14.04.2020 Aufrufe

TE KW 16

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Ur-Telfer“ waren Schafer und Bärenjäger<br />

Archäologen analysierten am „Schlossbichl“ ausgegrabenen Knochenreste, die auf Kultrituale hinweisen<br />

Vor rund 2000 Jahren war der „Schlossbichl“ im Westen von<br />

Telfs ein heiliger Ort, wo den Göttern geopfert wurde. Welche<br />

Kulthandlungen fanden damals auf dem Hügel nahe dem Moritzen-Kirchlein<br />

statt? Aufschlüsse dazu und zum Alltagsleben der<br />

damaligen „Ur-Telfer“ liefern auch Knochenreste, die von den Archäologen<br />

ausgegraben und nun analysiert wurden.<br />

Von Dr. Stefan Dietrich<br />

Bei den Grabungen auf dem<br />

„Schlossbichl“ in den Jahren 2015<br />

und 2017 kamen neben vielen anderen<br />

Funden auch fast 600 Bruchstücke<br />

von Tierknochen ans Licht.<br />

Die Überreste, die zweifellos mit<br />

den Opferbetrieb zu tun haben,<br />

wurden nun von Spezialisten der<br />

Universität München untersucht.<br />

Bei etwa der Hälfte der Fragmente<br />

konnte die Tierart bestimmt werden.<br />

Das Ergebnis: Fast 90 Prozent<br />

stammen von Haustieren<br />

wie Schaf, Ziege, Rind, Schwein<br />

und Huhn, nur etwa zehn Prozent<br />

von Wildtieren (Hirsch, Reh,<br />

Hase, Steinbock und Bär). Diese<br />

Zusammensetzung ist typisch für<br />

die damalige Zeit und bestätigt:<br />

Damals, in der späten Eisenzeit,<br />

lebten Bauern und Viehzüchter in<br />

Telfs. Die Jagd spielte eine untergeordnete<br />

Rolle. Dominant unter<br />

den Haustieren war das Schaf. Offenbar<br />

nahm es bei den Menschen<br />

dieser frühgeschichtlichen Epoche<br />

eine wirtschaftlich herausragende<br />

Stellung ein. Viel lässt sich auch<br />

aus dem Zustand der Knochenfragmente<br />

herauslesen. Sie haben<br />

häufig Schnitt- und Hackspuren<br />

– das Fleisch wurde also zum Verzehr<br />

aufbereitet. Auch waren die<br />

Überreste unterschiedlich stark<br />

dem Feuer ausgesetzt. Es gibt unverbrannte<br />

und angekohlte Teile.<br />

Andere wurden bei großer Hitze<br />

fast zur Gänze verbrannt.<br />

Die Archäologen sortierten und beschrifteten<br />

die Fundstücke.<br />

TIERE GEOPFERT. Die Experten<br />

schließen daraus: Neben<br />

sonstigen Geschenken für die Götter<br />

wurden im Heiligtum auf dem<br />

„Schlossbichl“ Tiere geopfert. Ein<br />

Feuerritual ist sehr wahrscheinlich.<br />

Der Großteil des Fleisches wurde,<br />

wie damals üblich, von den Opfernden<br />

und wohl auch den Priestern<br />

verzehrt. Gegessen hat man bezeichnenderweise<br />

vor allem die guten,<br />

fleischreichen Teile. Symbolisch<br />

vollständig verbrannt und damit den<br />

Göttern gewidmet wurden lediglich<br />

die für den Verzehr weniger attraktiven<br />

Teile, wie etwa die Beine. Nicht<br />

alle gefundenen tierischen Überreste<br />

gehen auf Schlachtungen zurück. Einige<br />

waren Teil der Wertgegenstände,<br />

die im Heiligtum deponiert wurden.<br />

2017 wurde von Archäologen am „Schlossbichl“ gegraben. Die Fundstücke wurden<br />

inzwischen analysiert. <br />

Fotos: MGT/Dietrich<br />

So etwa Stücke eines Hirschgeweihs<br />

oder zwei Zähne, die einem Hengst<br />

und einem Bären zuzuordnen sind<br />

und wohl zu einem Amulett gehörten.<br />

LEICHENBRAND. Alle am<br />

„Schlossbichl“ gefundenen Knochenreste<br />

stammen von Tieren. Mit<br />

einer bemerkenswerten Ausnahme:<br />

Am Westrand des Kultareals stießen<br />

die Archäologen auf Leichenbrand,<br />

also kleine menschliche Knochenteilchen,<br />

die nach der Verbrennung des<br />

Verstorbenen vom Scheiterhaufen<br />

aufgesammelt und (ohne Urne) an<br />

diesem Platz deponiert wurden. Dass<br />

es sich tatsächlich um ein Grab –<br />

wahrscheinlich einer Frau – handelt,<br />

bestätigen typische Beigaben: Zwei<br />

Armreife und eine Gürtelschnalle<br />

aus Bronze. Diese sogenannte Brandschüttungsbestattung<br />

ist das einzige<br />

Grab, das auf dem Schlossbichl entdeckt<br />

wurde und stellt eine Ausnahmeerscheinung<br />

dar. Es stammt aus<br />

der Zeit um 40 nach Christus und<br />

ist damit mehrere Jahrzehnte jünger<br />

als die übrigen Funde aus dem<br />

Heiligtum. Die Forscher vermuten,<br />

dass das Grab angelegt wurde, als der<br />

Kultbetrieb nach der Eroberung des<br />

Alpenraums durch die Römer bereits<br />

eingestellt war. Wahrscheinlich war<br />

der Hügel der Bevölkerung damals<br />

aber noch als „heiliger Ort“ bekannt,<br />

an dem man sich den Göttern nahe<br />

fühlte und den man – zumindest in<br />

diesem einen Fall – als Begräbnisstätte<br />

nutzte.<br />

AUFSATZSAMMLUNG<br />

KANN NACHGELESEN WER-<br />

DEN. Die Studie des Archäozoologen<br />

Simon Trixl über die Knochenfunde<br />

am „Schlossbichl“ ist in<br />

der kürzlich erschienenen Aufsatzsammlung<br />

„Kulturwandel um Christi<br />

Geburt“ nachzulesen, die von der<br />

Bayerischen Akademie der Wissenschaften<br />

herausgegeben wurde. Das<br />

zweibändige Werk, das auch mehrere<br />

wissenschaftliche Abhandlungen<br />

über die jüngsten archäologischen<br />

Entdeckungen in unserer Region enthält,<br />

soll in Telfs vorgestellt werden,<br />

sobald öffentliche Veranstaltungen<br />

wieder möglich sind.<br />

Zerhackte und zerschnittene Tierknochen: Es handelt sich um Überreste von Tieren,<br />

deren Fleisch nach der Opferung verspeist wurde.<br />

Zwei Armreifen und eine Gürtelschnalle aus Bronze waren die Beigaben im rund<br />

2000 Jahre alten Grab.<br />

RUNDSCHAU Seite 8 15./<strong>16</strong>. April 2020

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!