Schritt für Schritt zur eigenen Mitte: Mein Jakobsweg. Leseprobe_XXL
Pilgern? Nichts für mich, hätte Katharina Lankers noch vor wenigen Jahren gesagt. Doch in Krisensituationen ist vieles anders… Hier eine XXL-Leseprobe aus ihrer persönlichen Reiseerzählung
Pilgern? Nichts für mich, hätte Katharina Lankers noch vor wenigen Jahren gesagt. Doch in Krisensituationen ist vieles anders…
Hier eine XXL-Leseprobe aus ihrer persönlichen Reiseerzählung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ein Horror, kommt mir nur in den Sinn. Den eigenen Camino mit einem
Blog begleiten, das erscheint mir in etwa so sinnvoll, wie Selfies aufzunehmen,
während man gerade in einer psychotherapeutischen Beratungsstunde
sitzt. Oder eine Foto-Dokumentation seines Backofens von
außen anzulegen, wenn man eigentlich den Zustand des Bratens darin
mitverfolgen möchte. Was bin ich froh, dass ich nur eine nüchterne SMS
nach Hause schicken muss und meinen Camino samt Braten darin genüsslich
und ganz für mich alleine von innen betrachten darf.
An der Kommunikation ohne Smartphones hingegen beginne ich zu
meinem eigenen Erstaunen nach Vollendung der Etappe Gefallen zu finden:
Nachdem ich meine kuschelige Bettnische eingerichtet habe, verbringe
ich einen Teil des Nachmittags in Gesellschaft der beiden netten
Iren im Café vor dem Kloster, und beim Abendessen gerate ich wieder
an einen Tisch mit Erik. Er ist genauso glücklich wie ich, die erste Etappe
ohne größere Blessuren bewältigt zu haben, und der bestärkte Optimismus
strahlt aus seinem Gesicht. Von ihm erfahre ich, dass es später eine
Pilgermesse geben wird, die er besuchten möchte. Eine Pilgermesse?
Über Kirchenbesuche während meiner Reise habe ich mir noch gar
keine Gedanken gemacht, aber ich lasse mich von seiner Idee anstecken.
Auch für so etwas habe ich endlich Zeit: Ich muss nirgendwo hin hetzen,
sondern kann die leise dahin wabernde Zeit bis zum Schlafengehen dafür
nutzen, in einer wunderschönen Klosterkirche zu sitzen und mir
spanische Gebete anzuhören, von denen ich außer dem Wort »Señor«
nur ein paar Bruchstücke verstehe. Am Ende der Messe werden Segenswünsche
für alle Pilger ausgesprochen. Erst bin ich unschlüssig, ob auch
ich gemeint bin – doch ja, der Priester gibt ein eindeutiges Zeichen. Wir
dürfen alle nach vorne kommen und werden sogar mit Weihwasser besprenkelt:
Der Segen vom heiligen Felipe und Sankt Jakob soll uns begleiten
– welch ein schöner Gedanke! Auch wenn ich weder zu Felipe
noch zum heiligen Jakob irgendwelche spezifischen Assoziationen habe,
ist damit ganz gewiss nur Gutes verbunden. Selten habe ich mich in einem
Gottesdienst so willkommen gefühlt, und das, obwohl ich weder
katholisch bin noch einer anderen Religionsgemeinschaft angehöre,
und obwohl ich wie die meisten anderen Schäflein schlicht in meinen
Pilgerklamotten inklusive Feierabend-Schlappen dasitze und kein bisschen
kirchentauglich gekleidet bin.
38