Schlaflos - Das neue Normal: Eine Loseblattsammlung zum aktuellen Geschehen
Ein Stimmungsbild unserer Zeit. Wir führen die Loseblattsammlung 2021 weiter. Heute mit: Die theoretische Jugendweihe Info zur Sammlung: Viele Menschen sind schlaflos, die Gedanken rotieren. Nicht immer nur um sich selbst, sondern um ihre Freunde, Familien, um überhaupt alles. Die Loseblattsammlung enthält Gedanken, die diese Menschen mit uns teilen möchten. Die Texte sind bewusst unkommentiert, ungeschönt. Böse, kontrovers, traurig, lustig (ja, auch lustig) nachdenklich, vor allem jedoch authentisch. Normal ist nicht. Punkt.
Ein Stimmungsbild unserer Zeit. Wir führen die Loseblattsammlung 2021 weiter.
Heute mit: Die theoretische Jugendweihe
Info zur Sammlung:
Viele Menschen sind schlaflos, die Gedanken rotieren. Nicht immer nur um sich selbst, sondern um ihre Freunde, Familien, um überhaupt alles.
Die Loseblattsammlung enthält Gedanken, die diese Menschen mit uns teilen möchten. Die Texte sind bewusst unkommentiert, ungeschönt. Böse, kontrovers, traurig, lustig (ja, auch lustig) nachdenklich, vor allem jedoch authentisch.
Normal ist nicht. Punkt.
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Ich verstehe fast jedes Wort. Eigentlich<br />
bräuchte er kein Handy, er könnte<br />
seine Meinung auch so über den Barranco<br />
brüllen. Ich gehe ins Haus. Kurze<br />
Unterbrechung: TV-Nachrichten.<br />
Der hessische Finanzminister hat wegen<br />
der Corona-Krise Selbstmord begangen.<br />
Ist aus einem oder vor einen<br />
fahrenden ICE gesprungen. Danach<br />
nur noch weitere deprimierende Meldungen.<br />
Ich schalte ab und gehe lieber<br />
wieder nach draußen, wo der unsichtbare<br />
Nachbar immer noch ins Handy<br />
schreit. Alle Palmeros telefonieren so.<br />
Es sind schließlich Ferngespräche...<br />
Endlich Stille.<br />
<strong>Loseblattsammlung</strong> © ELVEA<br />
21<br />
Es ist unglaublich, was man in der<br />
Stille alles hören kann. Ein Gecko keckert<br />
leise in seinem Versteck unter<br />
dem Ziegeldach. Kurzes Aufbellen eines<br />
Hundes ohne Antwort. Ein trockenes<br />
Blatt raschelt, vom Wind getrieben,<br />
über die Terrasse. Sofort setzt<br />
wieder das Sausen und Brausen der<br />
Palmwedel ein. Klingt fast wie Meeresbrandung.<br />
Nun kommt die Zeit der Mirlos, wie<br />
die Amseln hier heißen, mit ihrem<br />
Schmelzgesang, begleitet vom Gezwitscher<br />
kleiner Vögel, die mit ihren<br />
Stimmen den hellen Grundsound bilden.<br />
Möwen streifen an der Felsküste<br />
entlang. Lautes, schnatterndes Keckern<br />
aus vier, fünf Schnabelkehlen.<br />
Plötzlich das Geräusch einer Motorsäge.<br />
Der Nachbar mit dem roten<br />
Auto? Nein, es kommt von weiter unten<br />
aus dem grünen Meer der Bananen.<br />
Ausgiebig wird Holz geschnitten,<br />
offenbar dickere Stämme. Intensiv<br />
eine Stunde lang. Am späten<br />
Nachmittag nerven nur noch die Fliegen<br />
mit ihrem Gebrumm, so ruhig ist<br />
es geworden. Ein Telefon klingelt.<br />
Diesmal ist es meins.<br />
Ich halte an dieser Stelle beim Lesen<br />
inne und taste mich in die Gegenwart<br />
zurück bzw. zu ihr vor. Notiere ins<br />
Logbuch:<br />
29. September 2020. Alles, was ich<br />
tue, ist eine Art Zukunftswerkstatt geworden.<br />
<strong>Das</strong> bedeutet auch: Es gilt,<br />
<strong>neue</strong> Wege zu wagen. Aber mit Klarheit<br />
und Ruhe. Auf das Wesentliche<br />
konzentriert. Was bleibt einem<br />
Schriftsteller? Weiterschreiben, weil<br />
es die Bestimmung ist. Wie bei Sinnunni,<br />
dem Rufer in der Wüste im alten<br />
Zweistromland, der sich als Dichter<br />
(und vielleicht sogar als Mitverfasser<br />
des legendären Gilgamesch-Epos)<br />
in Uruk die Finger wund schrieb und<br />
mich nach vielen tausend Jahren dazu
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