16 <strong>ST</strong>/A/R Buch II - RKI Nr. <strong>12</strong>/2006 –GOD BLESS– Barbara Sophie Nägle Christian Pußwald Eine Ausstellung im Rahmen des Amerika-Schwerpunkts der Kunsthalle Wien im Herbst/Winter 06/07. 1. Dezember 06 – 2. April 07 im Museumsquartier, A-1070 Wien Barbara Sophie Nägle „before later“ # 25 2003 Christian Pußwald „Big Trophy“ Detail / aus Mentale Algorithmen, Bildmontage 2006 photo wall @ le méridien wien Christian Pußwald Eine Kooperation der Kunsthalle Wien mit dem Hotel 6. Dezember 06 – 30. Juni 07 Hotel Le Meridien Opernring 13, A-1010 Wien Museumsplatz 1 im , A-1070 Wien | Tägl 10-19 Uhr, Do 10-22 Uhr | Infoline +43-1-521 89-33 | www.kunsthallewien.at inserat star CP cb2.indd 1 01.<strong>12</strong>.2006 15:37:13
Städteplanung / Architektur / Religion Buch III - Wurm <strong>ST</strong>/A/R 17 Leopoldstadt, 2004, © Atelier Erwin Wurm Das Inhalieren der Welt als Künstler Ein großer Teil meiner Arbeit passiert aus dem Bauch Interview mit Erwin Wurm am 23. 10. 2006 im Cafe Prückl, (Erwin Wurm, Christian W. Denker, Thomas Redl) Erwin Wurm Thomas Redl: Ich habe die aktuelle Ausstellung im Mumok gesehen und meine erste Frage ist: Ganz signifikant für deine Arbeit, finde ich, ist eine modifizierte Körperlichkeit, die sich einerseits auf den menschlichen Körper bezieht und andererseits auf das Objekt – ist das ein zentraler Teil deiner aktuellen Auseinandersetzung? Erwin Wurm: Bildhauerei beschäftigt sich nun mal primär mit dem Körper, wenn man den Menschen bearbeitet. Aber auf der anderen Seite interessiert mich der Körper ja nicht, sondern mich interessiert die Einheit, die Ganzheit des Menschen, der Körper ist ja nur ein Teil, also alle anderen Teile sozusagen, die die ganzen psychologischen Aspekte, das Mentale, all diese Dinge, und da ist ja das Körperliche, der Körper in dem Sinn ja nur ein Teil. Wie ich zu diesem Bild komme, dass es so aussieht, wie wenn es quasi primär um das Körperliche ginge, das hängt wahrscheinlich damit zusammen, das ich einige Dinge fett gemacht habe und das nur deswegen, weil ich die Skulptur immer nur als Katalysator eingesetzt habe oder versuche als Katalysator einzusetzen; weil ich über diese sture Verbindung des Alltäglichen und der Welt, die mich umgibt, mit dem Skulpturalen auf eine andere Ebene komme, wenn ich zufällig dadurch auf soziale Aspekte komme, aufs Philosophische, auf alles mögliche. Es ist, um ein einfaches Beispiel aufzuzeigen – das habe ich schon oft gesagt –, also Bildhauerei Arbeit am Volumen. Und zu- und abnehmen ist, kann man auch sagen, Arbeit am Volumen; in gewisser Weise kann man auch den Schluss ziehen, zuund abnehmen ist Bildhauerei. Ich habe zum Beispiel ein Video gemacht, wo ich jemanden gebeten habe seine gesamte Garderobe, die er besitzt, auf einmal hintereinander anzuziehen, das heisst, er ist skulptural gewachsen und ist mächtiger und kräftiger geworden auf der einen Seite, auf der anderen Seite kam sofort ein sozialer Aspekt dazu, nämlich der, dass die Obdachlosen oder die Homeless ihr gesamtes Hab und Gut, das sie besitzen, ja mit sich herumschleppen. Das heißt, das kam da sozusagen dazu geflogen, es war nicht beabsichtigt dieser Aspekt, und der nächste Aspekt war zum Beispiel ein Gegenteiliger. Wie ich die gleiche Aktion noch mal im öffentlichen Raum gemacht habe. Ich habe ein Paar gebeten in einem Geschäft so viele Kleidungsstücke anzuziehen wie sie können und damit dann hinauszugehen, auch da kippt das dann sofort um und es ist ein anderer Aspekt da, der des Konsumierens, dass, was sozusagen unsere Zeit auch ausmacht. Also zwei verschiedene soziale Aspekte aufgrund eines Themas nur durch eine leichte Verschiebung. Das ist das interessante für mich, also die Skulptur, die als Katalysator eingesetzt wird, und was dann Letztendes herauskommt, wo es sich dann hin bewegt, das kann man schon ein bisschen steuern, es passiert aber auch sehr oft, dass ich überrascht werde von den Ergebnissen und den Beziehungen, die sich da auftun. Ja und zu dem Fetten – ich muss leider so lang und kompliziert antworten –, zu dem Dicken noch, also dieses Spiel mit dem Fett, da habe ich begonnen, die beiden liebsten Repräsentationsgüter, das Haus und das Auto, dick zu machen, mächtig zu machen, auch um diesen Objekten einen menschlichen Aspekt zu geben. Man verbindet ja mit dem dicken Auto plötzlich ein Gesicht oder etwas mehr, eine, wie soll ich sagen, menschliche Form und das gleiche passiert mit dem Haus, da ensteht dann auch ein sichtbares Gesicht und plötzlich kommt der Aspekt des Menschlichen hinein. Der wurde dann noch verstärkt dadurch, dass ich diese Skulpturen dann animiert habe und das Haus tatsächlich sprechen lasse und das Auto auch tatsächlich sprechen lasse. Da ist dann, was zufällig aufgetaucht ist, noch einmal verstärkt worden. TR: Für mich kommt so eine Art psychophysische Realität zutage, also die Körperlichkeit, die jetzt in dem Skulpturalem vorhanden ist, zeigt für mich ein Spezifikum einer mentalen, psychischen oder auch sozialen Befindlichkeit und es manifestiert sich eine neue Realität, die sich über die Körperlichkeit ausdrückt. EW: Ja klar, aber ich möchte es nicht nur auf dem Körperlichen belassen, weil das sozusagen nur ein Aspekt unserer Realität ist. Das ist nur ein Teil von uns, nicht mehr. Du bestehst aus Körper und du bestehst aus all dem anderen – es wäre eine schräge Verkürzung, wenn man dich nur als Körper sehen würde, darum sage ich, es ist das andere immer wichtig. Das Haus spricht ja auch, das Auto spricht ja auch – die haben ja etwas zu sagen – da geht es auch um die Psyche, auch um ihre Gedanken, ihre Gedankenwelt, um all das. Darum ist es für mich, wenn man nur das Körperliche anspricht, eine Verkürzung. Fat convertible, 2005, mixed media