformen<br />
nicht mehr mitgezählt.<br />
12<br />
Mit den „Raportagen“<br />
während der Fußball-<br />
Weltmeisterschaft<br />
wurde die Band<br />
Blumen topf auch ARD-<br />
Zuschauern bekannt.<br />
Welche holprige Zeile<br />
haben Blumentopf<br />
vorm WM-Finale 2014<br />
gerappt?<br />
a) „13. Juli, Maracanã / Rio<br />
de Janeiro, schalalala. /<br />
Das wird ein großer Kick<br />
/ Ich hoffe, euch wird<br />
der vierte Stern aufs Trikot<br />
gedrückt.“<br />
b) „Müller, Klose, Özil, jaaaa<br />
/ Der vierte Stern zum<br />
Greifen nah / Ihr kickt wie<br />
Gerd Müller: voll Vollspann<br />
und einfach wunderbaar.“<br />
c) „Jogi Löw, du Trainergott<br />
mit der Playmobil-Matte<br />
/ Gewinnen deine Jungs<br />
gegen Argentinien,<br />
kriegen wir voll die Latte.“<br />
13<br />
Rapper Bonez MC demonstriert gerne seinen<br />
Reichtum. Was hat er noch nicht gemacht?<br />
a) 10.000 Euro in Scheinen aus dem Autofenster<br />
geworfen.<br />
b) Drei weiße Tiger gekauft.<br />
c) Einen Kontoauszug über 1,5 Millionen Euro<br />
gepostet.<br />
14<br />
Fettes Brot sind<br />
große Fans einer Kinder-<br />
Hörspielreihe, in der<br />
sie einen Gastauftritt<br />
haben. Welche ist es?<br />
a) „Bibi und Tina“ (Folge 79:<br />
„Jungs gegen Mädchen“)<br />
b) „TKKG“ (Folge 79:<br />
„Gabi in Gefahr“)<br />
c) „Die drei ???“ (Folge 79:<br />
„Im Bann des Voodoo“)<br />
15<br />
Welches<br />
Jugendwort<br />
des Jahres<br />
prägte der<br />
österreichische<br />
Rapper Money<br />
Boy entscheidend<br />
mit?<br />
a) Swag<br />
b) Smombie<br />
c) Babo<br />
UND HIER<br />
RATEN<br />
DIE PROFIS!<br />
Fünf Runden, zwei Teams,<br />
ein Gewinner: <strong>2020</strong> startet<br />
<strong>Red</strong> Bull ein großes Rap-Quiz.<br />
Alle zwei Wochen duelliert<br />
sich das Who’s who der<br />
deutschsprachigen Rap-<br />
Szene in den <strong>Red</strong> Bull Music<br />
Studios in Berlin. Vom Spiele-<br />
Klassiker bis zur Buzzer-<br />
Runde: In dieser Gameshow<br />
ist Deutschrap-Wissen<br />
gefragt. Wer kennt die<br />
absurdesten <strong>The</strong>sen und<br />
lustigsten Fun Facts?<br />
Demnächst auf youtube.com<br />
Lösung: 1. a, 2.a, 3.b, 4. c, 5. a, 6. c, 7. a, 8. b, 9. a, 10. c, 11. b, 12. a, 13. b, 14. c, 15. a<br />
THE RED BULLETIN 67
Hoch-<br />
leistungs-<br />
kunst<br />
Wie die Sportwissenschaft<br />
Ballett neu<br />
erfindet<br />
Text MARK BAILEY<br />
Fotos RICK GUEST
74 Kilogramm leichtfüßige<br />
Power: der<br />
Londoner Meister <br />
tänzer Matthew Ball<br />
69
Auf der Bühne: Schönheit und Grazie.<br />
Hinter den Fassaden: Schmerzen, Leistungsdruck,<br />
geschundene Körper, entzündete Muskeln.<br />
Jetzt macht eine neue Tänzergeneration des<br />
Londoner Royal Ballet die alte Tante Ballett<br />
zukunftsfit. Und nutzt dafür die neuesten<br />
Erkenntnisse innovativer Sportwissenschaft.<br />
Wenn Gemma<br />
Pitchley-Gale nicht<br />
gerade mit rosa<br />
Spitzenschuhen<br />
im Londoner Royal<br />
Opera House<br />
Pirouetten dreht,<br />
stemmt sie in der<br />
Kraftkammer gusseiserne<br />
Langhanteln. Die zierliche Tänzerin des<br />
welt berühmten Londoner Royal Ballet schafft im<br />
Kreuzheben 97,5 Kilo, also mehr als das Doppelte<br />
ihres Körpergewichts von 47 Kilogramm.<br />
„Die Leute halten uns für zerbrechlich“, sagt<br />
die Südlondonerin, „aber da liegen sie falsch.“<br />
Beispiele gefällig?<br />
Ihre Kollegin Claire Calvert trainierte mit<br />
Squats und 100-Kilo-Gewichten für ihre Rolle<br />
als Zuckerfee im „Nussknacker“.<br />
Der Waliser William Bracewell schafft beim<br />
Wadenheben mit seinem eigenen Körpergewicht<br />
45 Wiederholungen.<br />
Der Australier Alexander Campbell, ein weiterer<br />
Tänzer aus Pitchley-Gales Ensemble, bewegt<br />
während einer durchschnittlichen Fitness-Einheit<br />
insgesamt dreieinhalb Tonnen – das ist so viel<br />
wie ein vollbeladener Ford Transit.<br />
Und Matthew Ball, ein Liverpooler mit dem<br />
Aussehen eines Boygroup-Stars, legt sich für<br />
seine einbeinigen Kniebeugen das Vierfache<br />
seines Körpergewichts auf. „Muss sein“, sagt der<br />
junge Mann, dessen Adern bei jeder Geste dick<br />
am Bizeps hervortreten. „In der Aufführung<br />
wirken bei jedem hohen Sprung 500 Kilogramm<br />
auf meine Beine.“<br />
Ballett mag eine hochästhetische Kunstform<br />
sein. Zugleich ist es aber eine Mordsschinderei:<br />
Für Klassiker wie „Schwanensee“, „Aschenbrödel“<br />
oder „Romeo und Julia“ proben die<br />
Tänzer sechs Stunden am Tag, dazu kommen<br />
vier Auftritte pro Woche.<br />
Die von blutigen Blasen, blauen Flecken und<br />
Schrammen gemarterten Füße der rund hundert<br />
Tänzer des Royal Ballet tanzen pro Jahr 12.000<br />
Schuhe durch. Und da ist das, was als „richtige“<br />
Verletzungen gilt – Dinge ab Bänderriss oder<br />
Verstauchungen –, noch gar nicht eingerechnet.<br />
Genau 6,8 solcher Blessuren sind es im Schnitt<br />
pro Jahr und Tänzer, genauso viel wie beim<br />
American Football.<br />
Am Morgen schlurft müde eine Kompanie<br />
schlaksiger Figuren mit markanten Wangenknochen<br />
in das luftige Probestudio – die Frauen<br />
in Tutus und Beinstulpen, die Männer in engen<br />
Shorts und weiten Oberteilen.<br />
„Zu dieser Tageszeit tut hier jedem alles weh“,<br />
sagt Pitchley-Gale und lacht. 75 Minuten Aufwärmen,<br />
dann beginnt die harte Arbeit, manchmal<br />
durchgehend von zwölf bis halb sieben.<br />
Von der Probe geht es direkt zum Auftritt, einer<br />
schillernden Feier vollendeter Körperbeherrschung<br />
vor 2250 Zuschauern. „Vor eins bin ich<br />
nie zu Hause“, sagt Campbell, „und um 9.30 Uhr<br />
beginnt schon die nächste Probe.“<br />
Fast unglaublich: Bis vor kurzem wurden die<br />
körperlichen Belastungen, denen Balletttänzer<br />
ausgesetzt sind, nicht wirklich professionell<br />
untersucht. Erst 2013 eröffnete das Royal Ballet<br />
die Mason Healthcare Suite – eine hochmoderne<br />
Einrichtung mit 17 Sport- und Ernährungswissenschaftlern,<br />
mit Physiotherapeuten,<br />
70 THE RED BULLETIN
Beweglichkeitstraining:<br />
Claire Calvert an<br />
einer hochmodernen<br />
Gyrotonic-Maschine<br />
Masseuren und Psychologen. Ihr Ziel: bessere<br />
Erholung, weniger Verletzungen, höhere Leistungsfähigkeit.<br />
„Anfangs hat mich das Arbeitspensum der<br />
Tänzer richtiggehend schockiert“, sagt Klinikleiter<br />
Greg Retter, der zuvor britische Olympia-<br />
Athleten betreute. „Hochleistungssportler stimmen<br />
ihre Form auf Saisonhöhepunkte ab. Doch<br />
Balletttänzer müssen permanent 100 Prozent<br />
geben, bei jeder Probe, mehrmals am Tag, von<br />
September bis Juni. Und manchmal studieren sie<br />
gleichzeitig sechs Choreografien ein.“<br />
Das Ziel dieses brutalen Trainings nennt sich<br />
neuronale Plastizität, auf gut Deutsch also „anpassungsfähiges<br />
Muskelgedächtnis“.<br />
„Niemand kann komplexe Bewegungsmuster<br />
so schnell und so gründlich verinnerlichen wie<br />
Balletttänzer“, sagt Retter. Ebendiese Fähigkeit<br />
macht Ballett so anspruchsvoll – und so ästhetisch.<br />
„Ein Balletttänzer setzt jeden Schritt in<br />
makelloser Perfektion. Die Position jedes Arms,<br />
jedes Fingers ist in jeder Sekunde genau vorgegeben“,<br />
erklärt Calvert.<br />
Das Problem dabei: Unser Körper ist nicht<br />
fürs Balletttanzen geschaffen. „Schon die<br />
Grundstellung, das ‚en dehors‘ (die Ausdrehung<br />
der Beine, bei der Knie und Zehen nach außen<br />
zeigen; Anm.), ist einfach unnatürlich.“<br />
Retters Team begann, Daten zu sammeln, von<br />
der Aufprallenergie bis zu Muskelaktivierungsmustern.<br />
Zum Einsatz kamen dabei die gleichen<br />
Kraftmessplatten, mit denen auch die Astronauten<br />
der Europäischen Weltraumorganisation<br />
trainieren, dazu Sauerstoffmasken sowie Elektromyographie-<br />
und Herzfrequenzgeräte zur Messung<br />
der Muskelaktivität.<br />
Der nüchterne Blick der Sportwissenschaft<br />
förderte Erstaunliches zutage. Denn nicht nur<br />
Laktatüberschuss, Herzüberlastung und Sauerstoffnot<br />
sind Dauerbegleiter der Tänzer.<br />
Bei der Landung von Tanzfiguren müssen<br />
männliche Tänzer Kräften von bis zu 6000 Newton<br />
standhalten – um ein Fünftel mehr als bei<br />
einem Kinnhaken von Schwergewichtsboxer<br />
Anthony Joshua. Bei Tänzerinnen sind es<br />
4000 Newton, mehr als ein knochenbrechendes<br />
Tackle im Rugby.<br />
Dazu kommt der Stress: In einer Aufführung<br />
kann der Laktatwert noch einmal um acht Prozent<br />
ansteigen.<br />
THE RED BULLETIN 71
Doch warum kamen Tänzer – anders als<br />
Sportler, Abenteurer und Soldaten, die<br />
seit Jahrzehnten von der Arbeit mit<br />
Sportwissenschaftlern profitieren – nie<br />
in den Genuss von professionellem Krafttraining,<br />
Ernährungstipps, Erholungsplänen oder technischen<br />
Innovationen?<br />
Und warum nahm man die Schmerzen und<br />
Verletzungen infolge unmenschlicher Belastungen<br />
unwidersprochen in Kauf?<br />
„Ich habe 2005 meinen Abschluss an der<br />
Royal Ballet School gemacht, und in meiner<br />
Zeit dort hat man uns nur ein bisschen Pilates<br />
und Stretching angeboten“, sagt Pitchley-Gale.<br />
Während sie selbst einen Personal Trainer<br />
engagierte, gingen andere mit ihrem Körper<br />
weniger sorgsam um: Der damalige Solist Eric<br />
Underwood gab zu, dass er getrunken, geraucht<br />
und Burger gegessen hatte. Und der ukrainische<br />
Tänzer Sergei Polunin nahm sogar Drogen und<br />
feierte exzessive Partys.<br />
Es war jedenfalls Zeit für einen Paradigmenwechsel.<br />
Aber davor galt es, noch<br />
eine Hürde zu nehmen. Denn Tänzer sind<br />
keine Athleten, sondern Künstler, die<br />
durch den Ausdruck ihres Körpers Emotionen<br />
auslösen möchten. Klassische Werte wie Anmut<br />
und Eleganz haben für sie instinktiv mehr Bedeutung<br />
als knallharte Daten wie Beinkraft oder<br />
Sprunghöhe.<br />
Dazu kommt die Tradition. Ballett entstand<br />
an den Renaissance-Höfen im Italien des<br />
15. Jahrhunderts, und viele der berühmtesten<br />
Stücke stammen aus dem 19. Jahrhundert,<br />
darunter „Dornröschen“ (1890 uraufgeführt),<br />
„Der Nussknacker“ (1892) und „Schwanensee“<br />
(1895). Bis heute dient Tradition den Tänzern<br />
auch als In spiration. Doch sie grenzt auch die<br />
Möglichkeiten ein – und verhindert die Weiterentwicklung.<br />
Vielleicht hat Klinikleiter Greg Retter ja eine<br />
Perspektive gefunden, die beide Welten verbinden<br />
kann. „Kraft, Fitness, psychisches Wohlbefinden<br />
und ausgewogene Ernährung sind kein<br />
Selbstzweck“, sagt er seinen Klienten, „sondern<br />
die Voraussetzung dafür, dass du eine komplexe<br />
Choreografie performen und deine Leidenschaft<br />
auf die Bühne übertragen kannst.“<br />
Die Revolution brach nicht nur im Royal<br />
Ballet aus.<br />
Im Jahr 2012 taten sich mehrere britische<br />
Tanz-Institutionen und Universitäten zum National<br />
Institute of Dance Medicine and Science<br />
(NIDMS) zusammen, um die Forschung in dieser<br />
Disziplin zu fördern.<br />
Die Erkenntnisse waren ohne Übertreibung<br />
bahnbrechend: Eine Studie wies nach, dass ein<br />
Jahr Krafttraining die Verletzungshäufigkeit<br />
von Tänzern um 59 Prozent senkt. Eine andere,<br />
dass schon sechs Wochen Konditionstraining<br />
die tänzerischen Kernkompetenzen Bewegungskontrolle,<br />
räumliches Bewusstsein, Timing und<br />
Rhythmusgefühl deutlich verbessern.<br />
Seit diese Daten auf dem Tisch liegen, kam<br />
es bei vielen aufgeschlossenen und ehrgeizigen<br />
Tänzern allmählich zu einem Umdenken gegenüber<br />
Innovationen. „Ballett ist eine alte, fest<br />
in der Tradition verhaftete, stark formalisierte<br />
Kunstform. Aber das heißt nicht, dass wir nicht<br />
weiterlernen können“, sagt Ball.<br />
Im hauseigenen Fitnessstudio ist die Zeitenwende<br />
schon im Alltag angekommen. Jeden Tag<br />
schwingen hier fliegengewichtige Tänzer Kugelhanteln<br />
und Battle Ropes oder schwitzen beim<br />
Squat-Training mit schweren Gewichten. Das<br />
Krafttraining schützt sie vor Muskelverletzungen,<br />
fördert die Knochengesundheit, verbessert<br />
die Sprungkraft und hilft beim Abfedern der<br />
Aufprallenergie.<br />
Damit die Grazie beim Muskelaufbau nicht<br />
verlorengeht, wenden die Sportwissenschaftler<br />
innovative Techniken an.<br />
Kraftmessplatten messen die Explosivkraft,<br />
Langhantel-Sensoren Geschwindigkeit und Wiederholungen.<br />
„Ich dachte, ich würde im Fitnessstudio dicke<br />
Beine kriegen. Aber wir trainieren intelligent,<br />
damit genau das nicht passiert“, verrät Calvert.<br />
Als ideal erwiesen sich schwere Gewichte und<br />
wenige Wiederholungen, die mit hoher Geschwindigkeit<br />
ausgeführt werden. Denn das<br />
maximiert die Kraft durch effizientere Muskelkontraktion<br />
und stärkere elektrische Impulse<br />
in den Muskelfasern – ohne dass dabei dicke<br />
Muskelpakete entstehen.<br />
Der Effekt? „Ich stecke die Proben jetzt viel<br />
besser weg als früher“, sagt Bracewell, „und<br />
meine Kreuz-, Sprunggelenks- und Knieprobleme<br />
sind fast völlig verschwunden.“<br />
Auch auf der Bühne merkt er einen deutlichen<br />
Unterschied. „Wenn du beim Kreuzheben<br />
Gewichte gehievt hast, die fünfmal so schwer<br />
sind wie deine Tanzpartnerin, werden Hebefiguren<br />
plötzlich zum Kinderspiel.“<br />
AUSDAUER:<br />
Claire Calvert<br />
Als Erste Solistin (der<br />
Rang knapp unter der<br />
Haupttänzerin) spielte<br />
Calvert unter anderem<br />
die Fliederfee in „Dornröschen“.<br />
2013 erlitt sie<br />
eine osteochondrale<br />
Läsion, eine kleine<br />
Knorpelverletzung am<br />
Sprunggelenk. Der<br />
mitbetroffene Muskel<br />
schrumpfte auf die<br />
Hälfte seiner normalen<br />
Größe und hinterließ ein<br />
1,5 Zentimeter großes<br />
Loch im Knorpel. Um<br />
Gelenke und Muskeln<br />
zu stärken, machte sie<br />
Kreuzheben und Kniebeugen<br />
mit schweren<br />
Gewichten. „Ich trainiere,<br />
seit ich elf bin“,<br />
sagt die 31-Jährige,<br />
„aber jetzt weiß ich<br />
erst, wie sehr Fitnesstraining<br />
mir hilft,<br />
eine bessere Tänzerin<br />
zu werden.“<br />
„Unser Körper ist anpassungsfähig“,<br />
sagt Claire Calvert, „aber<br />
niemand ist fürs Ballett geboren.“<br />
72 THE RED BULLETIN
muscle Claire to Calvert half its vereint normal<br />
size geballte and leaving Kraft mit a 1.5cm geradezu<br />
in the übermensch<br />
cartilage. She<br />
hole<br />
licher started Biegsamkeit.<br />
doing heavy
FITNESS:<br />
Alexander<br />
Campbell<br />
Der Primo ballerino aus<br />
Sydney spielte schon<br />
berühmte Rollen wie<br />
den Prinzen im „Nussknacker“.<br />
„Du wirst<br />
besser, je mehr du<br />
trainierst. Aber umso<br />
schlechter, je müder du<br />
bist“, sagt er. Darum<br />
trainiert er am Rudergerät<br />
und gleicht dabei<br />
sein Pensum an die Ansprüche<br />
bevorstehender<br />
Rollen an. „Ich kam<br />
mit fünf Jahren zum<br />
Ballett, spielte aber<br />
auch Aus tralian Football,<br />
Cricket und Fußball.<br />
Als ich zum ersten<br />
Mal Recovery Boots<br />
und Eisbäder vorschlug,<br />
hielten mich alle für<br />
verrückt. Jetzt verwenden<br />
wir sie die<br />
ganze Zeit.“<br />
Primoballerino<br />
Alexander Campbell<br />
ist Teil der sportwissenschaftlichen<br />
Revolution.
Auch Matthew Ball, der Nachwuchsstar<br />
der neuen Tänzergeneration, findet,<br />
dass Krafttraining das Niveau seiner<br />
Darstellung deutlich verbessert hat:<br />
„Ich liebe hohe Sprünge – und Squats mit<br />
schweren Gewichten sind dafür die perfekte<br />
Vorbereitung.“<br />
Doch wie hilft die technologische Unterstützung<br />
genau, die Bühnen-Performance des<br />
Royal Ballet zu verbessern?<br />
Elektromyographie-Tests helfen den Tänzern,<br />
eher vernachlässigte, fußstabilisierende Muskeln<br />
wie den medialen Gastrocnemius (auf der Rückseite<br />
der Wade) zu stärken. Kraftmess platten<br />
zeigen, wie man schonender landet. Und dank<br />
der Herzfrequenztests kann sich jeder Tänzer<br />
sein Fitnessprogramm perfekt maßschneidern<br />
lassen.<br />
Eine wichtige Rolle spielt auch die Regeneration.<br />
Mit Gyrotonic-Maschinen trainiert<br />
man durch ein Seilsystem die Dehnbarkeit. Für<br />
die Kältetherapie werden die gleichen „Game<br />
Ready“-Beinwickel eingesetzt, die auch die Fußballer<br />
von Manchester City verwenden. Und<br />
aufblasbare RP-X-Erholungsstiefel pressen nach<br />
den Proben und Trainings die Milchsäure aus<br />
den Muskeln.<br />
„Du fühlst dich, als würde wieder frisches<br />
Blut durch deine Beine pumpen“, sagt Pitchley-<br />
Gale. All diese Aktivitäten werden mit „Smartabase“<br />
überwacht, einer Datenanalyse-Plattform,<br />
die auch von dem National-Football-League-<br />
Team der Dallas Cowboys verwendet wird.<br />
weitertanzen“, sagt Calvert. Inzwischen folgen<br />
die Tänzer den ausgeklügelten tanzgerechten<br />
Ernährungsplänen von Royal-Ballet-Diätologin<br />
Jacqueline Birtwisle. Sie hat schon für das<br />
Rugby-Team der Leicester Tigers und den Ruderverband<br />
British Rowing gearbeitet.<br />
Um ihren enormen Energiebedarf zu decken,<br />
essen die Tänzer leicht verdauliche Lebensmittel<br />
wie Porridge, Rührei, Risotto, Hummus, Salat,<br />
griechischen Joghurt, Baked Beans oder Buddha<br />
Bowls. Dann Omega-3-reiche Fische wie Lachs,<br />
Makrele, Sardelle, Sardine und Hering, um die<br />
Muskelregeneration zu unterstützen. Und gekocht<br />
wird mit Oliven- statt Sonnen blumenöl,<br />
um Entzündungen vorzubeugen.<br />
Balletttänzer haben das<br />
gleiche Verletzungsrisiko wie<br />
American-Football-Spieler.<br />
Doch Balletttanzen ist nicht nur harte<br />
körperliche Arbeit. Auch Psychologie<br />
und Neurowissenschaft können dich<br />
zum besseren Tänzer machen. So hilft<br />
die Arbeitspsychologin Britt Tajet-Foxell den<br />
Künstlern, negative Gedanken mit positiven<br />
Bildern zu überblenden.<br />
Eine Tänzerin verglich ihren verletzten Knöchel<br />
zum Beispiel mit einem gebrochenen Zweig<br />
– und lernte, sich beim Gedanken daran lieber<br />
Bilder von fließendem Wasser und einem blauen<br />
Himmel vorzustellen.<br />
„Nach einem Beinbruch hatte ich Angst vor<br />
den Landungen“, erinnert sich auch Pitchley-Gale,<br />
„jetzt habe ich gelernt, in solchen Situationen<br />
gezielt an frühere Erinnerungen erfolgreicher<br />
Auftritte anzuknüpfen.“<br />
Auch gegen allgemeinen Stress gibt es einen<br />
Trick: Die Tänzer werden angewiesen, die verschiedenen<br />
Bereiche ihres Lebens – wie Ballett,<br />
Familie, Finanzen – in imaginäre Räume aufzuteilen<br />
und diese „aufzuräumen“, einen nach<br />
dem anderen.<br />
Der hektische Probenplan macht auch die<br />
Planung regelmäßiger und ernährungsphysiologisch<br />
einwandfreier Mahlzeiten zur Herausforderung.<br />
„In 15 Minuten Pause kannst du<br />
dir kein Menü reinschieben und danach sofort<br />
Während einer durchschnittlichen<br />
Workout-<br />
Session stemmt<br />
Campbell in Summe<br />
das Gewicht eines<br />
Klein transporters.<br />
THE RED BULLETIN 75
Bracewells RP-X<br />
Recovery Boots<br />
verbessern mittels<br />
Muskelkompression<br />
die Durchblutung<br />
nach dem Training.<br />
PRÄZISION:<br />
William<br />
Bracewell<br />
Der in Swansea geborene<br />
Erste Solist ist<br />
es gewohnt, schwierige<br />
Rollen zu übernehmen.<br />
Aktuell spielt er an<br />
ausge wählten Terminen<br />
die Hauptrolle in der<br />
Royal-Ballet-Produktion<br />
von „Romeo und Julia“.<br />
„Am härtesten war<br />
‚Obsidian Tear‘“ (Ballett<br />
von Choreograf Wayne<br />
McGregor aus dem Jahr<br />
2016, Anm.), sagt<br />
Brace well. „Diese<br />
25 Tanzminuten waren<br />
unfassbar intensiv.“<br />
Sein Ernährungsplan<br />
für eine optimale Performance:<br />
„Zwei Stunden<br />
vor einer Show<br />
Pasta für die Energie.<br />
Und danach Pro teine,<br />
um die Muskeln zu reparieren.“<br />
Bracewell lernte<br />
auch Visualisierungstechniken.<br />
„Ballette<br />
sind sehr verschieden“,<br />
sagt er. „Ich stelle sie<br />
mir als unterschiedliche<br />
Gebäude vor.<br />
Im Buckingham Palace<br />
benimmst du dich ja<br />
auch anders als in einer<br />
Lager halle. So zu<br />
denken hilft mir, mich<br />
zu konzentrieren.“
KRAFT:<br />
Gemma<br />
Pitchley-Gale<br />
Als „First Artist“ ist<br />
die Tänzerin aus<br />
Südlondon ein hochrangiges<br />
Mitglied des<br />
Corps de Ballet, das<br />
auf der Bühne aufwendig<br />
choreografierte<br />
Gruppentänze aufführt.<br />
Neben anmutigen Posen<br />
und Backstage-Selfies<br />
finden sich auf ihrer<br />
Instagram Site auch<br />
Videos vom Gewichtheben<br />
im Fitnessstudio.<br />
„Keine Ballerina will<br />
wie eine Bodybuilderin<br />
aussehen. Doch wenn<br />
man es richtig macht,<br />
wird man stärker, ohne<br />
Muskelpakete zu bekommen.<br />
Ich fordere<br />
meinen Trainer immer<br />
dazu auf, auf die Beinpresse<br />
mehr Scheiben<br />
draufzugeben, und er<br />
kann es kaum fassen,<br />
welche Gewichte ich<br />
heben kann.“<br />
„Die meisten<br />
Leute haben<br />
keine Vorstellung<br />
davon,<br />
wie viel Kraft<br />
in uns steckt.“<br />
77
Oben: Gemma<br />
Pitchley-Gale<br />
trainiert ihre Kraft<br />
am hochmodernen<br />
Pilates-Reformer.<br />
Rechts: Claire Calvert<br />
schafft Kniebeugen<br />
mit mehr als dem<br />
Doppelten ihres<br />
Körpergewichts.<br />
78 THE RED BULLETIN
Gut gegen Lampenfieber:<br />
Erinnerungen an erfolgreiche<br />
Auftritte von früher<br />
Nach der Vorstellung, wenn es zu spät für<br />
schwer verdauliches Essen ist, wird die verbrauchte<br />
Energie durch Erdnussbutter- und<br />
Milchshakes ersetzt.<br />
Und weil die Tänzer so viel Zeit in geschlossenen<br />
Räumen verbringen, wird zusätzlich<br />
Vit amin D verabreicht. Es verbessert nicht nur<br />
das Immunsystem, sondern steigert auch die<br />
iso metrische Kraft der Tänzerinnen und Tänzer,<br />
die man mit „statischen“ Übungen wie dem Planking<br />
verbessert – um sagenhafte 18,7 Prozent.<br />
PHOTOGRAPHIC ASSISTANT: FRANKIE LODGE<br />
Gegen Ende unseres Besuchs führt uns<br />
Retter zu der überwältigenden Bühne<br />
des Royal Opera House. Sie befindet<br />
sich hinter einem drei Tonnen schweren<br />
purpurroten Vorhang. Und erinnert ihn täglich<br />
nachdrücklich daran, worum es in seiner Arbeit<br />
wirklich geht: um tänzerische Exzellenz vor<br />
einem kritischen Publikum.<br />
„An den historischen Errungenschaften des<br />
Royal Ballet ist nicht zu rütteln“, sagt er. „Unsere<br />
Aufgabe besteht also nicht darin, das Ballett<br />
zu verändern, sondern die Tänzer bei ihrer Performance<br />
zu unterstützen. Sportler federn ihre<br />
Landungen in der Hüfte, den Knien und den<br />
Knöcheln ab. Aber im Ballett musst du mit gestreckten<br />
Beinen landen. Das können wir nicht<br />
ändern. Aber wir können die Tänzer stärker<br />
machen, damit sie solche Belastungen besser<br />
aushalten.“<br />
Den objektiv belegbaren guten Ergebnissen<br />
zum Trotz sind nicht alle Tänzer von den neuen<br />
Ideen und wissenschaftlichen Ansätzen angetan.<br />
„Der Konflikt schwelt noch immer, doch er<br />
polarisiert nicht mehr so stark wie früher“, räumt<br />
Retter ein. „Erstens, weil angehende Tänzer der<br />
Royal Ballet School früh lernen, wie wichtig<br />
körperliche Leistungsfähigkeit ist. Und zweitens,<br />
weil auch Startänzer einsehen, dass ihr künstlerischer<br />
Ausdruck durch die neuen Methoden<br />
nicht beeinträchtigt, sondern verbessert wird.“<br />
In dieser Saison meldeten sich 80 Prozent der<br />
Tänzer für freiwillige Tests in der Mason Healthcare<br />
Suite an – so viele wie nie zuvor.<br />
„Und nicht nur das. Sie nahmen die Ergebnisse<br />
ernst und steckten sich Ziele“, berichtet Greg<br />
Retter. „Zum Beispiel wollten sie ihre maximalen<br />
Sprunghöhen verbessern, nachdem sie dazu Feedback<br />
vom künstlerischen Personal und Royal-<br />
Ballet-Direktor Kevin O’Hare erhalten hatten.<br />
FOKUS:<br />
Matthew Ball<br />
Im <strong>März</strong> 2018 kam ein<br />
Anruf vom Direktor des<br />
Royal Ballet: Der Erste<br />
Tänzer David Hallberg<br />
hatte sich verletzt. Ball<br />
musste für die Hauptrolle<br />
des Albrecht in<br />
„Giselle“ einspringen,<br />
obwohl er sie bis dahin<br />
nur einmal getanzt<br />
hatte. „Wenn du keine<br />
Wahl hast, folgst du<br />
deiner Intuition“, sagt<br />
Ball. Er wurde später<br />
zum Haupttänzer befördert<br />
und ist nun an<br />
aus gewähl ten Terminen<br />
in der Hauptrolle von<br />
„Romeo und Julia“ zu<br />
sehen. „Ich nahm ein<br />
Taxi, zog mich um, ließ<br />
mein Make up machen<br />
und war weniger aufgeregt<br />
als sonst.“ Ball<br />
entwickelte Strategien,<br />
um sich auf der Bühne<br />
besser zu konzentrieren.<br />
„Dein Hirn braucht<br />
etwas Vertrautes. Wenn<br />
mein Herz pocht, lege<br />
ich meine Hand darauf<br />
und fokussiere meine<br />
ganze Energie auf diese<br />
Stelle.“<br />
Ich erlebte zum ersten Mal einen regelrechten<br />
Austausch und nicht nur das bloße Aufzeigen<br />
von Schwachstellen, die es zu verbessern gilt.“<br />
Das Fazit: Auch weiterhin wird das Talent<br />
wichtiger sein als die Wissenschaft, wenn es<br />
um die Umsetzung künstlerischer Ästhetik geht.<br />
Doch wenn es die Aufgabe eines Tänzers ist, die<br />
Grenzen seines Körpers auszuloten, um damit<br />
emotionale Reaktionen im Publikum auszulösen,<br />
wenn er damit Athletik zur Kunstform erhebt<br />
– dann kann Wissenschaft dabei helfen.<br />
„Ein Läufer muss einfach nur laufen“, sagt<br />
Calvert. „Aber wir müssen uns präzise bewegen,<br />
gut aussehen, überzeugend lächeln und beim<br />
Zuschauer Gefühle erzeugen – selbst wenn wir<br />
am Ende fast draufgehen. Kniebeugen helfen<br />
mir nicht, wenn ich dreißig Fouettés (Das ist<br />
eine schnelle Drehung, bei der ein Bein zum Knie<br />
an gewinkelt wird; Anm.) machen will. Ich muss<br />
ja die Abfolge genau üben. Aber ich habe Kraft<br />
und Vertrauen dazugewonnen und kann mich<br />
deshalb besser auf die Handlung oder meine<br />
Rolle konzentrieren.“<br />
Und davon haben nicht nur die Tänzer etwas<br />
– sondern letztlich auch das Publikum.<br />
roh.org.uk<br />
THE RED BULLETIN 79
FLÜÜÜGEL GIBT’S<br />
AUCH OHNE ZUCKER.<br />
• NEUER •<br />
GESCHMACK<br />
Z E R O Z U C K E R
guide<br />
Dein Programm<br />
FITNESS<br />
Extrem-Workout: mit<br />
Lauf-Ikone Christian<br />
Schiester in der Sauna<br />
SEITE 86<br />
LESESTOFF<br />
Die besten Bücher<br />
für Fans von<br />
„Game of Thrones“<br />
SEITE 88<br />
GAMING<br />
Studien beweisen:<br />
„Mario Kart“ lässt dich<br />
unbeschwerter leben.<br />
SEITE 94<br />
KARO PERNEGGER<br />
REISEN<br />
Wilder Ritt: Wir erkunden<br />
Albaniens Berge<br />
auf einer Allrad-Tour.<br />
SEITE 82<br />
THE RED BULLETIN 81
Reisen<br />
Albanien (im Hintergrund die Hauptstadt Tirana) erkundet man am besten o≠road. Viele Orte erreicht man anders nicht.<br />
ABENTEUER<br />
ALBANIEN<br />
QUERFEL<strong>DE</strong>IN<br />
Unser Reporter fährt fast nie Auto. Wir schickten ihn<br />
trotzdem für eine Allrad-Tour durch die wilden Berge<br />
Albaniens. Ein steiniger, aber schöner Weg.<br />
Ich hab’s versucht. Zwei Fahrzeuglängen<br />
Abstand zum Vorderwagen<br />
halten, das war die<br />
Anweisung. Doch schon bald befinde<br />
ich mich, weit abgeschlagen<br />
von der Gruppe, auf irgendeinem<br />
Bergpfad. Vor mir nur eine Staubwolke,<br />
die mir die anderen hinterlassen<br />
haben. „Fahrzeug neun,<br />
bitte aufschließen“, tönt es ungeduldig<br />
aus dem Walkie-Talkie.<br />
Jaja, bin gleich da, murmle ich<br />
überfordert.<br />
Albanien ist das touristisch<br />
wohl unbekannteste Land Europas.<br />
Denn es war unter dem lang<br />
Nach dem Fahren auf die Fähre – nach Korfu, Griechenland<br />
82 THE RED BULLETIN
guide<br />
REISE-TIPPS<br />
OFFROAD-IDYLLE<br />
Albanien ist touristisch relativ unbekannt<br />
— und doch nur einige wenige Flugstunden<br />
von Deutschland entfernt.<br />
Albanien<br />
Tirana<br />
Elbasan<br />
Dreckige Freiheit: O≠road-Fahren ist in Albanien relativ unreglementiert möglich.<br />
Berat<br />
Gjirokastra<br />
Saranda<br />
KARO PERNEGGER FELIX DIEWALD<br />
Sightseeing durch die Windschutzscheibe: unser Autor, ausnahmsweise entspannt<br />
jährigen sozialistischen Diktator<br />
Enver Hoxha bis zum Fall des<br />
Kommunismus komplett von der<br />
Außenwelt abgeschottet. Wir<br />
wollen drei Tage lang abseits der<br />
großen Straßen das Hinterland<br />
durchstreifen, in der Kolonne<br />
von der Hauptstadt Tirana in<br />
drei Tagen bis in den Süden an<br />
die Mittelmeerküste.<br />
Albanien erkundet man am<br />
besten offroad, sagt Erald Dervishi,<br />
der mit Off Limits Albania<br />
Touren durchs ganze Land anbietet:<br />
Viele Orte erreicht man<br />
auf andere Weise nämlich gar<br />
nicht, schon gar nicht mit dem<br />
Bus. „Und dort draußen triffst du<br />
noch auf Menschen, die neugierig<br />
auf dich sind.“ Außerdem ist das<br />
„Es sind Passagen<br />
zu meistern, bei<br />
denen du denkst:<br />
Wer, um Himmels<br />
willen, soll hier<br />
fahren?“<br />
Geländefahren im Vergleich zu<br />
anderen Ländern in Albanien<br />
noch relativ unreglementiert<br />
möglich. Manche der Routen sind<br />
zwar in Online-Karten verzeichnet,<br />
Dervishi empfiehlt aber, sich<br />
nicht auf eigene Faust, sondern<br />
unbedingt in der Gruppe und mit<br />
einem lokalen Guide ins Aben<br />
DAS RICHTIGE OFFROAD-SET-UP<br />
Einfach so von der Straße abfahren ist keine<br />
gute Idee. Mit diesen fünf Tipps der Škoda-O≠road-<br />
Experten bist du besser für ein Abenteuer auf<br />
unbeständigem Untergrund vorbereitet:<br />
1. INSPEKTION<br />
Vor dem Start das Auto von außen begutachten: Wie<br />
lang und breit ist es? Und einmal von unten: Wo hängen<br />
die Fahrzeugteile besonders tief? So weißt du, ob du<br />
besser links oder rechts über Hindernisse fährst.<br />
2. KENNZEICHEN UNGELÖST<br />
Bevor du die Straße verlässt, verstärke die Befestigung<br />
des Nummernschilds oder schraube es überhaupt<br />
ab – das ist als Erstes futsch.<br />
3. AB IN <strong>DE</strong>N HOCHSITZ<br />
Stell den Sitz aufrecht und hoch ein. Du brauchst Übersicht,<br />
um den Boden direkt vor dir sehen zu können.<br />
4. LUFT RAUS<br />
Wenn der Untergrund matschig und rutschig wird,<br />
bekommst du mehr Grip, wenn du etwas Luft<br />
aus den Reifen lässt.<br />
5. ALLES IM BLICK<br />
Richte die Rückspiegel auf die Hinterräder ein. So hast<br />
du alle Reifen im Blick und weißt, wo du durchkommst.<br />
GELÄN<strong>DE</strong>WAGEN-TOUR<br />
Off Limits Albania, Bulevardi Bajram Curri, 1001 Tirana,<br />
Albanien; Tel.: +355/69/204 04 40. Zum Beispiel<br />
die drei tägige Tour von Tirana nach Durrës an die Küste,<br />
weiter in die Berge nach Berat, durch den Osumi- Canyon<br />
nach Gjirokastra in den Süden und zurück. Inkl. Geländewagen,<br />
Übernachtungen und Frühstück ab 270 Euro.<br />
offlimitsalbania.com<br />
THE RED BULLETIN 83
Reisen<br />
guide<br />
teuer zu stürzen. Welcher Weg<br />
passierbar ist, kann sich in den<br />
rauen Bergen Albaniens nämlich<br />
jederzeit ändern. Und die Beschaffenheit<br />
der Strecke ist ein<br />
ganz eigenes Kapitel. Es sind Passagen<br />
zu meistern, bei denen du<br />
denkst: Wer, um Himmels willen,<br />
soll hier fahren? Die Antwort<br />
geben höhergelegte Uralt-Kisten<br />
aus den Siebzigern, die uns immer<br />
wieder entgegenkommen und auf<br />
wundersame Weise auf diesen<br />
sogenannten Straßen unterwegs<br />
sind. Albaner pflegen einen eher<br />
wilden Fahrstil. Das könnte damit<br />
zu tun haben, dass es bis in die<br />
Neunzigerjahre hinein überhaupt<br />
nur wenige tausend Autos im<br />
Land gab – reserviert für die<br />
Partei-Elite. Private Autos hingegen<br />
waren verboten.<br />
Unser Gerät: der Škoda Karoq<br />
Scout, ein Geländewagen, der<br />
auf mich Auto-Null nicht wirklich<br />
wie eine Offroad-Karre wirkt.<br />
Niemals wäre ich auf die Idee<br />
gekommen, mit dem Ding solche<br />
Routen zu befahren. Aber der<br />
„Es macht ‚klunk‘,<br />
wenn ich einen Stein<br />
erwische. Aber<br />
langsam beginnt<br />
der O≠road-Fahrer<br />
in mir zu erwachen.“<br />
Stopp am Stausee Banjë: Wasserkraft dominiert in Albanien.<br />
Albtraum für Putz-Personal: Berat, auch bekannt als die „Stadt der tausend Fenster“<br />
Wagen packt es leicht – dank des<br />
„intelligenten 4×4-Antriebs“, wie<br />
ich später erfahre. Wir erklimmen<br />
steile Felstreppen, schlängeln uns<br />
auf schmalen Geröllwegen durch<br />
die Gebirgslandschaft, die gut<br />
70 Prozent der Landes fläche ausmacht.<br />
Jetzt besser nicht schauen,<br />
wie weit der Hang rechts abfällt.<br />
Immer wieder kommen wir an<br />
kleinen Betonbunkern vorbei,<br />
die verloren in der Landschaft<br />
herum stehen, ein Überbleibsel<br />
aus der Vergangenheit. Der paranoide<br />
Diktator Enver Hoxha isolierte<br />
das Land in den Siebzigern<br />
und Achtzigern international und<br />
ließ mehr als 170.000 Bunker im<br />
Land errichten – um Feinde abzuwehren,<br />
die nie kamen. Mittlerweile<br />
werden sie von Bauern zum<br />
Teil als Ställe oder Getreidelager<br />
genutzt.<br />
Pause, kurz durchatmen. Die<br />
anderen mitgereisten Journalisten<br />
wirken auf mich wie eine Gruppe<br />
abgebrühter Rallye-Fahrer –<br />
die kühne Strecke scheint ihnen<br />
nichts auszumachen. Ich hingegen<br />
besitze eine Jahreskarte<br />
für die Öffis, mehrere E-Scooter-<br />
Apps, habe noch nie ein eigenes<br />
Auto besessen und die Führerscheinprüfung<br />
erst beim zweiten<br />
Antritt geschafft. Gut, dass mein<br />
Co-Pilot ein erfahrener Motor-<br />
Journalist ist. Vom Beifahrersitz<br />
aus lotst er mich durch die Offroad-Passagen<br />
und bringt mir in<br />
einem Live-Crashkurs die Basics<br />
fürs Fahren abseits der Straße<br />
bei. Und obwohl ich versuche,<br />
fachgerecht durchs Gebirge zu<br />
brettern, macht es immer wieder<br />
„klunk“, wenn der Autoboden<br />
gegen einen Stein kracht. Aber<br />
dann, langsam, beginnt der Offroad-Fahrer<br />
in mir zu erwachen.<br />
Ich kann das Gelände immer besser<br />
deuten. Die Funksprüche, wo<br />
ich denn bleibe, werden weniger.<br />
Ich kann mit dem Tempo der anderen<br />
einigermaßen mithalten.<br />
Auch wenn ich immer noch<br />
ängstlich wie ein Fahrschüler<br />
über die Motorhaube schiele.<br />
Irgendwann tut sich hinter<br />
einer Bergkuppe das Ionische<br />
Meer auf und gibt den Blick auf<br />
die griechische Insel Korfu frei.<br />
Als wir von der Offroad-Schotterpiste<br />
auf eine befestigte Gebirgsstraße<br />
wechseln, kommt mir diese<br />
so weich vor wie ein luxuriöser<br />
Samtteppich. Hallo Asphalt, du<br />
großartiges Material! Wir cruisen<br />
das letzte Stück Richtung Fähre.<br />
Ende Gelände.<br />
KARO PERNEGGER FELIX DIEWALD<br />
84 THE RED BULLETIN
JAHRESABO<br />
getredbulletin.com<br />
€ 25,90<br />
BEYOND THE ORDINARY<br />
Erhältlich am Kiosk, im Abo, als E-Paper, auf theredbulletin.com oder als Beilage in einer Teilauflage von:<br />
LITTLE SHAO/RED BULL CONTENT POOL
Fitness<br />
MENTALES TRAINING<br />
RADTOUR<br />
MIT AUFGUSS<br />
Seine Wüstenläufe machten Christian Schiester<br />
zum Ultrarunning-Star. Wo er dafür trainierte?<br />
In der Sauna. Davon profitierte vor allem sein Geist.<br />
achtete darauf, dass ich niemals<br />
allein in der Sauna war<br />
– man weiß ja nie“, erzählt<br />
der heute 52-Jährige. Die Erhöhung<br />
der körperlichen<br />
Leistungsfähigkeit war bei<br />
der Aktion allerdings nicht<br />
das Ziel.<br />
Christian Schiester,<br />
österreichische Laufikone<br />
So ein Sauna gang nach<br />
dem Workout ist was<br />
Feines. Die Muskeln<br />
entspannen, die Durchblutung<br />
kommt in Schwung, und<br />
der Kopf wird frei. Was aber,<br />
wenn die Sauna selbst zum<br />
Fitnessstudio wird? Wie bei<br />
Christian Schiester: Zu der<br />
Zeit, als sich der Ultrarunner<br />
auf seine Wüstenläufe vorbereitete,<br />
stellte er sich schon<br />
mal ein Laufband oder ein<br />
Fahrradergometer in die<br />
Holzkabine, heizte sie auf<br />
60 Grad Celsius auf und spulte<br />
drei Stunden lang seine<br />
Kilo meter ab. „Ich trank dabei<br />
bis zu 15 Liter Wasser und<br />
Kühler Kopf bei 60 Grad<br />
Topfit war er dank diszipliniertem<br />
Trainingsplan und<br />
regelmäßigen Ultradistanzläufen<br />
sowieso. „Ich trainierte<br />
in der Sauna, um in meinem<br />
Kopf die Bedingungen in der<br />
Wüste zu simulieren“, so<br />
Schiester. Und es klappte.<br />
Als er beim Sahara-Ultramarathon<br />
in Ägypten über eine<br />
Düne lief, zeigte das <strong>The</strong>rmometer<br />
seiner Armbanduhr<br />
60 Grad. „Da ging’s mir richtig<br />
dreckig“, erinnert er sich.<br />
Doch plötzlich hörte er seine<br />
innere Stimme sagen: „Schiester,<br />
hab dich nicht so! Du<br />
kannst das packen. Schließlich<br />
war es in der Sauna auch<br />
so heiß.“ Prompt war das Motivationsloch<br />
überwunden,<br />
und er kam nach 250 Kilometer<br />
Wüstenrennen als Zweiter<br />
ins Ziel.<br />
Trainieren statt Nichtstun – nicht nur in der Sauna: Mit zwanzig noch<br />
schwerer Raucher und Trinker, stellte Christian Schiester sein Leben um.<br />
Eineinhalb Jahre später lief er den New-York-City-Marathon (1990).<br />
Vom Läufer zum Segler<br />
Seit 2016 hat der Steirer neue<br />
Ziele vor Augen – vom Deck<br />
eines Segelboots aus. Bei seinem<br />
Projekt „Sail & Run“ umsegelt<br />
er die Welt und läuft,<br />
wo immer er an Land geht.<br />
Etwa in Papua-Neuguinea<br />
zum Wings for Life World<br />
Run 2019. Temperatur:<br />
34 Grad. Oder, wie Schiester<br />
sagen würde: angenehm.<br />
Alle Infos zu „Sail & Run“:<br />
christian-schiester.com<br />
„In der Sauna<br />
brenne ich mir<br />
die Temperaturen<br />
ins Hirn. So weiß<br />
ich beim eigentlichen<br />
Rennen,<br />
dass ich’s<br />
packen kann.“<br />
PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL (2),<br />
HARALD TAU<strong>DE</strong>RER/RED BULL CONTENT POOL (2)<br />
CLAUDIA MEITERT<br />
86 THE RED BULLETIN
guide<br />
KNOW-HOW<br />
REINE<br />
KOPFSACHE<br />
Höher, schneller,<br />
weiter? So hilft<br />
dir dein Kopf dabei,<br />
deinen Körper zu<br />
Höchst leistungen<br />
anzuspornen.<br />
LIVE DABEI<br />
AM 3. MAI<br />
Ob fit wie Christian Schiester<br />
oder absoluter Neuling:<br />
Der Wings for Life World Run<br />
vereint Läufer in aller Welt<br />
im Dienst der guten Sache.<br />
SELBSTGESPRÄCHE<br />
Ordne und steuere<br />
deine Gedanken vor und<br />
während der Crunch-Time.<br />
Wer seine innere Stimme<br />
gezielt einsetzt, zum<br />
Beispiel durch positiv<br />
besetzte Schlüsselworte,<br />
ist eher zu Höchstleistungen<br />
imstande.<br />
PROZESSZIELE<br />
Vergiss das große Ganze<br />
für einen Moment.<br />
Konzen triere dich<br />
stattdessen auf einzelne<br />
Schritte, die du bereits<br />
beherrschst. Das stärkt<br />
dein Selbst bewusstsein.<br />
BIL<strong>DE</strong>R<br />
Stell dir möglichst<br />
bildhaft vor, wie du jeden<br />
einzelnen Teil deiner<br />
Challenge ab solvierst.<br />
Je authen tischer dir diese<br />
Visuali sierung gelingt,<br />
desto besser bist du im<br />
Ernstfall vorbereitet.<br />
Seit 2014 laufen Menschen weltweit<br />
für all jene, die es nicht können.<br />
100 % des Startgelds aller Teilnehmer<br />
des Wings for Life World Run<br />
fließen direkt in die Rückenmarks -<br />
forschung. Dadurch konnten in den<br />
vergangenen Jahren große Fortschritte<br />
erzielt werden, nachzulesen<br />
unter: wingsforlife.com<br />
Fit für alle Witterungen: Schiester in Ägyptens Weißer Wüste<br />
„Heute segle ich<br />
um die Welt. Wo<br />
immer ich lande,<br />
laufe ich auch.<br />
Dank App sogar<br />
beim World Run.“<br />
Christian Schiester,<br />
Abenteurer und<br />
Botschafter des Wings<br />
for Life World Run<br />
DIE WICHTIGSTEN FACTS ZUM<br />
WINGS FOR LIFE WORLD RUN<br />
SO LÄUFT’S<br />
Start in München (und zwölf anderen<br />
Städten) ist der 3. Mai, 13 Uhr.<br />
30 Minuten später fährt das<br />
Catcher Car los. Das Rennen ist<br />
beendet, wenn es den letzten Läufer<br />
überholt hat.<br />
SO LÄUFST DU<br />
Die Anmeldung für den Live-Event<br />
in München ist so lange möglich, bis<br />
der Lauf ausverkauft ist. Alternativ<br />
kannst du dich organisierten<br />
App Runs anschließen oder am Ort<br />
deiner Wahl mittels der Wings for Life<br />
World Run App teilnehmen.<br />
INFORMATIONEN UND ANMELDUNG<br />
WINGSFORLIFEWORLDRUN.COM<br />
THE RED BULLETIN 87
Lesestoff<br />
FANTASY-BOOM<br />
BLUTIGER<br />
ERBFOLGEKRIEG<br />
Mit seinem Kult-Zyklus „Das Lied von Eis und Feuer“ („Game of Thrones“)<br />
hat US-Autor George R. R. Martin ein völlig neues Kapitel der Fantasy-<br />
Literatur aufgeschlagen. Aber wer setzt dieses als würdiger Thronerbe<br />
fort? Wir sagen: JOE ABERCROMBIE.<br />
„<br />
Für alle Fans von ‚Game<br />
of Thrones‘!“ Die Cover-<br />
Buttons, mit denen Buchverlage<br />
seit nunmehr über zehn<br />
Jahren versuchen, ihre Fantasy-<br />
Neuerscheinungen im lukrativen<br />
Kielwasser von George R. R. Martins<br />
Kult-Zyklus zu positionieren,<br />
haben sich zur wahren Epidemie<br />
entwickelt. In den meisten Fällen<br />
gilt hier allerdings die alte Weisheit:<br />
Nicht alles, was hinkt, ist<br />
ein Vergleich.<br />
Um diesen literarischen Erbfolgekrieg<br />
ein wenig zu lichten,<br />
muss man sich zunächst vor<br />
Augen führen, was denn „Das<br />
Lied von Eis und Feuer“ (so der<br />
Titel der auf Deutsch zehnteiligen<br />
Buchvorlage zur HBO-Erfolgs serie<br />
„Game of Thrones“) tatsächlich<br />
auf den Fantasy-Thron gehoben<br />
hat. Und dabei zeigt sich, nicht<br />
ohne Ironie: in erster Linie<br />
der äußerst sparsame Einsatz<br />
aller klassischen Versatzstücke<br />
der Fantasy-Literatur. Martin,<br />
der selbst einst sehr elastisch als<br />
„der amerikanische J. R. R. Tolkien“<br />
vermarktet wurde, lässt weder<br />
gleißende Schwertkämpfer noch<br />
androgyne Elfen, grindige Orks<br />
oder knorrige Zwerge und auch<br />
keine Zauberer mit albernen<br />
Hüten aufmarschieren.<br />
Stattdessen bringt er eine<br />
ful minant ziselierte Truppe von<br />
Charakteren in Stellung, die –<br />
sofern sie nicht völlig unerwar-<br />
VINZ SCHWARZBAUER JAKOB HÜBNER<br />
88 THE RED BULLETIN
guide<br />
<strong>DE</strong>R ERSTE<br />
ABSATZ<br />
Logan hechtete zwischen den<br />
Bäumen hindurch; seine nackten<br />
Füße rutschten auf dem nassen<br />
Boden, dem Schlamm und den<br />
glitschigen Kiefernnadeln immer<br />
wieder aus. Pfeifend schoss<br />
der Atem aus seinem Mund, und<br />
das Blut dröhnte in seinem Kopf.<br />
Er stolperte und prallte hart auf<br />
der Seite auf, wobei er sich fast<br />
die eigene Axt in die Brust bohrte.<br />
Dann lag er keuchend da und<br />
spähte angestrengt in den<br />
dämmerigen Wald.<br />
tet eines scharfkantigen Todes<br />
sterben – immer mehr an Tiefenschärfe<br />
gewinnen und diese rund<br />
5000 Seiten starke Sex-and‐Crime-<br />
Orgie locker schultern. Magisches<br />
Material setzt Martin nur ein, um<br />
die Fugen seines martialischen<br />
Intrigantenstadls zu kitten. Und:<br />
Fast alle Figuren agieren jenseits<br />
von Gut und Böse. Die Moral<br />
von der Geschicht’, die gibt es<br />
schlichtweg nicht.<br />
Womit also der Kandidatenkreis<br />
„Für alle Fans von ‚Game of<br />
Thrones‘!“ bereits deutlich an Radius<br />
verliert. Genre-Durch starter<br />
wie Jay Kristoff, Scott Lynch oder<br />
Michael J. Sullivan (siehe Tipps)<br />
liefern zwar erstklassigen Genre-<br />
Lesestoff ab – was die opulente<br />
Niedertracht betrifft, befinden sie<br />
sich aber nicht ganz auf Augenhöhe<br />
mit Mr. Martin.<br />
Und hier kommt Joe Abercrombie<br />
ins Spiel. Der britische<br />
Autor, Jahrgang 1974, hat genau<br />
jenen Mix aus brachialer Action<br />
und intelligenter Personalpolitik<br />
im Programm, der das Zeug dazu<br />
hat, darbende „GoT“-Fans aus<br />
dem kalten Entzug zu reißen.<br />
Sein grandioser „<strong>The</strong> First Law“-<br />
Zyklus (dt. „Klingen“-Serie) wurde<br />
von Kritikern vom Stand weg in<br />
den Himmel gejauchzt, für das<br />
ganz große nächste Ding reichte<br />
es dann aber trotzdem nicht –<br />
was ein echter Jammer ist.<br />
Im Mittelpunkt der Serie<br />
(„Kriegsklingen“, „Feuerklingen“,<br />
„Königsklingen“), die Abercrombie<br />
mit vier Add-ons („Rache klingen“,<br />
„Heldenklingen“, „Blutklingen“,<br />
„Schattenklingen“) nachfettete,<br />
stehen drei Figuren: ein legendärer<br />
Barbar mit aus geprägtem Hang<br />
zum Blutrausch, ein undurchsichtiger<br />
Magier, der keinen nennenswerten<br />
Unterschied zwischen<br />
Menschen und Marionetten<br />
macht, und ein verkrüppelter<br />
Inquisitor, in dessen Adern unverdünnter<br />
Zynismus zirkuliert.<br />
Um diese drei faszinierenden<br />
Protagonisten gruppiert Abercrombie<br />
– nebenbei diplomierter<br />
Psychologe – mit einem geradezu<br />
beängstigenden Gespür für<br />
Sidekicks weitere kongeniale<br />
Handlungsträger, die es ihm<br />
ermöglichen, seine kriegerische<br />
Abenteuerschwarte in einem von<br />
mehreren Feuern erhitzten, wunderbar<br />
würzigen Sud schmoren<br />
zu lassen.<br />
Aber Achtung: Auch wenn<br />
Aber crombie die Streitaxt mitunter<br />
mit der stilistischen Eleganz<br />
eines Floretts führt, ist das<br />
hier immer noch derbe Ware.<br />
Hart, räudig und sehr brutal.<br />
Mit der lang ersehnten Fortsetzung<br />
„Zauberklingen“, dem<br />
ersten Teil des neuen Zyklus<br />
„<strong>The</strong> Age of Madness“, kehrt<br />
Abercrombie nun ins „<strong>The</strong> First<br />
Law“-Universum zurück. Und<br />
am Cover wird – Überraschung!<br />
– ein ge wisser George R. R.<br />
Martin zitiert: „Ein Rache-Epos,<br />
das mich von der ersten Seite<br />
an gepackt hat.“ Womit sich der<br />
literarische Kreis ganz fantastisch<br />
schließt.<br />
JOE ABERCROMBIE:<br />
DIE KLINGEN-SAGA<br />
Bislang sind sieben Bände erschienen,<br />
der achte, „Zauber klingen“ (Deutsch<br />
von Kirsten Borchardt; Heyne Verlag),<br />
ist seit 10. Februar <strong>2020</strong> erhältlich.<br />
GENRE-TIPPS<br />
VORSICHT:<br />
SUCHTGEFAHR!<br />
Erlesene Erfolgsserien: aktuelle Fantasy-<br />
Zyklen, die Lust auf mehr machen<br />
JAY KRISTOFF:<br />
„NEVERNIGHT“<br />
In seiner Heimat Australien<br />
hat Kristoff so ziemlich<br />
alle Preise abgeräumt,<br />
die das Genre hergibt.<br />
Sein virtuoser „Nevernight“-<br />
Zyklus rund um die junge<br />
Assassinin Mia Corvere ist<br />
stilistisch brillant, definitiv<br />
nicht jugendfrei und<br />
sehr, sehr böse.<br />
2 Bände; Fischer/Tor<br />
JOHN GWYNNE:<br />
„BLUT UND KNOCHEN“<br />
John Gwynnes neuer Zyklus<br />
schließt nahtlos an seine<br />
preisgekrönte High-Fantasy-<br />
Saga „Die Getreuen und<br />
die Gefallenen“ (vier Bände)<br />
an und ist ein gefundenes<br />
Fressen für alle Freunde<br />
reichlich garnierter<br />
Schlacht platten mit Hang<br />
zur blutigen Rohkost.<br />
1 Band; Blanvalet<br />
MICHAEL J. SULLIVAN:<br />
„THE FIRST EMPIRE“<br />
In der sechsteiligen „Riyria“-<br />
Serie hat Sullivan das<br />
vermutlich charmanteste<br />
Buddy-Duo der Fantasy-<br />
Literatur kreiert. Sein<br />
aktueller „Empire“-Zyklus<br />
ist etwas epischer angelegt,<br />
punktet aber ebenso<br />
mit höchsten Sympathiewerten.<br />
3 Bände; Knaur<br />
SCOTT LYNCH:<br />
„GENTLEMAN BASTARDS“<br />
Mit dem genialen Meisterdieb<br />
Locke Lamora hat<br />
Scott Lynch einen Helden<br />
er schaffen, der sich den<br />
Titel „Schlafräuber“ wahrlich<br />
verdient hat. Spannung,<br />
Humor und Action in<br />
perfekter Balance – praller<br />
kann man Unterhaltungsliteratur<br />
kaum gestalten.<br />
3 Bände; Heyne<br />
ANTHONY RYAN:<br />
„DRACONIS MEMORIA“<br />
Fantasy-Drachensteigen für<br />
Erwachsene: Nach seiner<br />
faszinierend düsteren<br />
„Rabenschatten“-Trilogie<br />
heizt der Schotte dem<br />
Genre mit einem gewagten<br />
Mix aus blutrünstigem<br />
Abenteuer, stampfendem<br />
Steampunk und subtiler<br />
Politparabel ein.<br />
3 Bände; Klett-Cotta<br />
MARK LAWRENCE:<br />
„DAS BUCH <strong>DE</strong>R AHNEN“<br />
Coming of Age auf die harte<br />
Tour: Mark Lawrence hat<br />
schon mehrfach bewiesen,<br />
dass er sich auf der dunklen<br />
Seite der Macht pudelwohl<br />
fühlt – sehr zum Leid -<br />
wesen der kleinen Nona,<br />
die sich hier durch ein<br />
sub versiv choreografiertes<br />
Rache-Epos kämpft.<br />
2 Bände; Fischer/Tor<br />
THE RED BULLETIN 89
Events<br />
Februar<br />
Bester Rutsch im<br />
neuen Jahr<br />
Kämpfe um Tausendstel erwarten die<br />
Zuschauer beim Rennrodel-Weltcup<br />
in der Veltins-Eisarena in Winterberg.<br />
Auf der Hochgeschwindigkeitsbahn<br />
mit ihren 15 Steilkurven im Herzen<br />
der Wintersport-Arena Sauerland<br />
werden die Damen- und Herren-Weltcuprennen<br />
im Einsitzer, Doppelsitzer<br />
und in der Teamstaffel ausgetragen.<br />
Zu den Favoriten zählt einmal mehr<br />
der deutsche Rodler Felix Loch.<br />
Winterberg; veltins-eisarena.de<br />
22<br />
<strong>März</strong><br />
Schatten<br />
über Berlin<br />
In der Hip-Hop-Szene gilt<br />
DJ Shadow als Legende. Seine<br />
Kunst: Er greift Versatzstücke<br />
anderer Songs auf, bearbeitet<br />
sie und flechtet sie zu neuen<br />
Gesamtkunstwerken zusammen.<br />
Nun kommt er für sein<br />
einziges Deutschland-Konzert<br />
in die Hauptstadt Berlin und<br />
präsentiert sein neues Doppelalbum<br />
„Our Pathetic Age“.<br />
Berlin, Metropol;<br />
djshadow.com<br />
12 24<br />
Februar<br />
bis 1. <strong>März</strong><br />
Über Bretter<br />
brettern<br />
Keine Gänge, keine Bremsen,<br />
Wettbewerb pur: Bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften<br />
im Velodrom<br />
in Berlin rasen die Könner<br />
des Indoor-Radsports über die<br />
Holzbahn. Auch Laien verstehen<br />
schnell, wie die unterschiedlichen<br />
Rennformate funktionieren, und<br />
lassen sich von der mitreißenden<br />
Atmosphäre begeistern.<br />
Berlin, Velodrom;<br />
trackcycling-berlin.com<br />
29<br />
Februar<br />
bis 1. <strong>März</strong><br />
QUERTREIBER<br />
Während Freizeit-Biker ihr<br />
Motorrad bei Glatteis stehen<br />
lassen, geben andere Piloten da<br />
erst richtig Gas: Beim Finale der<br />
FIM Ice Speedway of Nations<br />
World Championships rasen die<br />
Athleten mit ihren Maschinen<br />
über die gefrorene Piste. Dank<br />
Spikes an den Rädern können<br />
Fahrer wie Weltmeister Daniil<br />
Ivanov (Bild) beinahe waagrecht<br />
durch die Kurven fliegen.<br />
Berlin, Horst-Dohm-Eisstadion;<br />
eisspeedwayberlin.de<br />
5<br />
<strong>März</strong><br />
Plötzlich verzaubert<br />
Tom Hanks spielt im Film „Der wunderbare<br />
Mr. Rogers“ den beliebten Kinderentertainer<br />
Fred Rogers, der in den USA mit der TV-Serie<br />
„Mr. Rogers’ Neighborhood“ berühmt wurde. Als<br />
der Journalist Lloyd Vogel, gespielt von Matthew<br />
Rhys, erfährt, dass er Fred Rogers interviewen<br />
soll, ist er zunächst genervt, weil er sich eigentlich<br />
als knallharten Investigativ-Schreiber sieht.<br />
Doch die Begegnung mit Rogers verändert sein<br />
Leben auf unerwartete Weise für immer.<br />
„Der wunderbare Mr. Rogers“ läuft im Kino.<br />
FIM/GOODSHOOT, SONY PICTURES, BERNHARD KREMPL<br />
90 THE RED BULLETIN
guide<br />
14<br />
bis 16. <strong>März</strong><br />
TELEMARKEN<br />
AM OBERJOCH<br />
Ski-Weltcup einmal anders: Beim<br />
FIS Telemark Weltcup am Oberjoch<br />
im Allgäu kann man diese Disziplin<br />
besser kennenlernen, hier in ihrer<br />
rasanten Form. Am Freitag steigt<br />
das Training, Samstag der Classic<br />
Sprint, Sonntag der Parallel Sprint.<br />
Ideal, um selbst einen Skitag zu<br />
genießen und in den Pausen Stars<br />
wie Johanna Holzmann (Bild) in<br />
Aktion zu erleben.<br />
Bad Hindelang; telemark-weltcup.de<br />
Der neue BOOMSTER GO<br />
PLAY HARD.<br />
Der BOOMSTER GO legt den legendären Teufel Sound in deine Hand. Egal ob beim<br />
Wandern, am Bike oder bei der Umrundung des Mars. Wohin wirst du ihn mitnehmen?<br />
teufel.de/boomster-go
Events<br />
21. <strong>März</strong><br />
RED BULL HOMERUN: DAS GROSSE RENNEN<br />
Massenstart in den Bergen: Bei diesem Fun-Event fahren rund 500 Teilnehmer um die Wette –<br />
auf Skiern und auf Snowboards. Es gewinnen aber nicht nur die Schnellsten.<br />
Wild gewordene Riesenhasen<br />
auf der Piste, spektakuläre<br />
Verfolgungsjagden zwischen<br />
Ski- und Snowboardfahrern, feiernde<br />
Zuschauer an der Strecke: Am 21. <strong>März</strong><br />
erwartet Besucher des Skigebiets<br />
Winklmoosalm-Steinplatte Action<br />
der besonderen Art. Denn an diesem<br />
Samstag steigt der <strong>Red</strong> Bull Homerun<br />
in Reit im Winkl in den Chiemgauer<br />
Alpen, etwa 90 Minuten mit dem Auto<br />
von München entfernt. Los geht’s um<br />
17 Uhr mit dem großen Massenstart.<br />
Zunächst sprinten die rund 500 Teilnehmer<br />
zu Fuß bis zur Wechselzone,<br />
in der ihre Sportgeräte liegen – Ski,<br />
Snowboard, Mono- oder Telemarkski.<br />
Auf denen stürzen sie sich anschließend<br />
die 6400 Meter lange Piste<br />
hinunter. Übrigens: Es gewinnen nicht<br />
nur die schnellsten Frauen und Männer<br />
auf Skiern und Snowboard, es gibt<br />
auch Auszeichnungen für die besten<br />
Kostüme – und zum Schluss eine große<br />
After-Ski-Party für alle.<br />
Du willst beim spektakulärsten<br />
Massenstart des Jahres dabei sein?<br />
Dann melde dich jetzt an unter:<br />
redbull.com/homerun<br />
Die Teilnehmer<br />
beim Le-Mans-Start:<br />
In eiligem Lauf geht’s<br />
zu den Sportgeräten.<br />
FLO HAGENA/RED BULL CONTENT POOL (2), MARCEL LÄMMERHIRT/RED BULL CONTENT POOL,<br />
FLORIAN BREITENBERGER/RED BULL CONTENT POOL<br />
92 THE RED BULLETIN
guide<br />
SCHNELLE FACTS<br />
500 Teilnehmer können beim<br />
<strong>Red</strong> Bull Homerun an den Start gehen.<br />
6400 Meter ist die Strecke lang,<br />
die Skifahrer und Snowboarder<br />
bewältigen müssen.<br />
717 Meter beträgt der Höhenunterschied<br />
zwischen Start (auf 1851 Metern)<br />
und Ziel (liegt 1134 Meter hoch).<br />
5:50 Minuten sind zu unterbieten.<br />
So lange brauchte der schnellste<br />
Fahrer im Jahr 2019 für die Strecke.<br />
13 Lifte und Seilbahnen umfasst<br />
das Skigebiet Winklmoosalm-Steinplatte.<br />
Im Ticket für den <strong>Red</strong> Bull<br />
Homerun ist ein Tagespass inbegriffen.<br />
Gute Outfits am Start: Neben den schnellsten Fahrerinnen<br />
und Fahrern gewinnt auch das beste Kostüm.<br />
TIPPS<br />
SCHNELLES<br />
MATERIAL<br />
Siegertypen wissen:<br />
Es kommt nicht nur<br />
auf Leistung an.<br />
BESTE ZEIT<br />
Die SUUNTO 9 BARO RED<br />
ist eine Sport-GPS-Uhr mit<br />
barometrischer Höhenmessung<br />
– optimal zur<br />
Analyse des Skitrainings.<br />
599 Euro; suunto.com<br />
Bene Mayr,<br />
Freeski-Star<br />
SO HÄNGST<br />
DU ALLE AB<br />
„Wer von<br />
außen startet,<br />
ist im Vorteil.“<br />
Bene Mayr,<br />
Sportlicher Leiter<br />
<strong>Red</strong> Bull Homerun<br />
Lehn dich an die Wand<br />
Je länger du es in der Rennhocke<br />
aushältst, desto schneller<br />
bist du am Ziel. Für die meisten<br />
dauert die <strong>Red</strong> Bull Homerun-<br />
Abfahrt zwischen fünf und zehn<br />
Minuten, da brennen früher oder<br />
später die Oberschenkel. Lehn<br />
dich deshalb zur Vorbereitung in<br />
den Wochen vor dem Start jeden<br />
Tag einmal zu Hause in der Sitzposition<br />
mit dem Rücken an die<br />
Wand, wobei deine Knie mit<br />
90 Grad angewinkelt sind. Sobald<br />
du fünf Minuten schaffst,<br />
bist du bereit.<br />
Gönn deinen Skiern<br />
eine Extraportion Wachs<br />
Wie schnell du sein kannst, entscheiden<br />
auch deine Ski oder<br />
dein Snowboard. Verpass ihnen<br />
deshalb am Vorabend des Rennens<br />
eine Extraportion Wachs.<br />
Schau vor dem Einkauf unbedingt<br />
auf den Wetterbericht!<br />
Viele Hersteller bieten auf die<br />
Temperatur hin optimierte<br />
Wachs varianten an – den Unterschied<br />
merkst du wirklich. Profi-<br />
Tipp: Zum Abschluss mit Fluorwachs<br />
drübergehen, dann fliegst<br />
du regelrecht über die Piste.<br />
Starte als Außenseiter<br />
Beim Massenstart sind die<br />
Plätze in der Mitte am begehrtesten<br />
– klar, sie liegen auf der<br />
Ideallinie. Stell dich trotzdem<br />
besser nach außen. Da hast du<br />
vergleichsweise freie Bahn und<br />
bist vor den meisten Mittelstürmern<br />
bei deinen Skiern<br />
oder deinem Snowboard.<br />
Park deinen Hintern<br />
Wer das Rennen gewinnt,<br />
hängt auch davon ab, wer die<br />
Flachpassagen am schnellsten<br />
bewältigt. Mein Tipp für die<br />
Skifahrer: Nimm ordentlich<br />
Schwung mit und setz dich<br />
dann mit dem Hintern auf die<br />
Bindung. Das minimiert den<br />
Luftwiderstand und entlastet<br />
die Oberschenkel. Mein Tipp für<br />
Snowboarder: Nimm dir einen<br />
Skifahrer mit, der dich „zieht“.<br />
Kleide dich windschnittig<br />
Auch für das beste Kostüm gibt<br />
es eine Auszeichnung. Damit es<br />
dich beim Rennen nicht bremst,<br />
such dir etwas eng Anliegendes<br />
aus. Aus einem weißen Skianzug<br />
kannst du zum Beispiel<br />
ein Zebrakostüm basteln.<br />
GUTER GRIFF<br />
Der Salomon S/Force Bold<br />
steht für Stabilität auch<br />
bei höherem Tempo, seine<br />
Konstruktion sorgt für<br />
viel Energie auf der Kante.<br />
899,99 Euro; salomon.com<br />
BEWÄHRTES BRETT<br />
Extrem verlässlich<br />
und für jedes Gelände<br />
geeignet: Das Burton<br />
Custom Camber ist dank<br />
seiner Vielseitigkeit immer<br />
eine gute Wahl.<br />
600 Euro; burton.com<br />
THE RED BULLETIN 93
Gaming<br />
guide<br />
„Mario Kart“-Figuren:<br />
Was sagt deren Auswahl<br />
über den Spieler aus?<br />
GAME-ANALYSE<br />
MARIO SMART<br />
Wissenschaftlich bewiesen: Das Rennspiel „Mario Kart“<br />
lässt dich besser Auto fahren – und unbeschwerter leben.<br />
Wenn sich Nintendo-Entwickler<br />
Shigeru Miyamoto<br />
ein Spiel ausdenkt,<br />
wendet er „kyokan“ an. Für die<br />
alten Philosophen hieß „kyokan“<br />
so viel wie „sich in den anderen<br />
einfühlen“. Für den Schöpfer<br />
von „Mario“ und „<strong>The</strong> Legend<br />
of Zelda“ beschreibt es das Verhältnis<br />
zwischen Programmierer<br />
und Spieler. „Nur was mir Spaß<br />
macht, kann auch anderen Spaß<br />
machen“, erklärt Miyamoto.<br />
Als er 1992 „Super Mario<br />
Kart“ für das Super Nintendo<br />
Entertainment System erfand,<br />
war „kyokan“ bereits Teil der<br />
Game-DNA. Und des Erfolgsgeheimnisses<br />
des damals völlig<br />
neuen Genres Kart-Racing.<br />
27 Jahre und etliche erfolglose<br />
Kopierversuche später (siehe<br />
„Garfield Kart“) zählt „Mario<br />
Kart“ zu den beliebtesten Spielen<br />
überhaupt – auch in der neuesten<br />
Mobilversion „Mario Kart Tour“.<br />
Doch was fasziniert die Gamer<br />
so daran? Hier die <strong>The</strong>sen von<br />
Spielpsychologe Jamie Madigan<br />
und seinen Kollegen:<br />
EXPERTEN-<br />
PROFIL<br />
JAMIE<br />
MADIGAN<br />
SPIEL-PSYCHOLOGE<br />
Der Autor von „Getting<br />
Gamers: <strong>The</strong> Psychology<br />
of Video Games and<br />
<strong>The</strong>ir Impact on the<br />
People Who Play <strong>The</strong>m“<br />
betreibt auf psychologyofgames.com<br />
auch eine<br />
Podcast-Serie und einen<br />
Blog, in denen er die Beweggründe<br />
von Gamern<br />
und die Hintergründe<br />
von Games beleuchtet.<br />
NIEMAND IST PERFEKT<br />
Was deine „Mario Kart“-Lieblingsfigur<br />
über dich aussagt, analysierte die Psychologie-Professorin<br />
Dr. Karen Chenier<br />
in der US-Wochenzeitung „Willamette<br />
Week“ (erscheint in Portland, Oregon).<br />
Laut ihrer <strong>The</strong>se wählen Gamer Avatare<br />
aus, die ihnen charakterlich ähneln:<br />
zum Beispiel den neurotischen Luigi,<br />
den clownhaften Saurier Yoshi oder den<br />
narzisstischen Bowser. Für Miyamoto ist<br />
Mario ein „Held der einfachen Leute“.<br />
Doch Madigan schränkt ein: „Viele<br />
wählen auch einfach nur jene Figur,<br />
die ihnen am besten gefällt oder deren<br />
Skills ihnen am meisten Spaß machen.“<br />
„Held der einfachen Leute“: Kultfigur<br />
Mario auf einem seiner Karts<br />
WIE IM ECHTEN LEBEN<br />
Haben auch die Power-ups tiefere Bedeutung,<br />
symbolisieren sie womöglich<br />
das Auf und Ab des Lebens? Die roten<br />
Koopa-Panzer könnten für Heimtücke<br />
stehen, die Bananenschale für Pech,<br />
ein Pilz, der schneller macht, für Energie<br />
und ein Unbesiegbarkeit verleihender<br />
Stern für Selbstvertrauen. Nur der<br />
blaue Panzer scheint nicht ganz dazuzupassen<br />
– der ist nämlich nur für<br />
den Führenden gefährlich. „Das Leben<br />
ist manchmal nicht fair“, sagt Kosuke<br />
Yabuki, Game-Designer von „Mario<br />
Kart 8“. „Wir wollten den blauen Panzer<br />
weglassen, aber ohne ihn hätte einfach<br />
etwas gefehlt.“<br />
OPTIMISMUS-BOOST<br />
Ein gutes Game lässt dir in jeder<br />
Situa tion eine Chance – und motiviert<br />
dich so permanent zum Weiterspielen.<br />
Bei „Mario Kart“ nennt man das Belohnungssystem<br />
„Gummiband-Effekt“.<br />
Je nach Rennposition bekommt jeder<br />
Spieler unterschiedliche Power-ups: Für<br />
Nachzügler gibt es Geschwindigkeits-<br />
Boosts und für das Mittelfeld Waffen,<br />
während auf den Führenden nur eine<br />
popelige Bananenschale wartet. „Spiele<br />
wie ‚Mario Kart‘ geben dir das Gefühl,<br />
die Dinge im Griff zu haben“, interpretiert<br />
Madigan.<br />
SICHERER AM STEUER<br />
2016 untersuchten Forscher an den<br />
Universitäten von Schanghai und Hongkong<br />
die Auswirkung von „Mario Kart“<br />
und „RollerCoaster Tycoon“ (bei dem<br />
man Vergnügungsparks bauen muss)<br />
auf die analogen Fähigkeiten der Spieler.<br />
Sie wiesen nach, dass Gamen die<br />
„visuo motorischen Fähigkeiten der Versuchspersonen<br />
verbessert“ – die Auge-<br />
Hand-Koordination funktioniert also<br />
schneller und zielgerichteter. Madigan<br />
ist vor sichtig optimistisch: „Dass dich<br />
‚Mario Kart‘ beim Fahrsimulationstraining<br />
besser macht, ist nun bewiesen.“<br />
SPASS HABEN ENTSPANNT<br />
Forscher der Uni Queensland stellten<br />
Probanden so lange immer schwerere<br />
Mathematikaufgaben, bis sie keiner<br />
mehr lösen konnte. Wer danach zwei<br />
Runden „Mario Kart“ spielte, wies geringere<br />
Stresslevels und mehr Glückshormone<br />
auf. „Alles, was uns Spaß<br />
macht, kann Stress reduzieren“, sagt<br />
Madigan. „Aber Games sind darin besonders<br />
gut: Sie geben uns das Gefühl,<br />
Dinge unter Kontrolle zu haben. Das<br />
bringt uns tiefere Befriedigung als fast<br />
alles andere, was wir im Alltag erleben.“<br />
NINTENDO TOM GUISE<br />
94 THE RED BULLETIN
Entertainment<br />
guide<br />
Ausgewählt<br />
für dich:<br />
das Highlight<br />
des Monats<br />
AARON BLATT/RED BULL CONTENT POOL, JAANUS REE/REDBULL CONTENT POOL, MARK ROE/RED BULL CONTENT POOL, SEBASTIAN MARKO/RED BULL CONTENT POOL<br />
STIL,<br />
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Erlebe Action im<br />
US-Wintermekka, auf<br />
den Straßen Mexikos<br />
und im kanadischen<br />
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deinem Wohnzimmer:<br />
Das sind die Highlights<br />
von <strong>Red</strong> Bull TV.<br />
SO SIEHST DU<br />
RED BULL TV<br />
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<strong>Red</strong> Bull TV ist deine globale<br />
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Alltäglichen, zu empfangen<br />
rund um die Uhr an jedem Ort<br />
der Welt. Geh auf redbull.tv,<br />
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dich via Smart-TV.<br />
Alle Infos: redbull.tv<br />
26<br />
Rundflug über Vail: ein<br />
180 von Zoi Sadowski-<br />
Synnott aus Neuseeland<br />
bis 29. Februar LIVE<br />
BURTON US OPEN<br />
Der Event in den Bergen von Vail im US-Staat<br />
Colorado ist so etwas wie das Wimbledon<br />
für Snowboarder. Der größte Unterschied<br />
zum wichtigsten Tennisturnier der Welt:<br />
Wenn die Ausnahme-Athleten in den Disziplinen<br />
Halfpipe und Slopestyle ihre Künste<br />
zeigen, will keiner hart aufschlagen.<br />
12<br />
bis 15. <strong>März</strong> LIVE<br />
RALLYE MEXIKO<br />
Flotter im Schotter heißt die Devise für<br />
die weltbesten Rallye-Fahrer im mexikanischen<br />
Hochland. Extra-Highlight:<br />
Die verwinkelten Schotterstraßen<br />
f ühren auf bis zu 2700 Meter Höhe.<br />
22<br />
Februar LIVE<br />
RED BULL<br />
ICE CROSS<br />
Auch in Quebec gilt: Wer vier stramme<br />
Athleten zugleich in einen engen Eiskanal<br />
steckt, erlebt einen Kampf um jeden Zentimeter<br />
– sehr zur Freude der Zuseher.<br />
MOTOGP-<br />
AUFTAKT<br />
8<br />
<strong>März</strong><br />
LIVE<br />
Dröhnende Motoren,<br />
spektakuläre Überholmanöver,<br />
frenetische<br />
Fans: Endlich startet<br />
die MotoGP in die neue<br />
Saison. Traditionell<br />
steigt das erste Rennen<br />
in Katar, auf das<br />
Qualifying (7. 3.) folgt<br />
der Grand Prix (8. 3.).<br />
Für Champion Marc<br />
Márquez (Bild) wird es<br />
im Repsol-Honda-Team<br />
familiär wie noch nie<br />
zugehen, ist Bruder<br />
Álex doch jetzt zweiter<br />
Fahrer. Bei ServusTV<br />
erwartet Zuschauer<br />
geballte Motorsportkompetenz:<br />
Neben<br />
Motorradlegende Gustl<br />
Auinger und Ex-Moto-<br />
GP-Pilot Alex Hofmann<br />
ergänzt Moto2-<br />
Weltmeister<br />
Stefan Bradl das<br />
Expertenteam.<br />
REINSCHAUEN:<br />
SERVUSMOTOGP.COM<br />
THE RED BULLETIN 95
IMPRESSUM<br />
THE RED<br />
BULLETIN<br />
WELTWEIT<br />
Aktuell erscheint<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />
in sechs Ländern. Auf<br />
dem Cover unserer<br />
Frankreich-Ausgabe ist<br />
diesen Monat Franck<br />
Gastambide zu sehen,<br />
der vom Hunde trainer zu<br />
einem der angesagtesten<br />
Schauspieler und Filmemacher<br />
des Landes<br />
aufstieg.<br />
Mehr Storys abseits des<br />
Alltäglichen gibt’s auf:<br />
redbulletin.com<br />
Chefredakteur<br />
Alexander Macheck<br />
Stv. Chefredakteure<br />
Andreas Rottenschlager, Nina Treml<br />
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Herstellung Veronika Felder<br />
Produktion Friedrich Indich, Walter O. Sádaba,<br />
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Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.),<br />
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AB SONNTAG | 08. MÄRZ<br />
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Sein Reich sind städtische Straßen und Parks. BMX-Profi Matthias Dandois hat sich auf<br />
Flatland spezialisiert: Tricks auf ebenen Flächen ohne Rampen, Sprünge oder Grind Rails.<br />
Aber der Franzose steckt sich hohe Ziele. Und so zog es den vielfachen Champion auf<br />
den 3226 Meter hohen Gipfel der Aiguille Rouge in den Alpen: Video auf redbull.com<br />
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10. <strong>März</strong><br />
<strong>2020</strong>.<br />
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