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Griaß di #2

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in den Kopf. Auf der Strecke zum Übungsfeld probiert<br />

Richard zum ersten Mal den Motor des E-Bikes aus.<br />

Mit der ‚magischen‘ Kraft, <strong>di</strong>e ihn an den anderen<br />

Kursteilnehmern vorbeidüsen lässt, verschwinden sogleich<br />

alle Bedenken zur heutigen Radtour. Den Wind<br />

um <strong>di</strong>e Ohren, das Gefühl der schnellste Radfahrer<br />

der Welt zu sein und das fröhliche Strahlen im Gesicht<br />

seiner Susi lösen alle Bedenken zur Radtour in<br />

Luft auf. Noch wundert er sich gar nicht, warum <strong>di</strong>e<br />

anderen nicht auch <strong>di</strong>e Motoren ihrer E-Räder einschalten,<br />

aber spätestens beim ersten Anstieg wird<br />

auch Richard merken, dass für eine entspannte E-Bike-Tour<br />

eine gute Leistungseinteilung des Akkus das A<br />

und O ist.<br />

Der versprochene erste Trail ist schon in Sichtweite und<br />

Hannes bremst <strong>di</strong>e Gruppe kurz ab, um <strong>di</strong>e Begebenheiten<br />

<strong>di</strong>eser Teilstrecke zu besprechen. Susi verfolgt<br />

<strong>di</strong>e Schilderungen aufmerksam und googelt noch<br />

schnell den Fragsburger Wasserfall, das heutige Ziel,<br />

wie der Bikeprofi soeben verraten hat. Mit weit aufgerissenen<br />

Augen zeigt sie das Suchergebnis ihrem nach<br />

und nach besser gelauntem Gatten und hofft sogleich<br />

instän<strong>di</strong>g, dass sein soeben gewonnenes Glücksgefühl<br />

nicht bereits nach den ersten Höhenmetern schwindet<br />

Die Schweißtropfen auf der Stirn wandern langsam,<br />

aber mit zunehmender Geschwin<strong>di</strong>gkeit am rotleuchtendem<br />

Gesicht entlang. Seit knapp 20 Minuten strampelt<br />

<strong>di</strong>e Radgruppe mittlerweile über den schattigen<br />

Waldweg empor und während <strong>di</strong>e geübteren Kursteilnehmer<br />

noch Small-Talk zwischen ihren kraftvollen<br />

Tritten in <strong>di</strong>e Pedale halten, schießt Richards Puls in<br />

<strong>di</strong>e Höhe. Beim Anblick des knapp 10 Jahre älteren<br />

Herren, der vor ihm wie auf Federn den Berg hoch<br />

fliegt, krampft sich seine Beinmuskulatur zusammen.<br />

Bike-Guide Hannes<br />

Nach einer kurzen Trinkpause mit Lagebesprechung<br />

kommt eben <strong>di</strong>eser ältere Biker zu ihm und meint, er<br />

solle doch zwischendurch <strong>di</strong>e Unterstützung des Rades<br />

einfach höher schalten, dann macht das doch ein<br />

wenig mehr Spaß. Auf seine Bedenken, ob das mit<br />

der Akkuleistung, dann doch noch ausreichen würde,<br />

lacht der sympathische Radfahrer nur verschmitzt und<br />

meint, er habe schon wesentlich schwierige Strecken<br />

gemeistert und noch nie hat ihm sein aufgemotzer<br />

Drahtesel im Stich gelassen. Susi kommentiert das<br />

Gespräch mit einem misstrauischen Blick und vertieft<br />

sich in ein Gespräch über den kommenden Wasserfall<br />

mit einer der neuen Fahrradfreunde. Die Gruppe<br />

setzt sich langsam wieder in Bewegung und gerade als<br />

Richard <strong>di</strong>e Unterstützung seines E-Bikes von Eco auf<br />

Sport schaltet, erscheint<br />

eine Geisterhand, <strong>di</strong>e<br />

ihn liebevoll den Berg<br />

nach oben schubst. Es<br />

dauert nicht lange und<br />

sein Grinsen ist zurück:<br />

„Hoch lebe <strong>di</strong>e Technik!“<br />

ruft er in den Wald hinein<br />

und freut sich über<br />

<strong>di</strong>e lachenden Gesichter<br />

seiner neugewonnen Bike-Kumpanen.<br />

Der letzte Tritt ins Pedal<br />

und schon liegt den<br />

Urlaubern das atemberaubende<br />

Meraner Land<br />

in seiner herbstlichen<br />

Pracht zu Füßen. Endlich<br />

sind <strong>di</strong>e Höhenmeter geschafft und der traumhafte<br />

Blick lässt alle Mühen und Qualen vergessen. In dem<br />

unweit vom Wasserfall entfernten Schlossgarten wartet<br />

schon ein kühles Hefeweizen auf <strong>di</strong>e Biker, natürlich<br />

alkoholfrei, denn für <strong>di</strong>ese Abfahrt ist ein kühler Kopf<br />

Grundvoraussetzung. Doch noch will keiner daran<br />

denken, jetzt gilt es erst einmal auf den Erfolg anzustoßen<br />

und das unvergessliche Panorama zu genießen.<br />

Ein kurzer Abstecher zum nahegelegen Wasserfall<br />

bringt nicht nur <strong>di</strong>e notwen<strong>di</strong>ge Abkühlung, sondern<br />

zusätzlich ein atemberaubendes Bild für das Urlaubsalbum,<br />

denn immerhin handelt es sich hierbei um den<br />

höchsten freifallenden Wasserfall Südtirols.<br />

Knapp 30 Minuten später stehen alle in Startposition,<br />

Hannes bespricht nochmals <strong>di</strong>e wichtigsten Regeln bei<br />

der Abfahrt. Entspannte, zentrale Position zwischen<br />

den Kehren und für <strong>di</strong>e Wendungen in <strong>di</strong>e tiefere<br />

Lage wechseln. Jeder soll in seinem Tempo fahren<br />

und <strong>di</strong>e Unsicherheiten, meint er keck, können alle<br />

gerne beim Wasserfall oben liegen lassen, denn ab<br />

jetzt muss jeder wissen, was er tut. Susi überlegt nicht<br />

lange und meldet sich freiwillig als Erste. Ein kurzer<br />

Blick zu ihrem Gatten<br />

und ab geht <strong>di</strong>e Post.<br />

Richard versucht gerade<br />

noch mit dem aufschwellenden<br />

Adrenalinschub<br />

klarzukommen, als ihn<br />

sein Fahrradnachbar<br />

anweist, seiner Frau zu<br />

folgen. Sein Vorderrad<br />

beginnt zu rollen und<br />

schon ist er mittendrinn.<br />

Während <strong>di</strong>e erste Kehre<br />

in Slow-Motion auf ihn<br />

zukommt, schießen ihm<br />

<strong>di</strong>e Tipps vom Bikeprofi<br />

in den Kopf und bevor<br />

er sich versieht, hat er<br />

sein E-Bike gedreht und<br />

steht wieder mit geraden Beinen in den Pedalen. Die<br />

zweite Kehre folgt sogleich und <strong>di</strong>e Tricks von Hannes<br />

scheinen wirklich zu funktionieren. Noch heute Morgen<br />

hätte Richard bereits beim Anblick <strong>di</strong>eser Abfahrt<br />

kehrtgemacht und nun jagt ihm jede Kehre ein verschmitztes<br />

Grinsen ins Gesicht. Nachdem <strong>di</strong>e schwierigsten<br />

Passagen überwunden sind, führt ein gemütlicher,<br />

panoramareicher Forstweg <strong>di</strong>e Bike-Gruppe<br />

zurück zum Ausgangspunkt. Während Richard den<br />

nahenden Sonnenuntergang begutachtet, bemerkt er,<br />

dass er immer noch wie wild vor sich hingrinst und<br />

beschließt gleich, dass <strong>di</strong>es sicherlich nicht sein letztes<br />

E-Bike-Abenteuer gewesen ist.<br />

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