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TiTel<br />
Feintuning mit dem Stuckateureisen im Bauhof.<br />
Timothy C. Vincent. Eckard Zurheide.<br />
Der Malersaal.<br />
12 <strong>Nord</strong><strong>Handwerk</strong> Juli/August 2011<br />
Gemauerter Rundbogen: Kriegen nur Könner hin.<br />
Instrumente der „Gehirnwäsche“.<br />
Fotos: Seemann<br />
>> Auf Schloss Raesfeld betreiben gestandene<br />
Steinmetzen Lebensphilosophie<br />
und Kulturkritik. Hier leben Senioren ihre<br />
Begeisterung für den Radrennsport aus,<br />
während Mitdreißiger auf einen gemütlichen<br />
Kaffee vorbeischauen. Hier bearbeiten<br />
junge Frauen in der Schmiede mit<br />
rußverschmierten Gesichtern rotglühendes<br />
Eisen, andere schmieden im Hochzeitszimmer<br />
den Bund fürs Leben. Hier drehen<br />
fortbildungsfreudige vereidigte Sachverständige<br />
tagsüber ihre Runden, während um<br />
Mitternacht Geister durch den Schlosspark<br />
mäandern (sollen). Hier gibt es Stuckateure,<br />
die die Schöpfung überbieten wollen, und<br />
weiße Schwäne, die schwarz sind, aber<br />
graugefiederten Nachwuchs aufziehen.<br />
Restauratoren im <strong>Handwerk</strong><br />
Die Entfernung zwischen Hamburg<br />
(Holstenwall) und Schloss Raesfeld beträgt<br />
laut „Google maps“ genau 364 Kilometer<br />
oder drei Stunden und 22 Minuten auf<br />
der Autobahn. Es braucht einen Grund,<br />
diese Strecke unter die Räder zu nehmen.<br />
Einer ist, sich zum „geprüften Restaurator<br />
im <strong>Handwerk</strong>“ fortbilden zu lassen; ein<br />
anderer über den entsprechenden Studiengang<br />
zu berichten. Im letzteren Fall<br />
bietet sich ein Gespräch mit Eckard Zurheide<br />
an. Zurheide ist seit 20 Jahren für die<br />
Restauratorenfortbildung verantwortlich.<br />
Heute leitet der studierte Architekt den<br />
gesamten Geschäftsbereich II der Akademie:<br />
Denkmalschutz, Altbau-Erhaltung und<br />
ökologisches Bauen. Eckard Zurheide ist<br />
Manager und Dozent in Personalunion.<br />
Wenn Zurheide über seine Studierenden,<br />
die angehenden Restauratorinnen<br />
und Restauratoren, spricht, braucht er<br />
nicht lange, bis er das Wort „Respekt“<br />
sagt: „Ich habe einen ganz großen Respekt.<br />
Die Leute machen das ja alles nebenher.<br />
Die meisten haben einen eigenen Betrieb.<br />
Dort entsteht Arbeitsausfall, der wieder<br />
aufgeholt werden muss. Außerdem muss<br />
das hier erworbene Wissen, eine ganze<br />
Menge übrigens, zuhause noch verarbeitet<br />
werden. Hinzu kommt, dass wir es den<br />
Teilnehmern mit dem Studiengang auch<br />
nicht gerade leicht machen. 45 Tage verbringen<br />
sie in unseren Seminarräumen<br />
und Werkstätten. Im Anschluss erstellen sie<br />
selbstständig eine anspruchsvolle Projektarbeit,<br />
vergleichbar mit einer Hausarbeit<br />
an der Uni. Am Ende können wir nicht<br />
einmal garantieren, dass das alles ökonomisch<br />
auch etwas bringt.“<br />
Über 5.000 Absolventen<br />
In den vergangenen 25 Jahren haben sich<br />
ungefähr 5.000 <strong>Handwerk</strong>smeisterinnen<br />
und -meister zum „geprüften Restaurator<br />
im <strong>Handwerk</strong>“ ausbilden lassen. Die ersten<br />
wurden in der Akademie Schloss Raesfeld<br />
und der heutigen Propstei Johannesberg<br />
in Fulda auf ihre Prüfung vorbereitet. Im<br />
Spätherbst 1985 erhielten sie ihre Urkunden.<br />
Angeboten wird das Aufbaustudium<br />
heute für 14 Gewerke. In Raesfeld lernen<br />
Maler und Lackierer, Maurer, Schmiede<br />
und Schlosser, Raumausstatter, Steinmetzen<br />
und Steinbildhauer, Stuckateure, Tischler<br />
sowie Zimmerer. Darüber hinaus können<br />
Vergolder, Buchbinder, Gold- und Silberschmiede,<br />
Holzbildhauer sowie Orgelbauer<br />
die Prüfung vor der <strong>Handwerk</strong>skammer<br />
ablegen.<br />
Abriss, Neubau, Restaurierung<br />
Bis weit in die siebziger Jahre hinein war<br />
Restaurierung für den Städtebau, zumal<br />
in Deutschland, ein Randthema. Das hatte<br />
ideelle Gründe, vor allem aber funktionale.<br />
Die moderne Stadt sollte autofreundlich<br />
sein und – nach den Verwüstungen des<br />
zweiten Weltkriegs – möglichst schnell<br />
preisgünstigen Wohnraum bieten: Abriss<br />
und Neubau statt Restaurierung.<br />
Wegmarken eines sich allmählich vollziehenden<br />
Bewusstseinswandels wurden<br />
die „Charta von Venedig“ (1964) und das<br />
1975 begangene „Europäische Jahr des<br />
Denkmalschutzes“. Die Öffentlichkeit begann<br />
den Abriss-Neubau-Reflex infrage<br />
zu stellen und entwickelte eine Sensibilität<br />
für den Wert der historisch gewachsenen<br />
Umgebung. In jener Zeit wurde die Städtebauförderung<br />
aus der Taufe gehoben, die<br />
Dorferneuerung aufs Gleis gesetzt und<br />
manch andere staatliche Maßnahme zur<br />
Erhaltung von Baudenkmälern seitens der<br />
Politik erdacht.<br />
In der Praxis stellte sich allerdings bald<br />
heraus, dass es in Deutschland kaum noch<br />
<strong>Handwerk</strong>er gab, die in der Lage gewesen<br />
wären, denkmalpflegerische Arbeiten<br />
auszuführen. Als kompetent und erfahren<br />
galten die Berufskollegen aus Polen. Also<br />
kamen sie über die Grenze auf die Denkmalbaustellen<br />
in Deutschland, um zu >><br />
:: KURZ UND KNAPP<br />
TiTel<br />
Akademie Schloss Raesfeld e. V.: Die 1952<br />
gegründete Akademie Schloss Raesfeld e. V.<br />
ist die überregionale Weiterbildungseinrichtung<br />
der landeshandwerksorganisation<br />
NRW. Über die nordrhein-westfälischen<br />
landesgrenzen hinaus bekannt ist die einrichtung<br />
vor allem durch ihr engagement<br />
in der Qualifizierung von zur Vereidigung<br />
anstehenden bzw. vereidigten Sachverständigen<br />
und durch den Studiengang<br />
„Restaurator im <strong>Handwerk</strong>“.<br />
Geprüfter Restaurator im <strong>Handwerk</strong>: Die<br />
staatlich anerkannte Fortbildung zum<br />
„geprüften Restaurator im <strong>Handwerk</strong>“ ist<br />
ein berufsbegleitendes Aufbaustudium.<br />
es umfasst ungefähr 450 Unterrichtsstunden,<br />
dauert in der Regel zwei Jahre und<br />
endet mit der Abschlussprüfung vor einem<br />
Prüfungsausschuss der <strong>Handwerk</strong>skammer.<br />
Voraussetzung für die Teilnahme ist<br />
der Meisterbrief oder eine vergleichbare<br />
Qualifikation. Rund 3.500 € beträgt die<br />
Teilnahmegebühr. Für die Fortbildung kann<br />
„Meister-BAFöG“ beantragt werden.<br />
Zielgruppe: Die Prüfung zum Restaurator<br />
im <strong>Handwerk</strong> kann derzeit in 14 Gewerken<br />
abgelegt werden: Buchbinder, Gold-/<br />
Silberschmiede, Holzbildhauer, Maler und<br />
lackierer, Maurer, Metallbauer, Orgelbauer,<br />
Parkettleger, Raumausstatter, Steinmetzen<br />
und Steinbildhauer, Stuckateure, Tischler,<br />
Vergolder, Zimmerer.<br />
Ausbildungsorte: Die wichtigsten Fortbildungszentren<br />
für <strong>Handwerk</strong>er in der<br />
Denkmalpflege sind: Akademie Schloss<br />
Raes feld in Raesfeld; Propstei Johannesberg<br />
in Fulda; Zentrum für Restaurierung und<br />
Denkmalpflege im Berufsbildungszentrum<br />
Herrstein in Herrstein; Denkmalakademie<br />
mit den drei Standorten Görlitz, Frankfurt<br />
am Main und Romrod (Bildungseinrichtung<br />
der Deutschen Stiftung Denkmalschutz);<br />
Schloss Trebsen – Förderverein für <strong>Handwerk</strong><br />
und Denkmalpflege e.V. – in Trebsen;<br />
Kompetenzzentrum Restaurierung,<br />
Denkmalpflege und Holztechnik Wriezen<br />
in Wriezen.<br />
Daneben gibt es ein bundesweites Netzwerk<br />
von Fortbildungsangeboten. <strong>Handwerk</strong>skammern<br />
und Fachverbände bieten<br />
in eigenen Akademien Qualifizierungskurse<br />
an.<br />
Weitere Informationen gibt es bei den<br />
Fortbildungszentren. Sie kooperieren in<br />
der „Arbeitsgemeinschaft der Fortbildungszentren<br />
für handwerkliche Denkmalpflege“<br />
(ARGe). internet: www.arge-handwerkdenkmalpflege.de.<br />
Juli/August 2011 <strong>Nord</strong><strong>Handwerk</strong> 13