24 - Kölner Philharmonie
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ZU DEN WERKEN DES HEUTIGEN KONZERTS<br />
Dmitrij Schostakowitsch:<br />
Gamlet (Hamlet) op. 116<br />
»Wir brauchen ein Stipendium«, sagte Alexander Glasunow zu<br />
Maxim Gorki, »obwohl unser Kandidat sehr jung ist.« »Wie alt ist<br />
er?«, fragte Gorki. »Fünfzehn. Sohn einer Musiklehrerein. Er spielt<br />
während der Vorstellungen im Kino ›Selekt‹. Neulich brannte unter<br />
ihm der Fußboden, und er spielte weiter, damit keine Panik aufkam«.<br />
Der Kinopianist, der 1921 die Stummfilme im Petersburger<br />
Selekt begleitete und von dem hier die Rede ist, war Dmitrij<br />
Schostakowitsch. Das Stipendium, um das Glasunow bei dem<br />
Kulturpolitiker Gorki warb, galt jedoch nicht dem Musiker, sondern<br />
dem Komponisten Schostakowitsch und dies obwohl Glasunow<br />
über die Werke des Teenagers sagen musste: »Sie sind<br />
abscheulich … aber das tut nichts zur Sache – die Zeit gehört diesem<br />
Jungen, und nicht mir.« Überliefert wurde dieses Gespräch<br />
durch den Schriftsteller Viktor Schklowski, der an anderer Stelle<br />
eindrücklich die Not der Petersburger Bevölkerung in dieser Zeit,<br />
den Bürgerkrieg, den Hunger und die Inflation schilderte. Der<br />
chronisch unterernährte Schostakowitsch erkrankte noch dazu<br />
an Tuberkulose und musste teure Heilbehandlungen auf der Krim<br />
in Anspruch nehmen. So war es auch nicht nur die Begeisterung<br />
für das junge Medium Film, die ihn an das Klavier des Kinosaals<br />
führte, sondern auch die Chance, sich sein Überleben zu sichern.<br />
Beides sollte sich zu Konstanten in der Biographie Schostakowitschs<br />
entwickeln.<br />
Kein anderer der großen Komponisten hat derart viel für den Film<br />
geschrieben – bei Schostakowitsch macht dies rund ein Drittel<br />
seines Œuvres aus, 34 seiner Filmpartituren nahm er in sein<br />
Werkverzeichnis auf. Und es gibt eine ungebrochene Kontinuität<br />
dieser Arbeit für den Film – auch und gerade in den Zeiten der<br />
öffentlichen Angriffe, Diffamierungen und Bedrohungen durch die<br />
stalinistische Kulturbürokratie wie in den Jahren 1936 und 1948.<br />
Die Partitur für die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Verfilmung<br />
des Hamlet durch Grigori Kosinzew aus dem Jahr 1964 zählt<br />
neben der Musik zu Das neue Babylon (1929) und Die Bremse (1955)<br />
gewiss zu den gewichtigsten Filmmusiken Schostakowitschs. Der<br />
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