Koproduktion Urbaner Resilienz
ISBN 978-3-86859-641-0
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20) Viele Sozialwissenschaftler*innen<br />
kritisieren am <strong>Resilienz</strong>-Begriff,<br />
dass er aufgrund der positiven<br />
Konnotation gemeinschaftlicher<br />
Selbstorganisation von Politiker*innen<br />
genutzt wird, um im Zuge<br />
neoliberaler Politikprogramme den<br />
Rückzug des Staates aus sozialen<br />
Dienstleistungen zu rechtfertigen.<br />
Dabei wird der <strong>Resilienz</strong>-Begriff<br />
vielfach herangezogen, um die<br />
Verantwortung zur Bewältigung von<br />
Krisen und ihren Folgen verbal auf<br />
Bürger*innen zu übertragen, da<br />
diese in der Lage seien, sich selbst<br />
zu helfen (vgl. Pratt 2015: 62, vgl.<br />
Davoudi 2012: 305). Gleichzeitig wird<br />
der Begriff von Wissenschaftler*innen<br />
und Aktivist*innen auf selbstorganisierte<br />
Gruppen angewendet, die<br />
sich gegen neoliberale Politikprogramme<br />
einsetzen, weil sie aus<br />
ihrer Sicht einer sozial gerechteren<br />
Gesellschaft entgegenstehen (vgl.<br />
Kagan 2016, vgl. Petrescu et al.<br />
2016, vgl. Exner 2013: o.S., vgl. Hopkins<br />
2011: 15). Daran zeigt sich die<br />
Unbestimmtheit des <strong>Resilienz</strong>-Begriffs<br />
in öffentlichen und fachlichen<br />
Diskursen über soziale Sicherungssysteme<br />
und die Selbstorganisation<br />
von Bürger*innen.<br />
21) Commons sind Formen der<br />
selbstorganisierten und gemeinschaftlichen<br />
Produktion, Nutzung<br />
und Verteilung von Ressourcen,<br />
wobei keine marktwirtschaftlichen<br />
und staatlichen Regulierungsmechanismen<br />
angewendet werden. „In<br />
ihrer emanzipatorischen Idealform<br />
verwirklichen Commons die Überwindung<br />
von Privateigentum, Knappheit,<br />
Lohnarbeit, Wettbewerb und Markt.“<br />
(Exner/Kratzwald 2012: 23)<br />
Finanzkrise ab 2007 (vgl. Kopatz 2018: 331, vgl. Vaiou/Kalandides<br />
2016: 63ff.). 20 Aber nicht nur bei akuten Störungen oder in Krisenzeiten<br />
kann die Selbstorganisation von Bürger*innen die <strong>Resilienz</strong><br />
in einer Stadt erhöhen. Indem sie sich im Alltag selbst organisieren,<br />
schaffen Bürger*innen Alternativen zu staatlichen und<br />
privatwirtschaftlichen Organisationsstrukturen und können auf<br />
dieser Grundlage ihre Selbstversorgung mit Gütern und Leistungen<br />
weitgehend frei vom Markt und von staatlichen Institutionen<br />
selbst regeln, etwa in Form von Commons 21 oder einer solidarischen<br />
Ökonomie (vgl. Exner/Kratzwald 2012: 23ff.). Zum Beispiel<br />
erzeugen selbstorganisierte Wohnprojekte in vielen Städten neuen<br />
Wohnraum, den sie gemeinsam verwalten. Dabei schaffen<br />
sie gemeinschaftliche Wohnformen, die sich vom bestehenden<br />
Wohnraumangebot unterscheiden, und erhöhen so die Diversität<br />
der Wohnraumversorgung in einer Stadt. Außerdem können sie zu<br />
einer nachhaltigen Transformation von Städten beitragen, etwa<br />
indem sie mit nachhaltigen Bauweisen experimentieren, Ressourcen<br />
einsparen und den Flächenverbrauch reduzieren, wenn<br />
sie Räume gemeinschaftlich nutzen (vgl. Görgen 2018: 131f., vgl.<br />
Id22 2012: 16). Auch im Gängeviertel haben sich die Nutzer*innen<br />
selbst organisiert. Die Aktiven betreiben das Gängeviertel weitgehend<br />
gemeinschaftlich, arbeiten größtenteils ehrenamtlich und<br />
organisieren sich in offenen und basisdemokratischen Strukturen<br />
(Verein, Genossenschaft, Vollversammlungen etc.).<br />
Des Weiteren ist die Selbstorganisation von Governance-Netzwerken<br />
ein relevanter Faktor, damit urbane Teilsysteme anpassungsfähig<br />
sind, wie ich im folgenden Kapitel ausführe. Darin erläutere<br />
ich, inwiefern die vielfältigen Beiträge von Bürger*innen<br />
zur Urbanen <strong>Resilienz</strong> und zu einer nachhaltigen Transformation<br />
von Städten durch Kooperationen von öffentlichen und zivilgesellschaftlichen<br />
Akteur*innen im Rahmen von Governance-Netzwerken<br />
gestärkt werden können. Dabei ziehe ich theoretische<br />
und praxisbezogene Texte zu <strong>Resilienz</strong>, Governance, Planung und<br />
Stadtentwicklungspolitik heran, um mit Blick auf eine zukunftsfähige<br />
Stadtentwicklung auch auf Chancen und Probleme solcher<br />
Netzwerke einzugehen.<br />
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