07.05.2020 Aufrufe

Schlaflos - Das neue Normal: Eine Loseblattsammlung zum aktuellen Geschehen

Ein Stimmungsbild unserer Zeit. Wir führen die Loseblattsammlung 2021 weiter. Heute mit: Die theoretische Jugendweihe Info zur Sammlung: Viele Menschen sind schlaflos, die Gedanken rotieren. Nicht immer nur um sich selbst, sondern um ihre Freunde, Familien, um überhaupt alles. Die Loseblattsammlung enthält Gedanken, die diese Menschen mit uns teilen möchten. Die Texte sind bewusst unkommentiert, ungeschönt. Böse, kontrovers, traurig, lustig (ja, auch lustig) nachdenklich, vor allem jedoch authentisch. Normal ist nicht. Punkt.

Ein Stimmungsbild unserer Zeit. Wir führen die Loseblattsammlung 2021 weiter.
Heute mit: Die theoretische Jugendweihe

Info zur Sammlung:
Viele Menschen sind schlaflos, die Gedanken rotieren. Nicht immer nur um sich selbst, sondern um ihre Freunde, Familien, um überhaupt alles.
Die Loseblattsammlung enthält Gedanken, die diese Menschen mit uns teilen möchten. Die Texte sind bewusst unkommentiert, ungeschönt. Böse, kontrovers, traurig, lustig (ja, auch lustig) nachdenklich, vor allem jedoch authentisch.

Normal ist nicht. Punkt.

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„Oma – erzähl doch mal, was war<br />

2020!“<br />

Vielleicht erzähle ich doch, obwohl,<br />

man verdrängt doch oft so gern.<br />

Dann höre ich mich reden.<br />

„2020 war ein eigenartiges, beängstigendes,<br />

unruhi-ges Jahr. Es ging eine<br />

Krankheit um. Überall auf der Welt.<br />

Menschen wurden krank, manche so<br />

schwer, dass sie gestorben sind. Nichts<br />

war normal, so wie wir es alle kannten.<br />

<strong>Das</strong> selbstverständliche Miteinander in<br />

der Familie, der tägliche kleine Wahnsinn,<br />

Job, Hetze, auch kleine Misslichkeiten<br />

oder Unstimmigkeiten. Es gab<br />

keine <strong>Normal</strong>ität mehr. Wir blieben zu<br />

Hause.“<br />

Sie schaut mit großen Augen, dass<br />

Menschen, vor allem ganz viele, krank<br />

wurden und gestorben waren, macht<br />

sie traurig. Gleichzeitig ist sie fasziniert.<br />

„Die Regeln, an die wir uns alle halten<br />

mussten, dazu die aufkommenden<br />

Gedanken, die an die Zeit vor der Wende<br />

erinnerten, kamen wieder hoch.<br />

Nicht verreisen dürfen, Klopapier gab<br />

es in der DDR übrigens auch nicht immer,<br />

anstehen müssen …, das, was wir<br />

nach der Wende so geschätzt haben –<br />

Freiheit, war weg.“<br />

„Was ist die Wende? öh ... Klopapier?"<br />

„<strong>Das</strong> ist eine andere Geschichte …“<br />

„Dann später mal, Okeee?“<br />

„Machen wir. <strong>Das</strong> Schlimmste war<br />

die Unsicherheit, die Unruhe, Menschen<br />

waren angekratzt. Kleinigkeiten,<br />

die normalerweise keine Bedeutung<br />

hatten, wurden plötzlich wichtig und<br />

brachten ganze Fässer <strong>zum</strong> Überlaufen.<br />

Andere Dinge wieder, die übersah<br />

man. Wertigkeiten waren oft verschoben.<br />

Plötzlich gab es lange Schlangen<br />

<strong>Loseblattsammlung</strong> © ELVEA<br />

35<br />

vor den Supermärkten, und eben kein<br />

Klopapier mehr, vielleicht meinten<br />

die Leute, sie müssten zu Hause sitzen<br />

und könnten sich nicht mehr den Hintern<br />

abwischen.“<br />

„Kein Klopapier! Iiiiiih! Echt? Hihihi.“<br />

Sie lacht.<br />

„Ja, echt. Zusammenhalt wurde beschworen,<br />

gesagt, rückt zusammen<br />

obwohl ihr nicht beieinander sein<br />

dürft.“<br />

„<strong>Das</strong> verstehe ich nicht …“<br />

„Viele Menschen damals auch nicht<br />

… sie hatten vergessen, wie das geht.<br />

Zusammenhalten, füreinander da<br />

sein. Nicht alle! Viele haben ihr Herz<br />

in die Hand genommen und haben geholfen,<br />

ob als Ärzte, Krankenschwestern<br />

und Pfleger, Polizisten, einfach<br />

sehr sehr viele. Auch von ihnen sind<br />

einige krank geworden.<br />

Um ihnen zu helfen, mussten wir zu<br />

Hause bleiben. Um nicht selbst auch<br />

noch krank zu werden oder andere anzustecken.<br />

Denn die Gefahr war nicht<br />

sichtbar. Die Sonne schien, der Frühling<br />

kam. Es war doch alles gut. Doch<br />

nach und nach kannten viele Menschen<br />

jemanden, irgendjemanden, der<br />

plötzlich gar nicht mehr raus durfte<br />

oder einfach nicht mehr da war. Die<br />

Angst fing an, ein Gesicht zu bekommen.“<br />

Andere Menschen wieder, wurden<br />

ungeduldig. Was soll ich zu Hause?<br />

Ist mir doch egal, ich will wieder …“<br />

„Was wollten sie denn?“<br />

„Sie wollten ganz schnell ihr altes<br />

Leben zurück.“<br />

<strong>Das</strong> kleine Mädchen hört weiter zu<br />

… sie fragt: Was war das Schlimmste<br />

damals?“<br />

„<strong>Das</strong> Schlimmste, war die Unsicherheit.<br />

Einfach nur der Verlust des so<br />

selbstverständlichen Gefühls der Si‐

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