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FOCUSMONEY_41:2020_Vorschau

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Folgenreiches Chaos<br />

Die Börse mag unklare Machtverhältnisse<br />

noch weniger als<br />

unkalkulierbare Risiken. Entsprechend<br />

verstört reagierten Investoren<br />

im Herbst 2000 auf das<br />

US-Wahlchaos. Das Gleiche wäre<br />

auch bei der aktuellen US-Präsidentschaftswahl<br />

denkbar. Und:<br />

Wie damals könnten zusätzliche<br />

Risiken zu einem länger anhaltenden<br />

Abverkauf führen.<br />

Wertentwicklung US-Aktienindizes auf Dollar-Basis<br />

2000<br />

7. November 2000:<br />

Wahl des 43. US-Präsidenten<br />

12. Dezember 2000:<br />

US-Supreme-Court beendet Wahl-Chaos<br />

OKT NOV DEZ<br />

S&P-500<br />

Nasdaq<br />

%<br />

–5<br />

–10<br />

–15<br />

–20<br />

–25<br />

–30<br />

–35<br />

–40<br />

Quellen: Thomson Reuters Datastream, eigene Darstellung<br />

Problem: Je länger eine solche Situation andauert, desto enttäuschter<br />

dürften die Anleger darauf reagieren.<br />

Passiert ist so etwas in den vergangenen 150 Jahren übrigens<br />

schon zweimal. Einmal 1876, als der Demokrat Samuel<br />

Tilden am Wahltag nur eine Stimme Vorsprung gegenüber<br />

dem Republikaner Rutherford B. Haye vorweisen konnte,<br />

gleichzeitig aber die Ergebnisse aus drei Bundesstaaten umstritten<br />

waren. Das anschließende Wahl-Hickhack dauerte bis<br />

zum März des folgenden Jahres. Ergebnis: Die Aktienmärkte<br />

in den USA gaben in dieser Zeit um zehn Prozent nach.<br />

Unsicherheit belastete die Kurse. Ausgesprochen verschnupft<br />

reagierte die Börse auch auf den Wahlkrimi zwischen<br />

Al Gore und George W. Bush im Herbst 2000. Der<br />

US-Technologie-Index Nasdaq verlor allein vom 7. November<br />

(Wahltag) bis Ende November gut 20 Prozent; der breit<br />

aufgestellte S&P-500 fast zehn Prozent (s. Grafik oben). Auch<br />

der Dax büßte in dieser Zeit ein Zehntel seines Wertes ein.<br />

Was war passiert? Nach dem Wahltag richteten sich alle Blicke<br />

auf den Bundesstaat Florida, wo George W. Bush zunächst<br />

1800 Stimmen mehr hatte für sich verzeichnen können<br />

als Al Gore. Nachdem aufgrund des engen Ergebnisses<br />

ein Gesetz in Florida verlangte, die Stimmzettel maschinell<br />

nachzuzählen, schmolz der Vorsprung auf wenige hundert<br />

Stimmen zusammen. Folge: Al Gore durfte noch einmal manuell,<br />

also per Hand, nachzählen lassen – was er auch tat.<br />

Der anschließende Streit, bis wann die Wahlzettel ausgezählt<br />

werden müssen, führte zunächst zu einer für den Demokraten<br />

günstigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs<br />

(Supreme Court) von Florida. Der Oberste Gerichtshof<br />

der USA stufte die Nachzählungsverordnung allerdings am<br />

12. Dezember 2000 als verfassungswidrig ein. Damit war<br />

endlich klar: George W. Bush wird der 43. Präsident der USA.<br />

Und heute? Steht deutlich mehr auf dem Spiel. Denn auf<br />

der einen Seite haben es Anleger mit einen US-Präsidenten<br />

zu tun, der gern mit Worten und wilden Theorien provoziert,<br />

regelmäßig Grenzen überschreitet und seinen Posten nur<br />

sehr widerwillig räumen wird. Auf der anderen Seite bereitet<br />

sich ein 78-jähriger Politiker auf den „Kampf“ seines Lebens<br />

vor – der auch gern etwas länger als bis zum 3. November<br />

<strong>2020</strong> dauern darf.<br />

Gesetz brechen und Chaos säen. Eine der größten Unsicherheiten<br />

ist dabei die Briefwahl (Mail-In-Abstimmungen),<br />

die dieses Mal – bedingt durch das Coronavirus – deutlich<br />

mehr Amerikaner nutzen dürften. Problem: Donald<br />

Gang ins Ungewisse:<br />

Für die Börse könnte<br />

nicht nur die bevorstehende<br />

Wahl des US-Präsidenten<br />

zur Belastungsprobe werden<br />

FOCUS-MONEY <strong>41</strong>/<strong>2020</strong><br />

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