Jagd & Natur | Ausgabe Mai 2020
Aufgrund der zahlreichen Beschränkungen im Alltag wollen wir allen Jagd- und Naturinteressierten ein Geschenk machen und stellen die Mai-Ausgabe kostenlos zur Verfügung. Viel Spass bei der Lektüre!
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Rubrik Wild & Wissen
Auerwild
Jetzt steht das Steinwild unten im Tal.
Reviergesang im Morgengrauen
Perfekt getarnt kauert die Henne
neben ihrem Verehrer.
nen die Flügel abspreizen und sich ducken, worauf der
Hahn sie besteigt, im Nacken packt und kopuliert.
Faktoren für den Rückgang
Auerhühner teilen ihren Lebensraum mit potenziell gefährlichen
Prädatoren. Um 1900, als die Art in Mitteleuropa
noch keineswegs bedroht und bis ins Flachland
verbreitet war, wurden Fuchs, Marder, Habicht, Uhu,
verwilderte Miezen, Dachs und Rabenvögel kurzgehalten,
Adler und Wildschwein waren selten, Luchs und
Wolf ausgerottet. Inzwischen sind die Bestände der
Beutegreifer stark bis sehr stark angewachsen, bei
gleichzeitigem Schrumpfen der Auerhuhn-Biotope. Prädatoren
suchen die Balzplätze gezielt auf. Als ich an einem
Morgen vergeblich auf einen Hahn wartete, fand
ich seine Überreste unweit vom Balzplatz – samt einer
Schwungfeder des Steinadlers. Mehrmals versuchten
Füchse, im Dämmerlicht tanzende Gockel zu überrumpeln.
Einmal waren zwei Baummarder mit ähnlichen
Absichten unterwegs. Der Habicht jagt auch im Auerhuhnrevier
und gilt, neben Fuchs und Marder, als wichtigster
Feind. Mit scharfem Blick schleichen Luchse
durch die Wälder der Alpen, Voralpen und des Jura, in
Letzterem auch Wildkatzen. Dachse und Wildschweine
spüren Gelege auf, und in vielen Gebieten haben sich
die gefrässigen Borstentiere explosionsartig vermehrt.
Auf die Eier und die Küken haben es auch die Rabenvögel
abgesehen. Prädation wird dann ein Problem, wenn
nur noch einzelne Hähne die Stellung halten. In gut besetzten
Revieren kann die Population den einen oder
anderen Abgang verkraften.
In Mitteleuropa ist eine Reihe von Faktoren für den
Rückgang des Auerwildes verantwortlich, oft sind es
mehrere gleichzeitig. Ohne Zweifel spielt die Verschlechterung
und Fragmentierung des Lebensraums
eine Hauptrolle. Der Umbau des Waldes in profitorientierte
Fichten-Monokulturen liess die sonnenhungrige
Zwergstrauch- und Krautschicht verkümmern. Und mit
ihr verschwanden Waldameisen und andere Insekten,
Schnecken, Spinnen als lebenswichtige Eiweisslieferanten.
Idealerweise liegt ein Auerhuhn-Biotop in einem
ausgedehnten, strukturierten Bergwald mit vielen
Grenzlinien und stufigen Rändern. Althölzer und Koniferen
dominieren. Ein lückiger Kronenschluss lässt eine
artenreiche Bodenvegetation und Kleinlebewesen gedeihen.
Kontraproduktiv ist der hierzulande praktizierte
überrissene Bau von Forststrassen, die Verdunkelung
der Wälder durch grossen Holzvorrat und Kronen-
Beim Schleifen beutelt es den Sänger.
schluss und das Fällen von beliebten Schlaf- und Balzbäumen
am Tanzplatz. Abträglich für das Gedeihen der
Küken sind nasskalte Wochen nach dem Schlüpfen, sie
leiden an Unterkühlung, müssen oft gehudert werden
und finden nicht genug Nahrung. In einem geschwächten
Organismus gewinnen Parasiten schnell die Oberhand.
Adulte Vögel finden den Tod, wenn sie schlecht
sichtbare Zäune oder Stahlseile anfliegen. Welche Auswirkungen
saurer Regen und Luftverschmutzung auf
Auerhuhn-Lebensräume haben, ist erst ansatzweise
erforscht. Ein Kapitel für sich sind die vom Menschen
verursachten Störungen. Ungebremst nimmt das Ausmass
der Freizeitaktivitäten Jahr für Jahr zu, und der
Wald muss als Tummelplatz herhalten. Kritisch wird es
insbesondere in der kalten Jahreszeit, wenn jede Flucht
viel Energie kostet. Um die für das Wild unerträgliche
Situation zu entschärfen, haben viele Gemeinden auf
ihrem Gebiet Winterruhezonen ausgewiesen und mit
einem Betretungsverbot von Dezember bis April belegt.
Solche Verbote nützen nur dann etwas, wenn ihnen
Nachachtung verschafft wird. Der Forstdienst hat es in
der Hand, in den wenigen verbliebenen Kerngebieten
Auerhuhn-taugliche Waldstrukturen zu erhalten und
weitere zu schaffen. In weniger geeigneten Wäldern sinken
Überlebens- und Fortpflanzungsrate. Wo keine arttypische
Gruppenbalz mehr stattfindet und der Kontakt
mit anderen, mehr als 10 km entfernten Vorkommen
mangels «Trittsteinen» nicht mehr möglich ist, droht Inzucht.
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