Swissmechanic-Journal_2020-07
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8 JOURNAL POLITIK<br />
Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt»<br />
«Konzernverantwortungsinitiative»<br />
Eidgenössische Volksabstimmung vom 29. November <strong>2020</strong><br />
1. AUSGANGSLAGE<br />
Die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen<br />
– zum Schutz von Mensch und Umwelt»<br />
verlangt, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz<br />
die international anerkannten Menschenrechte und<br />
Umweltstandards auch im Ausland respektieren<br />
müssen. Die in der Schweiz niedergelassenen Unternehmen<br />
sollen zu einer «angemessenen Sorgfaltsprüfung»<br />
verpflichtet werden. Dabei müssen sie<br />
nicht nur ihre eigene, sondern auch die Geschäftstätigkeit<br />
ihrer Tochtergesellschaften, Zulieferer und<br />
Geschäftspartner überprüfen und für deren Verfehlungen<br />
haften.<br />
2. POSITION SWISSMECHANIC<br />
<strong>Swissmechanic</strong> Schweiz empfiehlt die Ablehnung.<br />
3. BEGRÜNDUNG<br />
<strong>Swissmechanic</strong> unterstützt die Einhaltung und die<br />
Umsetzung der Menschenrechts- und Umweltstandards,<br />
lehnt jedoch die von der Initiative vorgeschlagenen<br />
Massnahmen in Bezug auf die Sorgfaltspflicht<br />
und insbesondere die Haftungsregeln klar ab. Die<br />
Initiative legt dem Schweizer Wirtschaftsstandort<br />
durch diesen Alleingang unnötig Steine in den Weg<br />
und verursacht einen erhöhten bürokratischen Aufwand.<br />
HAFTUNG<br />
Bei einem Ja zur Konzernverantwortungsinitiative<br />
(KVI) müssten Schweizer Unternehmen all ihre Geschäftsbeziehungen<br />
(Lieferanten, Kunden) umfassend<br />
überwachen und wären haftbar für Verfehlungen<br />
von Dritten. Das bedeutet: Ein Unternehmen<br />
würde nicht mehr nur für sich selbst, sondern neu<br />
auch für rechtlich eigenständige Tochterfirmen, Filialen<br />
oder wirtschaftlich abhängige Firmen haften.<br />
SCHWEIZER ALLEINGANG<br />
Bei Annahme der Initiative wären Schweizer Gerichte<br />
gezwungen, Vorgänge im Ausland zu beurteilen.<br />
Dies ist in zweierlei Hinsicht heikel: Zum<br />
einen ist die Beweiserhebung schwierig. Zum anderen<br />
erhielte das Schweizer Recht Vorrang über<br />
das ausländische, was zu einer Situation von rechtlicher<br />
und politischer Unsicherheit führen würde.<br />
Wirtschaftliche Unsicherheit wäre die Folge, und<br />
die Schweizer Wettbewerbsfähigkeit würde geschwächt.<br />
Gleichzeitig wäre es für die Unternehmen<br />
ein Einfaches, diese Regeln zu umgehen, indem<br />
sie ihren Sitz ins Ausland verlegen. Kurzum:<br />
Eine Gesetzgebung, die nicht international abgestimmt<br />
ist, würde den Wirtschaftsstandort Schweiz<br />
einseitig schwächen.<br />
SICHT DER KMU<br />
KMU mit geringen Risiken – insbesondere rein in<br />
der Schweiz tätige KMU ohne internationale Zulieferkette<br />
– sind von der KVI ausgeschlossen. Auch<br />
wenn damit eine Vielzahl der Schweizer KMU von<br />
der Umsetzung der KVI nicht tangiert werden, kann<br />
von einer generellen Entlastung nicht gesprochen<br />
werden. KMU, die in irgendeiner Form mit potenziell<br />
problematischen Waren oder Zulieferern operieren,<br />
sind von der KVI direkt betroffen und müssten bei<br />
Annahme der Initiative aufwendige Kontrollinstanzen<br />
installieren.<br />
Fazit: Die Initiative führt zu Rechtsunsicherheit und<br />
gefährdet Arbeitsplätze im In- und Ausland. Die<br />
Initiative ist ein Schweizer Alleingang, bedeutet eine<br />
unverhältnismässige Mehrbelastung für Schweizer<br />
Unternehmen und gefährdet den Werkplatz<br />
Schweiz. Das können wir uns – gerade in der Corona-Krise<br />
– nicht leisten. n<br />
INDIREKTER GEGENVORSCHLAG ZUR KVI<br />
Das Parlament hat einen indirekten Gegenvorschlag<br />
zur Initiative verabschiedet, den auch der<br />
Bundesrat unterstützt. Der indirekte Gegenvorschlag<br />
tritt nur in Kraft, wenn die Initiative abgelehnt<br />
wird und kein Referendum gegen ihn<br />
zustande kommt. Sollte ein Referendum zustande<br />
kommen, so würde der Gegenvorschlag<br />
dem Stimmvolk zur Abstimmung vorgelegt.<br />
Der Gegenvorschlag zur Volksinitiative enthält<br />
keine neuen Haftungsregelungen, aber Berichterstattungspflichten<br />
für bestimmte Unternehmen<br />
(samt Busse bei Nichteinhaltung der<br />
Berichterstattungspflicht). Zudem müssen die<br />
Unternehmen Sorgfaltsprüfungspflichten erfüllen,<br />
wenn es um «Konfliktmineralien» (Mineralien,<br />
die dazu verwendet werden, bewaffnete<br />
Konflikte in politisch instabilen Regionen zu finanzieren)<br />
und Kinderarbeit geht.<br />
<strong>Swissmechanic</strong> unterstützt den indirekten Gegenvorschlag.<br />
Dieser stellt eine zukunftsgerichtete,<br />
international abgestimmte Lösung dar und<br />
verhindert, dass Schweizer Unternehmen missbräuchlichen<br />
Klagen und unberechenbaren<br />
Recht srisiken ausgesetzt und Schweizer Gerichte<br />
mit unmöglich zu führenden Prozessen konfrontiert<br />
werden.<br />
JOURNAL N o 7 November <strong>2020</strong> | 91. Jahrgang