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Publikation als PDF - RKW

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mal Wohlstand in Portugal etwas anderes<br />

bedeutet <strong>als</strong> in Deutschland und wieder<br />

etwas anderes in Lettland und die<br />

sozialen Standards in den verschiedenen<br />

EU-Ländern alles andere <strong>als</strong> einheitlich<br />

aussehen. Wie soll dies nun auf einen –<br />

europäischen – Nenner gebracht werden?<br />

Der Verfassungsentwurf sieht vor,<br />

dass die Regeln für Asyl und Einwanderung<br />

zukünftig auf EU-Ebene beschlossen<br />

werden. Über die heikle Frage, welchen<br />

Zugang Einwanderern zum Arbeitsmarkt<br />

gewährt wird, entscheiden die<br />

Mitgliedsstaaten aber weiterhin selbst.<br />

Diese Ausnahme hatte insbesondere<br />

Deutschland gefordert.<br />

Insgesamt will die Europäische<br />

Union jetzt aber stärker auf die Einbeziehung<br />

sozialer Mindeststandards in Handelsvereinbarungen<br />

achten. Darauf haben<br />

sich die Außenminister der 15 Mitgliedsstaaten<br />

Anfang August verständigt. Ein<br />

Bundesratspräsident und Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Wolfgang<br />

Boehmer (Mitte) stellte sich vor Beginn der Bundesratssitzung am 11. Juli mit<br />

den Botschaftern der EU-Kandidaten zum Gruppenbild. Der Bundesrat hat die<br />

geplante Erweiterung der Europäischen Union und den Beitritt von sieben osteuropäischen<br />

Staaten zur Nato gebilligt.<br />

Vorschlag zielte zum Beispiel darauf,<br />

Welthandelsorganisation (WTO) und<br />

Internationale Arbeitsorganisation (ILO)<br />

mehr einzubeziehen. Denn auch der Blick<br />

nach außen ist wichtig zur Bildung der eigenen<br />

Identität. Ein weiteres Beispiel:<br />

Politische Integration<br />

Der Streit um den Irak-Krieg hat Europa<br />

vor eine Zerreißprobe gestellt: Am 31.<br />

Januar dieses Jahres hatten unter Führung<br />

Großbritanniens und Spaniens insgesamt<br />

acht EU-Staaten und Beitrittsländer<br />

den so genannten „Brief der<br />

Acht“ formuliert, in dem sie ihre Unterstützung<br />

der amerikanischen Außenpolitik<br />

bekundeten und sich damit offen gegen<br />

die politische „Marschrichtung“ von<br />

Frankreich und Deutschland stellten.<br />

Trotzdem konnte die EU von einem „politischen<br />

Integrationsschub“ profitieren.<br />

Experten gehen davon aus, dass der<br />

Irak-Krieg erst die Erarbeitung einer<br />

europäischen Sicherheitsstrategie angestoßen<br />

hat. Richard von Weizsäcker nannte<br />

Mitte August die Irak-Krise im Spiegel-<br />

Interview gar eine „harte, notwendige und<br />

am Ende fruchtbare Lehrstunde“.<br />

Aber blicken wir wieder nach innen:<br />

Die politischen Institutionen der EU wurden<br />

für sechs Mitgliedsstaaten geschaffen.<br />

Deshalb warnte Außenminister<br />

Fischer in besagter Rede davor, „dass<br />

eine Erweiterung auf 27 bis 30 Mitglieder<br />

die Absorptionsfähigkeit der EU mit ihren<br />

alten Institutionen und Mechanismen<br />

überfordern wird, und dass es zu schweren<br />

Krisen kommen kann.“ Eine Reform<br />

dieser Institutionen sei deshalb dringend<br />

erforderlich.<br />

Die Demokratie-Frage<br />

Im Lebensmittelrecht, Umweltschutz<br />

und Wirtschaftsrecht trifft die Europäische<br />

Union zurzeit die wesentlichen Entscheidungen,<br />

ohne dass diese einer systematischen<br />

öffentlichen Debatte unterzogen<br />

würden. Peter Glotz, Direktor am<br />

Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement<br />

der Universität St.<br />

Gallen, kritisiert, dass der Rat nach einer<br />

„vordemokratischen Struktur“ arbeite<br />

und seine Entscheidungsabläufe nicht<br />

transparent seien: „Eine wirksame Kritik<br />

des Volkssouveräns an den Planungen<br />

der Regierenden ist im Schnittmuster<br />

der Nationen möglich, im Schnittmuster<br />

der Europäischen Union (noch) nicht,<br />

von Gesamteuropa ganz zu schweigen“,<br />

so Glotz in einem Vortrag über „Interkulturelle<br />

Kommunikation“.<br />

Etwas mehr Demokratie <strong>als</strong> zuvor<br />

hat die neue Verfassung den EU-Mitgliedsstaaten<br />

zwar beschert: Statt in 35<br />

wird das Europäische Parlament zukünftig<br />

an der Gesetzgebung in 92 Politikfeldern<br />

beteiligt sein. Außerdem wählt es<br />

den Präsidenten der EU-Kommission,<br />

die über die EU-Verträge wacht, und bekommt<br />

mehr Macht in Fragen des Haushalts.<br />

Die Bürger Europas sind damit<br />

aber noch lange nicht in die Entscheidungsprozesse<br />

eingebunden.<br />

Wie geht es weiter?<br />

Im Dezember vergangenen Jahres haben<br />

alle EU-Regierungen das Beitrittsrecht<br />

der Türkei noch einmal bekräftigt. Das<br />

heißt – schaut man weiter in die Zukunft –,<br />

dass auch der Ukraine, Weißrussland<br />

und Moldawien irgendwann der EU-Beitritt<br />

nicht mehr verwehrt werden kann.<br />

Und wie sieht es aus mit Russland? „Der<br />

Einwand, Europa ende am Ural, taugt<br />

nach einem türkischen Beitritt erst recht<br />

nicht mehr“, spitzt der Europaexperte<br />

der Financial Times Deutschland, Thomas<br />

Klau, diese Frage zu.<br />

Aber wo endet Europa? Eine Antwort<br />

gibt der Philosoph und Europa-Vordenker<br />

Jürgen Habermas, indem er das Problem<br />

viel abstrakter angeht. Er wünscht<br />

sich eine „postnationale Demokratie“,<br />

die „auf der gegenseitigen Anerkennung<br />

der Differenzen zwischen stolzen Nationalkulturen<br />

beruht“. Weder „Assimilation“<br />

noch die bloße „Koexistenz“ seien<br />

die Modelle, die zu der wechselhaften<br />

Geschichte der europäischen Nation<strong>als</strong>taaten<br />

passten. Sondern eine „Solidarität<br />

unter Fremden“. Wer das dann sein<br />

wird, ist heute vielleicht noch gar nicht<br />

wichtig.

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