FOCUSMONEY_2021-04_Vorschau
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MONEYINSIDE<br />
Foto: D. Gust/FOCUS-MONEY<br />
Warum es nicht unsolidarisch ist,<br />
ausreichend Impfstoff zu bestellen<br />
Jetzt haben wir den Schlamassel! Mehrere Impfstoffe gegen das<br />
Coronavirus sind vorhanden, doch die EU hat nicht genügend<br />
davon bestellt. Vielleicht hätte mal jemand der EU-Kommission einen<br />
Taschenrechner ausleihen sollen.<br />
446 Millionen Menschen mal 60 Prozent für die Herdenimmunität<br />
mal zwei Impfungen macht 535 Millionen zu bestellende<br />
Impfdosen. Oder: 446 Millionen Menschen mal 30 Prozent für die<br />
besonders gefährdeten mal zwei Impfungen macht 267 Millionen<br />
zu bestellende Impfdosen. Eigentlich gar nicht so schwer, oder?<br />
Und weil man ja im Vorfeld nicht genau weiß, welcher Hersteller<br />
bei der Entwicklung des Impfstoffs erfolgreich ist, bestellt man<br />
die erforderliche Anzahl der Impfdosen einfach bei mehreren<br />
Herstellern.<br />
Einmal angenommen, die Entscheider in Brüssel besitzen wider<br />
Erwarten doch einen Taschenrechner: Welche Argumente hätten<br />
sie abhalten können, genügend Impfstoff zu bestellen?<br />
Erstens: Die Bestellung einer derart großen Menge an Impfstoff<br />
wäre anderen Ländern gegenüber unsolidarisch. Das ist falsch!<br />
Zum einen haben Länder wie die USA auch entsprechende Mengen<br />
bestellt und verabreichen derzeit pro 100 Personen mehr als<br />
doppelt (!) so viele Impfdosen wie Italien, mehr als dreimal (!) so<br />
viele Dosen wie Deutschland und mehr als zehnmal (!) so viele Dosen<br />
wie Frankreich. Nachzulesen auf der Internet-Seite der Universität<br />
Oxford https://ourworldindata.org/covid-vaccinations.<br />
Zum anderen verkennt dieses Argument ein zentrales Argument<br />
der Marktwirtschaft: Mehr Nachfrage schafft auch mehr Angebot.<br />
Die EU-Kommission hätte den Herstellern bereits im Frühjahr eine<br />
Versicherung abgeben können, für die Kosten der Produktionskapazitäten<br />
aufzukommen. Sie hätte dazu zum Beispiel eine Garantie<br />
übernehmen können, den vereinbarten Umsatz abzüglich eines<br />
Abschlags, je nachdem zu welchem Zeitpunkt das Projekt<br />
Erfolg hat oder scheitert, auf jeden Fall zu bezahlen. Dann hätten<br />
die Hersteller mehr Produktionskapazitäten aufbauen können, weil<br />
ihre Kosten gedeckt wären, die Impfdosen könnten schneller hergestellt<br />
werden und wir hätten im Idealfall nicht nur uns geholfen,<br />
sondern auch der ganzen Welt. Die überschüssigen Impfdosen (weil<br />
wir ja bei mehreren Herstellern bestellt hätten), hätten wir an reiche<br />
Länder mit einem Aufschlag verkaufen oder an ärmere Länder<br />
verschenken könnten. „Mehr Solidarität kann man sich kaum<br />
vorstellen“, urteilt der Ökonom Daniel Stelter.<br />
Ein zweites Argument, das gegen die Bestellung der Impfdosen<br />
vorgebracht werden könnte: Das wäre zu teuer. Auf seiner Internet-Seite<br />
think-beyondtheobvious.com macht Stelter dazu eine interessante<br />
Rechnung auf: Allein für Deutschland beziffert das Institut<br />
für Weltwirtschaft den ökonomischen Schaden durch die<br />
Corona-Maßnahmen auf rund 400 Milliarden Euro für zwei Jahre<br />
oder umgerechnet 4 Milliarden Euro pro Woche. Wenn Deutschland<br />
wie derzeit pro Woche 250000 Menschen impft, dauert es bei<br />
der Verabreichung von zwei Impfdosen 200 Wochen, bis die 25 Millionen<br />
besonders Gefährdeten geimpft sind, und rund 400 Wochen<br />
bis zur „Herdenimmunität“. Wenn wir hingegen wie in Israel<br />
150000 Menschen pro Tag impfen würden, wären wir in 48 Wochen<br />
mit der Impfung der besonders Gefährdeten durch.<br />
Frank Pöpsel,<br />
Chefredakteur<br />
Genügt die Impfung der 25 Millionen besonders Gefährdeten,<br />
um weitgehend zur wirtschaftlichen Normalität zurückkehren zu<br />
können, reduziert der israelische Weg in Deutschland den wirtschaftlichen<br />
Schaden um rund 600 Milliarden Euro (152 Wochen<br />
mal 4 Milliarden Euro). Selbst wenn man den Schaden für die wärmeren<br />
Monate auf null setzt, kommen wir auf einen Nutzen von<br />
rund 300 Milliarden Euro. Theoretisch könnten wir – allein in<br />
Deutschland! – bis zu 300 Milliarden Euro für eine schnelle Impfung<br />
ausgeben und es wäre immer noch ein Geschäft.<br />
Von derartigen Impfkosten sind wir jedoch weit entfernt! Selbst<br />
die teuerste Impfung – die von Biontech/Pfizer kostet pro Dose weniger<br />
als 15 Euro – macht bei zwei erforderlichen Impfungen 30<br />
Euro. Rechnet man noch die Kosten der Impfung selbst hinzu, liegen<br />
wir weit unter 100 Euro pro Kopf, macht 2,5 Milliarden Euro<br />
für die 25 Millionen besonders Gefährdeten in Deutschland.<br />
Den Aufwand für die Kostengarantie an die Hersteller für den<br />
Aufbau der Produktionskapazitäten beziffert Stelter für Deutschland<br />
auf zusätzlich rund 5,5 Milliarden Euro, sodass sich für<br />
Deutschland Gesamtkosten von rund acht Milliarden Euro, für die<br />
EU Gesamtkosten von rund 40 Milliarden Euro ergeben. Stelters<br />
folgerichtiges Fazit: „Es wäre für Deutschland also billiger gewesen,<br />
der EU die 40 Milliarden für eine ordentliche Impfstrategie zu<br />
schenken, als mit dem Wiederaufbaufonds in eine unbegrenzte<br />
Schulden- und Transferunion einzusteigen.“<br />
Was lernen wir daraus: Ausreichend Impfstoff zu bestellen, ist<br />
weder unsolidarisch noch unökonomisch.<br />
Nicht ausreichend Impfstoff zu bestellen, hingegen unfähig – zumal<br />
zusätzlich angebotene Mengen von Biontech/Pfizer noch im<br />
November abgelehnt wurden!<br />
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FOCUS-MONEY 4/<strong>2021</strong><br />
3
MONEYINHALT<br />
Nr. 4 / 20. Januar <strong>2021</strong> www.money.de<br />
24 Titel: Die besten<br />
Dividendenaktien<br />
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MONEYTITELTHEMA<br />
24 Dividenden: Geldregen ohne Ende – mit welchen<br />
Strategien Anleger die hohen Ausschüttungen der<br />
Unternehmen nutzen<br />
26 Überrascher: Die Unternehmen werden mutiger und<br />
zahlen mehr – bis zu neun Prozent Rendite von<br />
deutschen Gesellschaften<br />
30 Dividenden-Könige: Jedes Jahr mehr – und das seit<br />
Jahrzehnten. 15 Aktien für die Ewigkeit<br />
33 Zertifikat: Ausschüttungen der Zukunft kaufen –<br />
so funktionieren Dividenden-Futures<br />
34 Mit Garantie: Abgabe von Einfluss gegen Geld –<br />
vier Prozent Rendite pro Jahr dank Beherrschungsvertrag<br />
36 Telekommunikations-Aktien: Hier kauft die<br />
Dividende die Aktie – Sie zahlen nichts, wenn Sie<br />
genug Geduld mitbringen<br />
39 Metalle: Fünf Aktien für die Fünf-Prozent-Dividende-Strategie<br />
42 Monatlich kassieren: So bekommen Sie zwölfmal im<br />
Jahr eine Ausschüttung<br />
46 Deutsche Post: Drei Prozent Dividendenrendite plus<br />
Fantasie auf eine Spezialdividende<br />
48 Zehnprozenter: Darf es etwas mehr sein? Hier sind<br />
zweistellige Renditen möglich<br />
51 Wachstum: Je stärker und schneller die Ausschüttungen<br />
steigen, desto nachhaltiger die Rendite, sagt ein<br />
Professor – die Hintergründe und Favoriten<br />
54 Öl: Uncool, aber hohe Dividenden und im Nach-<br />
Corona-Aufschwung Top-Kursaussichten – was für<br />
ExxonMobil, BP oder Royal Dutch Shell spricht<br />
58 Gesundheit: Zwei wachstumsstarke Health-Konzerne<br />
zahlen seit Jahrzehnten ihren Anlegern jedes Jahr<br />
mehr<br />
62 Steuerfrei: Dividende kassieren, ohne den Fiskus zu<br />
beteiligen? Das geht in Ausnahmefällen. So legen Sie<br />
steueroptimiert an<br />
4 Titel: Composing: FOCUS-MONEY<br />
FOCUS-MONEY 4/<strong>2021</strong>
MONEYMAKER<br />
6 Das große Markt-Interview: Der<br />
Chefvolkswirt der Privatbank Donner<br />
& Reuschel Carsten Mumm sieht in<br />
der Krise durchaus gute Chancen<br />
10 Deutsche Top-Ideen: Diese Aktien aus<br />
der zweiten Reihe spielen renditemäßig<br />
locker in der ersten Liga mit<br />
14 Biontech: Kaum jemand weiß, wie<br />
günstig der Impfstoff-Star bewertet ist<br />
17 DFV-Turnaround: Der Spezialversicherer<br />
steht nach einer Delle vor der Wende<br />
18 Medizintechnik: Der dänische Endoskop-<br />
Spezialist Ambu startet gewaltig durch<br />
20 Demokraten-Gewinner: Neuer Präsident, neue<br />
Chancen in den USA – auch für deutsche Anleger<br />
14<br />
Mehr als Impfstoff<br />
Klar, Biontech ist gerade<br />
wegen seiner Corona-Vakzine<br />
in aller Munde. Doch die<br />
deutsche Vorzeige-Biotech-AG<br />
bietet Patienten und Anlegern<br />
viel mehr – und ist extrem<br />
günstig bewertet<br />
MONEYMARKETS<br />
57 Chartanalyse: TecDax am Allzeithoch, Trading-<br />
Chance bei Platin<br />
61 Musterdepots: Stahl und IT auf der Kaufliste,<br />
Goldmarkt verharrt in der Korrekturphase<br />
DSW ANLEGERSCHUTZ<br />
64 Musterfälle: Ist die eingeschränkte Verrechnung<br />
von Totalverlusten rechtens? Die Anlegerschützer<br />
der DSW wollen das vor Gericht klären<br />
65 Standpunkt: Die Delisting-Welle rollt – eine<br />
bedenkliche Entwicklung<br />
MONEYSERVICE<br />
66 Gold: Geringe Kosten und Seriosität zeichnen gute<br />
Goldhändler aus. Welche Unternehmen erste Wahl<br />
sind – das zeigt die FOCUS-MONEY-Studie<br />
72 Schadenregulierung: Welche Assekuranzen leisten<br />
aus Sicht der Klientel ohne Streit und Ärger? Das<br />
enthüllt die große FOCUS-MONEY-Fairness-Studie<br />
78 Gesundheit: Körper und Geist umsorgen ist in.<br />
Welche Fitness-Angebote und Institutionen Kunden<br />
dabei sehr schätzen, zeigt DEUTSCHLANDTEST<br />
10<br />
Erkenntnis! Diese Klein-AGs sind top<br />
Welche Unternehmen verdienen in ihren<br />
Nischen hervorragend, auch wenn die Konjunktur<br />
schwächelt? Die hier vorgestellten deutschen<br />
Nebenwerte gehören auf jeden Fall dazu<br />
MONEYRUBRIKEN<br />
3 MONEYInside<br />
82 Leserbriefe • Impressum<br />
98 Terminkalender: Zahlen von Sartorius, Secunet<br />
und der Software AG<br />
MONEYKURSTEIL<br />
83 Fonds • 86 Aktien Deutschland<br />
92 Aktien international • 96 Zertifikate<br />
97 Neuemissionen<br />
Titelthemen sind mit<br />
roten Seitenzahlen<br />
gekennzeichnet<br />
20<br />
Hello Mr. Biden, hello Gewinne!<br />
Natürlich wechseln mit dem Präsidenten in den<br />
USA – von Donald Trump zu Joseph Biden – auch<br />
die Favoriten am Aktienmarkt. Hier stehen die<br />
aussichtsreichsten Nach-Wahl-Investments<br />
FOCUS-MONEY 4/<strong>2021</strong><br />
Inhalt: Fotos: Depositphotos, Adobestock (2), Biontech, Bloomberg Composing: FOCUS-MONEY 5
MONEYMAKER<br />
FOCUS-MONEY: Ein guter Börsenauftakt mag psychologisch<br />
wichtig sein, aber zwischen gesundem Optimismus und gefährlicher<br />
Sorglosigkeit verläuft oft ein schmaler Grat. Wandeln<br />
Anleger gerade am Rande des Abgrunds?<br />
Carsten Mumm: Auf jeden Fall scheint sich das neue Jahr<br />
so turbulent weiterzuentwickeln, wie das alte zu Ende gegangen<br />
ist. Der Hype gipfelt in der Entwicklung der Kryptowährungen.<br />
Der Bitcoin-Kurs hat 2020 um mehr als 300<br />
Prozent zugelegt und ist von seinem All Time High um<br />
40 000 Dollar in der ersten Januar-Woche mit einem Minus<br />
von 15 Prozent gestartet. Der Höhenflug der Märkte<br />
erscheint in Anbetracht der Entwicklungen rund um die<br />
Corona-Mutationen sowie der Situation in den USA überzogen.<br />
Wir sind Ende 2020 davon ausgegangen, dass wir<br />
am Anfang einer dynamischen wirtschaftlichen Erholung<br />
stehen. Diese müssen wir nach hinten verschieben. Wir<br />
wandeln also durchaus auf einem schmalen Grat von berechtigter<br />
Hoffnung auf wirtschaftliche Erholung durch<br />
INTERVIEW<br />
KRISE<br />
VITA<br />
Carsten Mumm<br />
Geboren 1975 in Heide<br />
Lehre zum Bankkaufmann und<br />
VWL-Studium in Hamburg<br />
Anlageprofi Mumm:<br />
Europäische Aktien haben<br />
gute Chancen,<br />
erstmals seit zwölf Jahren<br />
besser abzuschneiden<br />
als US-Aktien<br />
Berufseintritt bei der Privatbank<br />
Donner & Reuschel mit Zuständigkeiten<br />
für die Vermögensverwaltung,<br />
das Management von Spezialund<br />
Publikumsfonds sowie das<br />
hauseigene Research<br />
Seit 2017 ist Mumm Chefvolkswirt<br />
bei Donner & Reuschel und Leiter<br />
der Abteilung Kapitalmarktanalyse<br />
6 FOCUS-MONEY 4/<strong>2021</strong>
die Impfkampagnen einerseits und der Sorge um Shutdown-Verlängerungen<br />
durch die Virusmutationen andererseits.<br />
Schon möglich, dass die Märkte ein Stück zu weit<br />
gelaufen sind und erst einmal konsolidieren müssen, bevor<br />
sie weiter nach oben gehen.<br />
MONEY: Immerhin stecken wir in der größten Rezession seit<br />
Jahrzehnten. Das scheint die Börsen nicht zu tangieren . . .<br />
Mumm: Stimmt, aber auch der Umgang mit der Krise ist<br />
historisch beispiellos. Die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken<br />
seit zwölf Jahren hat seit Ausbruch der Corona-<br />
Krise nochmals enorm an Dynamik zugelegt. Und im Gegensatz<br />
zum Umgang mit der Finanzkrise kam die<br />
Fiskalpolitik dazu. Rund um den Globus haben die Staaten<br />
massive Fiskalpakete geschnürt. Das hat es zuvor nie gegeben<br />
und hat die Märkte auf ein Niveau gehoben, das wir<br />
uns vor acht Monaten nicht hätten vorstellen können.<br />
MONEY: Womit hatten Sie gerechnet?<br />
Mumm: Klassischerweise laufen Crashs an den Aktienmärkten<br />
so ab, dass es nach einem deutlichen Kursrutsch<br />
eine Gegenbewegung gibt, weil irgendwann wieder Hoffnung<br />
aufkeimt. Daraufhin folgt aber zumeist ein zweiter<br />
Abverkauf. Dieser ist diesmal ausgeblieben.<br />
MONEY: Als Folge der hohen Liquidität im Markt?<br />
werden diese wieder frequentiert werden. Doch das kann<br />
nicht nachgeholt werden. Man kann ja nicht doppelt so<br />
häufig ins Restaurant gehen . . .<br />
MONEY: . . . oder doppelt so viel essen.<br />
Mumm: (lacht) Stimmt. Entscheidend ist aber, dass sich<br />
die deutsche Industrie in einer sehr guten Situation befindet.<br />
Gemessen an den Auftragsniveaus, dem Ifo-Geschäftsklima-Index<br />
und den Einkaufsmanager-Indizes ist<br />
die Industrie auf einem Stand wie seit zwei Jahren nicht<br />
mehr. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die Industrie<br />
bereits vor der Corona-Krise in einer Rezession befand,<br />
die sie nun verlassen hat. Die Produktion brummt.<br />
MONEY: Ein Grund mehr für die Wirtschaftsliberalen, darauf<br />
zu beharren, die Industrie nicht zu schließen. Aber<br />
ist das in Anbetracht des möglicherweise dadurch verlängerten<br />
Teillockdowns gesamtwirtschaftlich sinnvoll?<br />
Mumm: Aus meiner Sicht wäre es volkswirtschaftlich fatal,<br />
die Industrie zu schließen. Das hätte heftige Folgen<br />
für die Realwirtschaft. Man muss alles daransetzen, sie<br />
offen zu halten. Die Wirtschaft brummt, weil Chinas Wirtschaft<br />
die Krise hinter sich gelassen hat und auf Vorkrisenniveau<br />
produziert. Das Land wird 2020 als einzige große<br />
Volkswirtschaft ein positives Wachstum erzielen.<br />
ALS CHANCE<br />
Wir stehen an einer Zeitenwende, sagt Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel.<br />
Wieso die Pandemie für Anleger neue Perspektiven eröffnet und der Dax auf 15000 Punkte steigen könnte<br />
Mumm: Sehr wahrscheinlich.<br />
MONEY: Inwiefern spielt auch die Angst der Anleger, am<br />
Aufschwung nicht teilzuhaben, eine Rolle?<br />
Mumm: FOMO – Fear of missing out? Über die vergangenen<br />
Feiertage hinweg eine große. Bei relativ dünnen Umsätzen<br />
trieb das die Märkte auf neue Höchststände.<br />
MONEY: Wer hat diese befeuert?<br />
Mumm: Am Jahresanfang vorwiegend institutionelle Anleger,<br />
die aufgrund der gestiegenen Indizes ihre Risikobudgets<br />
nachjustieren mussten. Eine Besonderheit der<br />
vergangenen Monate war jedoch, dass Privatanleger eine<br />
große Rolle spielten. Einige hatten wie in den USA aufgrund<br />
der Unterstützungsprogramme mehr Geld in der<br />
Tasche, das sie nicht ausgeben konnten. Und sie hatten<br />
Zeit. Viele sind zum richtigen Zeitpunkt eingestiegen.<br />
MONEY: Geld, das jetzt dem Konsum fehlt?<br />
Mumm: Nein. Es gibt eine enorme Menge an aufgestauter<br />
Nachfrage. Diese Nachfrage wird uns <strong>2021</strong> einen sehr<br />
dynamischen konjunkturellen Aufschwung bescheren.<br />
Der klassische Konsum ist im Übrigen gar nicht sehr eingebrochen,<br />
er ist lediglich vom stationären in den Online-<br />
Handel übergegangen. Der soziale Konsum hat nicht<br />
stattgefunden: Veranstaltungen, Reisen, Restaurantbesuche.<br />
Sobald die Shutdowns zurückgenommen werden,<br />
MONEY: Im Unterschied zum ersten Lockdown sind die<br />
Grenzen offen und die Lieferketten weitestgehend intakt . . .<br />
Mumm: Ja, während die Google-Mobilitätsindizes, die<br />
den Einzelhandel und Freizeitsektor abbilden, nach unten<br />
zeigen, befinden sich der Lkw-Mautfahrzeug-Index<br />
und der Welthandel wieder auf Vorkrisenniveau.<br />
MONEY: Taugt China als Vorbild für die westliche Welt?<br />
Mumm: Aus epidemiologischer Sicht bestimmt. Doch China<br />
– und das sehen wir jetzt wieder – riegelt schon bei<br />
kleinen Fallzahlen rigoros ganze Millionenstädte ab. Das<br />
kann keine Methode bei uns sein.<br />
MONEY: Viele Themen wie etwa der Brexit werden von<br />
der Corona-Krise überlagert. Nicht so die jüngsten Ausschreitungen<br />
in den USA. Was wird das nach sich ziehen?<br />
Mumm: Von politischer Seite ist das der letzte hochdramatische<br />
Akt einer vierjährigen politischen Inszenierung.<br />
Donald Trump hat damit den Kredit verspielt, den er in<br />
den Reihen seiner Republikanischen Partei und auch in<br />
großen Teilen der Bevölkerung noch hatte. Man wird dafür<br />
sorgen, dass er auch künftig kein politisches Amt wird<br />
bekleiden können. Wirtschaftlich gesehen, hat Trump in<br />
den vergangenen Jahren Weichen gestellt, die nicht mehr<br />
zurückgestellt werden können und sollen. Im Wettlauf um<br />
die technologische und wirtschaftliche Vorherrschaft<br />
FOCUS-MONEY 4/<strong>2021</strong><br />
7
MONEYMAKER<br />
Deutsche Nebenwerte<br />
Die besten Ideen für <strong>2021</strong><br />
Die Wirtschaft erneut in der Rezession, die Aktienmärkte auf Rekordhöhe.<br />
In dem Umfeld kommt es auf die richtige Auswahl der Einzelwerte an<br />
Eureka heißt<br />
„Ich hab’s gefunden“<br />
und<br />
wird Archimedes<br />
zugerechnet:<br />
fünf Top-Aktien<br />
für <strong>2021</strong><br />
entdeckt<br />
10 Illustration: Depositphotos<br />
FOCUS-MONEY 4/<strong>2021</strong>
Noch sieht es in Deutschland konjunkturell düster aus.<br />
Im Schlussquartal 2020 dürfte die Wirtschaftsleistung<br />
(Bruttoinlandsprodukt, BIP) geschrumpft sein. Und angesichts<br />
des immer härteren Lockdown ist auch im ersten<br />
Quartal <strong>2021</strong> ein deutliches Minus zu erwarten. Und was<br />
machen die Aktienmärkte? Sie sind in Champagnerlaune<br />
und feiern neue Höchstkurse.<br />
908 Milliarden nur der Anfang. Wie immer blicken die<br />
Börsianer voraus. Und da sieht es gar nicht schlecht aus.<br />
Im Gegenteil. In China brummt die Wirtschaft, wovon der<br />
deutsche Export profitiert. Und auch in den USA bessern<br />
sich die Aussichten – das kann selbst die gewalttätige<br />
Randale radikaler Trump-Anhänger nicht ändern. Der<br />
neue US-Präsident Joe Biden verfügt jetzt ebenfalls im<br />
Senat über eine wenn auch hauchdünne Mehrheit (S. 20).<br />
Das verschafft Handlungsspielraum. Das noch zusammen<br />
mit den Republikanern beschlossene Konjunkturpaket in<br />
Höhe von 908 Milliarden Dollar dürfte erst der Anfang<br />
gewesen sein. Joe Biden wird wohl schon sehr bald<br />
nachlegen.<br />
Gleichzeitig flankieren weltweit die Notenbanken die<br />
Konjunkturpakete der verschiedenen Länder mit einer<br />
ultralockeren Geldpolitik. Schließlich sind, spätestens<br />
wenn die Menschen die Corona-Pandemie durch die<br />
Impfkampagnen zunehmend in den Griff bekommen, erhebliche<br />
Nachholeffekte zu erwarten. Unterm Strich prognostizieren<br />
die Analysten von Warburg Research <strong>2021</strong><br />
ein Wachstum der Weltwirtschaft von 5,8 Prozent. Die<br />
deutsche Wirtschaftsleistung soll um immerhin 4,8 Prozent<br />
zulegen.<br />
Positives Aktienumfeld. Eine wachsende Volkswirtschaft<br />
bedeutet auch immer steigende Unternehmensgewinne.<br />
Vor diesem Hintergrund rechnet Warburg bis zum Jahresende<br />
mit einem Dax-Stand von 15 000 Punkten. Doch<br />
schon 2020 hat gezeigt, dass die Entwicklung an den Aktienmärkten<br />
extrem ungleich verläuft. Das dürfte sich im<br />
neuen Jahr kaum ändern. Aussichtsreicher, als auf den<br />
ganzen Markt zu setzen, scheint die Auswahl von einzelnen<br />
Aktien. Über Kurspotenzial verfügen vor allem die<br />
Werte, die vom erwarteten Konjunkturboom und strukturellen<br />
Veränderungen wie der Digitalisierung profitieren.<br />
Die Privatbanker aus Hamburg präsentieren zum Jahresanfang<br />
immer wieder einen Aktienkorb ihrer besten<br />
Ideen für das neue Jahr. Dabei fokussieren sie vor allem<br />
Titel aus der zweiten und dritten Reihe. Dieser Aktienkorb<br />
erreichte im vergangenen Jahr ein Plus von mehr als<br />
29 Prozent. Zum Vergleich: Der MDax legte in diesem<br />
Zeitraum „nur“ um 6,7 Prozent zu.<br />
78 Prozent Rendite – im Durchschnitt. FOCUS-MONEY hatte<br />
Anfang 2020 aus dem Aktienkorb fünf Einzeltitel als<br />
besonders aussichtsreich identifiziert und dabei ein glückliches<br />
Händchen bewiesen. Denn die Papiere von Adesso,<br />
Allgeier, Continental, Süss Microtec und United Internet<br />
legten gleichgewichtet um rund 78 Prozent zu. Auch in<br />
diesem Jahr bietet der neue Aktienkorb von Warburg die<br />
Grundlage für die Auswahl von fünf besonders aussichtsreichen<br />
Einzelwerten. Denn eins dürfte klar sein: Auch<br />
<strong>2021</strong> dürfte ein Jahr für Stock-Picker werden.<br />
FOCUS-MONEY 4/<strong>2021</strong><br />
LUDWIG BÖHM<br />
Lukrative Tochter<br />
Im Gegensatz zu vielen anderen Aktien haben sich die Papiere<br />
der Aareal Bank seit dem Corona-Crash im Frühjahr<br />
erst wenig erholt. Sie notieren immer noch ein Drittel unter<br />
dem Niveau von vor dem Ausbruch der Pandemie in Europa.<br />
Generell stehen die Anleger Banken gerade in Krisenzeiten<br />
skeptisch gegenüber. Das gilt umo mehr, wenn sie ihre<br />
Kredite schwerpunktmäßig für Gewerbeimmobilien vergeben.<br />
Und genau das ist bei Aareal der Fall. Die Bank finanziert<br />
im großen Stil Investitionen in Bürogebäude, Hotels,<br />
Shoppingcenter, aber auch in Wohnimmobilien und Studenten-Apartments.<br />
Dabei handelt es sich überwiegend um Immobilien,<br />
die stark unter Corona leiden.<br />
Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Aareal Bank<br />
wider. Die Belastungen durch Covid-19 beziffert das Management<br />
in den ersten neun Monaten 2020 auf 138 Millionen<br />
Euro. Im Portfolio befanden sich zuletzt notleidende<br />
Kredite, bei denen sich der Schuldner bei den Zinszahlungen<br />
oder Tilgungen im Verzug befindet, in Höhe von 1,03 Milliarden<br />
Euro.<br />
Es gibt aber auch durchaus positive Entwicklungen. Trotz<br />
des schwierigen Umfelds erzielte die Bank auch im dritten<br />
Quartal eine schwarze Null. Außerdem verringerte sich die<br />
Quote der notleidenden Kredite von 4,3 Prozent im zweiten<br />
Quartal auf zuletzt 3,9 Prozent. Vor allem aber verkaufte die<br />
Aareal Bank Ende Oktober einen Minderheitenanteil der<br />
Tochter Aareon an den Finanzinvestor Advent. Dieser zahlte<br />
für 30 Prozent 260 Millionen Euro in bar. Damit dürften<br />
die bei der Aareal verbliebenen 70 Prozent gut 600 Millionen<br />
Euro wert sein. Das entspricht in etwa der Hälfte des gesamten<br />
Börsenwerts der Bank. Aareon bietet IT-Services und<br />
Beratungsdenstleistungen für die Immobilienwirtschaft an,<br />
wächst rasant und erzielt hohe Gewinnmargen.<br />
Neue Dividenden-Fantasie<br />
Für das Geschäftsjahr 2019 hat Aareal aufgrund der Corona-Belastungen<br />
die Dividende ausfallen lassen. Sobald sich<br />
das operative Geschäft weiter erholt, dürften die Gewinnausschüttungen<br />
aber wieder aufgenommen werden.<br />
Aareal Bank<br />
2015 16 17 18 19 2020 21<br />
Quelle: Bloomberg<br />
Quellen: Warburg Research, eigene Schätzungen<br />
Euro<br />
WKN/ISIN:<br />
540811/DE0005408116<br />
Börsenwert:<br />
1,2 Milliarden Euro<br />
Kurs-Gewinn-Verhältnis <strong>2021</strong>/22: 11,5/9,0<br />
Dividendenrendite für <strong>2021</strong>/22e:<br />
5,9/8,3 Prozent<br />
Kursziel/Stoppkurs:<br />
26,50/17,95 Euro<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
11
MONEYMAKER<br />
Impfung, Vakzine (u.):<br />
Biontech plant, <strong>2021</strong> zwei<br />
Milliarden Impfdosen zu<br />
produzieren<br />
Biontech<br />
Zweite Dosis<br />
für Anleger<br />
Der Star beim Kampf gegen Corona<br />
notiert fast 20 Prozent unter Allzeithoch.<br />
Ausgerechnet jetzt! Mit einem 6er-KGV ist<br />
die Impfstoffaktie fast verboten günstig<br />
Superman lebt in Mainz. Wenn sich Ugur Sahin in seinen<br />
Geschäftsräumen vor Topfpflanzen und Gummibäumen<br />
ablichten lässt und den Fragen von Medienvertretern<br />
stellt, dann kann man kaum glauben, dass es sich<br />
bei dem bescheiden und bodenständig wirkenden Mediziner<br />
mit türkischen Wurzeln um einen Superhelden der<br />
Neuzeit handelt. Einer, der im Begriff ist, die größte Plage<br />
der Menschheit seit Ausbruch der Spanischen Grippe<br />
vor gut 100 Jahren auszumerzen. Sahin und seiner Frau<br />
Özlem Türeci, beide Gründer und Vorstände der Biotech-<br />
Schmiede Biontech, gelang es in ihrem Mainzer Forschungslabor<br />
als ersten Wissenschaftlern, einen wirksamen<br />
Impfstoff gegen die derzeit wohl tückischste<br />
Geißel der Menschheit zu entwickeln – Corona. Und das<br />
nicht mal ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie und damit<br />
früher, als es die optimistischsten Experten zu hoffen<br />
wagten. Eine Glanzleistung, zudem erzielt in absoluter<br />
Rekordzeit.<br />
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Fotos: Biontech, Bloomberg<br />
Composing: FOCUS-MONEY<br />
FOCUS-MONEY 4/<strong>2021</strong>