46 <strong>ST</strong>/A/R Buch VI - MAK insight Nr. <strong>12</strong>/2006 mand – kein Politiker, kein privater Bauträger – sagt: das kommt überhaupt nicht in Frage, oder: sie erhält Unterstützung, da fühlt sich plötzlich niemand verantwortlich. Alle schreien, wir haben den Nouvel, Zaha Hadid, Coop Himme(l)blau, aber im Prinzip passiert nichts. Warum passiert nichts? Diese Frage muss man sich stellen: Warum passiert nichts in Wien? Warum passiert trotz aller Anstrengungen nichts, das etwas mit dieser Stadt, vielleicht auch Anspruch auf Architektur, zu tun hätte? Boulevardzeitungen kann man ständig füttern und füllen, aber am Ende ist nichts passiert. T.R.: Nun ja, ich glaube, das ist gesellschaftlich zu sehen, und es ist ein regressiver Konservatismus. H.G.: Es bringt nichts, herumzujammern oder im Kreis zu denken, sondern es geht darum, dass man die Kritik, die du formulierst, ernst nimmt und daraus etwas macht. Deswegen sitzen wir eigentlich da. Und in deinem Machen drückst du ja aus, dass du dagegen kämpfst. P.N.: Ja, aber es ist ein sehr einsamer und auch sehr emotioneller Kampf. Trotzdem glaube ich, bei allem persönlichem Empfinden, dass ich auch das Sensorium dafür habe, dass man aus dem Potential, das hier herrscht, ganz etwas anderes machen kann. Nochmals: Es ist unglaublich, was es für tolle Kräfte gibt, die hier brachliegen. Es ist auch das Problem der Demokratie, dass sie mangels Ideen ausgehungert wird und jetzt daran ist, in einer Affengeschwindigkeit die Bürgerrechte zu zermalmen. So werden aus irgendeinem Grund völlig gedankenlos Videokameras installiert usw., aber es gibt keine Vision, wie und wohin sich diese Gesellschaft entwickeln soll. Die Kunst ist sozusagen der einzige Sauerteig, der da noch etwas zum Gären bringen kann. Wenn man die Kunst domestiziert, dann geht, so fürchte ich, diese letzte Chance auch verloren. T.R.: Dann hat sie eine reine Repräsentanzfunktion. P.N.: Andererseits werden durchschnittliche Maler aufgeblasen, was natürlich auch Konsequenzen hat: Die werden so lange hochstilisiert, bis dann einmal das ganze Konstrukt in sich zusammenbricht. Und alle Museumsdirektoren und Kulturtragenden sind dabei und lassen sich verführen, nur weil diese Maler irgendwelche Preise am Kunstmarkt erzielen. Dabei hat der Kunstmarkt überhaupt nichts mit Kunst zu tun, das ist ein Markt wie jeder andere Markt. Wien hätte so viele Chancen. Da gibt es Menschen, die attackieren noch, ganz junge, aber auch alte wie der Arnulf Rainer, die sich in ihrer Arbeit ununterbrochen selbst angreifen, sich selbst attackieren, immer noch versuchen, etwas anders zu machen. Rainer macht jetzt seit drei Jahren ganz etwas anderes, atemberaubende Fotografien, lässt sich auf ein Experiment ein. Der sagt nicht: Ich bin der große Rainer, einer der wichtigsten Künstler in Österreich nach 1945, und darauf bleibe ich sitzen. Nein. Viele seiner Studenten sitzen schon lange, er nicht! H.G.: Diese – berechtigte! – Kritik sollte für uns ein Antrieb sein, um unsere Arbeit fortzusetzen. Auch das Interview mit dir war gedacht, um diese Kräfte zu mobilisieren, die wir uns alle herbeiwünschen. Der Boden dafür ist da – es geht darum, jetzt etwas zu machen. T.R.: Die Situation in Wien ist sehr ambivalent. Einerseits gibt es eine sehr lebendige Galerieszene, es gibt die Hochschulen, es gibt die Künstler, die hier leben, es gibt viele Leute, die hier studieren. Auf der anderen Seite gibt es ein unglaublich konservatives Sammlerpublikum, es gibt die konservative Haltung der Gesellschaft. Es ist absurd: Es gibt eine sehr lebendige Szene, die schwer an etwas andocken kann. So erlebe ich die Situation meiner Generation. Foto: © Christian Skrein Die Übergabe der GALAXY-Fauteuils an den Architekten / Walter Pichler, Gustav Peichl, Peter Noever. Wien 1967 P.N.: Ich glaube, ein Problem ist die Information. Die Medienlandschaft – Medienlandschaft ist ein komischer Begriff –, diese Medienformation ist grundsätzlich, mit wenigen Ausnahmen, total konservativ. Das ist ein Filter, durch den nichts durchgeht. Eine anständige Kunstinstitution muss selber ihre Botschaft transportieren, die kann sich nicht darauf verlassen, dass jemand anderer sich das anschaut und vermittelt. Das geht nicht. Die Kunst muss ungefiltert direkt an die Menschen gehen. Das ist ein eklatantes Problem. Wir versuchen in unseren Ausstellungen den Künstler in seiner pursten Reinheit zu zeigen, das ist sozusagen die Spezialität des Hauses. Wir machen keine Kuratorenausstellungen mit komplizierten Zusammenhängen, für die man Künstler nimmt, die das illustrieren. Nur: Es genügt nicht zu sagen, der Künstler muss eine Ausstellung machen. Man muss ihn provozieren, man muss ihn lieben, man muss ihn leiten, man muss das Ganze wieder zum Abbruch bringen, man muss versuchen, mit dem Künstler in irgendeinen Dialog zu kommen. Jeder ist anders, und es gibt keine allgemein gültige Methode. Mit Managementmethoden geht es jedenfalls nicht. Es geht darum, sich auf eine Person, und die muss man schätzen, einzustellen, sich auf sie einzulassen. Das hat natürlich viel mit Subjektivität zu tun, und es ist meine Pflicht, diese Subjektivität öffentlich zu machen. H.G.: Auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass du mit dieser Anschauung, mit der Kritik, die du übst, doch Direktor des Museums geworden bist. Wir können uns frei artikulieren, können in Österreich eine Zeitung machen und sagen, was wir wollen. Es gibt schon auch positive Seiten. P.N.: Absolut. H.G.: Als Abschluss des Gesprächs noch eine letzte Frage: Welche Sportart spiegelt deine Arbeitsweise am ehesten – siehst du dich eher als Boxer oder Fechter oder Judoka oder Ringer? T.R.: Ein Boxer wird mit einem Schlag berühmt, ein Künstler braucht hunderte Schläge. P.N.: Ich kann das nicht in eine Sportart transformieren, da gibt es nichts, was mir so nahe ist. Ich glaube auch, dass Kunst nicht unbedingt mit Sport zu tun hat. Mir geht es darum zu versuchen, den Dingen, die hier passieren – vielleicht ist das auch etwas romantisch –, gerecht zu werden. Wenn man einen Künstler ins Haus einlädt, muss man versuchen, ihm zu entsprechen. Das heißt nicht, dass man einfach sagt, du machst, was du willst, sondern man muss ihn wirklich fordern. Vielleicht ist das dann das sportliche Element, das mich reizt. Jeder Künstler hat eine völlig andere Geschichte. Zum Beispiel Vito Acconci: Seine Ausstellung fand in der Ausstellungshalle statt, die 40 Jahre irgendein Depot war. Sie wurde ausgeräumt, saniert, renoviert und mit Klimaanlage versehen. Dann habe ich den Acconci eingeladen. Er hat verschiedene Ideen gehabt, und schließlich kam es dazu, die MAK-Ausstellungshalle 1:1 noch einmal zu bauen. Das Skylight, das Glasdach war natürlich nicht begehbar. Acconci wollte, dass bei seiner Intervention die Besucher das Glasdach begehen können, also wurde es für die Ausstellung ganz solide gebaut. Als die Ausstellung zu Ende ging, ist Acconci zwei Tage im Stadtpark gesessen und war einfach traurig. Er hat nur geschaut, wie sie da alles rausgeräumt haben. Denn das war für ihn ein Herzschnitt. Es gibt kein anderes Museum auf der Welt, das hat er auch immer betont, wo er so etwas nur ansatzweise hätte andenken können. H.G.: Ein schöner Schlusssatz! MAK JETZT Los Angeles: Schindler House und Pearl M. Mackey House Das MAK Center for Art and Architecture (Rudolph M. Schindler, Studio und Wohnhaus, 1921/22), 1994 von Peter Noever gegründet, präsentiert Innovationen in Kunst und Architektur sowie neue Tendenzen und interdisziplinäre Entwicklungen. Das Pearl M. Mackey House (Rudolph M. Schindler, 1939) wurde 1995 durch die Republik Österreich angekauft und im Rahmen der MAK Schindler Initiative als erstes österreichisches Künstlerhaus in den USA begründet. MAK-Expositur Geymüllerschlössel Das Geymüllerschlössel, das authentische Biedermeier- Ensemble, präsentiert sich als Gesamtkunstwerk, in dem Natur und Kunst, aber auch historische und zeitgenössische Positionen in Dialog treten: 1997 hat Hubert Schmalix seine Skulptur „Der Vater weist dem Kind den Weg“ im Park der Anlage errichtet und 2004 wurde der Skyspace „The other Horizon“ des amerikanischen Künstlers James Turrell aufgestellt. MAK-Gegenwartskunstdepot Gefechtsturm Arenbergpark Das bereits seit 1995 bestehende MAK- Gegenwartskunstdepot präsentiert mittlerweile die gesamte Gegenwartskunstsammlung des MAK. Josef Hoffmann Museum, Brtnice Das Geburtshaus Josef Hoffmanns in Brtnice, Tschechische Republik, für das sich das MAK seit den frühen 90er Jahren engagiert, wurde mit Beginn 2006 zum Josef Hoffmann Museum – eine gemeinsame Expositur des MAK Wien und der Moravská galerie, Brno. Philip Johnson – Wiener Trio Seit 1998 befindet sich Philip Johnsons „Wiener Trio“ am Franz-Josefs-Kai/ Schottenring. Philip Johnson hat das Objekt 1996 für die Ausstellung „Turning Point“ im MAK konzipiert. Donald Judd – Stage Set Donald Judds „Stage Set“ ist Ausdruck einer kompromisslosen Vision zwischen Kunst und Architektur. Innerhalb eines 7,5 x 10 x<strong>12</strong>,5 m dimensionierten Stahlgerüsts sind sechs verschiedenfarbige Stoffbahnen in unterschiedlicher Höhe angebracht. Donald Judd hat das „Stage Set“ im Jahr 1991 anlässlich seiner Ausstellung „Architektur“ für das MAK entwickelt. Seit 1996 befindet sich die Skulptur im Wiener Stadtpark. Franz West – Vier Lemurenköpfe Die „Vier Lemurenköpfe“ wurden anlässlich der Ausstellung „Franz West: Gnadenlos“ im Jahr 2001 an der neben dem MAK befindlichen Stubenbrücke aufgestellt. James Turrell – MAKlite Die permanente Außeninstallation (1998/2004), des amerikanischen Künstlers James Turrell verleiht dem Gebäude eine neue Dimension sinnlicher Wahrnehmung. Durch dieses dauerhafte, aber ungreifbare Kunstwerk kehrt das MAK seine Inhalte nach außen und kommuniziert in die städtische Umgebung wortlos, aber umso präziser die komplexen Verhältnisse, Bewegungen und Kräfte, die das Leben menschlichen Geistes schafft. MAK MORGEN Chris Burden – URBAN LIGHT Achse / Wien Zentrum / Stadtpark / MAK / Wien Mitte Projekt Urban Light: Michael Embacher, Peter Noever Der Künstler illuminiert mit seiner Installation bzw. Groß- Skulptur den städtisch-öffentlichen Raum. 150 original historische gusseisern-ziselierte Straßenlaternen aus Los Angeles sollen kolonnadenartig vor dem MAK postiert werden; Burdens städtebaulich-künstlerische Intervention zeichnet einen neuen Leitstrahl, verbindet das nahe beim Zentrum gelegene MAK mit dem dynamischen Stadtteil rund um Wien Mitte. CAT – Contemporary Art Tower Mit dem Projekt CAT (Peter Noever/Sepp Müller/Michael Embacher) wurde eine radikal neue programmatische Strategie zur Präsentation zeitgenössischer Kunst entwickelt. Ziel ist es, im 1942/43 errichteten Gefechtsturm Arenbergpark die Sammlung des 21. Jahrhunderts aufzubauen.
Nr. <strong>12</strong>/2006 Buch VI - MAK insight <strong>ST</strong>/A/R 47 Foto: © Karl Michalski / MAK Foto: © Rüdiger Andorfer / MAK Kunstaktion „GegenwartsKunst in die Regierung“ Transparent am MAK Gegenwartskunstdepot, Gefechtsturm Arenbergpark 2006 Z-Filiale Günther Domenig / Ein Ministerium für die Kunst, Projektion auf die Feuerwand der Universität für angewandte Kunst Wien, Aktionsnacht im MAK-Garten, 21. September 2006 Foto: © Peter Kainz Kunstaktion „GegenwartsKunst in die Regierung“ initiiert von Gerald Bast und Peter Noever (mit Erwin Wurm und Georg Driendl), Wien 2006