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ginnt mit einem Gin, den er bei seinem Aufenthalt in<br />
Amsterdam erworben hat, und kombiniert dazu gerne<br />
frischen Granatapfel und ein leicht liebliches Tonic.<br />
Noch etwas zögerlich nehme ich mein Glas in <strong>di</strong>e<br />
Hand und just<br />
in dem Moment,<br />
als der Rand<br />
meine Lippen<br />
berührt, ertönt<br />
ein Quietschen<br />
in meinen Ohren. Meine Liebste musste ihrer Begeisterung<br />
einfach freien Lauf lassen und ist ganz und gar<br />
überzeugt, ihr neues Lieblingsgetränk gefunden zu haben.<br />
Ging also doch schneller, als erwartet, schießt<br />
es mir durch den Kopf und nun setze auch ich zum<br />
ersten Schluck an. Gott sei<br />
Dank hat Daniel mit seiner<br />
Behauptung, dass man<br />
'Gordons' nicht mit einem<br />
‚guten‘ Gin vergleichen<br />
kann, recht behalten und<br />
der zweite Schluck folgt<br />
sogleich. Unsere Dame<br />
mit der rote Brille hat natürlich<br />
wieder einen netten<br />
Kommentar dazu und<br />
plappert fröhlich vor sich<br />
hin. Mit einem Mal ist <strong>di</strong>e<br />
Stimmung gelockert und<br />
es entstehen nette Gesprächsrunden<br />
entlang<br />
des großen Tisches. Während<br />
ich so an meinem<br />
Glas nippe, schweifen<br />
meine Blicke durch den<br />
Raum. Scheint eigentlich<br />
eine ganz coole Gruppe<br />
zu sein. Ganz am Ende<br />
des Tisches sitzt das Ehepaar,<br />
welches beim Frühstück<br />
immer als erstes im<br />
Saal ist und daneben das<br />
lustige Mutter-Tochter-Gespann,<br />
das wir schon von<br />
der gemeinsamen Hauswanderung<br />
am Montag<br />
kennen.<br />
Daniel unterbricht meinen<br />
Gedankengang und bringt<br />
unseren Fokus wieder zurück<br />
zu den Flaschen vor<br />
uns. Nun wird’s heiß, wird verkündet: Frischer Rosmarin<br />
aus dem Garten wird mithilfe eines Küchenbrenners<br />
zum Glühen gebracht, dazu Zitronen von<br />
"Laut einer amerikanischen Stu<strong>di</strong>e soll der<br />
Geruch von Gin lästige Stechmücken verjagen"<br />
den hauseigenen Bäumchen auf der Terrasse und den<br />
Solo Wild Gin aus Sar<strong>di</strong>nen. Als hätte sie nur darauf<br />
gewartet, muss <strong>di</strong>e Dame mit der roten Brille gleich<br />
bekannt geben, dass sie auch schon einmal auf <strong>di</strong>eser<br />
italienischen Insel<br />
war. Ein<br />
kurzer Blick zu<br />
meinem Schatz<br />
verrät mir, dass<br />
auch sie sich zu<br />
<strong>di</strong>esem Kommentar ein Augenrollen nicht verkneifen<br />
konnte. Das Pärchen von gegenüber grinst verschmitzt<br />
in unsere Richtung und will damit wohl zeigen, dass<br />
wir nicht <strong>di</strong>e einzigen am Tisch sind, <strong>di</strong>e sich gut unterhalten<br />
fühlen. Nachdem wir uns alle zugeprostet<br />
haben, freue ich mich auf<br />
einen kühlen Schluck und<br />
bin überrascht, wie vielfältig<br />
<strong>di</strong>e Welt des Gins<br />
doch offensichtlich ist. Immerhin<br />
haben wir erst zwei<br />
Gin Tonic probiert und es<br />
scheint mir, als Laien so,<br />
als wären es zwei komplett<br />
verschiedene Drinks.<br />
„Nein, das ist mein neues<br />
Lieblingsgetränk!“ ruft<br />
meine Liebste in <strong>di</strong>e Runde<br />
und sorgt für Gelächter<br />
am ganzen Tisch. So<br />
langsam scheint auch sie<br />
<strong>di</strong>e lockere Stimmung in<br />
sich aufgenommen zu haben<br />
und beginnt sich mit<br />
den restlichen Teilnehmern<br />
über unsere heutige Wandertour<br />
zu unterhalten.<br />
Währenddessen nutze ich<br />
<strong>di</strong>e Gelegenheit, mit Daniel<br />
einige Worte zu wechseln.<br />
Er erzählt mir, dass<br />
seine Passion für das neue<br />
Trendgetränk Gin beim<br />
Ausgehen entstand. Anscheinend<br />
gibt es in Meran<br />
eine coole Cocktailbar mit<br />
allerlei innovativen Kreationen<br />
und eben auch so<br />
manchem speziellen Gin.<br />
„Und außerdem hat eine<br />
amerikanische Stu<strong>di</strong>e erwiesen,<br />
dass der Geruch von Gin Stechmücken verjagen<br />
soll“, erzählt mir Daniel ganz überzeugt „Also ist<br />
es ja schon fast heilend, Gin Tonic zu trinken“. Dieser<br />
Typ gefällt mir, denke ich und freue mich darüber, dass<br />
meine Liebste mich doch zu der Verkostung überredet<br />
hat. Doch im selben Moment stockt mir der Atem,<br />
der Mann, der bis gerade eben noch tolle Cocktails<br />
gezaubert hat, wird schlagartig unsympathisch: Daniel<br />
holt <strong>di</strong>e rote Beete aus seinem Warenkorb. „Echt<br />
jetzt?!“ nimmt mir der Typ von gegenüber das Wort<br />
aus dem Mund und während meine Frau noch ganz<br />
überzeugt <strong>di</strong>e ‚Lasst ihn mal machen-Karte‘ spielt, treten<br />
in mir Erinnerungen von den etlichen Familienessen<br />
bei Oma, mit ihrer ekelhaften Rote Beete-Suppe,<br />
zu Tage. Der Chef des Hauses<br />
scheint sich indes sehr<br />
über unsere Reaktionen<br />
amüsieren zu können<br />
und erinnert sich an so<br />
manche Teilnehmer,<br />
<strong>di</strong>e ähnliche Kommentare<br />
verlauten ließen.<br />
„Doch bis zum<br />
Schluss hat es noch<br />
jedem geschmeckt!“,<br />
gibt er sich siegessicher.<br />
Zumindest eine<br />
gute Sache hat das<br />
Ganze. Zu <strong>di</strong>eser Kreationen<br />
hat nicht einmal<br />
<strong>di</strong>e Dame mit der roten<br />
Brille etwas zu sagen. Mein<br />
Leidensgenosse von gegenüber<br />
ist der Erste in der Runde. Ein kurzer<br />
Blick in meine Richtung verrät mir, dass<br />
wohl auch er mit etwas Anderem gerechnet<br />
hatte und nichtsdestotrotz siegt <strong>di</strong>e Neugierde.<br />
Die darauffolgenden Ausdrücke in seinem Gesicht<br />
könnten als Lehrmaterial für Theaterschüler<br />
verwendet werden: zuerst <strong>di</strong>e gerunzelte Stirn, <strong>di</strong>e<br />
seine Unwissenheit mehr als deutlich macht, dann<br />
<strong>di</strong>e unzählige Vielfalt des Geschmackes, <strong>di</strong>e sich in<br />
seinen Augen wiederspiegelt, gepaart mit der gerümpften<br />
Nase, welche wohl versucht <strong>di</strong>e einzelnen<br />
Aromen einzuordnen und schlussendlich <strong>di</strong>e Überraschung,<br />
<strong>di</strong>e sein offenstehender Mund mehr als<br />
deutlich macht. Nun sind wir alle gespannt und es<br />
dauert keine Sekunde, schon hat jeder<br />
sein Glas in der Hand. „Also,<br />
dass unser Daniel hier kochen<br />
kann, war mir seit dem Abendessen<br />
an unserem Anreisetag<br />
klar und, dass er auch schon mal kreative<br />
Variationen zaubert, wurde spätestens heute bei<br />
dem Tatar von der Goldbrasse mit Bitterschokolade<br />
und Limette bewiesen, aber dass er meinen Erzfeind,<br />
<strong>di</strong>e rote Beete, zu meinem Freund machen kann, das<br />
grenzt an Zauberei“, schallt es durch den gemütlichen<br />
Keller. Und erst als zum wiederholten Male ein Lachflash<br />
durch den Raum zieht, fällt mir auf, dass ich wohl<br />
gerade laut gedacht habe. Somit sind nun wohl <strong>di</strong>e<br />
letzten Hemmungen gefallen und es freut mich, wie<br />
entspannt wir alle miteinander umgehen. Neben Gin<br />
und seinen verschiedensten Kreationen, schweifen<br />
<strong>di</strong>e Gesprächsthemen immer weiter ab und sogar <strong>di</strong>e<br />
Dame mit der roten Brille wird immer sympathischer,<br />
wie sie, mit<br />
von ihrem<br />
ihren ebenso roten Wangen,<br />
letzten Urlaub auf Sar<strong>di</strong>nien<br />
erzählt. Bald geht es weiter<br />
mit einer flüssigen<br />
Rarität aus dem fernen<br />
Osten. Daniel kombiniert<br />
<strong>di</strong>esen besonderen<br />
Gin, der mit Sake<br />
verfeinert ist, gerne<br />
mit Rangpur.<br />
Plötzlich meldet sich<br />
<strong>di</strong>e Mutter von der<br />
Hauswanderung<br />
zu Wort: "Ihr könnt<br />
mir doch nicht zuerst<br />
3 Cocktails in<br />
<strong>di</strong>e Hand drücken<br />
und dann erwarten,<br />
dass ich verstehe was<br />
Sake und Rangpur sein<br />
soll?!“ Sichtlich peinlich berührt<br />
übernimmt ihre Tochter das<br />
Ruder und erklärt gekonnt, dass es<br />
sich bei Rangpur um eine indonesische<br />
Kreuzung aus Limette und Mandarine handelt.<br />
Der schnippische Kommentar, dass wohl jeder<br />
weiß, was Sake ist, seit an jeder zweiten Ecke ein<br />
Sushi Restaurant steht, setzt ihrer kecken Aussage<br />
<strong>di</strong>e Krone auf. Dazu wollte <strong>di</strong>e Dame mit der roten<br />
Brille natürlich auch ihren Senf abgeben und<br />
<strong>di</strong>e Gesprächskulisse steigt in Minutenschnelle<br />
wieder an. Nach und nach zaubert Daniel noch<br />
weitere Gin Tonic-Kreationen in unsere Gläser.<br />
Wir Herren haben uns nun thematisch von der<br />
Damengruppe abgenabelt und lassen <strong>di</strong>e Ladys<br />
in Ruhe über <strong>di</strong>e kommenden<br />
Urlaubstage plaudern. Als<br />
ich dann gegen Mitternacht<br />
mit meinem Schatz in den<br />
Aufzug steige, um Richtung<br />
Zimmer zu fahren, verabschiedet sich<br />
<strong>di</strong>e Dame mit der roten Brille ganz überschwänglich,<br />
denn sie freut sich schon so darauf, mit uns gemeinsam<br />
am nächsten Tag wandern zu gehen. Na, das<br />
kann ja was werden.<br />
24 <strong>Griaß</strong> <strong>di</strong> <strong>#2</strong> <strong>Griaß</strong> <strong>di</strong> <strong>#2</strong> 25