08.11.2020 Aufrufe

sechs x vier Karten: Datierungen in Paul Celans Nachlass

"Datieren heißt, das Unwiederholbare zu wiederholen und so zugleich seine nicht-reduzierbare Einzelheit auszustreichen", schreibt Jacques Derrida in seinem Buch über Paul Celan, "Schibboleth" – Losungsworte. Einer der ersten Lyriker, der seine Gedichte datiert, ist Friedrich Georg Klopstock. Er ordnet seine Oden chronologisch zur Autobiografie in Gedichten: Poesie scheint untrennbar mit einem ganz besonderen Augenblick verbunden. Dieses Verklären gewöhnlicher Daten geht Hand in Hand mit dem Gegenteil – einer allmählichen Entfernung des Autors von seinem Gedicht: "Nur 'gedichtlang' sind wir die Mitwisser unserer eigenen Gedichte", schreibt Celan, "wären wir es über die Dauer seines Entstehens hinaus, unser Gedicht würde damit das Geheimnis des uns Begegnenden verlieren – wir sind auch als deren Ich, das erste Du unserer Gedichte –, es wäre, da es ja nicht mehr auf uns zukäme, von uns aus und somit jederzeit herstellbar – und also kein Gedicht mehr." Die Wörter durchlaufen einen Prozess, erfahren einen "qualitativen Wechsel", um "zum Wort im Gedicht" zu werden. 24 Objekt-Karten aus dem Deutschen Literaturarchiv zeigen, welche Vernetzungen aufgrund der Datierungen zwischen Paul Celans Gedichten, seinen Büchern und den Briefen und Bildern in seinem Nachlass möglich sind und wie sich damit sogar eine besondere Art des Literaturquartetts spielen lässt: „Skat mit / Geokraten. Tarock. Oder, besser, das Hochgedicht.“ Zur Ausstellung "Hölderlin, Celan und die Sprachen der Poesie" im Literaturmuseum der Moderne (23.5.2020 bis 1.8.2021), Deutsches Literaturarchiv Marbach. Mit freundlicher Genehmigung von Bertrand Badiou. Objektauswahl und Texte für "sechs x vier": Michael Woll. Konzept und Redaktion: Heike Gfrereis, Vera Hildenbrandt und Michael Woll, Gestaltung: Andreas Jung und Diethard Keppler. Mehr: www.dla-marbach.de Mehr zu Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv und ihrer Erschließung: http://www.relue-online.de/2012/07/trank-paul-celan-beim-lyrikuebersetzen-kaffee/#more-2383 #Hölderlin2020 #Celan2020

"Datieren heißt, das Unwiederholbare zu wiederholen und so zugleich seine nicht-reduzierbare Einzelheit auszustreichen", schreibt Jacques Derrida in seinem Buch über Paul Celan, "Schibboleth" – Losungsworte.

Einer der ersten Lyriker, der seine Gedichte datiert, ist Friedrich Georg Klopstock. Er ordnet seine Oden chronologisch zur Autobiografie in Gedichten: Poesie scheint untrennbar mit einem ganz besonderen Augenblick verbunden. Dieses Verklären gewöhnlicher Daten geht Hand in Hand mit dem Gegenteil – einer allmählichen Entfernung des Autors von seinem Gedicht:

"Nur 'gedichtlang' sind wir die Mitwisser unserer eigenen Gedichte", schreibt Celan, "wären wir es über die Dauer seines Entstehens hinaus, unser Gedicht würde damit das Geheimnis des uns Begegnenden verlieren – wir sind auch als deren Ich, das erste Du unserer Gedichte –, es wäre, da es ja nicht mehr auf uns zukäme, von uns aus und somit jederzeit herstellbar – und also kein Gedicht mehr." Die Wörter durchlaufen einen Prozess, erfahren einen "qualitativen Wechsel", um "zum Wort im Gedicht" zu werden.

24 Objekt-Karten aus dem Deutschen Literaturarchiv zeigen, welche Vernetzungen aufgrund der Datierungen zwischen Paul Celans Gedichten, seinen Büchern und den Briefen und Bildern in seinem Nachlass möglich sind und wie sich damit sogar eine besondere Art des Literaturquartetts spielen lässt: „Skat mit / Geokraten. Tarock. Oder, besser, das Hochgedicht.“

Zur Ausstellung "Hölderlin, Celan und die Sprachen der Poesie" im Literaturmuseum der Moderne (23.5.2020 bis 1.8.2021), Deutsches Literaturarchiv Marbach. Mit freundlicher Genehmigung von Bertrand Badiou. Objektauswahl und Texte für "sechs x vier": Michael Woll. Konzept und Redaktion: Heike Gfrereis, Vera Hildenbrandt und Michael Woll, Gestaltung: Andreas Jung und Diethard Keppler. Mehr: www.dla-marbach.de

Mehr zu Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv und ihrer Erschließung: http://www.relue-online.de/2012/07/trank-paul-celan-beim-lyrikuebersetzen-kaffee/#more-2383

#Hölderlin2020 #Celan2020

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Poethens Widmung

für Celan

1955/3

Bei Celans Besuch in Tübingen widmet ihm

Poethen seinen Band Lorbeer über gestirntem

Haupt „als schöne Erinnerung an ein

Gespräch, für das ich sehr dankbar bin“.

Neben Hölderlins Grab und dem Archiv in

Bebenhausen gehörte auch der Hölderlin-Turm

zum Besuchsprogramm.

Von einem weiteren Besuch in Deutschland

im selben Jahr schreibt Celan später seiner

Frau: „Die Gesichter, die ich hier sehe,

sind nicht gerade die eines hölderlinschen

Volkes …“

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