Binnenschiff Journal 3/2020
Binnenschiff Journal 3/2020
Binnenschiff Journal 3/2020
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ABS.: BINNENSCHIFF JOURNAL | HAMEAU STRASSE 44 | 1190 WIEN | AUSTRIA<br />
BINNENSCHIFF JOURNAL<br />
Wasserbau & Schiffbauindustrie<br />
Heft 3/<strong>2020</strong><br />
Der Shutdown ist noch nicht zu Ende<br />
Interview mit Kapitänen<br />
Klimawandel an Bord<br />
Die österreichische Verkehrspolitik<br />
Stadthafen Linz HB III Quelle Otto Steindl
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S2<br />
Unfallbericht:<br />
Menschliches Versagen ausgeschlossen,<br />
beide Schiffe fahren autonom.<br />
Sie haben Fieber!<br />
Gehen Sie nach<br />
Hause.<br />
<strong>2020</strong> MESSEN EVENTS ORT INTERNET<br />
9. bis 11. Juni TOC EUROPE SCHIFFFAHRT/HAFEN Rotterdam www.tocevents-europe.com<br />
18. Juni MANNHEIMER TRANSPORTRECHTSTAG Mannheim www.uni-mannheim.de<br />
18. Juni WISSENSCHAFTSFORUM MOBILITÄT Duisburg www.wissenschaftsforum.uni-due.de<br />
8. bis 11. September SMM Hamburg www.smm-hamburg.com<br />
18. bis 19. September WASSERBAU HISTORISCH Karlsruhe www.dwhg-ev.com<br />
22. bis 25. September INNOTRANS Berlin www.innotrans.de<br />
29. bis 30. September SHIPPING-TECHNICS-LOGISTICS Kalkar www.shipping-technics-logistics.d<br />
6. bis 8. Oktober INTERMODAL EUROPE Rotterdam www.intermodal-events.com<br />
8. bis 9. Oktober DIGITALISIERUNG BINNENSCHIFFFAHRT Karlsruhe www.conference-service.com<br />
21. bis 23. Oktober DEUTSCHER LOGISTIK KONGRESS Berlin www.bvl.de/dlk/<br />
4. bis 5. November AQUA ALTA Essen www.acqua-alta.de/hochwasserschutz
EDITORIAL / IMPRESSUM<br />
Auf dem Wasser zu Hause<br />
Als kleiner Anfänger in der Medienwelt und<br />
noch dazu ohne Bedeutung für die Werbebranche,<br />
hat man es nicht leicht, einen direkten<br />
Kontakt zu Entscheidungsträgern zu<br />
bekommen. Das ist bis zu einem gewissen<br />
Grad auch verständlich. Würden manche<br />
Ansprechpartner von <strong>Journal</strong>isten sonst<br />
wohl in einer Flut von Anfragen ersticken.<br />
Deshalb versucht man als empathischer<br />
<strong>Journal</strong>ist, es dem jeweiligen Gesprächspartner<br />
so leicht als möglich zu machen,<br />
damit insbesondere die endlichen Zeitreserven<br />
nicht über Gebühr strapaziert werden.<br />
Wenn trotz aller Bemühungen und<br />
Entgegenkommen aber dennoch kein Austausch<br />
möglich wird, ist das bedauerlich<br />
und vielleicht Ausdruck von Desinteresse.<br />
Ein geplantes Interview mit Ministerin Gewessler<br />
für diese Ausgabe über die österreichische<br />
Verkehrspolitik/<strong>Binnenschiff</strong>fahrt, vor dem<br />
Hintergrund, dass die neue Verkehrsministerin<br />
(mehr als) 100 Tage im Amt ist, wurde von ihrem<br />
Büro leider abgelehnt. Angeboten wurde<br />
stattdessen, die Fragen an den für das Ressort<br />
Schifffahrt zuständigen Staatssekretär zu richten.<br />
So kam es dazu, dass in diesem Magazin<br />
zwar dennoch über die Österreichische<br />
Verkehrspolitik unter einer neuen Ministerin<br />
berichtet wird, aber ohne Beantwortung der<br />
entsprechenden Fragen. Sie als interessierte<br />
Leserschaft, werden hoffentlich thematisch<br />
dennoch zu einer erweiterten Sichtweise über<br />
die österreichische Verkehrspolitik gelangen.<br />
Ihr Peter Baumgartner<br />
PETER BAUMGARTNER<br />
HERAUSGEBER<br />
BINNENSCHIFFF<br />
JOURNAL<br />
INHALT 3/<strong>2020</strong><br />
02 Termine & Events<br />
03 Editorial, Impressum, Inhalt<br />
04 100 Tage neue Verkehrspolitik – Gibt es gibt sie noch?<br />
08 80 Tage gefangen im Paradies<br />
12 Stillstand ist der Tod, geh voran, bleibt alles anders<br />
16 Drinkable Rivers<br />
20 Hygiene - Für den Klimawandel an Bord gibt es noch Luft nach oben.<br />
26 Leserbrief<br />
27 Eine Wasserstraßengesellschaft sucht die Nähe zum Wasser<br />
28 Schiffbau in der Ukraine<br />
34 Bibliothek & Medien<br />
36 Ausblick <strong>Binnenschiff</strong> <strong>Journal</strong> 4/<strong>2020</strong><br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber: Peter Baumgartner<br />
Karikatur: Christina Baumgartner<br />
Tel.: +43-664-2634362, E-Mail: ibbs@a1.net<br />
www.binnenschiff-journal.at<br />
Medieninhaber: Markus Jaklitsch<br />
Tel.: +43-676-7035206, E-Mail: hjs@hjs-media-world.at<br />
Hameaustraße 44, 1190 Wien, Austria
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S4<br />
100 Tage neue Verkehrspolitik –<br />
Gibt es sie noch?<br />
100 Tage hat es gedauert, bis die neue Regierung angelobt werden konnte.<br />
100 Tage danach gibt es die neue Verkehrsministerin – noch.<br />
REDAKTION: PETER BAUMGARTNER<br />
BMK Gemeinsam schaffen wir die Krise<br />
Quelle: Cajetan Perwein<br />
Lässt man das Wirken der zahlreichen<br />
Verkehrsminister in Österreich Revue<br />
passieren, kann man auf den ersten<br />
Blick erkennen, wo ihre jeweiligen<br />
Schwerpunkte in den politischen Entscheidungen<br />
lagen. Mit Verkehrspolitik hatten<br />
diese Entscheidungen jedoch immer nur am<br />
Rande zu tun. In erster Linie war es Parteistrategie,<br />
Erfüllung von Lobbyisten Wünschen<br />
oder gar persönliche Vorlieben. Besonders<br />
deutlich wurde das bei Norbert Hofer/FPÖ<br />
(Dez.17 - Mai 19), der sein Flieger-Hobby als<br />
Verkehrsminister flugs zur Agenda erhob.<br />
Oder nehmen wir Alois Stöger (Sept. 14 – Mai<br />
16), dessen Bild wahrscheinlich in jedem Büro<br />
der Frächterlobby einen prominenten Platz<br />
einnimmt. Ein Wunder, dass nicht auf jedem<br />
LKW ein Herzerl mit „I like Alois“ klebt.<br />
Gerald Klug (Jänner 16. – Mai 16) war als<br />
„abkommandierter“ Verteidigungsminister<br />
hauptsächlich mit seiner eigenen Verteidigung<br />
beschäftigt. Seine sprichwörtliche „Situationselastizität“<br />
kam ihm dabei allerdings im<br />
Verkehrsressort sehr zugute.<br />
Werner Faymann (Jänner 07 – Dez. 08) profitierte<br />
lange vom Schutzhelm, den ihm die<br />
Baulobby gewidmet hatte und der mit dem<br />
Wohlwollen maßgeblicher Medien, hauptsächlich<br />
seine eigenen Verkehrswege ebnen<br />
konnte. „Alles auf Schiene“ verstanden gleich<br />
mehrere, vornehmlich SPÖ Verkehrsminister,<br />
als Auftrag. Sie sahen lange Zeit genau im<br />
ÖBB-Konzern ihre Wähler und mächtige Betriebsrats-Kaiser,<br />
deren Wünsche tunlichst zu<br />
erfüllen waren.<br />
Schwer hatte es der Landwirt Mathias Reichold/FPÖ<br />
(Febr. 02 – Febr. O3). Bei seinen<br />
vielen rasch wechselnden Tätigkeiten („Ich<br />
stehe hier, weil Jörg Haider so entschieden<br />
hat“), hinterließ er oft den Eindruck, dass er<br />
mit der falschen Aktentasche in das falsche<br />
Büro gekommen ist. Als Bauer hatte er im Verkehrsressort<br />
wahrscheinlich hauptsächlich<br />
das landwirtschaftliche Wegenetz im Sinn. Zusammenfassend<br />
kann man sagen, dass das<br />
Verkehrsministerium für viele Minister ohnehin<br />
nur eine kurzzeitige Aufgabe war. Manche<br />
schafften weniger als ein Jahr und mehr als
eine Wahlperiode war schon die Ausnahme.<br />
Deshalb widerspiegelt der Inhalt eines Leserbriefes<br />
(„Im Verkehr kennt sich die Klofrau im<br />
Ministerium besser aus, als der Minister“) so<br />
ziemlich die Realität im Haus am Donaukanal.<br />
Irgendwann kommt vielleicht doch noch ein<br />
Verkehrsminister in die Regierung, der gerne<br />
segelt oder rudert. Dann steigen wahrscheinlich<br />
die Chancen auf eine Verkehrspolitik unter<br />
Einbindung der Wasserstraße.<br />
Jetzt ist erstmals eine grüne Verkehrsministerin<br />
am Werk. Erraten, auch bei ihr merkt man<br />
schon nach den ersten 100 Tagen, was sie<br />
unter Verkehrspolitik versteht – Radverkehr.<br />
An dieser Stelle ist natürlich ein abschließendes<br />
Urteil verfrüht, weil sie ja selbst für einen<br />
Verkehrsminister noch zu kurz im Amt ist. Außerdem<br />
hat sie mit dem neuen Ministerium<br />
für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität,<br />
Innovation und Technologie (BMK) ein Aufgabenspektrum<br />
übernommen, dass mehr nach<br />
Eintopf, als nach Ressort für Verkehr klingt.<br />
Natürlich hängen alle Themen irgendwo zusammen<br />
und die kleinen Räder müssen ineinandergreifen,<br />
damit das Werkl läuft. Aber zu<br />
Ende gedacht, hätte man der Ministerin auch<br />
gleich alle anderen - oder zumindest auch<br />
die Sozial- und Arbeitsbereiche - umhängen<br />
können, denn die haben auch viel mit Verkehrspolitik<br />
zu tun. Stichwort LKW-Fahrer. Bei<br />
denen (nicht bei den <strong>Binnenschiff</strong>ern) hat sich<br />
die Ministerin in der Corona Krise ausdrücklich<br />
für ihre Leistungen bedankt. 100 Tage vorher,<br />
als Global2000 Chefin, hätte sie die LKW-Fahrer<br />
wohl lieber auf den Mond geschossen. So<br />
schnell kann`s gehen. Zumindest das Arbeitsinspektorat<br />
könnte man der neuen Ministerin<br />
noch umhängen, damit sie die Möglichkeit<br />
bekommt, die derzeit vorhandenen 0,5<br />
Mannjahre für den Bereich Verkehrsarbeitsinspektion<br />
zu unterstützen.<br />
Der Sektor Verkehr zeigt in Österreich<br />
und in Europa, dass sich der Markt eben<br />
nicht selber regelt. Im Gegenteil. Deshalb<br />
braucht es eine europäische Verkehrspolitik<br />
mit klaren Zielen und Fristen.<br />
Entscheidende Indikatoren für eine verbesserte<br />
Verkehrspolitik aus der Sicht der <strong>Binnenschiff</strong>fahrt<br />
und im Interesse der Umwelt,<br />
wäre eine deutliche Zunahme der Transporte<br />
auf der Wasserstraße und eine entsprechende<br />
Steigerung im Modal Split zugunsten der<br />
<strong>Binnenschiff</strong>fahrt.<br />
Diese Ziele liegen trotz schöner Reden weiterhin<br />
– seit Jahrzehnten – in weiter Ferne und<br />
scheinen unerreichbar zu sein. Jedenfalls<br />
sicher nicht im vorgesehenen Zeitplan (bis<br />
2022), den das derzeit aktuelle Aktionsprogramm<br />
vorsieht.<br />
Die Sozialpartner<br />
forden eine<br />
Autorität für die<br />
<strong>Binnenschiff</strong>fahrt.<br />
Quelle: IBBS
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S6<br />
7,2 Mio. Tonnen wurden 2018 in Österreich<br />
auf der Wasserstraße insgesamt transportiert.<br />
Was ein durchschnittliches Minus von 27 Prozent<br />
(zugunsten der Straße) bedeutet. Zwar<br />
unter widrigen Pegelverhältnissen, aber bei<br />
einer 100 %igen Verfügbarkeit der Wasserstraße.<br />
2019 lief es mit einer Zunahme von 18 %<br />
wieder etwas besser, war aber im Rückblick<br />
bis 1995 das zweitschlechteste Jahresergebnis.<br />
In diesem Zusammenhang kann man zum<br />
Vergleich anführen, dass die angeblich „existenzunfähige“<br />
1. DDSG vor ihrer sozialpartnerschaftlich<br />
abgesegneten Versenkung, ganz<br />
allein mehr als 3 Mio. Tonnen im Jahr transportiert<br />
hat.<br />
Grundlage für eine europäische Verkehrspolitik<br />
muss das Überdenken des freien Warenverkehrs<br />
sein. Ein freier Warenverkehr kann<br />
nicht gleichzeitig die freie Wahl der Verkehrsmittel<br />
bedeuten. So ist eine europäische Verkehrspolitik<br />
mit den angestrebten Zielen nicht<br />
erreichbar.<br />
Unverbindlichkeit ist eine typisch österreichische<br />
Eigenschaft. Und in der österreichischen<br />
Verkehrspolitik, ist die Nasse Logistik von besonderer<br />
Unverbindlichkeit gekennzeichnet.<br />
Seit Jahrzehnten werden begleitet von<br />
EU-Förderprogrammen Projekte entworfen<br />
und mit Terminen hinterlegt, die nach Ablauf<br />
einfach fortgeschrieben werden. So verwundert<br />
es nicht, dass immer wieder in Sonntagsreden<br />
die gleichen Forderungen aufgestellt<br />
werden. Jüngstes Beispiel ist das Projekt „Danube-Black<br />
Sea Gaterway Region“.<br />
Auch EU gefördert, steht wieder die Verkehrsentwicklung<br />
im Donauraum im Vordergrund.<br />
Das an sich 2019 abgelaufene und erfolglose<br />
zwei Mio. teure Projekt, wird einfach mit<br />
500 (!) Absichtserklärungen untererlegt und<br />
fortgesetzt. Garantiert ist jedenfalls der Verkehr<br />
durch den Tagungstourismus, denn die<br />
Liste der Teilnehmer am Projekt ist endlos. Die<br />
nächste Fortschreibung ist für 2022 schon eingepreist.<br />
Österreichs Verkehrspolitik ist gesamt betrachtet<br />
relativ unbedeutend. Aber Österreich hat<br />
eine maßgebliche und gleichberechtigte<br />
Stimme in der europäischen Verkehrspolitik<br />
und diese ist wahrzunehmen.<br />
Typisch für Österreich ist auch, dass die <strong>Binnenschiff</strong>fahrtspolitik<br />
seit der Ertränkung der<br />
1. DDSG von Beamten gesteuert wird; was<br />
auch die Abwesenheit der jeweiligen Minister<br />
zum Thema erklärt. Auch die neue Ministerin<br />
überlässt Fragen zur <strong>Binnenschiff</strong>fahrt lieber<br />
den zuständigen Beamten. Beamte agieren<br />
aber bekanntlich zwangsläufig im „Kastl“.<br />
D.h., ressortübergreifendes Denken oder<br />
gar Handeln widerspricht dem jeweiligen<br />
Zuständigkeitsbereich und gilt als Todsünde.<br />
Wer sich zu weit aus seinem Thema vorwagt,<br />
macht sich schnell verdächtig. Ungeachtet<br />
aller Versprechungen der neuen Verkehrsministerin<br />
- „Gemeinsam schaffen wir jede<br />
Krise“, steht in den Fenstern ihres Hauses,<br />
ließen jüngst die Sozialpartner mit einer Forderung<br />
an die Verkehrspolitik für die Wasserstraße<br />
aufhorchen: „…Schaffung einer europäischen<br />
Behörde mit Exekutivgewalt zur<br />
Durchsetzung“. Also quasi einen Neptun als<br />
Wasserstraßenkommissar, der mit dem Dreizack<br />
die <strong>Binnenschiff</strong>fahrtspolitik beherrscht.<br />
Ein deutlicher Hinweis darauf, dass auch die<br />
Sozialpartner der Meinung sind, dass der Verkehrsminister,<br />
respektive die Beamten, die anstehenden<br />
Herausforderungen nicht schaffen<br />
können. Mehr noch: Die Sozialpartner trauen<br />
offensichtlich auch der Europäischen Verkehrsministerkonferenz<br />
einen durchschlagenden<br />
Erfolg in der Nassen Logistik nicht zu. Eine<br />
„europäische Behörde mit Exekutivgewalt“<br />
nur für die <strong>Binnenschiff</strong>fahrt wäre aber vermutlich<br />
nicht mehr als ein Umlegen der österreichischen<br />
Beamtenpolitik auf die höchste<br />
Ebene der EU. Einen Vorteil hätte der allzeit<br />
gegenwärtige Neptun mit dem Dreizack auf<br />
den Wasserstraßen: Ein garantierter Unterhaltungswert<br />
für Flusskreuzfahrt-Touristen. (BP)
lue fair<br />
<strong>2020</strong><br />
Leitevent für<br />
Digitalisierung,<br />
Nachhaltigkeit & Mobilität<br />
23. Okt. - 25. Okt. <strong>2020</strong> -<br />
Traiskirchen Stadtmuseum<br />
Infos unter:<br />
www.mission-e-possible.org oder www.blue-fair.com
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S8<br />
80 Tage gefangen im Paradies<br />
Corona hat den Alltag aller Menschen und die Wirtschaft gehörig aus<br />
dem Gleichgewicht gebracht. Über die Verluste der Reedereien, deren<br />
Schiffe, die im Hafen liegen müssen, wurde ausgiebig berichtet. Wie aber<br />
geht es den <strong>Binnenschiff</strong>ern, die auch von der Pandemie betroffen sind?<br />
REDAKTION: PETER BAUMGARTNER<br />
Wir wollen nach Hause<br />
Quelle: Heerenschip<br />
Zwei <strong>Binnenschiff</strong>er, die mit ihren kleinen<br />
Schiffen am Anfang des Jahres<br />
von den Niederlanden nach Frankreich<br />
gefahren sind, dachten zu Beginn<br />
der Reise noch nicht daran, dass es für<br />
sie diesmal anders laufen wird. Man wollte<br />
eine Ladung in Frankreich abliefern und danach<br />
gleich wieder mit dem leeren Schiff<br />
nach Hause fahren - eine Standardaufgabe.<br />
Mitte Februar, die <strong>Binnenschiff</strong>er waren bereits<br />
auf dem Heimweg, kam Corona in Form<br />
der französischen Wasserstraßenverwaltung<br />
VNF an Bord - Ende der Reise. Beide Schiffe<br />
mussten sofort am Ufer festmachen und bis<br />
zur Weiterfahrterlaubnis dort liegen bleiben.<br />
Dann verging ein Tag nach dem anderen.<br />
Keine Fahrterlaubnis, keine Informationen,<br />
keine Hoffnung. Am 50. Tag vor Anker, beschlossen<br />
die <strong>Binnenschiff</strong>er zu protestieren.<br />
Ein provisorisch angefertigtes Transparent<br />
am Schiff diente als sichtbarer Protest an die<br />
Wasserstraßenverwaltung gerichtet. „VNF<br />
NOUS VOULONS RENTRER“, stand auf dem<br />
Transparent. „Wir wollen nach Hause“. Der<br />
Hilferuf wurde sogar gehört, aber nicht vom<br />
VNF, sondern von den Medien in Frankreich<br />
und in den Niederlanden, die aber nur darüber<br />
berichten konnten. Das Leben für die beiden<br />
<strong>Binnenschiff</strong>er im französischen Paradies<br />
bei Wein und gutem Essen, dauerte noch 30<br />
Tage. Nach 80 Tagen endlich – Anfang Mai<br />
– ab nach Hause! Man feierte den Tag mit<br />
Champagner und einer Torte im Gefängnisformat.<br />
So „gut“ haben es aber längst nicht alle <strong>Binnenschiff</strong>er<br />
getroffen. Für viele Kapitäne ist<br />
der Lockdown noch immer nicht zu Ende. Besonders<br />
hart betroffen sind die Kapitäne der<br />
Flusskreuzfahrt. Sie sind praktisch von der Winterpause<br />
nahtlos in die Corona-Pause getaumelt.<br />
Für sie könnte der Lockdown durchaus<br />
gar kein Ende nehmen, denn die Mehrzahl<br />
der Flusskreuzfahrer in Europa hat ausländische<br />
Passagiere aus Australien, USA oder anderen<br />
Ländern außerhalb Europas. Sie sind<br />
also abhängig von den Grenzöffnungen und<br />
Reisebedingungen. Wann und ob wieder
Aushalten und durchhalten<br />
Quelle: IBBS<br />
Gäste nach Europa und an Bord kommen, ist<br />
eine unbeantwortbare Frage.<br />
Einer der betroffenen Kapitäne ist Peter Werner<br />
(57), der in der Ukraine und in Österreich<br />
lebt. Eigentlich hätte er in der ersten Märzwoche<br />
wieder an Bord gehen können. Aber<br />
dann wurden alle Termine abgesagt. Seither<br />
ist der Kapitän zu Hause. Zum Glück wurde er<br />
noch nicht infiziert. Auch im familiären Umfeld<br />
gibt es nur einen schwach positiv getesteten<br />
Fall. Wie lange er noch zu Hause bleiben<br />
muss, kann niemand sagen. Auch seine Reederei<br />
ist von ausländischen Passagieren abhängig<br />
und vorerst sind für diese Saison alle<br />
Reisen abgesagt. Ökonomisch hat das für<br />
ihn und seine Familie momentan noch keine<br />
großen Auswirkungen, weil er die Kurzarbeitsregeln<br />
nützen kann.<br />
Goran Stanimirov (34), der ebenfalls Kapitän<br />
auf einem Kreuzfahrtschiff ist und in seiner<br />
Heimat Belgrad festsitzt, weiß wie alle seiner<br />
Kollegen nicht, wann er wieder an Bord<br />
gehen kann. Seine Hoffnung ist, dass es wenigstens<br />
ab September wieder Arbeit geben<br />
wird. Bis dahin gilt es für ihn sparsam mit dem<br />
verfügbaren Kapital umzugehen. Das heißt,<br />
zuerst müssen Rechnungen und Bankkredite<br />
bezahlt werden. Seine Frau und sein einjähriger<br />
Sohn profitieren derzeit wenig vom Gehalt<br />
eines Kapitäns. Zum Glück, im Unglück,<br />
gibt es in seiner Familie noch keine Infizierten.<br />
Auf die Frage, welche Änderungen er aus<br />
der Corona Erfahrung heraus im Bordbetrieb<br />
empfehlen würde, meinte Goran, dass in der<br />
Passagierschifffahrt vielleicht eine Art „Einbahnstraße“<br />
für alle an Bord helfen könnte,<br />
damit enge Kontakte tunlichst vermieden<br />
werden. Aber auf Grund der baulichen Gegebenheiten<br />
würde das wohl ein größeres<br />
Umdenken erfordern.
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S10<br />
In der Frachtschifffahrt könnte es eine gute<br />
Idee sein, nach jedem Besatzungswechsel<br />
die Kabinen zu desinfizieren. Peter Werner<br />
meint auf die Frage nach den sinnvollen Änderungen:<br />
„Die Pandemie ist nicht der Grund,<br />
um über Änderungen im Bordbetrieb nachzudenken.<br />
Sehr, sehr viele Umstände, die in den<br />
letzten Jahren angesammelt wurden, sollten<br />
den Ruf nach Veränderung laut schallen lassen.<br />
Die Liste der gewünschten, aber auch<br />
erforderlichen Änderungen ist zu lange und<br />
zu gleichwertig, um diese hier in einer Prioritätenliste<br />
anzuführen. Ich bin aber gerne bereit<br />
diese Änderungen und die Umstände die zu<br />
den gewünschten/geforderten Änderungen<br />
geführt haben zu beleuchten.<br />
Mir ist die <strong>Binnenschiff</strong>fahrt und im speziellen<br />
die Donauschifffahrt mit allen ihren immer<br />
noch ungenützten Möglichkeiten zu wichtig,<br />
um hier mit nur einem beschriebenen Umstand,<br />
eventuell ein falsches Bild abzugeben.<br />
Fest steht aber, Änderungen sind zwingend<br />
erforderlich und diese dürfen unter keinen<br />
Umständen, weder im Personen- noch im<br />
Frachttransport, zum Nachteil der Passagiere<br />
oder der Besatzungen führen“.<br />
Die Kapitäne der Flusskreuzfahrt wurden auch<br />
gefragt, ob sie für die Zukunft aus der Corona<br />
Krise Vorteile ziehen können. Denn aus jeder<br />
Krise kann man ja auch Lehren für die Zukunft<br />
mitnehmen. Für Goran, dem jungen Familienvater,<br />
dessen Sohn erst ein Jahr alt ist, stellt<br />
sich diese Frage momentan nicht. Er macht<br />
sich Sorgen, was in der nächsten Zeit passieren<br />
wird und ob er überhaupt einen Job<br />
haben wird. Niemand, auch seine Reederei<br />
kann derzeit vorhersagen, welche Zukunftspläne<br />
es gibt.<br />
Diese Unsicherheit und Ungewissheit machen<br />
die Sache für die junge Familie ungemein<br />
schwierig.<br />
Peter Werner macht sich generell Sorgen um<br />
den Zustand der Welt und der Gesellschaft.<br />
Nach seiner Meinung, „darf nicht die Pandemie<br />
als Vorwand genommen werden, sondern<br />
der Zustand der Welt und ihrer Gesellschaft<br />
generell“. Die Menschen, so Werner,<br />
„müssen begreifen, dass eine multikulturelle<br />
Bücherboot SELLI<br />
Quelle: IBBS<br />
Gesellschaft und der Globalismus nicht darin<br />
bestehen dürfen, dass der Wohlstand weniger,<br />
nur zum Nachteil vieler geschieht. Die<br />
Weltwirtschaft ist ja nicht überraschend und<br />
durch Covid 19 in die Krise gerutscht, sondern<br />
sie taumelt ja schon länger von einer Krise in<br />
die nächste. Das zeigt, dass die Weltwirtschaft<br />
so nicht funktioniert - auch wenn dies von Politik<br />
und Wirtschaft immer heftig bestritten wird.<br />
Was Covid 19 zeigt ist lediglich, dass sich unsere<br />
Überheblichkeit jetzt rächt und die Welt<br />
völlig unvorbereitet in etwas getaumelt ist,<br />
das ja immer präsent war.<br />
Covid SARS ist nicht das erste Virus, das eine<br />
Pandemie ausgelöst hat und es wird nicht das<br />
letzte Desaster sein. Covid und seine hausgemachten<br />
Probleme sind insgesamt aber eine<br />
Chance für jeden von uns und für die Wirtschaft.<br />
Allerdings wird man sich persönlich<br />
und die Systeme rapide umstellen und völlig<br />
neue Wege gehen müssen.“ Davon, so Peter<br />
Werner, ist auch der Tourismus und die <strong>Binnenschiff</strong>fahrt,<br />
egal ob Fracht oder Personentransport<br />
nicht ausgenommen.<br />
Covid mit all seinen negativen Folgen betrifft<br />
nicht nur die <strong>Binnenschiff</strong>fahrt auf den Wasserstraßen.<br />
Es gibt auch sehr viele Kapitäne<br />
und Besatzungen, die auf den großen oder<br />
kleineren Seen Passagierschifffahrt betreiben
und von der Pandemie ebenso zu einem Zeitpunkt<br />
erfasst wurden, als man gerade mit<br />
der neuen Saison beginnen wollte. Wie in der<br />
Flusskreuzfahrt, gab und gibt es in der Passagierschifffahrt<br />
auf den Seen viele Unklarheiten<br />
bei den aktuellen Regelungen, die eine ohnehin<br />
schon dramatische Situation nicht gerade<br />
leichter machen. Ausgelöst durch zahlreiche<br />
Änderungen auf dem Verordnungsweg, kam<br />
und kommt es noch immer zu kuriosen Situationen.<br />
So durften zum Beispiel zunächst Radfähren<br />
ihren Betrieb aufnehmen, Personenschiffe<br />
aber nicht – obwohl es im Bordbetrieb<br />
praktisch keinen Unterschied gibt. Später<br />
durften auch Personenschiffe fahren, aber<br />
nur solche, die unterwegs Stationen anlaufen.<br />
Schiffe, die nur eine Rundfahrt anbieten, durften<br />
nicht fahren. Noch verwirrender wurden<br />
die Regelungen durch die Differenzierung<br />
zwischen Passagierschifffahrt und gewerblicher<br />
Bootsvermietung.<br />
Das führte dazu, dass ein Personenschiff mit<br />
10 Passagieren nicht fahren durfte, ein Personenschiff<br />
mit 100 Passagieren aber schon<br />
und ein Bootsvermieter mit acht Passagieren<br />
auch. Im Gegensatz zur Passagierschifffahrt,<br />
müssen sich der Bootsvermieter und seine<br />
Passagiere weder an Maskenpflicht noch an<br />
die Abstandsregeln halten. Ein Kapitän, der<br />
mit diesem Wirrwarr konfrontiert ist, ist Wolfram<br />
Pschernig (69). Der Familienvater betreibt die<br />
einzige schwimmende Bibliothek in Österreich<br />
mit dem Heimathafen Maria Wörth am<br />
Wörthersee. Pschernig, der vom Virus bisher<br />
zum Glück verschont blieb hofft, am 29. Mai<br />
mit der Saison beginnen zu können. Ein Monat<br />
später als jene Schiffe, die zu den sogenannten<br />
„Massenverkehrsmitteln“ zählen. Für<br />
ihn bedeutet das zwei Monate Verzögerung<br />
und durch den Corona bedingten Ausfall eines<br />
Hauptkunden, einen Umsatzverlust von<br />
70 Prozent. Auch er fühlt sich durch den wöchentlichen<br />
Wirrwarr und teils inkompetenten<br />
Informationen im Stich gelassen. Für seine<br />
schwimmende Bibliothek rechnet er erst ab<br />
2021 wieder mit einem Normalbetrieb – vorher<br />
hoffentlich bald ohne Maskenpflicht. Corona<br />
hat Pschernig generell zum „Neudenken“<br />
– betrieblich und privat – veranlasst.<br />
Zusammenfassend kann man sagen, dass<br />
die Kapitäne und Besatzungen der <strong>Binnenschiff</strong>fahrt<br />
ganz sicher schon jetzt zu den<br />
großen Verlierern der Pandemie zählen. In<br />
Abhängigkeit von der Dauer, in der wir noch<br />
mit Corona leben müssen, werden dieses<br />
Desaster vermutlich nicht alle Kapitäne wirtschaftlich<br />
überleben können und viele werden<br />
ihre Ersparnisse gänzlich aufbrauchen<br />
müssen, um über die Runden zu kommen.<br />
(PB)
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S12<br />
Stillstand ist der Tod, geh voran, bleibt<br />
alles anders<br />
So textete Herbert Grönemeyer 1998, aber wir kennen das von den regelmäßig<br />
zu Neujahr gefassten guten Vorsätzen, die spätestens am Dreikönigstag wieder<br />
über Bord geworfen werden. REDAKTION: PETER BAUMGARTNER<br />
Wir wissen zwar verlässlich, was<br />
wir ändern sollen, tun aber oft<br />
genau das Gegenteil. Warum<br />
das so ist? Da gibt es unterschiedliche<br />
Erklärungen dafür. Manche<br />
sagen, weil Neujahrsvorsätze unter Alkoholeinfluss<br />
gefasst werden und nüchtern betrachtet…<br />
. Übertragen auf die Wirtschaft<br />
weiß man dort zwar auch genau, ob, wann<br />
und wo Änderungsbedarf besteht, aber Alkohol<br />
ist eher nicht der Grund, warum es dennoch<br />
nicht gemacht wird. Die Wirtschaft hat<br />
eher immer gut begründete und kaum zu<br />
widerlegenden Argumenten, warum Änderungen<br />
nicht, falsch oder zu spät angedacht<br />
werden. Covid hat der <strong>Binnenschiff</strong>fahrt aber<br />
eine Situation beschert, wo die Reedereien,<br />
aber auch alle in die <strong>Binnenschiff</strong>fahrt involvierten<br />
Stakeholder quasi vor der Neujahrsfrage<br />
stehen und sich nicht mehr vor der Umsetzung<br />
drücken können. Welche Änderungen<br />
nehme ich mir vor? Die Schifffahrtsbehörden<br />
werden sich fragen, welche Änderungen<br />
schreibe ich vor? Die Schiffswerft wird vielleicht<br />
fragen, welche Änderungen schlage<br />
ich vor? Und der Kapitän wird sich fragen,<br />
kommen die richtigen Änderungen? Ein paar<br />
Antworten auf diese Fragen kennt man ansatzweise<br />
bereits. Einige Reedereien haben<br />
bereits Änderungen durchgeführt/angekündigt,<br />
sind um Anpassungen an die Pandemie<br />
Situation bemüht und bereit für laufende Anpassungen.<br />
Im privaten und im wirtschaftlichen Bereich,<br />
ist aber nicht allein der Änderungswille ausschlaggebend,<br />
sondern ob die richtigen Änderungen<br />
zur richtigen Zeit am richtigen Ort<br />
umgesetzt werden. Zur Umsetzung der richtigen<br />
Hygienebedingungen hätten wir Covid<br />
nicht gebraucht. Das weiß jeder, der bei klarem<br />
Verstand ist und dennoch wurde ausgerechnet<br />
Hygiene bisher oft vernachlässigt.<br />
Egal ob Hygiene, Abstand halten, Lüften usw.,<br />
jeder kennt die Grundvoraussetzungen für<br />
ein gesundes Zusammenleben – und macht<br />
es dennoch nicht. Jetzt hat uns Covid die<br />
Rechnung serviert und jetzt wird reagiert, weil<br />
es nicht mehr anders geht. In der Hoffnung,<br />
dass nach einigen Änderungen nicht wieder<br />
Stillstand oder gar Rückschritt herrscht, kann<br />
man also sagen, besser zu spät, als gar nicht.<br />
Ausgehend von der Grundsituation in der Zeit<br />
vor Covid, muss man zunächst folgendes festhalten:<br />
Niemand in der <strong>Binnenschiff</strong>fahrt hat<br />
alle notwendigen Bordabläufe so gehandhabt,<br />
dass nach Covid keine Anpassung<br />
oder kein Änderungsbedarf bestehen würde.<br />
Ausnahmslos alle haben erkannt, Änderungen<br />
müssen sie jetzt umsetzen. Dabei geht es<br />
nicht mehr nur um die Bekämpfung eines aktuellen<br />
Problems, sondern um Prävention. Das<br />
ist gut so, zeigt aber auch, wo überall Fehler<br />
gemacht wurden. Und das keineswegs nur in<br />
den Reedereien, sondern auch bei den Behörden,<br />
weil Regeln natürlich nur dann wirksam<br />
sind, wenn sie für alle gleich, mit Kontrollen<br />
und Sanktionen hinterlegt, gelten.<br />
Innerhalb der <strong>Binnenschiff</strong>fahrt hat/wird Covid<br />
in der Passagierschifffahrt – und da wieder<br />
in der Flusskreuzfahrt, die mit Abstand<br />
schlimmsten Folgen hinterlassen. Dabei hätte<br />
es ab <strong>2020</strong> so schön werden können, wie eine<br />
Marktanalyse von Industry Growth Insight (IGI)<br />
bestätigt. Man kann darüber spekulieren, ob<br />
es damit zusammenhängt, dass die Flusskreuzfahrt<br />
der am schnellsten wachsenden Bereich<br />
der <strong>Binnenschiff</strong>fahrt ist oder nicht. Tatsache<br />
ist, dass es ein global funktionierender Markt<br />
ist, der regional nicht regelbar ist, wenn es<br />
gleichzeitig eine gesunde Konkurrenz geben<br />
soll. Da kann es schon mal vorkommen, dass<br />
sich der Kostendruck negativ auf die goldenen<br />
Grundregeln und den gesunden Men-
Bubble Shield<br />
Quelle:lynne meyers-designboom<br />
schenverstand auswirkt. Und da gibt es ja<br />
auch noch die Mitschuld der Konsumenten,<br />
für die „Geiz ist geil“ eine Lebensphilosophie<br />
ist. Eine Premium-Flusskreuzfahrt mit Vollpension<br />
und allem Pipapo um weniger als 100<br />
Euro pro Tag wird nicht nur erwartet, sondern<br />
gefordert. Danach hat sich logischerweise<br />
auch die Bewerbung für Flusskreuzfahrten<br />
gerichtet. Trinken und essen bis der Kragen<br />
platzt. Spa, Entertainment, Ausflüge, Kunst<br />
und Kultur. Alles – inklusive WLAN - im Premium-Tarif<br />
enthalten. Keine Reederei ist auf die<br />
Idee gekommen, mit dem „besten Hygienestandard“<br />
oder mit dem „höchsten Sicherheitsstandard“<br />
zu werben. Warum auch? Die<br />
Gäste erwarten das selbstverständlich. Ist es<br />
aber nicht, weil Hygiene und Sicherheit wie<br />
der zweite Gang zum Buffet Geld kosten.<br />
„Dank“ Covid haben sich die Prioritäten bei<br />
den Kunden plötzlich verschoben und jede<br />
Reederei geht ungefragt in die Vorleistung.<br />
Essen und Trinken ist an Bord zwar immer noch<br />
wichtig und wird es auch bleiben, aber Buchungsvoraussetzung<br />
sind plötzlich die Informationen<br />
zum Bordbetrieb hinsichtlich Hygiene<br />
und Sicherheit.<br />
A-ROSA hat die Lehren aus der Krise für die<br />
Zukunft gezogen. Die „neue Normalität“ kann<br />
beginnen.<br />
Die A-ROSA Flussschifffahrt, einer der führenden<br />
Anbieter in Europa, betreibt 12 Premium-Schiffe<br />
und wächst bei einer 90 % Kabinenauslastung<br />
seit sechs Jahren konstant im<br />
zweistelligen Bereich. „Ein Expertenteam aus<br />
internen und externen Spezialisten für Hygiene<br />
und Gesundheit wurde gegründet. Für<br />
den im Juni geplanten Neustart hat A-ROSA<br />
ein umfangreiches Hygiene- und Gesundheitskonzept<br />
erstellt. An Bord wird es ein eigenes<br />
geschultes Care-Team geben. Wir haben<br />
jeden Aspekt unserer Reisen sorgfältig überprüft,<br />
um vor allem den Kontakt miteinander<br />
auf das notwendige Minimum zu reduzieren.<br />
Dies beginnt mit einer Überprüfung des Gesundheitszustandes<br />
vor der Reise, führt über<br />
Sitzgruppen und Sonnenliegen auf Abstand<br />
bis hin zum möglichst kontaktlosen Bezahlen<br />
beim Check-Out. Entsprechend der Empfehlungen<br />
der Behörden und des Robert<br />
Koch-Institut (RKI) gibt es klare Verhaltensregeln<br />
an Bord, u.a. in Bezug auf den Mindestabstand<br />
von 1,50 Meter oder eine regelmäßige<br />
Handhygiene. Bei den Ausflügen – egal
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S14<br />
Quelle: Bureau Veritas<br />
ob Fahrradtour, Stadtspaziergang oder Rundreise<br />
– werden wir die Gruppengrößen reduzieren,<br />
damit der Mindestabstand bequem<br />
eingehalten werden kann.“<br />
„Safety und Security sind bei River Advice in<br />
professionellen Händen“<br />
„River Advice betreibt und übernimmt im Auftrag<br />
der Eigentümer die nautische und technische<br />
Verantwortung von über 100 Schiffen.<br />
Damit ist das in der Schweiz ansässige Unternehmen<br />
Marktführer auf dem europäischen<br />
Kontinent. Speziell zur COVID-19 Thematik<br />
sind wir mit unseren Partnern dabei, verschiedene<br />
Strategien zu erarbeiten. Hierbei gehen<br />
wir aber sehr vorsichtig vor, da es plötzlich<br />
diverse Vorschläge auf den Markt gibt, welche<br />
alle geprüft sein müssen, zu viele davon<br />
sind nur kurzfristige Geschäftsmodelle.“ Eine<br />
durchaus verständliche Zurückhaltung, weil<br />
viele Geschäftsmodelle nur darauf abzielen,<br />
mit Covid zu (über)leben und nicht viel zur<br />
Prävention beitragen. Außerdem, wer würde<br />
auf einem Kreuzfahrtschiff schon gerne mit einem<br />
ganzkörper Bubble Shield herumlaufen<br />
wollen.<br />
Mark Twain muss sich nicht mehr vor Quarantäne<br />
fürchten.<br />
Die American Queen Steamboat Company<br />
(AQSC) versichert als Reaktion auf Covid<br />
einen proaktiven Kurs einschlagen zu wollen<br />
und versucht das, indem auf Gesundheitsexperten<br />
gesetzt wird, die den Bordbetrieb<br />
mitgestalten. Sichtbar wird das durch die<br />
Zusammenarbeit mit Ochsner Health, die<br />
nicht nur beratend tätig werden, sondern<br />
zum Beispiel auch medizinische Vertreter an<br />
Bord einsetzen oder über Telehealth ständig<br />
erreichbar sind. Der große Gesundheitsanbieter<br />
hat auch ein weit verzweigtes Netz an<br />
Niederlassungen, was der Mississippi-Schifffahrt<br />
zugutekommt. In Abstimmung mit den<br />
Hafenbehörden bekommen Passagiere und<br />
Besatzungsmitglieder so die Möglichkeit, im<br />
Notfall überall auf der Route schnell von Bord<br />
gebracht werden zu können, wo sie dann<br />
von Ochsner Health bevorzugt betreut werden.<br />
Neben Wärmebildkameras zusätzlich zur<br />
Temperaturmessung, werden bei AQSC nur<br />
Desinfektionsmittel verwendet, die von der<br />
Gesundheitsbehörde als geeignet erkannt<br />
und empfohlen wurden.<br />
"Restart Your Business with BV"<br />
Bureau Veritas (BV), ein weltweit führendes<br />
Unternehmen im Bereich der Test-, Inspektions-<br />
und Zertifizierungsdienstleistungen<br />
(TIC), hat ein umfangreiches Lösungspaket<br />
entwickelt, um Unternehmen aller Größenordnungen<br />
branchenübergreifend bei der<br />
Wiederaufnahme ihrer Geschäftstätigkeiten<br />
zu unterstützen und Gesundheits-, Sicherheitsund<br />
Hygienebedingungen zu überprüfen.<br />
Aufbauend auf 200 Jahren Erfahrung im Risikomanagement<br />
hat das global tätige Bureau<br />
Veritas eine Reihe von Lösungen entwickelt,<br />
um den Bedürfnissen von Unternehmen aller<br />
Wirtschaftssektoren bei der sicheren Rückkehr<br />
in den Geschäftsalltag individuell gerecht zu<br />
werden. Nach strengen Regeln der Schiffszertifizierer<br />
können auch Reedereien das "Restart<br />
Your Business with BV" Label erreichen. Die<br />
weltweit erste Reederei ist der spanische Fährbetreiber<br />
Baleària.<br />
(PB)
Estimated Time of Arrival.<br />
Wissen, wann die Ware ankommt.<br />
!<br />
?<br />
We move smarter.<br />
gw-world.com/eta
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S16<br />
Drinkable Rivers<br />
Flüsse sind lebenswichtig für alles Leben auf der Erde. Flüsse sind unsere Lebensadern.<br />
Wir können nicht ohne Wasser leben, wir sind Wasser. Alle Lebewesen sind Teil<br />
eines Einzugsgebietes, so dass wir alle von trinkbaren Flüssen profitieren könnten.<br />
REDAKTION: PETER BAUMGARTNER<br />
Foto:Drinkable Rivers<br />
Die COVID-19-Pandemie hat uns<br />
gezeigt, wie wichtig Hygiene<br />
und ein angemessener Zugang<br />
zu sauberem Wasser sind, um zur<br />
Vorbeugung und Eindämmung von Krankheiten<br />
beizutragen. Nach Angaben der<br />
Weltgesundheitsorganisation ist das Händewaschen<br />
eine der wirksamsten Maßnahmen,<br />
um die Ausbreitung von Krankheitserregern<br />
zu reduzieren und Infektionen zu verhindern.<br />
Aber Milliarden von Menschen fehlt es noch<br />
immer an einer sicheren Wasserversorgung.<br />
Nicht nur in Ländern außerhalb Europas, wo<br />
wir die herrschenden Zustände gerne ausblenden<br />
und wir uns als Europäer gerne in Sicherheit<br />
glauben. Covid hat uns gelehrt, wie<br />
trügerisch diese dumme Sichtweise ist. Aus<br />
der allgemeinen Wahrnehmung wird gerne<br />
ausgeblendet, dass es mangelhafte Hygienebedingungen<br />
und problematische Trinkwasserversorgung<br />
überall gibt - auch in Österreich.<br />
Ja sogar im Wasserschloss Schweiz.<br />
Verantwortlich für eine ausreichende Hygiene<br />
und für sauberes Wasser sind die Kommunen,<br />
deren Organisationen und letztendlich<br />
wir alle selber. Auch wenn es ständig Bemühungen<br />
gibt, zum Beispiel die Flüsse sauber<br />
zu halten, es ist ein Armutszeugnis, dass wir es<br />
nicht mal in Europa flächendeckend schaffen,<br />
unsere Lebensgrundlage – sauberes Wasser<br />
für alle – zu garantieren. Warum ist das so?<br />
Warum finden wir <strong>2020</strong> in unseren Gewässern<br />
alles was Gott und die Welt verboten hat?
Die Erklärung dürfte sein, dass wir bezüglich<br />
der Wasserverunreinigung nicht die Ursachen,<br />
sondern die Folgen bekämpfen. Gelangen irgendwo<br />
aus welchen Gründen auch immer,<br />
zehn Liter Öl in das Wasser, stehen sofort fünf<br />
Feuerwehren parat, um die sichtbaren Auswirkungen<br />
zu bekämpfen. Verseucht aber<br />
eine Industrieproduktion systembedingt permanent<br />
das Wasser und hält sich an die einmal<br />
im Jahr kontrollierten Grenzwerte, wird<br />
das hingenommen. Das Problem ist, es gibt<br />
nicht nur einen Emittenten, es gibt viele und<br />
es werden immer mehr. Das Ergebnis ist, dass<br />
wir inzwischen alle „Ausscheidungen“ in den<br />
Flüssen finden können. Dabei geht es gar<br />
nicht um die sichtbaren Probleme, die ein<br />
paar Liter Öl verursachen. Es geht um die unsichtbaren,<br />
massenhaft und flächendeckend<br />
auftretenden Stoffe. Wenn Wissenschaftler<br />
mehr zufällig draufkommen, multiresistente<br />
Keime, Plastik oder Chemikalien in hohen<br />
Konzentrationen finden, ist die Aufregung kurz<br />
groß – bevor man wieder zur Tagungsordnung<br />
übergeht.<br />
Die Menschen entlang der Flüsse leben aber<br />
vom Wasser, dass in bedenklichem Zustand<br />
durch ihre Leitungen fließt. Rund 20 Mio. Menschen,<br />
sagt die ICPDR, sind allein an der Donau<br />
auf das Trinkwasser aus diesem Fluss angewiesen.<br />
59 Mio. leben vom Grundwasser<br />
aus dem Einzugsgebiet der Donau. Erheblich<br />
höher sind die Zahlen im Einzugsgebiet des<br />
Rheins usw. begleitet von der zunehmenden<br />
Wasserverknappung, hält die Gesellschaft<br />
dennoch konsequent an der falschen Praxis<br />
fest: Es wird versucht, die verheerenden Folgen<br />
einer verantwortungslosen Industrialisierung<br />
mit viel Geld zu beseitigen, statt die Ursachen<br />
mit aller Schärfe zu bekämpfen.<br />
Zwei Beispiele jüngster Katastrophen, die von<br />
der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt<br />
stattgefunden haben zeigen, wie gerade die<br />
Pharmaindustrie (aber nicht nur die) unsere<br />
Lebensgrundlage verseucht:<br />
Forschenden in der Schweiz ist es gelungen,<br />
den Nachweis zu erbringen, dass ein einziges<br />
Pharmaunternehmen am Rhein das<br />
Gewässer durch die chemischen Einträge<br />
derart verunreinigt hat, dass sie sich zu einer<br />
vorsichtig formulierten Empfehlung genötigt<br />
sahen. „Die Konzentration ist in einer<br />
Größenordnung, dass es sinnvoll erscheint,<br />
über eine Verbesserung der betriebsinternen<br />
Abwasservorbehandlung nachzudenken.“<br />
Es hat die Forscher überrascht, dass die chemische<br />
Verunreinigung selbst 100 Kilometer von<br />
der Emissionsstelle entfernt, noch immer in hoher<br />
Konzentration gefunden werden konnte.
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S18<br />
Die Verdünnung durch das Rheinwasser hat<br />
also nicht ausgereicht, um die Gefahr zu reduzieren.<br />
Die Conclusio der verblüfften Forscher,<br />
eine relativ kleine Abwassermenge aus<br />
einem einzigen Industriebetrieb beeinflusst<br />
die Wasserqualität eines der wichtigsten Trinkwasserversorger<br />
der Welt nachhaltig.<br />
Ein anderer Fall wurde im Jänner bekannt,<br />
als die Save in Kroatien und Serbien zur wenig<br />
schmeichelhaften Bezeichnung „Superbug-River“<br />
kam. Hier wurden also nicht resistente<br />
oder multiresistente Keime gefunden,<br />
sondern der Supergau in Form von vollständig<br />
medikamentenresistenten Keimen. Was<br />
war geschehen, wie konnte der wichtige Fluss<br />
die Millionenstadt Belgrad derart bedrohen?<br />
Auch hier fanden Forscher ein einziges Pharmaunternehmen<br />
in Kroatien, das seine Abwässer<br />
in die Save geleitet hat.<br />
Für die Mikrobiologin Nikolina Udikovic Kolic<br />
war das, was sie 15 Kilometer flussaufwärts<br />
von Zagreb gemacht hat, wie eine Art von<br />
Polizeiarbeit. Versteckt im Unterholz des bewachsenen<br />
Ufers untersuchte sie einen Abfluss<br />
des örtlichen Pharmaunternehmens und<br />
fand etwas, wovon sie behauptet, „das ist<br />
eines dieser Dinge, die den Lauf der Menschheit<br />
in den nächsten hundert Jahren völlig<br />
verändert wird“. Die von Kolic gefundenen<br />
Antibiotikawerte waren 1000 Mal höher, als<br />
man normal erwarten würde. Und wieder<br />
konnte die natürliche Durchmischung des<br />
Flusses die Konzentration der Gifte über Kilometer<br />
nicht ausreichend verdünnen. In diesem<br />
Fall hat sich eine kroatische Forscherin<br />
mit einem israelischen Pharmakonzern angelegt.<br />
Man braucht kein Prophet zu sein um zu<br />
wissen, wie der Kampf ausgehen wird. In anderen<br />
Fällen sind es europäische Konzerne,<br />
die wohl ebenso damit rechnen, nicht kontrolliert<br />
zu werden.<br />
Aufruf: Die ICPDR / IKSD Donauschutzkommission<br />
gibt einen Zwischenüberblick<br />
über wichtige Wasserwirtschaftsfragen<br />
(SWMIs) im Donaueinzugsgebiet<br />
für den 3. Donaueinzugsgebietsmanagementplan<br />
(3. DRBMP) und fordert die<br />
Öffentlichkeit auf, bis 22. Juni <strong>2020</strong> zu<br />
diesem Dokument Stellung zu nehmen.<br />
E-Mail an: wfd-fd@icpdr.org | Details:<br />
https://www.icpdr.org/main/public-participation-interim-overview-swmi<br />
Die UNO hat 2019 festgestellt, dass der Anstieg<br />
antibiotikaresistenter Keime bis 2050 zehn<br />
Mio. Menschen das Leben kosten könnte.<br />
Die Feststellung beruht auch auf einem globalen<br />
Forschungsergebnis über den Zustand<br />
der Flüsse. An 711 Standorten in 72 Ländern<br />
wurden die Flüsse untersucht und festgestellt,<br />
dass 65 % durch Antibiotika verseucht sind.<br />
35 % der afrikanischen Flüsse sind kontaminiert,<br />
aber auch 8 % der europäischen Flüsse.<br />
Einer davon, die Donau, ist der auf dem<br />
Kontinent am stärksten verschmutzten Fluss.<br />
Manche Probenergebnisse waren viermal so<br />
hoch, wie das als sicher angenommene Niveau.<br />
Alistair Boxall von der University of York,<br />
der die Studie koordinierte nannte namentlich<br />
den Donaukanal in Wien, ein beliebter<br />
Ort für die Fischerei, wo „ziemlich hohe“ Antibiotikawerte<br />
gefunden wurden.<br />
Insgesamt beschreibt das Bild über unsere<br />
wichtigste Lebensgrundlage, sauberes Wasser,<br />
einen dramatischen Zustand. Vor diesem<br />
Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass<br />
unsere Regierungen von Covid völlig überrascht<br />
wurden und überfordert reagiert haben.<br />
Ein Problem, das nicht an den Ursachen<br />
bekämpft wird, kann womöglich mit allem<br />
Geld der Welt nicht mehr beseitigt werden.<br />
Man sieht, wir müssen nicht die großen Wasserverschmutzungen<br />
aus der Vergangenheit<br />
zitieren. Vielleicht kann man heute sogar sagen,<br />
die Sandoz Katastrophe in Basel (1986),<br />
Baia-Mare (2000) oder Kolontar (2010), waren<br />
regionale Ereignisse mit schwerwiegenden<br />
Auswirkungen. Aber was wir heute erleben<br />
und noch erleben werden, ist eine apokalyptische<br />
Vision, gegen die es zu kämpfen gilt.<br />
Wenn jetzt die ICPDR einen Schritt in diese<br />
richtige Richtung setzt, mag das Zeugnis für<br />
einen guten Willen sein. Aber es wird viele<br />
solcher Schritte schnell brauchen, um dem Dilemma<br />
vielleicht noch entgehen zu können.<br />
Die ersten paar Schritte der UN Wold Water<br />
Decade waren jedenfalls nur Marketing.<br />
(PB)
www.schachinger.com
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S20<br />
Hygiene - Für den Klimawandel an<br />
Bord gibt es noch Luft nach oben.<br />
Hygiene ist die Lehre von der Verhütung der Krankheiten und der Erhaltung und<br />
Festigung der Gesundheit. Mit oder ohne Hilfe der griechischen Göttin Hygieia,<br />
müssen wir Keime im Keim ersticken.<br />
REDAKTION: PETER BAUMGARTNER<br />
Es stinkt zum Himmel<br />
Quelle: Veronika Stalzer<br />
noch ohne Klimaanlage aus. Mit fortschreitender<br />
Klimaänderung nimmt die Sicherstellung<br />
einer normalen Raumtemperatur weiter<br />
zu. Der altbekannte Deckenventilator oder<br />
die Lüftungshutzen haben aber längst ausgedient.<br />
An deren Stelle sind unterschiedliche<br />
Arten von Klimaanlagen getreten, die meist<br />
nach den persönlichen Bedürfnissen der Kabinenbewohner<br />
geregelt werden können<br />
und nicht nur kühlen, sondern auch heizen.<br />
Zwar kann man viele Kabinen auch zusätzlich<br />
natürlich belüften, aber speziell in den<br />
unteren Deckskabinen können Fenster oder<br />
Bullaugen nicht geöffnet werden. Diese Kabinen<br />
und andere Räumlichkeiten können<br />
nur technisch belüftet oder beheizt werden.<br />
In der <strong>Binnenschiff</strong>fahrt gibt es zwei Gefährdungen,<br />
die eine absolute Herausforderung<br />
darstellen. Feuer und ungesunde<br />
Atemluft. Obwohl es eigentlich paradox<br />
ist, weil rundherum Wasser vorhanden ist, gilt<br />
Feuer an Bord als Worst Case. Ebenso verhält<br />
es sich mit der sauberen Atemluft. Auch diesbezüglich<br />
könnte man meinen, sollte es gerade<br />
auf einem Schiff kein Problem geben.<br />
Dennoch kann die Luft an Bord manchmal<br />
sogar tödlich sein. In der Frachtschifffahrt gibt<br />
es diesbezüglich insbesondere zwei Gefahrensituationen,<br />
die regelmäßig kritische Situationen<br />
auslösen. Das sind zum einen nicht ausreichende<br />
Atemluft in dicht geschlossenen<br />
Räumen. Werden diese von der Besatzung<br />
ohne vorherige Messung betreten, besteht<br />
akute Lebensgefahr. Ein anderes Problem ist<br />
die von der Ladung ausgehende kontaminierte<br />
Luft. Ladung, die zur Schädlingsbekämpfung<br />
begast werden muss, kann zum Beispiel<br />
die Umgebungsluft derart verschlechtern,<br />
dass es lebensbedrohlich wird. In der Passagierschifffahrt<br />
ist die Luftqualität eher ein Luxusproblem.<br />
Kaum ein Schiff kommt heute<br />
Husten, Schnupfen, Heiserkeit, sind die geringsten<br />
Probleme, die dabei entstehen können.<br />
Als unmittelbare Folge von Corona, kündigen<br />
Reedereien zahlreiche Anpassungen<br />
im Bordbetrieb an. Eine der Maßnahmen betrifft<br />
naturgemäß die Klimasysteme, weil deren<br />
Funktion ein wichtiges Kriterium für die Hygiene<br />
an Bord ist. Seriöse Anbieter von Klimasystemen<br />
führen deshalb vorbeugend „technische<br />
Gesundheitschecks“ durch – und zwar<br />
24/7/365 überall auf den Wasserstraßen, weil<br />
nur so sichergestellt werden kann, dass zum<br />
Beispiel kein bakterielles Wachstum im System<br />
entsteht. Daneben ist es absolut wichtig, dass<br />
das Bedienpersonal gut geschult und mit der<br />
Anlage vertraut ist. Diese Kompetenz geht<br />
weit über die technischen Skills hinaus und<br />
umfasst ein weitreichendes Grundverständnis<br />
über grundsätzliche Hygieneanforderungen<br />
an Bord.<br />
Wie groß und wie nachhaltig die Gefahren<br />
sind, die von Klimasystemen ausgehen können,<br />
darüber gibt es unterschiedliche Expertenmeinungen.<br />
Unbestritten sind regelmäßige
Schiffe liegen im 3er Paket<br />
Quelle: IBBS<br />
Wartungs- und Inspektionsintervalle absolut<br />
zwingend – wobei allerdings schon bei der<br />
Definition „regelmäßig“ die Meinungen auseinander<br />
gehen. Anders als bei stationärer<br />
Verwendung von Klimasystemen, kann die<br />
angesaugte Frischluft auf einem Schiff durchaus<br />
negativen Einflüssen ausgesetzt sein.<br />
Wenn zum Beispiel unmittelbar bei der Ansaugöffnung<br />
das Müllboot vor sich hingammelt,<br />
ist die angesaugte „Frischluft“ gefährdet (Bild<br />
1). Auch wenn Schiffe im Paket liegen müssen<br />
und kaum Raum zwischen den Schiffen<br />
bleibt, kann die Qualität der angesaugten<br />
Luft beeinträchtigt werden (Bild 2+3).<br />
Das Inst. f. med. Mikrobiologie, Virologie &<br />
Hygiene am Uni Klinikum Rostock thematisiert<br />
die spezifische Hygiene an Bord in Bezug<br />
auf die Be- und Entlüftung. Dabei wird für die<br />
Zuluftansaugung eine maximale Entfernung<br />
von möglichen Schadstoffeintragungen verlangt.<br />
Auch die Qualität der verwendeten<br />
Filter, das Verhindern von Kondenswasserbildung,<br />
Korrosionsfestigkeit und generell eine<br />
leichte Zugänglichkeit, sind wichtige Kriterien<br />
für die Hygiene. Eine besondere Herausforderung<br />
an Bord ist die Einhaltung der Hygiene<br />
bei der Abfalllagerung und Entsorgung.<br />
Auch für International Chamber of Shipping<br />
(ICS) gehört die geeignete Abfallentsorgung<br />
zu den wesentlichen Punkten hinsichtlich einer<br />
grundsätzlichen Bordhygiene. Das EC<br />
Directorate-General for Health and Food<br />
Safety (DG SANTE) hat in einer Empfehlung<br />
ausgesprochen, Luftfilter sollten von geschulten<br />
Personen unter Verwendung geeigneter<br />
Schutzausrüstungen (PSA) ausgetauscht und<br />
als infektiöser Abfall behandelt werden. Die<br />
gegebenen Umstände sind allerdings schon<br />
für das derzeitige Abfallaufkommen ein schier<br />
unlösbares hygienisches Problem (Bild 4+5)<br />
Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ortet<br />
auch Gefahren in anderen Teilen der Klimaanlagen,<br />
z.B. im Befeuchter. Damit es nur<br />
bei einer harmlosen Erkältung bleibt, müssen<br />
Wartung, Inspektion und Reinigung von Klimaanlagen<br />
nach genauen Wartungsplänen<br />
durchgeführt werden, verlangt der VDI.<br />
Dr. Daniela Schmid, Leiterin der Abteilung<br />
Surveillance und Infektionsepidemiologie in<br />
der AGES, sieht eher Vorteile bei raumlufttechnischen<br />
Anlagen, weil gefährliche Aerosole,<br />
die bis zu 10 Minuten im Schwebezustand<br />
Personen infizieren können, durch<br />
Klimaanlagen rascher abziehen. Allerdings ist<br />
das noch Gegenstand intensiver Forschung.<br />
Entwarnung gibt auch Virologin Dr. Monika<br />
Redlberger-Fritz von der MedUni Wien für<br />
moderne Klimaanlagen. Sie hält die Verbreitung<br />
des gefährlichen Coronavirus über solche<br />
Geräte für unwahrscheinlich. Ihr Kollege,<br />
Prof. Dr. Hans-Peter Hutter, vom Institut für Umwelthygiene<br />
und Umweltmedizin der Universität<br />
Wien bestätigt das grundsätzlich. Aber:<br />
„In alten, schlecht gewarteten Klimaanlagen<br />
kann es zu anderer mikrobieller Verunreinigung<br />
der Atemluft kommen.“
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S22<br />
Zwischen den Schiffen gibt es<br />
kaum noch Raum<br />
Quelle: IBBS<br />
Der friesische Hotelchecker, Hygienesachverständige<br />
und Sicherheitsexperte Ulrich<br />
Jander hält Ozon im Zusammenhang mit<br />
schlechter Luft, für eine gute Sache. Spezielle<br />
Luftreinigungsgeräte, wie sie in Hotels schon<br />
vielfach zur Anwendung kommen, können<br />
zur Luftentkeimung und Reinigung betrieben<br />
werden.<br />
Alle Experten unterscheiden zwischen modernen<br />
Frischluftanlagen und alten Dreckschleudern<br />
oder schlecht gewarteten Anlagen.<br />
Bei Umluftanlagen, bei denen die Luft mit<br />
Ventilatoren innerhalb des Raumes im Kreis<br />
transportiert wird, ist eine Viren Vertragung<br />
von Raum zu Raum grundsätzlich nicht auszuschließen.<br />
Viele angekündigte Änderungen an Bord<br />
werden ohne schiffbauliche Maßnahmen<br />
- wie das zum Beispiel Manor Marine schon<br />
gemacht hat - nur schwer durchführbar sein.<br />
Auch organisatorische Änderungen und bessere<br />
legistische Vorgaben werden notwendig<br />
werden. Die Einhaltung von Abstandsregeln,<br />
die nicht nur unter Corona wichtig<br />
sind, können in engen Gängen/Treppen etc.<br />
nicht eingehalten werden. Das wird man bei<br />
künftigen Schiffsbauten berücksichtigen und<br />
sich an alte Entwürfe erinnern müssen. Zu einer<br />
Zeit, als Bewegungsfreiheit und vor allem<br />
offene Räume an Bord noch nicht als totes<br />
Kapital verstanden wurden, hatten die Leute<br />
auch mehr natürliche Luft. Hygienebestimmungen<br />
an Bord sind ein uraltes Thema. Man<br />
wusste in der Seefahrt schon sehr früh, dass<br />
Gesundheit ohne Hygiene nicht funktioniert.<br />
In jüngerer Zeit hat man das offensichtlich vergessen,<br />
weil sich die Schifffahrt selber von ihrem<br />
ursprünglichen Zweck entfernt hat. Man<br />
spricht heute ja auch nicht mehr von einem<br />
„Kabinenschiff“, sondern von einem „schwimmenden<br />
Hotel“. Aber es gibt professionelle<br />
Angebote, die abgestimmt auf den Bordbetrieb,<br />
Verbesserungen möglich machen.<br />
Dabei hilft die langjährige Erfahrung mit dem<br />
Gewerbe Schifffahrt in allen Bereichen, wie sie<br />
beispielsweise DNV-GL (My Care oder CIP-M<br />
certification), oder Bureau Veritas (Restart<br />
your Business) vorweisen können. Auch das<br />
Marinearchitektur- und Marinetechnikunternehmen<br />
Foreship nützt beim Project Hygiea<br />
die Erfahrung im Umgang mit Schiffen.<br />
Eine kurze Umfrage unter den Schiffsbetreibern<br />
zeigt, wie unterschiedlich der Zugang<br />
zum Thema Klimaanlagen/Hygiene sein kann.<br />
Auf die Fragen, wie man bisher mit der Wartung<br />
der Klimaanlagen auf den Schiffen umgegangen<br />
ist, nach welchen Richtlinien die<br />
Wartung durchgeführt wurde und ob diesbezüglich<br />
jetzt Änderungen geplant seien,<br />
antwortet die Reederei A-ROSA, dass sie alle<br />
Schiffe mit einer Raum-Luft-Anlage bestehend<br />
aus Frischluft, Umluftkonditionierung und<br />
Abluft ausgestattet hat. In den Kabinen wird<br />
Frischluft von außen nach innen angesaugt,<br />
gefiltert und zugeführt. Jeder Bereich und<br />
jede Kabine haben ihre eigene Abluft und<br />
Frischluftzufuhr. Zusätzlich sind an den Lüftungsgeräten<br />
F7-Feinfilter verbaut, welche die<br />
Partikel zwischen 0.5-50μm herausfiltern. Über<br />
die Lüftung sind einzelne Bereiche nicht miteinander<br />
verbunden. Die Anlagen werden in<br />
einem jährlichen Zyklus einer umfangreicheren<br />
Wartung durch speziell zertifizierte Firmen<br />
unterzogen. Bei dieser technischen Untersuchung<br />
werden insbesondere die Verdichter,<br />
Wärmetauscher, Verdampfer und Armaturen<br />
geprüft. Zudem findet eine umfangreiche<br />
Reinigung der gesamten Anlage statt, es wird<br />
nach Undichtigkeiten gesucht und beschädigte<br />
Isolierungen werden ausgebessert. Die<br />
genannten Maßnahmen dienen in erster Linie<br />
der effizienten und sicheren Funktionsweise<br />
der Anlage mit einem besonderen Hauptaugenmerk<br />
auf die Themen Umweltschutz und
Energieverbrauch. Ein Austausch der Filtersysteme<br />
fand bisher regelmäßig im laufenden<br />
Betrieb durch speziell ausgebildete Crew-Mitglieder<br />
statt. Den Zyklus für die Auswechslung<br />
haben wir nun auf eine Regelmäßigkeit von<br />
ca. zwei Monaten geändert, um denen von<br />
uns selbst auferlegten Hygieneanforderungen<br />
gerecht zu werden – sagt A-ROSA.<br />
RiverAdvice, Betreiber von rund 100 Flusskreuzfahrtschiffen,<br />
möchte festhalten, dass<br />
sie alle Anlagen durch zertifizierte Betriebe<br />
und Vertragshändlern der jeweiligen Hersteller<br />
warten und instandsetzen lassen. Die eigenen<br />
Mitarbeiter werden zudem von den<br />
jeweiligen Fachfirmen geschult und ausgebildet.<br />
Die jeweiligen Wartungsintervalle ergeben<br />
sich aus den Bedienungsanleitungen<br />
der Anlagen/Installationen. Die Fachfirmen<br />
müssen einen Nachweis erbringen, dass ihr<br />
Personal für die angefragten Arbeiten geschult<br />
und ausgebildet ist. Außerdem werden<br />
die Schiffe von den Firmen auch in der Saison<br />
besucht, um die Anlagen zu warten und<br />
das jeweils anwesende Personal zu schulen.<br />
Zudem werden nach den Wartungsarbeiten<br />
Zustandsberichte von den Firmen erstellt und<br />
an uns übermittelt. Die Lüftungskanäle (auch<br />
Küche) werden ebenfalls von einer Fachfirma<br />
gereinigt, auch diese muss uns einen Abschlussbericht<br />
inklusive Fotodokumentation<br />
übergeben.<br />
UNIWORLD, die US-Reederei mit Schiffen in<br />
Europa und anderen Ländern, deklariert “All<br />
air-conditioning filters are cleaned and disinfected<br />
on each embarkation day before rooming<br />
takes place”. Da die meisten Flusskreuzfahrtschiffe<br />
mehr als 60 Passagierkabinen,<br />
zusätzlich öffentliche Räume und mehr als 25<br />
Mannschaftskabinen haben, dürfte der dafür<br />
notwendige Zeitaufwand beträchtlich sein.<br />
Uniworld versichert aber, „es dauert nicht allzu<br />
lange eine Klimaanlage zu reinigen und<br />
gleichzeitig zu desinfizieren. Mit genügend<br />
Personal ist das absolut machbar“.<br />
CESNI (Comité Européen pour l’Élaboration<br />
de Standards dans le Domaine de Navigation<br />
Intérieure), will das aktuelle Arbeitsprogramm<br />
2019-2021 vor dem Hintergrund der<br />
Gesundheitskrise überprüfen. Auch sollten<br />
begründete Anpassungen (einschließlich<br />
Änderungen der Prioritäten) vorgeschlagen<br />
werden, um auf die dringenden Probleme<br />
im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise<br />
einzugehen, ohne dabei jedoch die Sicherheits-<br />
und Nachhaltigkeitsziele zu behindern.<br />
Dies entspricht ebenfalls den Forderungen<br />
der Schifferverbände EBU/ESO. In ihrer Sitzung<br />
im Juni wird die CESNI/PT-Arbeitsgruppe<br />
(technische Vorschriften) die Maßnahmen<br />
erörtern, die der <strong>Binnenschiff</strong>fahrtssektor im<br />
Zusammenhang mit der Pandemie ergriffen<br />
hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Frage<br />
der Klimaanlagen in einer sanitären Logik<br />
erwähnt wird, in Analogie zum maritimen<br />
Sektor. Gegenwärtig sieht ES-TRIN in Artikel<br />
15.06 (Unterbringung) Mindestanforderungen<br />
vor, aber keine besonderen Vorschriften für<br />
Fahrgastschiffe (außer 19.06(18) für Kabinen<br />
ohne Fenster). Das (CESNI)Sekretariat kann<br />
dem Wunsch der Mitglieder der Arbeitsgruppe,<br />
zusätzliche Maßnahmen in ES-TRIN<br />
zu verabschieden, jedoch nicht vorgreifen.<br />
Womit wir bei den maßgeblichen Vorschriften<br />
bezüglich Lüftung (Klimaanlagen) und<br />
Hygiene sind. Der Europäische Standard der<br />
technischen Vorschriften für <strong>Binnenschiff</strong>e<br />
(ES-TRIN) regelt wie CESNI schon angemerkt<br />
hat im Artikel 15.06 die Mindestanforderungen<br />
bei der Unterbringung an Bord. Das Wort<br />
Hygiene kommt jedoch nur im Zusammenhang<br />
mit den hygienischen Anforderungen<br />
an Arbeitsplätzen im Schiffsinneren (Artikel<br />
14.08) vor. Wohl deshalb, weil die Grundregel<br />
Müllentsorgung auf<br />
Flusskreuzfahrtschiffen<br />
ist eine hygienische<br />
Herausforderung für die<br />
gesamte Besatzung<br />
Quelle: IBBS
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S24<br />
Wenn die Mülltauben<br />
fliegen...<br />
Quelle: IBBS<br />
lediglich besagt, dass Schiffe nach den Regeln<br />
der Schiffbautechnik zu bauen sind. Allerdings:<br />
Wohnungen müssen so gebaut, eingerichtet<br />
und ausgerüstet sein, dass sie den<br />
Bedürfnissen der Sicherheit, der Gesundheit<br />
und des Wohlbefindens der Personen an Bord<br />
entsprechen (Artikel 15.01 2.). Daraus ließen<br />
sich an sich schon grundsätzliche Hygienevorschriften<br />
ableiten. Allerding ist dann nebulos<br />
von „ausreichend“ und „zweckmäßig“<br />
unter allen klimatischen Bedingungen die<br />
Rede und dass Räume ohne natürliche Belüftung<br />
an eine Lüftungsanlage angeschlossen<br />
sein müssen (dass und unter welchen Voraussetzungen<br />
sie funktionieren muss, steht da<br />
nicht drinnen). Schon die allgemeinen Mindestanforderungen<br />
sind trotz Einhaltung aller<br />
Vorschriften im Normalfall kaum gegeben.<br />
Unter Corona Bedingungen kann zumindest<br />
die Besatzung nicht mit der Erfüllung von Mindestanforderungen<br />
an Bord rechnen.<br />
Die standardmäßige Doppelbelegung aller<br />
Crew-Kabinen, lässt den Bewohnern zum<br />
Beispiel gerade so viel Raum, dass sie sich<br />
in eingeatmetem Zustand knapp ohne Körperkontakt<br />
bewegen können. Dabei gilt zu<br />
bedenken, dass auch noch dreifach Belegungen<br />
möglich sind. Außerdem, der ohnehin<br />
stark begrenzte Freiraum auf Passagierschiffen<br />
für die Besatzung, ist natürlich nur<br />
wetterabhängig und über weite Strecken<br />
wegen verminderter Brückenhöhe, gar nicht<br />
nutzbar. Als Alternative steht dann der einzige<br />
für alle (mehr als 50) Besatzungsmitglieder<br />
zugängliche Aufenthaltsraum (Messe) zur<br />
Verfügung. Der ist räumlich aber auch nur für<br />
die Hälfte der Besatzung geeignet. Man kann<br />
ohne Übertreibung sagen, dass <strong>Binnenschiff</strong>e<br />
– insbesondere Flusskreuzfahrtschiffe – so zugelassen<br />
und gebaut sind, dass sie etwa den<br />
Mindestanforderungen der halben erlaubten<br />
Crew Anzahl entsprechen. Ähnliches gilt für<br />
die Passagiere. Ihre höchstzulässige Anzahl<br />
richtet sich nach Kriterien wie etwa Stabilität<br />
und Anzahl der Betten. Grundlegende<br />
Mindeststandards, die nicht nur in Coronazeiten<br />
notwendig wären, können von den<br />
baulichen Gegebenheiten her nicht berücksichtigt<br />
werden. Auch für Passagiere genügt<br />
„eine Lüftungsanlage“ für alle Kabinen<br />
ohne zu öffnende Fenster. Wollen Reedereien<br />
jetzt alle Corona-Regeln konsequent befolgen,<br />
bleibt ihnen nichts anderes übrig, als<br />
die Zahl der Passagiere und Mannschaft zu<br />
reduzieren.<br />
Vorschriften sind bekanntlich eine Sache,<br />
aber die besten Regeln sind nichts wert, wenn<br />
deren Einhaltung nicht kontrolliert wird, oder<br />
wenn Regeln nicht mehr, als eine gute Absicht<br />
widerspiegeln. Vergleichend kann man<br />
die Gesundheitserklärung ansprechen, die<br />
jetzt alle Passagiere/Besatzungen an Bord<br />
abgeben müssen. Diese Dokumente können<br />
aber nur eine Momentaufnahme sein und<br />
selbst wenn sie eine negative Infektionsgefahr<br />
bestätigen, liegt damit kein Freibrief vor.<br />
Mindesten ebenso wirksam oder unwirksam<br />
sind die standardmäßig durchgeführten medizinischen<br />
Kontrollen an Bord in einigen Balkanländern<br />
beim Grenzübertritt. Dort gibt es<br />
wenigstens noch den Willen zur Kontrolle der<br />
Hygiene vor Ort, welcher andernorts vernachlässigt<br />
wird. Das zuständige Verkehrsarbeitsinspektorat<br />
für den Donaubereich in Österreich<br />
entschuldigt sich mit dem Hinweis, dass die<br />
Personaldecke ziemlich dünn ist. Gerade mal<br />
0,5 Mannjahre stehen für die anstehenden<br />
Aufgaben zur Verfügung… (BP)
LOGISTIK NEWS<br />
ZEITSCHRIFTEN + NEWSPORTALE<br />
HJS MEDIA WORLD APP
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S26<br />
Leserbrief<br />
Als einer der letzten "Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitäne" glaubte ich<br />
mich auf mein Forstgut in der Steiermark zurückziehen zu können, um dort meinen<br />
wohlverdienten Ruhestand zu genießen.<br />
LESERBRIEF: HERMANN TESCHL<br />
Quelle: Hermann Teschl<br />
Als einer der letzten Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitäne<br />
möchte ich mich zu Wort melden<br />
und Bezug auf die im ORF<br />
am 12.05.<strong>2020</strong> ausgestrahlte Sendung "Erbe<br />
Österreich -1.DDSG" nehmen. Da ich meine<br />
berufliche Laufbahn bei eben dieser Gesellschaft<br />
begann und dann sowohl im Schiffsdienst,<br />
als auch in der Verwaltung tätig war,<br />
habe ich gewisse Vorgänge über den Niedergang<br />
dieses wertvollen Erbes unserer<br />
Schiffervorfahren ja direkt miterlebt.<br />
Man muss einmal wissen, dass es sich bei der<br />
1. DDSG im Nachkriegsösterreich um einen<br />
Staatsbetrieb handelte, welcher immer im<br />
politischen Einfluss der jeweils machthabenden<br />
Parteien handelte. So war die 1. DDSG<br />
vorwiegend der roten (österr.-) Reichshälfte<br />
zuzuordnen, obwohl die schwarze (österr.-)<br />
Reichshälfte nicht untätig war, zumal im Verwaltungspalast<br />
- zuerst Hintere Zollamts Straße<br />
und später am Handelskai, auch ein, den<br />
"Schwarzen" zuzurechnender Generaldirektor,<br />
ein beachtliches Salär bezog.<br />
Ein Dienstwagen mit bereitgestelltem Chauffeur,<br />
zusätzlich zum üppigen Salär war jedoch<br />
nur dem Roten General vorbehalten. Auch<br />
war die Verwaltung des Schifffahrtbetriebes,<br />
mit in den 1980er Jahren einmal ca. 300<br />
Schiffsleuten, zahlreichen Direktoren, Zentralinspektoren,<br />
Inspektoren und dazugehörigen<br />
Sekretär/innen recht gut bestückt. Natürlich<br />
durfte ein freigestellter Zentralbetriebsrat mit<br />
eigenem Büro und geländegängigem Dienstwagen<br />
nicht fehlen. Also, man hatte es sich<br />
zuletzt am Handelskai in Wien recht gut eingerichtet<br />
und es wäre vielleicht noch immer<br />
so, wäre da nicht ein Finanzminister gewesen,<br />
der sagte: " Ich bin nicht mehr bereit in<br />
ein Fass ohne Boden weiter hineinzubuttern"
(Herbert Salcher, Finanzminister von 1981 bis<br />
1984). Da dann wichtige politische Entscheidungen<br />
notwendig wurden, möchte ich etwas<br />
weiter ausholen und komme auf den<br />
Vordenker der Demokratie und Wegbereiter<br />
der Französischen Revolution, Jean-Jaques<br />
Rousseau (1712 -1778), zu sprechen. Man<br />
wusste damals nur vage wie eine Demokratie<br />
funktionieren sollte, jedoch wusste man<br />
ganz genau, was Demokratie auf keinen Fall<br />
sein sollte. Es müsse die Möglichkeit bestehen,<br />
gewählte Volksvertreter jederzeit wieder<br />
ihres Amtes zu entheben, wenn diese sich<br />
nicht mehr dem Willen der Wähler verpflichtet<br />
fühlen. Hätte sich diese Vorgabe bis in die<br />
Demokratien der Jetztzeit herübergerettet,<br />
wäre es sicherlich schwer möglich gewesen,<br />
dass der damalige Betriebsrat der 1. DDSG<br />
der Zerschlagung des Betriebes nicht nur zugestimmt,<br />
sondern Auftragserfüller eines politisch<br />
bestellten Managements wurde.<br />
Umso befremdlicher ist es, dass in der oben<br />
angeführten Sendung im ORF ausgerechnet<br />
einem Mann aus diesem Betriebsratsumfeld<br />
Gelegenheit geboten wurde, den Niedergang<br />
der 1. DDSG schönzureden, obwohl<br />
bereits 1994 im ORF von einem DDSG -Debakel<br />
und Desaster berichtet wurde (ORF<br />
29.12.1994). Wenn in oben angeführter Sendung<br />
noch im Jahre <strong>2020</strong> von einem Fortschreiben<br />
der Geschichte der DDSG geredet<br />
wird, so wird dies sicherlich nicht in der<br />
Kreuzfahrtschifffahrt sein. Dieser Bereich aus<br />
dem Erbe der ehemals K.u.K. priv. Ersten Donaudampfschiffahrts<br />
– Gesellschaft, wurde<br />
ersatzlos den privatwirtschaftlich geführten<br />
Reedereien im In- und Ausland überlassen.<br />
Diese warten nun mit den modernsten Schiffen<br />
in den Häfen an den europäischen Wasserstraßen<br />
auf das " Leinen los" in der Post-Corona<br />
Zeit.<br />
Allzeit Gute Fahrt<br />
Hermann Teschl<br />
via donau – Österreichische Wasserstraßen-<br />
Gesellschaft m.b.H: Eine Wasserstraßengesellschaft<br />
sucht die Nähe zum Wasser.<br />
viadonau packt den Rucksack<br />
Quelle: viadonau<br />
Gemäß Wasserstraßengesetz<br />
(BGBl. I Nr. 177/2004) nimmt viadonau<br />
alle Aufgaben des Bundes<br />
im Bereich der Planung, Vergabe<br />
und Kontrolle von Wasserbauprojekten<br />
wahr. Insbesondere die Regulierung,<br />
die Erhaltung und der<br />
Ausbau der Gewässer sowie der<br />
Hochwasserschutz nehmen eine<br />
wichtige Stellung innerhalb des<br />
Leistungsportfolios von viadonau<br />
ein.<br />
Im Bereich Entwicklung <strong>Binnenschiff</strong>fahrt<br />
steht die Steigerung<br />
des Güterverkehrsaufkommens<br />
und des intermodalen Verkehrs<br />
sowie die Entwicklung und Implementierung<br />
neuer Technologien<br />
und Systeme für Binnenwasserstraßen<br />
(insbesondere von River<br />
Information Services) im Vordergrund.<br />
Die strategische Planung, Steuerung<br />
und Kontrolle der Bundeswasserstraßenverwaltung<br />
obliegt<br />
weiterhin dem Bundesministerium<br />
für Klimaschutz, Umwelt, Energie,<br />
Mobilität, Innovation und Technologie<br />
(Ministerin Leonore Gewessler).<br />
Das Unternehmen des Verkehrsministeriums<br />
hat seinen Hauptsitz<br />
seit der Gründung 2005 im Tech<br />
Gate Vienna, wo etwa 140 der<br />
260 Mitarbeiter arbeiten. Nun will<br />
viadonau einen Heimathafen<br />
direkt am Wasser und plant ein<br />
schwimmendes Gebäude als Unternehmenszentrale<br />
in Wien. Das<br />
bedeutet bald Gesellschaft für<br />
das Schulschiff Bertha von Suttner<br />
nahe der Floridsdorfer Brücke.<br />
Peter Baumgartner
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S28<br />
Schiffbau in der Ukraine<br />
Im Zusammenhang mit dem Schiffbau in der Ukraine, denkt man hauptsächlich<br />
an die militärische Seemacht und an „Jagd auf Roter Oktober“ der ehemaligen<br />
Sowjetunion. Die Ukraine und die dort angesiedelten Werften, waren jedoch ein<br />
bedeutender Teil davon.<br />
REDAKTION: PETER BAUMGARTNER<br />
PETER BAUMGARTNER<br />
HERAUSGEBER<br />
BINNENSCHIFFF<br />
JOURNAL<br />
Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion,<br />
kämpft die Ukraine als unabhängiger<br />
Staat noch immer um die einstige<br />
Bedeutung gegen eine mächtige internationale<br />
Konkurrenz - und gegen interne<br />
Malversationen. Obwohl, 2019 wurde in der<br />
Ukraine vor dem Hintergrund des Krim Konfliktes,<br />
zumindest eine Absichtserklärung zur<br />
Entwicklung einer Marinestrategie abgegeben,<br />
die auch der Schiffbauindustrie helfen<br />
sollte. Aber, „Die Ukraine war, ist und wird<br />
ein Seestaat sein“ (Poroschenko), bedeutet<br />
auch, dass die Schiffbauindustrie Sextant und<br />
Kompass schnell und zielorientiert einsetzen<br />
muss, wenn auch der international umkämpfte<br />
kommerzielle Schiffbau an Bedeutung gewinnen<br />
soll. Wie überall auf der Welt, setzt<br />
ein Warenaustausch über Seehäfen, einen<br />
funktionierenden Hinterlandverkehr voraus.<br />
Zumindest einzelne Erfolge sind in der Ukraine<br />
aber schon sichtbar und zeigen, dass Potential<br />
vorhanden ist. Ein wesentlicher Hoffnungsträger<br />
für den Schiffbau in der Ukraine ist die<br />
Absicht der Regierung, in die Wasserstraßeninfrastruktur<br />
und in die <strong>Binnenschiff</strong>fahrt zu<br />
investieren. Derzeit befindet sich ein Gesetz<br />
in Ausarbeitung (vor Redaktionsschluss noch<br />
offen), dessen Ziel es ist, das Potential der <strong>Binnenschiff</strong>fahrt<br />
voll auszuschöpfen. Bis dahin ist<br />
es allerdings noch ein weiter Weg. Von den 66<br />
Mio. Tonnen, die in den 90er Jahren auf Flüssen<br />
der Ukraine transportiert wurden, sind jetzt<br />
gerade noch etwa 12 Mio. Tonnen übrig.<br />
Damit ist natürlich auch der ursächliche Zusammenhang<br />
mit dem Bedarf an inländischer<br />
Nachfrage im Schiffbau erklärt. Hier setzt die<br />
Regierung mit dem neuen Gesetz an. Wenn<br />
es gelingt, die zahlreichen unterschiedlichen<br />
Interessen in der Flussverkehrsreform zu bündeln,<br />
gibt es eine reelle Chance, dass auch<br />
der Schiffsbau in der Ukraine davon profitiert.<br />
Schüler zeichnen ein<br />
Schwimmdock.<br />
Bild SMG
Quelle: VEKA Shipbuilding<br />
Fehlende staatliche Unterstützung ist jedoch<br />
nur ein Teil des Problems. Die Ukraine leidet<br />
wie viele andere Ostblockstaaten unter der<br />
Abwanderung von Fachpersonal. Gerade<br />
der Schiffbau lebt aber von gut ausgebildeten<br />
Experten. Daher müssen und werden<br />
auch bereits Wege gesucht, um für die<br />
wachsende Nachfrage auch ausreichend<br />
Personal zur Verfügung zu haben. Die Smart<br />
Maritime Group (SMG) hat zum Beispiel ein<br />
Projekt mit dem Namen „Schiffbauer – Beruf<br />
der Zukunft“ initiiert.<br />
In diesem Rahmen konnten im vergangenen<br />
Jahr immerhin 700 Schüler die Arbeit auf der<br />
Werft hautnah erleben. Noch immer eine Galionsfigur<br />
für angehende Schiffbauer ist die<br />
nun schon historische Admiral Makarov Universität<br />
für Schiffbau in Nikolaev. Die einzige<br />
international anerkannte Universität für Schiffbau<br />
in der Ukraine feiert <strong>2020</strong> das 100jährige<br />
Gründungsjahr. 7500 Studenten aus verschiedenen<br />
Ländern belegen aktuell eines<br />
der zahlreichen universitären Angebote.<br />
Admiral Makarov Universität Schiffbau Nikolaev<br />
Die SMG Werft ist das größte Schiffbauunternehmen<br />
in der Ukraine und vereint<br />
zwei Werften in Nikolaev und Kherson.<br />
Kunden der Werften sind Unternehmen aus<br />
den Niederlanden, Norwegen, Großbritannien<br />
und anderen Ländern der Welt. So konnten<br />
die Schüler beispielsweise sehen, wie der<br />
Chemikalien-Tanker "SYNERGY" in der Kherson<br />
Shipyard für die niederländische VEKA Shipbuilding<br />
B.V gebaut wurde.<br />
VEKA zählt schon zu den Stammkunden<br />
von SMG und unterstützt den ukrainischen<br />
Schiffbau dadurch auch bei einem weiteren<br />
Problem: Die Finanzierung. Ohne Finanzierungshilfe<br />
aber mit Importsteuern hat es der<br />
Schiffbau genauso schwer, wie ohne Fachpersonal.<br />
Eine zentrale Forderung der Schiffbauer<br />
an den Staat ist daher, für die nötige<br />
Anziehungskraft von Investoren zu sorgen.<br />
Relativ schnell entwickelt sich die <strong>Binnenschiff</strong>fahrt<br />
mit privater Initiative und damit<br />
die Nachfrage im Schiffbau, im Bereich der<br />
Agrarwirtschaft. Die Ukraine ist in der glücklichen<br />
Lage, Agrarprodukte weit über den<br />
Eigenbedarf hinaus produzieren zu können.<br />
Der Export von Agrarprodukten ist ein typisches<br />
Geschäft für die <strong>Binnenschiff</strong>fahrt. Daher<br />
verwundert es nicht, dass aktuell gerade<br />
in diesem Transportbereich die <strong>Binnenschiff</strong>fahrt<br />
und der Schiffbau auch im Inland stärker<br />
nachgefragt wird.<br />
SMG Werft Kherson<br />
baut Tanker SYNERIE für<br />
VEKA Shipbuilding
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S30<br />
NIBULON MAX<br />
NIBULON MAX<br />
Bild Nibulon<br />
Die Wasserstraße ist ein strategischer Weg<br />
vom Feld zum Meer.<br />
Der ukrainische Getreideverband geht davon<br />
aus, dass aktuell 59 Mio. Tonnen Getreide<br />
für den Export zur Verfügung stehen<br />
(98 Mio. Tonnen Ernte). Und daran<br />
wird sich in Zukunft nichts ändern, wenn<br />
die Nachfrage am Weltmarkt erhalten<br />
bleibt. Folglich müssen die Transportmöglichkeiten<br />
besser wahrgenommen werden.<br />
Insgesamt werden nur 10 Prozent auf der<br />
Wasserstraße transportiert (Bahn 70%, LKW<br />
20%). In der Dnepr-Region werden zum Beispiel<br />
44 Mio. Tonnen Getreide geerntet, aber<br />
nur 5 Mio. am Fluss transportiert.<br />
Das landwirtschaftliche Unternehmen NIBU-<br />
LON (Akronym für die Gründerstädte Nikolaev,<br />
Budapest, London), wurde 1991 in der<br />
Ukraine gegründet und zählt zu den Pionieren<br />
des neuen Staates. Das Agrarunternehmen<br />
besitzt auch eine eigene Reederei (seit 2009)<br />
mit fast 100 Schiffen, eine eigene Schiffbauwerft<br />
(seit 2012), zahlreiche Umschlagseinrichtungen<br />
und verwaltet mehr als 80.000 ha<br />
Agrarfläche. 1998 wurde, erstmals in der Ukraine,<br />
Geld von der Weltbank an das Unternehmen<br />
vergeben. Inzwischen kann NIBULON<br />
sich schon mehrmals als ausgezeichneter<br />
Getreidehändler des Jahres bezeichnen und<br />
durfte 2008 sogar an Nahrungslieferungen der<br />
Vereinten Nationen teilnehmen. Aktuell transportierte<br />
die Reederei NIBULON etwa 3.8 Mio.<br />
Tonnen auf der Wasserstraße. Die Zielsetzung<br />
ist, in naher Zukunft 6 Mio. Tonnen zu transportieren.<br />
Um die Wasserstraße besser nutzen zu<br />
können, finanziert NIBULON sogar selber den<br />
Ausbau der Wasserstraßeninfrastruktur auf<br />
den Flüssen Dnepr und Bug.<br />
„Die Wiederbelebung der Schifffahrt und<br />
des Schiffbaus, sind äußerst notwendige und<br />
wichtige Impulse für die Entwicklung der ukrainischen<br />
Wirtschaft. Unser Unternehmen<br />
hat es geschafft zu beweisen, dass die Schifffahrt<br />
und der Schiffbau ein enormes Potenzial<br />
haben und die Entwicklung der Logistik, der<br />
Metallurgieindustrie, der Bauindustrie und der<br />
gesamten Wirtschaft des Landes dienen“,<br />
sagte der NIBULON-Generaldirektor. Bisheriger<br />
Höhepunkt in der Konzern Flotte und im<br />
Schiffbau war die Inauguration des Selbstladers<br />
NIBULON MAX im September 2019.<br />
Ocean Shipyard LLC ist eine Werft in Nikolaev<br />
am Schwarzen Meer mit wechselvoller,<br />
70ig-jähriger Geschichte und war in der<br />
Sowjet Ära ein Vorzeigebetrieb, wo gleichzei-
TOUAX SL<br />
tig an 27 Schiffen gebaut wurde und mehrere<br />
tausend Arbeiter Beschäftigung fanden.<br />
Nach der Staatenteilung wurde das Unternehmen<br />
privatisiert, hatte klingende Namen<br />
der Schiffbauindustrie, wie Damen Shipyards<br />
oder Aker, als Eigentümer im Haus.<br />
Seit 2018 hat die Werft einen ukrainischen<br />
Eigentümer, der trotz widrigster Umstände<br />
wieder Aufträge einfahren und Mitarbeiter<br />
aufnehmen konnte. Aber die Gefahr ist nicht<br />
gebannt. Viele Altlasten schweben noch bedrohlich<br />
über den Köpfen der Werftarbeiter,<br />
die allerdings fest entschlossen sind, um ihre<br />
Werft zu kämpfen. T<br />
atsächlich haben die Mitarbeiter in den letzten<br />
Monaten ein kleines, aber beeindruckendes<br />
Beispiel ihrer Leistungsfähigkeit erbracht. Trotz<br />
politischer und juristischer Steine am Weg, ist es<br />
den 700 Mitarbeitern in der Werft ausgerechnet<br />
mitten in der Corona-Krise gelungen, zwei<br />
Schubleichter termingerecht zu exportieren.<br />
Der Heimathafen für die neuen, von Eurobulk<br />
Transport Maatschappij / NL bestellten Fahrzeuge,<br />
wird Dordrecht sein, wo sie noch im<br />
Mai ankommen und von der französischen<br />
Reederei TOUAX übernommen werden.<br />
Die Donaustadt Ismail, im Donaudelta gelegen,<br />
ist nicht nur ein wichtiger Handels- und<br />
Passagierhafen in der Ukraine, sondern auch<br />
ein Schiffbauzentrum von historischer Bedeutung<br />
– und schwer gezeichnet vom Zerfall<br />
der Sowjetunion mit all den negativen Folgen<br />
in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher<br />
Hinsicht. Was die beiden Werftstandorte in<br />
der Stadt in den letzten Jahren gebaut und<br />
repariert haben, hatte jedenfalls nicht immer<br />
etwas mit einem Aushängeschild zu tun, das<br />
man als aufstrebender Industriestandort gerne<br />
der Weltöffentlichkeit zeigen würde.<br />
Jetzt arbeiten die Schiffbauer in Ismail an<br />
einem Projekt, dass vielleicht auch endlich<br />
ihnen Geld und Anerkennung bringen wird.<br />
Denn sie, die Schiffbauer und ihre Familien,<br />
für die es in der Region kaum alternative Verdienstmöglichkeiten<br />
gibt, sind die tatsächlich<br />
Leidtragenden der Situation. Das aktuelle<br />
Projekt mit dem Namen „D-6000“ ist ein See/<br />
Fluss Güterschubleichter für Getreidefracht<br />
im Inland und soll in der zweiten Jahreshälfte<br />
abgeliefert werden. Auftraggeber für diesen<br />
Bau ist die Agrarholding AgroVista. Einer der<br />
größten internationalen Getreidehändler in<br />
der Ukraine, der gerade sein 20jähriges Jubiläum<br />
gefeiert hat. AgroVista folgt dem Trend<br />
Ablieferung von zwei<br />
TOUAX Schubleichtern<br />
Bild OCEAN
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S32<br />
Projekt SL 6000 Quelle<br />
Werft Ismail<br />
in der Agrarwirtschaft, die eigene Logistik<br />
zu entwickeln. Darüber hinaus hat AgroVista<br />
erkannt, dass die Transportkosten auf der<br />
Wasserstraße niedriger sind, als auf der Straße<br />
oder Schiene. Das soll auch den Landwirten<br />
zugutekommen. Bis zur Fertigstellung des<br />
Projektes, kann in dem Land aber noch viel<br />
passieren. Vorsichtiger Optimismus ist aber<br />
angebracht.<br />
Nach Angaben der Werft handelt es sich bei<br />
dem Neubau um den größten jemals in der<br />
Ukraine gefertigten Schubleichter. Tatsächlich<br />
ist das Fahrzeug mit 127,6 Meter Länge<br />
und 16,30 Meter Breite von einer Größe, die<br />
nicht alltäglich ist. Bei einem Tiefgang von<br />
3,80 Meter, wird die Ladekapazität beachtliche<br />
6.000 Tonnen am Fluss betragen. Zwei<br />
Laderäume ermöglichen den Transport von<br />
zwei unterschiedlichen Ladungen. Ismail hat<br />
bisher nur Schubleichter gebaut, die weniger<br />
als 2000 Tonnen transportieren können. Nun<br />
hofft man vor Ort, dass bald Folgeaufträge<br />
einlangen. Die Werftleitung versichert, dass<br />
sie gut vier solcher großen Schubleichter im<br />
Jahr bauen kann.<br />
den Beginn des Schiffbaues im Jahre 1696.<br />
Obwohl die Ukrainer bewiesen haben, dass<br />
sie Schiffe bauen können, wird der Feiertag<br />
für die Schiffbauer in der Ukraine noch nicht<br />
zelebriert. Aber selbst der weltweit führende<br />
Schiffbauer DAMEN Shipyard, vertraut schon<br />
lange auf die ukrainischen Schiffsdesigner<br />
Marine Design Engineering Mykolayiv (MDEM)<br />
und unterhält ein eigenes Büro vor Ort. Vielleicht<br />
sind die aktuellen Entwicklungen im<br />
Schiffbau auch für den ukrainischen Staat Anlass,<br />
endlich seine Facharbeiter im Schiffbau<br />
entsprechend zu würdigen. (PB)<br />
In Russland feiert man zu Ehren der Schiffbauer<br />
jedes Jahr den „Tag des Schiffbauers“ (10.<br />
Oktober), dessen Entstehung zurückreicht auf<br />
Marine Design Engineering Mykolayiv (MDEM)
10%<br />
Hochfahrrabatt - Gebrauchtgeräte - bis 30.06.<strong>2020</strong><br />
Niederhub Hochhub Gegengewichtstapler<br />
Schubmaststapler Kommissionierer Schlepper<br />
Beratung | +43 (0) 50 614 09 | www.jungheinrich.at
BINNENSCHIFF <strong>Journal</strong> 3/<strong>2020</strong> | S34<br />
Der Donauraum II<br />
Der in Villach geborene Erich Wonka,<br />
zeichnet in seinem zweiten Band über<br />
den Donauraum die Siedlungsgeschichte<br />
entlang des Donauabschnittes von Klosterneuburg,<br />
Korneuburg, Langenzersdorf<br />
und Bisamberg nach.<br />
sondern auch auf Karten zurückgreifen<br />
kann. Sie sind mehr als nur eine gute Orientierungshilfe.<br />
ISBN 978-3-85028-917-7; erschienen<br />
17.12.2019 (Verlag Berger); 128 Seiten;<br />
Hardcover; Euro 25,-<br />
Die über 40 Karten und knapp 300 Abbildungen<br />
sollen die Geschichte nicht nur<br />
anschaulich präsentieren, sondern auch<br />
leichter verständlich machen.<br />
Viele historische Ereignisse versteht man<br />
erst dann, wenn man nicht nur auf Texte,<br />
Vergeten Kinderen (Vergessene Kinder)<br />
Die Flucht vor Hunger im eigenen Land<br />
Der Amateurfilmclub Toverlint (https://<br />
www.toverlint.nl) aus Gouda hat ein Buch<br />
von Jessica A. Verhagen verfilmt (ISBN:<br />
9789463382113).<br />
Das Filmschiff kann in Amsterdam auch<br />
gemietet werden (https://www.facebook.<br />
com/Bedandbreakfastbonaspes).<br />
Der Film ist die Rekonstruktion eines Kindertransportes<br />
im Hungerwinter 1945 per Schiff<br />
von Reeuwijk nach Drenthe. Gedreht<br />
wurde auf dem Schiff BONA SPES (Baujahr<br />
1924) von Den Haag nach Friesland.<br />
https://www.youtube.com/watch?v=n-<br />
RgFq10irfk.<br />
Danube Women Stories Vol. 2<br />
Von Sabine Geller, Christina Weidel und Belinda<br />
Schmalekow. Band 2 der Spurensuche<br />
zeigt 64 Portraits von interessanten, faszinierenden<br />
und klugen Frauen, die für das öffentliche<br />
Leben und die Gesellschaft entlang der<br />
Donau eine wichtige Rolle spielen.<br />
Sie kommen aus Ulm und Regensburg, aus<br />
Wien und Linz, aus Budapest, Vukovar, Novi<br />
Sad und Temeswar. Leistungen und Erfolge<br />
dieser Frauen aus Geschichte und Gegenwart<br />
werden sichtbar gemacht. Denn wenn<br />
wir Denkmäler betrachten, von berühmten<br />
Söhnen und Töchtern der Städte hören, wundern<br />
wir uns, warum so wenige Straßen den<br />
Namen von Frauen tragen, warum es so viel<br />
mehr Ehrungen von Männern gibt, wo doch<br />
zahlreiche Frauen ebenso bedeutende Vorreiterinnen<br />
in unterschiedlichsten Disziplinen<br />
waren. Wir können viel von diesen Frauen<br />
aus sechs Donauländern lernen.<br />
ISBN 978-3-946046-22-6; danube books<br />
Verlag/<strong>2020</strong>; Euro 12,30
Ausblick: BINNENSCHIFF JOURNAL 4/<strong>2020</strong><br />
erscheint zum 1. Juli <strong>2020</strong><br />
Schiffbauversuchsanstalt: Die Schiffbauversuchsanstalt<br />
ist die Teststrecke für die Formel<br />
1 der <strong>Binnenschiff</strong>fahrt. Hier wird entschieden,<br />
ob ein neues Schiff schwimmt – oder<br />
absäuft.<br />
Wasserbau: Wasserbauer sind die Asphaltierer<br />
der Wasserstraße. Ohne sie funktioniert<br />
die Nasse Logistik nicht und sie entscheiden<br />
über wichtige Infrastrukturmaßnahmen unter<br />
Berücksichtigung der Umwelt.<br />
<strong>Journal</strong>ismus in der <strong>Binnenschiff</strong>fahrt:<br />
Quote statt Qualität. Manchmal ist Schweigen<br />
besser, als mit spitzer Feder die Öffentlichkeit<br />
falsch zu informieren.<br />
Erscheinungstermine<br />
28. Februar <strong>2020</strong><br />
26. April <strong>2020</strong><br />
27. Mai <strong>2020</strong><br />
1. Juli <strong>2020</strong><br />
2. September <strong>2020</strong><br />
21. Oktober <strong>2020</strong><br />
UMWELT JOURNAL<br />
Ausgabe 1/<strong>2020</strong><br />
Ausgabe 2/<strong>2020</strong><br />
Ausgabe 3/<strong>2020</strong><br />
Ausgabe 4/<strong>2020</strong><br />
Ausgabe 5/<strong>2020</strong><br />
Ausgabe 6/<strong>2020</strong><br />
Ansprechpartner:<br />
Peter BAUMGARTNER<br />
Kapitän, Redaktion<br />
<strong>Binnenschiff</strong> <strong>Journal</strong><br />
Tel.: 0664 2634362<br />
E-Mail: ibbs@a1.net<br />
binnenschiff-journal.at<br />
HJS MEDIA WORLD APP<br />
Ihr exklusiver Zugriff auf die ganze Welt der Logistik:<br />
BINNENSCHIFF JOURNAL, UMWELT JOURNAL, RETAIL,<br />
LOGISTIK EXPRESS, BUSINESS+LOGISTIC, VERKEHRSZEITUNG<br />
inklusive Online-Plattformen. Mit dieser App entsteht das<br />
größte zusammenhängende Informationsportal rund um<br />
die Logistik. Zeit ist kostbar! Daher beziehen Sie über die<br />
jetzt in den App-Stores von Android und Apple erhältliche<br />
LOGISTIK NEWS | HJS MEDIA WORLD APP täglich News.<br />
Holen Sie sich die Magazine mit einem einfachen Klick auf<br />
Ihr Smartphone oder Ihr Tablet und schmökern Sie in den<br />
aktuellsten Ausgaben und/oder in unserem für Sie bereit<br />
gestellten Magazin-Archiv. Und bei Bedarf können Sie die<br />
Magazine on Demand im Hochglanzformat drucken und<br />
zusenden lassen. Hier warten mehr als 100.000 News, Artikel,<br />
Interviews, Round Tables, Filme etc. rund um die Themen<br />
Logistik & Umwelt. Rund 800.000 Unique User aus der<br />
DACH-Region nutzten in 2019 die Leistungen und Services<br />
der HJS MEDIA WORLD & Partner. Gehören auch Sie dazu!
HJS MEDIA WORLD GROUP & PARTNER<br />
blogistic.net<br />
logistik-express.com<br />
umwelt-journal.at<br />
oevz.com<br />
Die<br />
ganze<br />
Welt der<br />
Logistik<br />
hjs@hjs-media-world.at