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TiTel<br />
Jamiela Musa.<br />
16 <strong>Nord</strong><strong>Handwerk</strong> Juli/August 2011<br />
Fotos: Seemann<br />
>> des Machens zurückzutreten. „Das ist schon<br />
fast Lebensphilosophie“, sagt Karsten Müller.<br />
Was aber macht ein Objekt bewahrenswert?<br />
Timothy C. Vincent, ein angehender Restaurator,<br />
der gerade noch mit Müller über einem Problem<br />
gebrütet hat, weiß Antwort. „Jedes Objekt, das ein<br />
Mensch handwerklich bearbeitet hat, bekommt<br />
einen Charakter. Bei uns Bildhauern zum Beispiel<br />
ist es ja nicht so, dass wir dem Stein eine Form<br />
geben. Wir charakterisieren ihn durch unsere<br />
individuelle Bearbeitung. Dadurch beginnt die<br />
Arbeit zu leben. Das ist etwas Schöpferisches<br />
und gibt der Produktion ihren Wert. Das kann<br />
keine Maschine.“<br />
Ist das nicht ein bisschen sehr rückwärtsgewand?<br />
„Überhaupt nicht“, entgegnet Vincent, der<br />
früher als Diplom-Ingenieur für Werkstofftechnik<br />
sein Brot verdiente, heute nach abgeschlossener<br />
Ausbildung zum Gestalter im <strong>Handwerk</strong> eine<br />
Steinmetz- und Bildhauerwerkstatt führt. „Erhalten<br />
heißt für den Restaurator ja nicht Stehenbleiben.<br />
Erhalten heißt behüten und mitnehmen.“<br />
Und Carsten Müller ergänzt: „Erhalten heißt<br />
aber auch, immer nach vorn zu schauen und sich<br />
zu fragen, was gibt es Neues, um noch besser<br />
mitnehmen zu können.“<br />
Besser als die Schöpfung<br />
Während Karsten Müller und Timothy Vincent<br />
sich wieder an ihre Arbeit machen, rührt Dozent<br />
und Stuckateur-Meister Hans-Georg Gathmann<br />
im Bauhof Kalkmörtel an. Gathmann gehört<br />
zu den namhaftesten Vertretern seiner Zunft in<br />
Deutschland. Einer, der aus Prinzip auf industriell<br />
vorgemischte Produkte verzichtet. Einmal, weil<br />
jede Aufgabe individuell ist und eigenes Material<br />
benötigt. Zum anderen, weil „wir im Stuckateurhandwerk<br />
bitter aufpassen müssen, nicht in die<br />
Abhängigkeit der Industrie zu geraten“. Wer nicht<br />
wisse, wie man mischt, müsse nehmen, was in der<br />
Tüte ist und den Versprechungen der Anbieter<br />
vertrauen. Außerdem, sagt Gathmann, sei es ökologisch<br />
völlig unsinnig, Putze und Mörtel quer durch<br />
Deutschland zu transportieren. „In den Tüten ist<br />
zu drei Vierteln, überspitzt formuliert, Sand.“<br />
:: Der Vollständigkeit halber<br />
Trotz mitternächtlicher Wanderung durch den<br />
Schlossgarten konnten weder Bild- noch Textautor<br />
die existenz übernatürlicher erscheinungen verifizieren.<br />
irrlichter am Sterndeuterturm der Vorburg<br />
erwiesen sich als glühende Zigaretten. im Schloss<br />
herrscht strenges Rauchverbot.<br />
Restaurierungsarbeiten sind für Hans-Georg<br />
Gathmann typische Herausforderungen für das<br />
<strong>Handwerk</strong>. „Wir suchen individuelle Lösungsansätze,<br />
schaffen Identität und<br />
arbeiten im Bewusstsein<br />
einer jahrhundertealten<br />
Tradition“, sagt er. Als einer<br />
der wenigen Stuckateure<br />
beherrscht Gathmann die<br />
Technik der Herstellung<br />
von Stuck-Marmor. Sie<br />
stammt aus dem Barock.<br />
Anders als die zeitgenössische<br />
„In-Marmor-<br />
Hans-Georg Gathmann.<br />
Optik“-Billigimitation, steht hinter dem Stuck-<br />
Marmor der Anspruch eines selbstbewussten<br />
<strong>Handwerk</strong>s, die Hervorbringungen der Natur (oder<br />
der Schöpfung) an Qualität zu übertreffen.<br />
Bis die Funken sprühen<br />
In Raesfeld wird nicht nur die Leistungselite<br />
des <strong>Handwerk</strong>s zu Restauratoren fortgebildet.<br />
Die Einrichtung ist auch erfolgreich darin, den<br />
Berufsnachwuchs für die Denkmalpflege zu interessieren<br />
und zu gewinnen. So hat die Akademie<br />
unter anderem gemeinsam mit dem Berufskolleg<br />
Borken die „Fachschule für Technik – Fachrichtung<br />
Baudenkmalpflege und Altbauerneuerung“<br />
in Leben gerufen. Sie bildet Gesellen zu<br />
staatlich geprüften Technikern in dem Bereich<br />
aus. Seit vielen Jahren besteht auch eine Zusammenarbeit<br />
mit der Jugendbauhütte Duisburg/<br />
Raesfeld. Hier absolvieren junge Leute im Alter<br />
zwischen 16 und 26 Jahren ein freiwilliges Jahr<br />
in der Denkmalpflege. Die FJDler kommen für<br />
ihre Fachseminare in die Werkstätten des Wasserschlosses.<br />
Es sind Leute wie die 19-jährige<br />
Abiturientin Jamiela Musa. Gerade noch hat sie<br />
in der Schmiede mit dem Trennschleifer geflext,<br />
dass die Funken sprühten. <strong>Jetzt</strong> sagt sie, dass die<br />
handwerklichen Praxiserfahrungen sie in ihrem<br />
Berufswunsch betätigt hat. Im kommenden Jahr<br />
wird sie Restaurierung studieren, Fachrichtung<br />
Gemälde und Skulptur.<br />
Das letzte Wort ...<br />
gehört Eckard Zurheide. Was unterscheidet die<br />
Res tauratorenfortbildung in Raesfeld von der Arbeit<br />
anderer Institute? „Die in der ,Arbeitsgemeinschaft<br />
der Fortbildungszentren für handwerkliche<br />
Denkmalpflege‘ organisierten Einrichtungen leisten<br />
allesamt eine hervorragende Arbeit. Unser Vorteil<br />
ist vielleicht das Schloss. Auch in denkmalpflegerischer<br />
Hinsicht ein Vorzeigeobjekt.“ Und dann<br />
etwas leiser: „Bei uns lächeln die Leute, wenn sie<br />
bei Sonnenschein über den Hof gehen.