22.08.2020 Aufrufe

Burgblatt_2020_09_01-44_Druck

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ANNO 1923 | TEIL 5<br />

Hilpoltstein im Inflationsjahr 1923<br />

von Peter Hagenmaier<br />

Im Stadtarchiv in Hilpoltstein befinden<br />

sich die gebundenen Jahrgänge<br />

des Hilpoltsteiner Wochenblatts.<br />

Sie bilden eine sehr gute Informationsquelle<br />

über das Geschehen in<br />

unserer Kleinregion der vergangenen<br />

Epochen.<br />

Verwendete Abkürzungen:<br />

WB für Hilpoltsteiner Wochenblatt<br />

HIP für Hilpoltstein<br />

Im Wochenblatt erfahren wir, dass am<br />

vergangenen Donnerstag im Gasthof „zur<br />

Post“ in HIP die Gründungsversammlung<br />

einer Ortsgruppe HIP des Bayerischen<br />

Heimat- und Königsbundes staand.<br />

Dr. Joseph Weigl erläuterte die Ziele des<br />

Bundes. Es traten sofort 50 Personen bei.<br />

In Roth wurde das Ehepaar Friedrich<br />

Schwab wegen Betrug verhaftet. Der angebliche<br />

Porzellanfabrikant wollte ursprünglich<br />

in HIP eine Porzellanfabrik errichten,<br />

wich dann aber nach Roth aus.<br />

Aber auch dieses Projekt kam nicht zur<br />

Realisierung.<br />

In der Beilage „In der Heimat“ vom<br />

31.08.1923 schildert der evangelische<br />

Pfarrer Dr. Herold auch die Reformation<br />

und Gegenreformation in HIP, Heideck<br />

und Allersberg. Am 07. Und 19.<strong>09</strong>. Wird<br />

dieser Beitrag fortgesetzt.<br />

Am 07.<strong>09</strong>.1923 werden in der Glockengießerei<br />

Hamm in Regensburg für die Stadtpfarrkirche<br />

in HIP 4 Glocken gegossen.<br />

Eine Abordnung der Pfarrei wird dem Guss<br />

beiwohnen. Die Glocken wurden dann am<br />

21.<strong>09</strong>. unter strömendem Regen mit festlich<br />

geschmücktem Wagen mit dem zugehörigen<br />

eisernen Glockenstuhl am Bahnhof<br />

abgeholt. Am Kirchenportal hielt 1.<br />

Bürgermeister Hofmeier eine Rede. Geistlicher<br />

Rat Betz hielt ebenfalls eine Ansprache<br />

und bedankte sich bei den Förderern.<br />

Am 28.9. finden wir den Verweis auf die<br />

Matrikel des Bistums Eichstätt. Die Weihe<br />

der Stadtpfarrkirche HIP erfolgte am<br />

31. 5. 1735 durch den Weihbischof Adam<br />

Riebelein. 1875 bestand das Geläute aus<br />

5 Glocken. Der Kuppelturm wurde 1714<br />

durch den welschen Baumeister J. B. Camesino<br />

aus Obermässing restauriert. Die<br />

älteste Glocke wurde auf Veranlassung der<br />

Jesuiten 1652 von Leonhard Löw in Nürnberg<br />

gegossen. 1917 mussten zwei Glockenabgeliefert<br />

werden. 1923 zersprang<br />

die noch vorhandene größere Glocke.<br />

Die große Glocke mit 24 Zentnern trägt<br />

die Inschrift: „Den im Weltkrieg Gefallenen<br />

der Pfarrei Hilpoltstein zum dankbaren<br />

Gedächtnis“. Auf der Rückseite trägt<br />

sie das Bild des auferstandenen Heilands<br />

mit der Siegesfahne. Auf einer weiteren<br />

neuen Glocke den Hl. Johannes als Patron<br />

dieser Kirche. Gleichzeitig erhielt die Gemeinde<br />

Hofstetten zwei kleinere Glocken.<br />

Eine der historischen Glocken wurde an<br />

die Gemeinde Heuberg für 19 Mrd. Mark<br />

verkauft. Sie wurde 1798 von Josef Stapf<br />

in Eichstätt gegossen und dem Hl. Donatus,<br />

dem Wetterherrn geweiht. Die älteste<br />

Glocke von 1652 (Jesuitenglocke) wurde<br />

leider vertragsgemäß der Gießerei Hamm<br />

übergeben und eingeschmolzen. Jammerschade!!!<br />

Am 28.<strong>09</strong>. folgt wieder einer der üblen<br />

nationalistischen Leitartikel. Man kann es<br />

schon fast nicht mehr lesen. Wir müssen<br />

dabei aber berücksichtigen, dass Mittelfranken<br />

beim Aufstieg der NSDAP eine<br />

Hochburg bildete. Infolge häufiger nächtlicher<br />

Schießereien wird in Allersberg die<br />

Sperrstunde auf 21 Uhr vorverlegt.<br />

Das Ergebnis der Bürgermeisterwahl wird<br />

am <strong>01</strong>.<strong>01</strong>. veröffentlicht. Mit großem Abstand<br />

wurde der Gastwirt Michael Wechsler<br />

zum 1. Bürgermeister gewählt. Der<br />

rechtsradikale Bund Reichsflagge hielt am<br />

28.<strong>09</strong> in Greding im Schuster-Saal eine<br />

starkbesuchte Versammlung ab. Der Oberleutnant<br />

Dorner aus Roth stellte dabei<br />

extreme Forderungen auf. Sein Credo: Es<br />

gebe heute nur noch zwei Weltanschauungen:<br />

„Hie christlich national! – und dort<br />

die Jüdisch marxistische“. Darauin bildete<br />

sich sofort eine Ortsgruppe Greding.<br />

Ein „gut Heil“ beschloss die Versammlung.<br />

Das WB informiert am 03.10.1923 über<br />

den neuen Stromtarif. Das KW/h kostet<br />

in der ersten Oktoberwoche 40 Millionen<br />

Mark. Im Laufe des Oktobers ist mit<br />

einer weiteren Steigerung zu rechnen.<br />

Die Nürnberger Spielwarenindustrie verlagert<br />

in vielen Fällen ihre Produktion<br />

nach Amerika. Auf andere Industriebereiche<br />

bezogen könnten wir heute ähnliche<br />

Artikel schreiben. Am 08.10. werden die<br />

neuen Pflasterzollsätze veröffentlicht. Sie<br />

betragen: für ein Pferd 1 Mill Mark, für ein<br />

Hornvieh 500.000 Mark, der Brückenzoll<br />

für einen LKW beträgt 15 Millionen Mark,<br />

für einen PKW 10 Millionen Mark.<br />

Die Rathausuhr ist defekt, das Schlagwerk<br />

gibt nur noch dumpfe Töne von sich, Der<br />

Stundenschlag rührt sich überhaupt nicht<br />

mehr. Die Kirchturmuhr hat ebenfalls<br />

schon länger ihren Dienst eingestellt.<br />

Am 15.10. finden wir in der Beilage Nr. 6<br />

die Fortsetzung über die Reformation und<br />

Gegenreformation in unserer Kleinregion<br />

von Dr. Herold. Die Geschichte der Niederbronner<br />

Schwestern in HIP folgt am 17.10.<br />

Ebenfalls an diesem Tag finden wir unter<br />

der Rubrik Zeitbilder folgenden Beitrag:<br />

„Am Sonntag prangte an der Rathausanschlagtafel<br />

in Beilngries ein Zettel mit der<br />

Aufschrift: Die größten Rindvieher von Ost<br />

bis in die Schweiz sind die Idioten vom<br />

Hakenkreuz. Am nächsten Tag prangte an<br />

derselben Stelle die Antwort: Der größte<br />

Idiot zwischen Himmel und Höll ist der<br />

Beschützer des Volkes Israel! Der Antisemitismut<br />

war auch in unserer Region weit<br />

verbreitet und polarisierte die Bevölkerung.<br />

Nach der Katastrophe des III. Reichs<br />

wussten angeblich aber nur wenige davon.<br />

Im Geschichtsunterricht erfuhren wir<br />

davon nichts.<br />

Über die Erhöhung der Reichsbiersteuer<br />

werden die Leser am 17.10. Informiert.<br />

Sie beträgt zukünftig 659 Millionen Mark<br />

für einen hl.<br />

Fortsetzung folgt:<br />

Teil 6 im nächsten Heft<br />

<strong>09</strong> | <strong>2020</strong><br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!