IM KW 26
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Foto: Gemeindearchiv St. Leonhard<br />
RS-Foto: Zumtobel<br />
Das Urgebäude der Volksschule Zaunhof (linkes Bild, rechts unten) entstand bereits 1904. Der damals noch dreistöckige Kubus erfährt eine lange Geschichte – auch<br />
belegt durch die bunten Kinderzeichnungen, die bis zuletzt die Fenster schmückten (rechtes Bild). Mittlerweile ist die Abrissbirne angerückt und hat die ehemalige Volksschule<br />
in Trümmer gelegt.<br />
familiär in der Kleinstschule, wobei es<br />
manchmal am Lehrausaustausch haperte.<br />
„Da ich einfach zu wenig Kolleginnen<br />
und Kollegen hatte“, lacht<br />
Maaß, die zwei Jahre lang auch als<br />
Schulleiterin der Volksschule Zaunhof<br />
fungierte. „Auch der ehemalige Turnsaal<br />
ist im Gegensatz zum neuen eine<br />
Schuhschachtel“, ergänzt die Lehrerin,<br />
„Kinder sowie Lehrpersonen werden<br />
hier im neuen Schulzentrum einfach<br />
verwöhnt“. Elisabeth Maaß schwärmt<br />
zwar vom innovativen Geist des neuen<br />
Schulzentrums in St. Leonhard, in<br />
dem sie sich nun nicht mehr mit Kreide<br />
die Finger staubig machen muss –<br />
sogenannte „Active Boards“ machen<br />
das digitale Schreiben möglich. Doch<br />
auch wenn das neue Schulzentrum die<br />
gute alte Volksschule in den Schatten<br />
zu stellen scheint, erinnert sich die<br />
Lehrerin gern an die Jahre in der Volksschule<br />
Zaunhof zurück.<br />
24./25. Juni 2020<br />
UNTERRICHT IN VIELEN<br />
STUFEN. Der sogenannte Mehrstufenunterricht,<br />
auch Abteilungsunterricht<br />
genannt, was bedeutet, dass<br />
Kinder in einer Klasse mit mehreren<br />
Schulstufen unterrichtet werden, fand<br />
in der Volksschule Zaunhof bis zur<br />
Schließung ganz normal statt. „Der<br />
Mehrstufenunterricht in der Kleinstschule<br />
hat damals so wie heute seine<br />
Vor- und Nachteile mit sich gebracht“,<br />
reflektiert die Lehrerin, „Die Kinder<br />
waren ja brav und dabei haben die<br />
Älteren den Jüngeren geholfen – das<br />
war schon sehr vorbildlich. Doch<br />
andererseits war das zeitenweise auch<br />
sehr mühsam für die Lehrperson,<br />
wenn beispielsweise vier Schulstufen<br />
in einer Klasse untergebracht werden<br />
mussten.“ Mittlerweile werden im<br />
neuen Schulzentrum drei Klassen<br />
besetzt: Eine Erste, eine Zweite und<br />
eine mehrstufige Klasse, in dem Dritte<br />
und Vierte gemeinsam unterrichtet<br />
werden. Das Prinzip des Mehrstufenunterrichts<br />
wirkte sich auch keineswegs<br />
negativ auf die Leistungen der<br />
Schüler aus, ganz im Gegenteil. Eine<br />
ehemalige Schülerin der Volksschule<br />
Zaunhof berichtet von ihrem letzten<br />
Jahr dort: „Das hat uns eigentlich gar<br />
nicht gestört, dass wir zusammen mit<br />
einer ‚anderen‘ Schulstufe gemeinsam<br />
unterrichtet wurden“, so Anna-Sophie<br />
Schranz, „das war ganz normal<br />
und eine Gemeinschaft waren wir<br />
sowieso.“ Die Schülerin erlebte auch<br />
den Wechsel in die neue Schule mit:<br />
„Nun ja, am Anfang waren wir schon<br />
sehr traurig darüber. In der alten<br />
Volksschule war es einfach familiärer<br />
und angenehmer durch die kleineren<br />
Gruppen“, erzählt Anna-Sophie,<br />
„auch der Schulweg machte mir dort<br />
mehr Spaß, weil ich mit meinen<br />
Freunden zusammen immer zu Fuß<br />
nach Hause gehen konnte.“<br />
MIT DER ZEIT GEHEN. Der<br />
Impuls, die Volksschule Zaunhof endgültig<br />
zu schließen sowie den Grundgedanken<br />
der Zusammenlegung der<br />
Schulen zu fördern, orientierte sich<br />
laut Rupert Hosp, Altbürgermeister<br />
von St. Leonhard, an den Ansprüchen<br />
der heutigen Gesellschaft sowie neuen<br />
Trends, wie etwa Mittagstisch oder<br />
Nachmittagsbetreuung. Die Gemeinde<br />
St. Leonhard hatte insgesamt drei<br />
Standorte für Volksschulen, darunter<br />
Trenkwald, St. Leonhard und eben<br />
Zaunhof. „Man kann nicht in allen<br />
drei Standorten die entsprechende Betreuung<br />
anbieten“, so Hosp, der mit<br />
diesem Vorschlag auch auf Widerstände<br />
innerhalb der Gemeinde gestoßen<br />
ist, doch heute voller Stolz auf die<br />
„weit und breit modernste Schule“<br />
blickt. Ebenso war es eine „Kostenfrage“,<br />
wie Elmar Haid, Bürgermeister<br />
von St. Leonhard, ihm zustimmt. Neben<br />
dem zeitgetreuen Faktor wäre eine<br />
komplette Sanierung der alten Schulgebäude<br />
aus den 50ern oder gar noch<br />
älter beinahe dreimal so teuer gewesen,<br />
doch sei trotzdem lange in Diskussion<br />
gestanden. Auch die „schwachen“<br />
Kinderjahre hätten für eine Zusammenlegung<br />
gesprochen. „Klar, hat das<br />
am Anfang nicht allen gefallen“, meint<br />
Elmar Haid nachdenklich, „viele befürchteten<br />
das Dorfleben gehe dabei<br />
verloren“. Doch im Nachhinein habe<br />
es sich dennoch gut entwickelt. Das<br />
hochmoderne, zeitgemäße Gebäude<br />
überzeugt mit neuesten Technologien<br />
und ist über die Landesgrenze<br />
hinaus bekannt. Elmar Haid stattet<br />
auch selbst oft dem neuen Schul- und<br />
Kindergartenzentrum einen Besuch<br />
ab und der Eindruck trügt nicht: Die<br />
gesamte Gemeinde erscheint als eine<br />
gemeinsame Einheit, wenn die Kinder<br />
hier zusammenkommen. „Auch wenn<br />
die Kleinschulen gut funktioniert<br />
haben, für das Gesamtgefüge der Gemeinde<br />
ist das zukunftsmäßig die richtige<br />
Entscheidung“, resümiert Haid.<br />
Auch die Lehrerin Elisabeth Maaß<br />
stimmt dem zu: „Die Kinder kommen<br />
nun aus allen Riedeln zusammen und<br />
verstehen sich super!“<br />
DAS ENDE EINER ÄRA.<br />
Nach der Schließung der Volksschule<br />
Zaunhof im Juli 2017 kamen<br />
Überlegungen, wie man das Gebäude<br />
anderweitig nutzen könne. Bei<br />
so einem großen Gebäude mit fast<br />
10000 Quadratmetern sei das allerdings<br />
recht schwierig. „Grundsätzlich<br />
gingen die Überlegungen Richtung<br />
Wohnungen“, erklärt Elmar Haid. Es<br />
wurde mit Wohnbauträgern gesprochen<br />
und sei letztendlich zu dem<br />
Entschluss gekommen, das Gebäude<br />
abzureißen und den Platz zur Bebauung<br />
freizugeben. Selbst die Vereine<br />
seien alle bereits anderweitig untergebracht,<br />
aber dennoch war es wichtig,<br />
zuvor alle Möglichkeiten der Nutzung<br />
durchzuspielen, wobei es letztendlich<br />
doch an der Sanierung des Gebäudes<br />
scheiterte. Vom Inventar ging einiges<br />
an Schuleinrichtungen in der Umgebung.<br />
Letztendlich standen die Türen<br />
zum alten Gebäude vor allem für Vereine,<br />
aber auch der breiten Bevölkerung<br />
offen, um ein letztes Souvenir aus<br />
der ehemaligen Schule zu ergattern.<br />
Zuletzt wurde das Schulgebäude noch<br />
für Proben der Freiwilligen Feuerwehr<br />
sowie der Turnsaal zum Krafttraining<br />
genutzt, doch mittlerweile ist die Abrissbirne<br />
bereits angerückt und hat<br />
selbst das künstlerische Sgraffito aus<br />
den 70er-Jahren vom Landecker Maler<br />
und Restaurator Anton alias Toni<br />
Zangerl (Quelle: Land Tirol/Tiroler<br />
Kunstkataster), welches einst die Fassade<br />
der Volksschule Zaunhof zierte,<br />
in Trümmer gelegt. Die lehrreichen<br />
Erkenntnisse und das Rauchen der<br />
Köpfe in den Klassen mischten sich<br />
einst mit dem Geruch des Kaffees,<br />
welcher aus dem oberen Stockwerk<br />
des Lehrerzimmers drang, mit tosendem<br />
Gelächter, Pausengeschwätz,<br />
schweißtreibenden Ballspielen im<br />
Turnsaal und der verbrauchten Luft<br />
im Medien- und Musikraum, wo nun<br />
nur mehr der Staub der Vergangenheit<br />
ruht – mit all‘ seinen langsam verblassenden<br />
Erinnerungen an die Schulzeit.<br />
„Die Arbeit mit Kindern hält einen in<br />
Schuss“, meint Rupert Hosp, der im<br />
Herbst 2005 nach 41 Jahren als Schulleiter,<br />
seiner Pensionierung entgegenblickte.<br />
<br />
Foto: Mayr-Schranz<br />
RUNDSCHAU Seite 33