Leichtathletik INFORMationen 04/2016

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Titelseite:
War im ersten Jahr des von den FREUNDEN
finanzierten 400 m-Projektes dabei: Marvin
Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz), Deutscher
U 18-Meister 2014 und 2015 sowie Deutscher
U 20-Meister 2016 über 400 m in 46,87 sec.
Titelfoto:
Ed Turk (Stellv. Vorsitzender bei den Vrienden
van de Atletiek, unseren Freunden in
den Niederlanden), auf dessen Homepage
www.edturk.com/Sport sich für Leichtathletik
fans jederzeit ein Besuch lohnt.
Liebe Freunde der Leichtathletik,
liebe Leichtathletikfreunde,
bei der Annäherung an einen Jahreswechsel, speziell an einen wie den vor uns liegenden,
fällt der Leichtathletikfreund gern mal der Nachdenklichkeit anheim: Wie
war es denn Anno 2016, und was darf er vom Jahr danach erwarten? Solche Fragen
eben. Frei heraus und ungeschminkt: Selten eine so kritische Saison erlebt, sogar
1948, als alles noch in Schutt und Asche lag, war die Leichtathletik per se weniger
Gefahren ausgesetzt. Und heute? Da wurde einem zuweilen der Eindruck vermittelt,
als preschten die apokalyptischen Reiter durchs Unterholz dieses Sports.
Tatsächlich wurden sämtliche Schweinereien, zu denen der Kommerzsport fähig
ist, zu einem Berg von übel riechenden Unrat aufgehäuft und der Leichtathletik
vor der Haustür abgeladen: Staatlich orchestriertes Massendoping in Russland,
vom Geheimdienst manipulierte oder vernichtete Positivproben, eine mit mafiosen
Methoden korrumpierende Familie des Ex-Präsidenten der IAAF, Verhaftungen,
Mitwisserschaften in den höchsten Gremien, Hackerattacken auf die WADA,
dutzende bei Nachtests auffliegende Medaillengewinner, meist Russen, Länder,
die sich einen Dreck um Antidopingregeln scheren.
All diese staatlichem Prestigedenken und Geldgier schamloser Funktionäre
geschuldeten Verfehlungen haben die angeschlagene Glaubwürdigkeit der
Leichtathletik weiter ausgehöhlt und den Vertrauensverlust der Fans in ihren Sport
vermehrt. Berücksichtigt man ferner die „manchmal demütigende Rolle“ (Luciano
Barra-Italien, Ex-Spitzenfunktionär, in einem auch auf der Facebookseite der
FREUNDE veröffentlichten Brief an IAAF-Chef Sebastian Coe), die den Leichtathleten
bei den Spielen in Rio zugedacht war und das latente Misstrauen gegenüber
Jahrhundertrekorden, dann ist die Sorge um den Stellenwert, zumal den olympischen,
nicht unbegründet.
Was also ist unter diesen Vorzeichen zu erwarten von der Zeit nach 2016? Wer
doch noch Hoffnung hat, wird darauf verweisen, dass die IAAF und ihr Präsident
respektabel gehandelt haben, als sie die Komplettsperre der Russen für die Rio-
Spiele durchboxten und so - im Gegensatz zum IOC und anderen Verbänden - ein
wichtiges Zeichen setzten: Schluss jetzt mit ineffektiven Antidopingaktionen! Gespannt
sein darf man zudem auf die Compliance-Reform („Time for Change“) der
IAAF und auf das Ergebnis der Arbeit an der Baustelle Wettkampfstruktur. Stichwörter:
Diamond League und Meisterschaftsprogramm. Nichts von Veränderung
sei auszuschließen, fordert der Präsident. Kein schlechter Vorsatz.
Und die deutsche Gemengelage? Vorweg: Mit den globalen Skandalen hat die
DLV-Leichtathletik nichts zu tun, allenfalls wurde sie von ihren Auswirkungen berührt
(verminderte Chancengleichheit, öffentliche Stimmung). Wie mit der nicht
zufrieden stellenden Rio-Bilanz umgegangen wird, hängt auch ab von den bevorstehenden
Veränderungen im eigenen System (Idriss Gonschinskas Aufstieg zum
alleinigen Sportchef, neues Bundestrainerteam, neuer Generaldirektor) und von
der neuen leicht verzopften DOSB-Förderstruktur, deren Ziel, verstärktes Medaillenhäufeln,
zum jetzigen Zeitpunkt auch vom DLV („Ich brauche keinen Medaillenspiegel“/Gonschinska)
vermutlich kritisch beäugt werden wird. Dass Rio nur ein
„Ausrutscher“ (Präsident Clemens Prokop) war, muss sich bei der WM 2017 erweisen.
Immerhin, die EM 2018 im eigenen Land sollte Beine machen.
In diesem Sinne, Freunde, gehen auch wir es an.
Michael Gernandt
Leichtathletik INFORMationen 2