24 - Kölner Philharmonie
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Rezensent der New York Times lobte in seiner Besprechung des<br />
Hamlet an der Musik ihre »Erhabenheit und Tiefe und gelegentlich<br />
eine angemessene Wildheit und passende Leichtfertigkeit.« Von<br />
der Qualität seiner Hamlet-Musik, deren Einspielung in den Leningrader<br />
Filmstudios er selbst überwachte, war auch der Komponist<br />
überzeugt, und er plante zwischenzeitlich ihre Umarbeitung zu<br />
einer sinfonischen Dichtung. Besonders dieser Filmmusik traute<br />
er das Schwierigste zu: Bestehen zu können auch ohne den Film.<br />
Den Weg vom Kino- in den Konzertsaal fand zunächst eine von<br />
Levon Atovm’jan arrangierte achtteilige Suite, die jedoch rund<br />
die Hälfte der Partitur unterschlägt. Erst seit kurzem widmet man<br />
sich in Einspielungen und Aufführungen der Filmmusik in ihrer<br />
Gesamtheit – mit überraschenden Einsichten.<br />
Wo der Musik die alleinige Aufmerksamkeit gilt und die Stücke<br />
ohne Unterbrechung aneinandergereiht werden, wo auch diejenigen<br />
Passagen in den Vordergrund rücken, die im Film nur im Hintergrund<br />
von Dialogen zu hören sind, werden Zusammenhänge<br />
hörbar, die sich im Film allenfalls unterschwellig mitteilen. Von<br />
der Musikwissenschaftlerin Tatiana Egorova ist die These formuliert<br />
worden, die Filmmusik zu Hamlet folge in ihrem Aufbau der<br />
Sonatenhauptsatzform. Die Exposition stelle zwei Themen vor,<br />
das Hamlet-Thema und das Geist-Thema, die in der Durchführung<br />
verschiedene Wandlungen erfahren und mit anderem Material,<br />
etwa dem zu Ophelia, konfrontiert und verflochten werden, bis<br />
sie schließlich in der Reprise, dem Duell zwischen Hamlet und<br />
Laertes, in umgekehrter Reihenfolge wiederkehren. Selbst wenn<br />
man dieser Engführung nicht zustimmt, nehmen die vielfachen<br />
internen Bezüge der Partitur, die über die bloße Wiederkehr der<br />
filmmusiktypischen Leitmotive weit hinausreichen, den Hörer ein.<br />
Die Einleitung setzt mit markanten Akkorden ein und schafft<br />
sogleich die dunkel-bedrohliche Atmosphäre, die die gesamte<br />
Partitur beherrscht. Gewiss, Hamlet ist keine Komödie, doch auch<br />
hinter der ausgeprägt unwirtlichen und feindseligen Bildsprache<br />
Kozinsews bleibt Schostakowitsch nicht zurück: »Stein, Eisen,<br />
Feuer, Erde und das Meer« nannte der Regisseur als seine archaischen<br />
Gestaltungselemente. Schostakowitsch präsentiert dazu<br />
gleich zu Beginn das dann beständig wiederkehrende musikalische<br />
Material der Hamletfigur: des isolierten, melancholischen<br />
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