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moneyeditorial<br />

Quelle: Bloomberg<br />

1980<br />

Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen in Prozent<br />

US-Inflationsrate in Prozent<br />

–2<br />

85 90 95 2000 05 10 15 20 2025<br />

Und nun zur guten Nachricht: Kein Geringerer als die Investmentlegende<br />

Jim O’Shaughnessy untersuchte bereits vor einigen Jahren den<br />

Zusammenhang zwischen Inflation und Aktienkursen. Er verglich<br />

dabei Zeiten mit sehr hoher Inflation (mehr als zehn Prozent), hoher<br />

Inflation (mehr als vier Prozent), moderater Inflation (mehr als zwei<br />

Prozent) und niedriger Inflation (null bis zwei Prozent). Das Ergebnis<br />

schwarze sehen Sie wiederum Schrift in der Grafik. schwarze Schrift<br />

reale Aktienrendite<br />

schwarze –7,3 Schrift<br />

Quelle: Dimson-Marsh-Staunton<br />

EDITORIAL<br />

Was wäre, wenn . . .<br />

An den Börsen geht derzeit die Angst um: die Angst vor der Inflation.<br />

Wenn ich vor etwas Angst habe, versuche ich, mich dieser<br />

Angst zu stellen. Ich überlege mir, ob es denn tatsächlich so<br />

schlimm wäre, wenn die Situation eintreten würde. Ich stelle mir die<br />

Frage: Was wäre, wenn . ..?<br />

Was wäre, wenn die amerikanischen Anleihenmärkte tatsächlich<br />

Recht hätten und wir in Zukunft mit deutlich höheren Inflationsraten<br />

rechnen müssten? Die 1-Billion-Dollar-Frage lautet: Wäre das so<br />

schlimm?<br />

Auf den ersten Blick: Ja. Denn wie die Grafik zeigt, führten steigende<br />

Inflationsraten in der Vergangenheit auch immer zu steigenden Zinsen<br />

– und die sind doppelt schlecht für die Börse: einerseits, weil sie Anleihen<br />

als Alternative zu Aktien attraktiver machen. Andererseits, weil<br />

der Kurs einer Aktie immer den Gegenwartswert (Barwert) ihrer zukünftig<br />

erwarteten Gewinne widerspiegelt. Dabei gilt: Je weiter eine Zahlung<br />

in der Zukunft liegt und je höher der Zinssatz ist, mit dem die zukünftigen<br />

Gewinne abgezinst werden, desto niedriger ist der Barwert<br />

der Gewinne. So weit zur schlechten Nachricht für die Börse.<br />

Renditen bei extremer Inflation<br />

Durchschnitt in Prozent<br />

jährliche<br />

Inflation 15,4<br />

Renditen bei mäßiger Inflation<br />

Durchschnitt in Prozent<br />

jährliche<br />

Inflation 2,8<br />

reale Anleihenrendite<br />

3,6<br />

reale Anleihenrendite<br />

–<strong>12</strong>,2<br />

reale Aktienrendite<br />

11,1<br />

Renditen bei hoher Inflation<br />

Durchschnitt in Prozent<br />

jährliche<br />

Inflation 6,4<br />

reale Anleihenrendite<br />

–2,8<br />

reale Aktienrendite<br />

Schrift schwarze 2,5<br />

14<br />

10<br />

Renditen bei niedriger Inflation<br />

Durchschnitt in Prozent<br />

jährliche<br />

Inflation 1,0<br />

reale Anleihenrendite<br />

4,5<br />

reale Aktienrendite<br />

5,9<br />

6<br />

2<br />

FRANK PÖPSEL<br />

CHEFREDAKTEUR<br />

FOCUS-MONEY<br />

In den 110 Jahren von 1900 bis 2010 erzielten demnach US-Aktien<br />

nur in Zeiten extrem hoher Inflation mit durchschnittlichen Preissteigerungen<br />

von mehr als 15 Prozent negative Renditen. Bleibt die<br />

Überlegung: Welche Inflationsraten erwarten wir denn heute?<br />

Das langfristige Inflationsziel der US-Notenbank Fed liegt bei zwei<br />

Prozent Plus. Dabei hat Fed-Chef Jerome Powell ähnlich wie die EZB<br />

angekündigt, zeitweise auch höhere Preissteigerungsraten als zwei<br />

Prozent zuzulassen, ohne gleich die Zinsen anzuheben – etwa, weil die<br />

coronabedingten Nachholeffekte im Konsum die Preise kurzfristig<br />

klettern lassen könnten.<br />

Erreicht die Fed ihr Ziel – und davon ist angesichts der Macht der Notenbanken<br />

und der expansiven Ausgabenpolitik des neuen US-Präsidenten<br />

Joe Biden durchaus auszugehen –, befinden wir uns also genau<br />

im angenehmsten aller Szenarien: dem der moderaten Inflation zwischen<br />

zwei und vier Prozent.<br />

In einem derartigen Umfeld sind die Kurse von US-Aktien im<br />

110-Jahres-Durchschnitt um elf Prozent jährlich angestiegen. Warum?<br />

Weil die Mehrzahl der Unternehmen in einem leicht inflationären<br />

Umfeld die Preise über die Inflationsrate hinaus erhöhen konnte. Sie<br />

haben also in der Summe mehr verdient, was dann auch den weiter<br />

oben beschriebenen Barwert der Erträge erhöht.<br />

Das ist aber beileibe nicht alles. Noch ein weiterer Punkt gibt Anlass<br />

zum Optimismus: die Option „Operation Twist“ – die ist nämlich in der<br />

Untersuchung von Jim O’Shaughnessy überhaupt noch nicht eingepreist,<br />

weil die Fed sie zum ersten Mal im Jahr 2011 angewendet hat.<br />

Operation Twist bedeutet, dass die Fed langlaufende Anleihen kauft<br />

und dafür kurzlaufende Anleihen aus ihrem Bestand verkauft. Dadurch<br />

wird ihre Bilanz nicht belastet, aber die Renditen für langlaufende Anleihen<br />

sinken und die kurzfristigen Zinsen steigen. Und warum sollte<br />

die Fed das tun? Weil in den USA die Zinsen für Kreditkarten, Autokredite<br />

und Hypotheken, also die meisten Konsumentenkredite, an die<br />

10-Jahres-Renditen gekoppelt sind. Und sicher ist die Fed nicht daran<br />

inte ressiert, dass nach Corona sämtliche Bemühungen des Staates, die<br />

Wirtschaft wieder anzukurbeln, daran scheitern, dass die hoch verschuldeten<br />

Amerikaner ihre Kredite nicht mehr bedienen können.<br />

Kein Zweifel: Die Märkte sind auf Drogen. Und sie fordern die US-<br />

Notenbank mit steigenden Anleihenrenditen heraus, ihnen mit Operation<br />

Twist noch mehr Drogen zu verabreichen: in Form von niedrigen<br />

Zinsen und moderater Inflation. Und die Fed? Sie wird diesem<br />

Verlangen früher oder später nachkommen, auch weil die US-Finanzministerin<br />

eine der Ihren ist: die ehemalige Fed-Chefin Janet Yellen. Yellen<br />

sitzt auf einem gigantischen Berg von Schulden und wäre sicherlich<br />

mit Operation Twist nicht unglücklich: wenig Zinsen zahlen und<br />

durch die Inflation die Staatsschulden abwerten lassen.<br />

Die beiden Fed-Gouverneure Lael Brainard und Mary Daly deuteten<br />

bereits Anfang März an, wohin die Reise geht: „The Fed could change<br />

the maturity of its bond purchases if the yield curve steepens in a problematic<br />

way.“ Operation Twist kann kommen! Früher oder später . . .<br />

Ihr<br />

FOCUS-MONEY <strong>12</strong>/<strong>2021</strong><br />

Foto: D. Gust/FOCUS-MONEY Composing: FOCUS-MONEY 3


moneyinhalt<br />

Ausgabe <strong>12</strong> 17. MÄRZ <strong>2021</strong> www.money.de<br />

moneykompakt<br />

6 Brennpunkt: Wie viel Geld steckt<br />

in der Gaming-Industrie?<br />

98 Andis Börsenbarometer: Wieso<br />

die Goldschwäche gut erklärbar<br />

ist<br />

98 Termine: Zahlen von Nike, Dürr,<br />

Nordex und CTS Eventim;<br />

Steuerberater-Umfrage<br />

moneytitel<br />

8 Interview: Tech-Experte Jonathan<br />

Curtis über die Wachstums-Stars<br />

10 Social Commerce: Geld verdienen<br />

zwischen Social Media und<br />

E-Commerce<br />

<strong>12</strong> E-Mobilität: VW sagt Tesla den<br />

Kampf an. Plus: Sechs Zulieferer<br />

für die Mobilität der Zukunft<br />

16 Biotech: Die Gewinner in einer<br />

hart umkämpften Branche<br />

20 Gentechnik: Mit Crispr halten<br />

diese Firmen die Zukunft in der<br />

Hand – dank Nobelpreis-Power<br />

22 Scale-Aktien: Börsennachwuchs<br />

fliegt dem Dax davon<br />

25 Werkstoffe: Produzenten grüner<br />

Baumaterialien sind innovativer<br />

26 China-Tech: Chinesische Top-<br />

Wachstumswerte zum Spottpreis<br />

28 Dividenden: Wachstum oder<br />

Dividenden – warum nicht beides?<br />

36 Künstliche Intelligenz: Diese<br />

Firmen verändern die Art, zu<br />

arbeiten und zu denken<br />

37 Robotik: Die Maschinen, die alles<br />

können – und die Firmen, die<br />

damit Geld machen<br />

38 Wasser: Die wahren Stars einer<br />

lebenswichtigen Branche<br />

41 Individualreisen: Wachstum trotz<br />

Corona – und weit darüber hinaus<br />

42 Erneuerbare Energien: Was Welt<br />

und Depot jetzt brauchen<br />

44 Smallcaps: Sechs Favoriten für<br />

die zyklische Erholung<br />

47 Jahrhundert-Aktien: Wo anhaltendes<br />

Wachstum lockt<br />

50 Rohöl: Von steigenden Ölpreisen<br />

profitieren diese Konzerne<br />

52 Software: Eine Branche, in der exponentielles<br />

Wachstum möglich ist<br />

55 Cybersecurity: 460 Prozent mehr<br />

Gewinn in drei Jahren – wie das?<br />

56 Streaming: Was der Popcorn-<br />

Effekt mit Spotify zu tun hat<br />

58 Digital Health: Diese Firmen<br />

revolutionieren die Medizin<br />

22<br />

Kleine Wachstumspakete<br />

Das Scale-Segment der Deutschen<br />

Börse ist voller kleiner, aber wachstumsstarker<br />

Aktien, die Renditechancen<br />

abseits der ausgetretenen Pfade bieten<br />

4 Titelfoto: iStock Inhaltfotos: Depositphotos, Can Stock Photo, <strong>12</strong>3RF, VW, KEVIN NG PHOTOGRAPHY<br />

FOCUS-MONEY <strong>12</strong>/<strong>2021</strong>


41<br />

Sommer, Sonne, Strand<br />

Anbieter von Pauschalreisen leiden<br />

unter Corona – doch einige Unternehmen<br />

expandieren. Und das auch<br />

2022, 2023, 2024 . . .<br />

20<br />

Operation Zukunft<br />

Die Genschere Crispr macht<br />

das Molekül zum neuen<br />

Mikrochip. Ein langfristiger<br />

Wachstumsmarkt. Die<br />

Titelstrecke blickt auch auf<br />

Post-Corona-Wachstumstrends<br />

wie den Ölsektor<br />

moneymarkets<br />

61 Musterdepots: Fischer kauft<br />

nach, Jaensch tauscht doppelt aus<br />

moneyyou<br />

32 Aktienanalyse: Weltmarktführer<br />

Linde macht auch Wasserstoff<br />

35 Chartsignal: Aixtron – die<br />

30-Prozent-Chance<br />

35 Börsenwissen: Was sagt der Net<br />

Asset Value dem Anleger?<br />

moneyanlegerschutz<br />

62 DSW-Watchlist 2020: Die besten<br />

Wert-Mehrer und die größten<br />

Geldvernichter<br />

FOCUS-MONEY <strong>12</strong>/<strong>2021</strong><br />

Eine gute ID(.4)<br />

Der Automobil-Dino ist wieder<br />

im Aufwind: VW setzt für seine<br />

E-Autos voll auf seine Zulieferer.<br />

Mit dem ID.4 machen die<br />

Wolfsburger Tesla Konkurrenz.<br />

Wie Volkswagen im<br />

Autosektor zu dem avanciert,<br />

was Samsung heute bei<br />

Handys ist<br />

100<br />

AKTIEN<br />

moneyservice<br />

<strong>12</strong><br />

100 Chancen<br />

68 Banken-Studie: Welche Institute<br />

die beste Kundenbindung haben<br />

74 Weißmetalle: Die besten Händler<br />

für Silber, Platin & Co.<br />

moneyanalyse<br />

81 Fonds<br />

82 Deutsche Aktien<br />

90 Internationale Aktien<br />

96 ETFs<br />

97 Zertifikate<br />

moneyrubriken<br />

3 Editorial<br />

80 Leserbriefe • Impressum<br />

FOCUS-MONEY hat die 100 Wachstumsaktien durchnummeriert.<br />

Die Nummern 99 und 100 stehen im<br />

Anlegerschutz – es sind wahre Wertschaffer<br />

„Der Tech-Sektor<br />

wird in den nächsten<br />

Jahren ein Outperformer<br />

sein“<br />

JONATHAN CURTIS, FONDSMA-<br />

NAGER FRANKLIN TECHNOLOGY<br />

8<br />

5


moneytitel<br />

INTERVIEW<br />

Der Tech-Sektor wird in<br />

den nächsten Jahren<br />

ein Outperformer sein“<br />

Jonathan Curtis managt den Franklin<br />

Technology Fund. Im Interview erklärt<br />

er, warum es keine Tech-Blase gibt,<br />

der Sektor weiterhin besser läuft und<br />

welche Technologie für ihn tatsächlich<br />

ein Hype ist<br />

von ARNO KONKEL<br />

Die Corona-Pandemie hat den Tech-Aktien offensichtlich<br />

einen großen Schub gegeben. Nun gab es in letzter<br />

Zeit einen kleinen Rückschlag. Erleben wir jetzt das Platzen<br />

einer Tech-Blase oder ist es nur ein kurzes Verschnaufen?<br />

Jonathan Curtis: Die Volatilität, die wir nun in<br />

den Märkten zuletzt gesehen haben, basiert auf<br />

mehreren Faktoren. Tech-Aktien sind gut gelaufen,<br />

die Zinsen im Anleihenmarkt und die Inflationserwartungen<br />

sind gestiegen. All dies schmälert<br />

zum Teil die langfristige Ertragskraft, sorgt für Unsicherheit<br />

und führte zuletzt zu einem Rücksetzer<br />

bei einigen Titeln. Wenn wir uns den Tech-Sektor<br />

allerdings über die vergangenen 30 Jahre anschauen,<br />

war es immer so, dass die Bewertung auf<br />

Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses etwa 14 Prozent<br />

über der des S&P-500 lag. Das ist absolut in<br />

Ordnung, wenn wir uns vor Augen halten, dass<br />

Tech-Aktien schneller wachsen und ihre Unternehmen<br />

große Produktivitätsgewinne für ihre<br />

Kunden generieren. Derzeit sind wir bei etwa 17<br />

Prozent Aufschlag angekommen. Das ist eine<br />

leichte Erhöhung, aber sicherlich keine Übertreibung.<br />

Wir befinden uns nicht in einer Blase.<br />

Vita<br />

Jonathan Curtis<br />

Seit 2008 bei der<br />

Franklin Equity Group<br />

Heute Leiter des<br />

Research-Teams<br />

Technology/Communications<br />

und Co-Manager<br />

des Franklin<br />

Technology Fund<br />

(WKN: A2KEDE)<br />

8<br />

Foto: KEVIN NG PHOTOGRAPHY<br />

FOCUS-MONEY <strong>12</strong>/<strong>2021</strong>


moneytitel<br />

SCALE-SEGMENT<br />

Putzmuntere Küken<br />

Das Handelssegment der Deutschen Börse AG für kleinere, wachstumsstarke<br />

Unternehmen wird gerade so richtig flügge und lässt den großen Dax alt<br />

aussehen. Hier sind fünf besonders aussichtsreiche und agile Scale-Werte<br />

von ANDREAS KÖRNER<br />

Dem Dax davongeflogen<br />

Wenn Börsenaufschwünge schon lange währen, starten<br />

regelmäßig die kleineren Aktien durch, weil Anleger<br />

Rendite abseits ausgetretener Pfade suchen.<br />

Scale-30-Total-Return-Index<br />

prozentuale Entwicklung seit 7.2.2018<br />

Dax-Performance-Index<br />

2018 2019 2020 <strong>2021</strong><br />

Quelle: Bloomberg<br />

Klar, das Leben junger Piepmätze kann ziemlich aufregend<br />

sein und teils sogar ganz schön gefährlich. Nicht<br />

alle von ihnen schaffen es, sich zu starken und stolzen<br />

Großvögeln zu entwickeln. Bei den fünf kleineren Aktienfirmen,<br />

die hier beschrieben werden, bestehen indes beste<br />

Chancen, dass sie mehr als gut durchkommen. Sie alle verfügen<br />

über funktionierende, zukunftsträchtige Geschäftsmodelle,<br />

ihre Kurse legen beeindruckend zu und weiteres<br />

Wachstum scheint programmiert.<br />

Darunter finden sich ein Anbieter für Laser-Kommunikation<br />

genauso wie ein Hersteller von Biosimilars (Biotechnik-<br />

Generika), ein Materialveredler, ein Spezialist für Streaming-<br />

Technologien und ein Fintech-Unternehmen – ein ganz<br />

schön bunter Haufen also.<br />

Sie alle kommen gerade jetzt besonders rasant<br />

ins Laufen, weil die allgemeine Hausse<br />

an den Aktienmärkten bereits seit März<br />

HABEN NOCH VIEL VOR:<br />

die in diesem Artikel<br />

vorgestellten Klein-Aktien<br />

+30<br />

+10<br />

–10<br />

–30<br />

–50<br />

2009 andauert, also seit mehr als zehn Jahren. In solchen<br />

Phasen ziehen regelmäßig kleinere, bisher weniger<br />

beachtete Titel nach, weil Investoren dann auch bei<br />

Nebenwerten nach überdurchschnittlichen Gewinnchancen<br />

suchen.<br />

Riesen-Renditen im Erfolgssegment<br />

Gelungener Wurf. Die fünf Favoriten entstammen dem Handelssegment<br />

Scale der Deutschen Börse AG für kleine und<br />

mittlere Unternehmen. Dabei handelt es sich um einen speziellen<br />

Wachstumsmarkt innerhalb des Segments Open Market<br />

(früher Freiverkehr), der 2018 gegründet wurde. Dieser ist weniger<br />

reguliert als etwa der General Standard oder der Prime<br />

Standard, dennoch gibt es Mindestanforderungen. Bei Scale<br />

sind derzeit insgesamt 47 Aktien notiert. Es gibt zwei Indizes,<br />

die das Segment repräsentieren. Den Scale-All-Share-Preis-<br />

Index für alle Mitglieder und den Scale-30-Performance-Index,<br />

der aus den 30 größten Scale-Titeln besteht und bei dem<br />

die Dividenden berücksichtigt werden. Letzterer hat auf<br />

<strong>12</strong>-Monats-Sicht stattliche 47 Prozent zugelegt, der Dax hingegen<br />

nur 16,5 Prozent (siehe auch Grafik links unten).<br />

Einzelne Scale-Werte wie unsere Kandidaten IBU-Tec oder<br />

Cliq Digital bringen es mit 231 Prozent beziehungsweise 578<br />

Prozent Plus auf deutlich höhere Jahresgewinne.<br />

Gut zu wissen: Die Deutsche Börse AG stellt auf ihrer<br />

Internet-Seite gebührenfrei Research-Material zu<br />

den Kleinen zur Verfügung, das sonst bei Banken<br />

nur schwer erhältlich ist (exakter Link: www.boerse-frankfurt.de/aktien/segmente/scale).<br />

Ebenfalls gut zu wissen: Die Unicredit bietet ein<br />

Zertifikat an, das den Scale-30-Performance-Index<br />

direkt nachvollzieht und in dem bis auf<br />

Naga Group sämtliche hier vorgestellten Aktien<br />

enthalten sind (ISIN: DE000HX5Q1M1,<br />

Laufzeit: unbegrenzt).<br />

Breite Palette. Für Anleger sind Aktien<br />

aus dem Scale-Segment schon allein deshalb<br />

so reizvoll, weil diese eine viel größere<br />

Bandbreite an Branchen repräsentieren als<br />

beispielsweise die Dax-Mitglieder. Mittlerweile<br />

sind Technologiewerte im Leitindex eher<br />

22 FOCUS-MONEY <strong>12</strong>/<strong>2021</strong>


die Ausnahme, Vertreter der traditionellen Sektoren Automobil,<br />

Chemie, Versorger und Versicherer dominieren.<br />

Deshalb bietet es sich an, die zumeist von Standardaktien<br />

dominierten Depots um ein paar aussichtsreiche Scale-<br />

Wachstumskandidaten zu ergänzen.<br />

Mit den Kleinen gibt’s Action<br />

Sturm und Drang. Wer zum Beispiel beim eigenen Nachwuchs<br />

Erfahrungen mit dessen Pubertät gemacht hat, weiß:<br />

Ruhig ist etwas anderes. Auch wer sich auf Aktien von heranwachsenden<br />

Firmen einlässt, muss akzeptieren, dass es dort<br />

einfach mehr Schwankungen und auch mal Rückschläge gibt<br />

– das gehört dazu. Unterm Strich geht’s aber zumeist aufwärts,<br />

wie die Performance-Werte der Scale-Indizes zeigen.<br />

Das Motto dieser Unternehmen: Wir wagen etwas,<br />

sind forsch, probieren auch mal etwas Unkonventionelles<br />

aus. Natürlich wird man dabei manchmal<br />

gebeutelt und sieht zerzaust aus, aber was soll’s – einmal<br />

durchschütteln und weiter geht’s. Wer als Anleger bereit ist,<br />

dabei mitzugehen, wird in der Regel reich belohnt. Oft sind es<br />

eben die nicht so geläufigen Geschäftsmodelle, die besonders<br />

hohe Wachstumsraten generieren. Nur ein Paradebeispiel:<br />

Der Fintech-Wert Naga Group wurde erst 2015 gegründet und<br />

bietet aktiven Anlegern rund um den Globus die Möglichkeit,<br />

Wertpapiere mit modernsten Tools zu handeln. Diese können<br />

sich über ein eigenes soziales Netzwerk austauschen und so<br />

wertvolles Wissen und Informationen teilen oder die Geschäfte<br />

von anderen Teilnehmern direkt nachvollziehen. Es dauerte<br />

eine Zeit, bis Investoren das Potenzial dieses Ansatzes realisiert<br />

haben, die Kurse schwächelten<br />

zuerst. Wer durchhielt, konnte sich<br />

allein in den vergangenen zwölf Monaten<br />

über eine Kurs-Versechsfachung<br />

freuen.<br />

Das volle Programm<br />

Das Unternehmen: Die Düsseldorfer bieten Streaming-Angebote für eine<br />

besonders breite Palette von Digitalprodukten. Dazu gehören Hörbücher, Filme,<br />

Musik, aber auch Sport-Events. Das Unternehmen, früher bekannt als<br />

Bob Mobile AG, gehört mit seinem umfassenden Unterhaltungsangebot zu<br />

den Profiteuren der Corona-Pandemie. Ein Pluspunkt, der weiteres Wachstum<br />

erwarten lässt, ist, dass Kunden über nur ein Konto und eine Flatrate bequem<br />

über bis zu fünf Geräte auf sämtliche Inhalte zugreifen können.<br />

Die Zahlen: Die Kursziele in den Aktienkästen entstammen dem Finanzportal<br />

MarketScreener.com. Der Abstand zum höchsten Kursziel beträgt dort aktuell<br />

94 Prozent, jener zum durchschnittlichen Zielwert ebenfalls ordentliche<br />

38,3 Prozent. Der Gewinn je Aktie soll bei Cliq Digital von 1,15 Euro im Jahr<br />

2020 über 1,50 Euro in diesem Jahr auf 1,81 Euro im Jahr 2022 steigen.<br />

Quelle: Bloomberg, Onvista, MarketScreener<br />

Cliq Digital<br />

Aktienkurs in Euro<br />

AKTIE<br />

17<br />

2018 2019 2020 <strong>2021</strong><br />

WKN/ISIN A0HHJR/DE000A0HHJR3<br />

Börsenwert 143,5 Mio. €<br />

Kurs-Gewinn-Verhältnis <strong>2021</strong>/22 14,8/<strong>12</strong>,3<br />

Dividendenrendite 2020/21e 2,30/2,46 %<br />

Stoppkurs 20,00 €<br />

Risiko Kurspotenzial* 94,00 %<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

e = erwartet, *höchstes Kursziel<br />

Im Corona-Rennen dabei, aber nicht nur<br />

AKTIE<br />

18<br />

Das Unternehmen: Formycon überträgt den Gedanken preisgünstiger Generika<br />

bei traditionellen Arzneien auf Biotech-Produkte. „Biosimilars sind das derzeit<br />

am schnellsten wachsende Segment des Pharma-Markts. Analysten schätzen,<br />

dass bis 2025 Biopharmazeutika mit einem Umsatz zwischen 100 Milliarden<br />

und <strong>12</strong>0 Milliarden Dollar ihren Patentschutz verlieren werden. Der weltweite<br />

Umsatz mit Biosimilars könnte bis 2025 von fünf Milliarden auf 30 Milliarden<br />

Dollar steigen“, steht auf der Homepage. Für seinen Sars-CoV-2-Blocker FYB207<br />

hat Formycon die Unterstützung des Paul-Ehrlich-Instituts erhalten.<br />

Die Zahlen: Dieses Jahr soll noch ein Verlust von 89 Cent je Anteil anfallen,<br />

2022 erwarten die Analysten im Schnitt einen Gewinn von 2,64 Euro. Die Firma<br />

weist eine stolze Eigenkapitalquote von 89,7 Prozent aus. Der Abstand<br />

zum höchsten Kursziel beträgt 41,5, zum durchschnittlichen 13,7 Prozent.<br />

Quellen: Bloomberg, Onvista, MarketScreener<br />

Formycon<br />

Aktienkurs in Euro<br />

2018 2019 2020 <strong>2021</strong><br />

WKN/ISIN A1EEWV/DE000A1EWVY8<br />

Börsenwert 687,1 Mio. €<br />

Kurs-Gewinn-Verhältnis <strong>2021</strong>/22 n. a. Verlust/22,7<br />

Dividendenrendite 2020/21e 0,00/0,00 %<br />

Stoppkurs 53,00 €<br />

Risiko Kurspotenzial* 41,5 %<br />

70<br />

50<br />

30<br />

10<br />

e = erwartet, *höchstes Kursziel<br />

FOCUS-MONEY <strong>12</strong>/<strong>2021</strong><br />

Fotos: Can Stock Photo 23


moneytitel<br />

GELDBERGE: Kurssprünge<br />

und Dividenden sorgen in<br />

Kombination für satte<br />

Renditen bei Anlegern<br />

DIVIDENDEN<br />

Das Beste aus zwei Welten<br />

Wachstumswerte, die satte Dividenden zahlen?! FOCUS-MONEY bringt für Sie das Beste der<br />

Börse zusammen. Die Fakten. Die Hintergründe. Die zwölf Favoriten<br />

von SINAN KRIEGER<br />

28 Fotos: iStock<br />

Composing: FOCUS-MONEY<br />

FOCUS-MONEY <strong>12</strong>/<strong>2021</strong>


Robuste Dividendenbringer ohne viel Fantasie oder<br />

hochinteressante Wachstumswerte mit maximalem Risiko?<br />

Das ist hier die Frage! Oder? Schließlich weiß<br />

doch jeder: Man kann nicht alles haben. Erst recht nicht an<br />

der Börse. Entweder, oder? Vergessen Sie das alles. Diese Geschichte<br />

räumt auf mit gefährlichen Halbwahrheiten und liefert<br />

konkrete Antworten auf eine Frage, die sich zwar jeder<br />

insgeheim stellt, aber kaum einer traut auszusprechen. Vorab:<br />

Ja, es gibt sie. Es gibt diese Aktien, die beides können. Unternehmen,<br />

die zum einen eine derart außergewöhnliche<br />

Ausschüttungshistorie aufweisen, dass sie zum Dividenden-<br />

Adel gehören, aber deshalb noch lange nicht eingestaubt<br />

sind. Im Gegenteil. Unternehmen, die wie Harry und<br />

Meghan mit alten, royalen Traditionen brechen und nach<br />

vorn gehen. Unternehmen, die ihre Aktionäre nicht nur<br />

durch solide Ausschüttungen zufriedenstellen wollen, sondern<br />

ebenso durch Wachstums- und Innovationskraft. Kurzum:<br />

Aktien, die das Beste aus beiden Welten vereinen.<br />

Schlüssel für die Überrendite. Wieso das so wichtig ist?<br />

Insbesondere in volatilen Zeiten wie in dieser werden Dividenden<br />

zum Schlüssel für eine langfristige Überrendite. Eine<br />

Studie der Guinness Atkinson Asset Management hat ergeben,<br />

dass die reinvestierten Dividenden innerhalb eines einfachen<br />

S&P-500-ETF bei einer Haltedauer von nur drei Jahren<br />

im Schnitt bereits 38 Prozent des Gesamtertrags<br />

ausmachen – nach 20 Jahren Haltedauer liegt der Anteil sogar<br />

bei 60 Prozent. Und gerade wenn es an den Märkten<br />

kracht, haben Dividenden ihre Fähigkeit als Krisenpuffer bereits<br />

mehrfach bewiesen: In den 1970er- und 2000er-Jahren<br />

lag der Anteil der Dividenden an der Gesamtrendite bei<br />

deutlich über 50 Prozent. Heißt: Wachstum ist toll. Wachstum<br />

mit einem Extra-Rendite-Kick ist noch viel besser.<br />

Doch Vorsicht! Der Blick auf die Dividendenrendite allein<br />

reicht nicht aus. Im Gegenteil, es ist einer der größten Fehler,<br />

den Anleger begehen können, urteilt auch Dividendenexperte<br />

und Kapitalmarktstratege Christian W. Röhl. In unzähligen<br />

Studien betonen er und weitere Dividenden-<br />

Experten immer wieder die elementare Bedeutung eines intakten<br />

Dividendenwachstums. Eine Studie der Research-<br />

Agentur Ned Davis Research ergab beispielsweise, dass zwischen<br />

1972 und 2017 Aktien, die ihre Dividende kontinuierlich<br />

steigern konnten, nicht nur mit Abstand die größten<br />

Renditen für Anleger einbrachten, sondern auch signifikant<br />

weniger volatil waren als der Rest. Bedeutet: mehr Rendite,<br />

weniger Risiko.<br />

Deshalb kürt Röhl jährlich den sogenannten Dividenden-<br />

Adel. In die Riege der Ausschüttungs-Aristokraten schaffen<br />

es nur Unternehmen, die auch langfristig laufende Erträge<br />

versprechen. Die gute Nachricht: FOCUS-MONEY erklärt Ihnen<br />

Röhls System und kennt seine Favoriten. Die noch viel<br />

bessere Nachricht: Wir gehen einen Schritt weiter und filtern<br />

für Sie jene Aktien aus dem Dividenden-Königshaus heraus,<br />

die auch unabhängig von ihrer Ausschüttung als Wachstumswerte<br />

glänzen. Das Ergebnis: zwölf Aktien, die alles<br />

können. Die Fakten. Die Hintergründe.<br />

Das geniale Dividendensystem. Röhl filtert auf der Suche<br />

nach den besten Dividendenwerten das Aktienuniversum anhand<br />

von vier Faktoren. Erstens, die Kontinuität. „Wer schon<br />

früher gern mal weniger oder gar nichts gezahlt hat, dürfte<br />

auch weiterhin ein unsicherer Kantonist bleiben. Und wer<br />

seinen Verpflichtungen immer penibel nachgekommen ist,<br />

wird alles daran setzen, seine weiße Weste zu behalten. Das<br />

gilt nicht nur für die private Zahlungsmoral, sondern auch für<br />

Aktiengesellschaften“, verweist Röhl auf die Relevanz einer<br />

lupenreinen Dividendenhistorie. In die engere Auswahl<br />

schaffen es demnach nur Unternehmen, die seit mindestens<br />

zehn Jahren ohne Dividendenkürzung auskommen.<br />

Zweitens, die Ausschüttungsquote. Hohe Ausschüttungen<br />

sind eine feine Sache. Vorausgesetzt, das Unternehmen kann<br />

sich diese auch wirklich leisten. „Wer Eigenkapital gibt, sollte<br />

eine angemessene Gewinnbeteiligung erhalten. Um Alibi-<br />

Dividenden genauso auszuschließen wie ein Anknabbern der<br />

Substanz, möchte ich eine Ausschüttungsquote zwischen 25<br />

und 75 Prozent sehen – geglättet über drei Jahre, schließlich<br />

kann auch das beste Unternehmen mal ein schlechtes Jahr<br />

haben“, sagt Röhl.<br />

Ein bewährter Krisenschutz<br />

Die Historie zeigt: Insbesondere in Krisenzeiten<br />

macht die Dividende einen enormen Anteil an dem<br />

Gesamtertrag von Aktien aus – dieser steigt mit der<br />

Haltedauer.<br />

Wertentwicklung im S&P-500 nach Dekaden<br />

Durchschnitt in Prozent pro Jahr<br />

Anteil Dividenden<br />

Anteil Kursentwicklung<br />

0<br />

1940er 50er 60er 70er 80er 90er 2000er* 10er 1930 bis<br />

*Gesamtentwicklung im S&P-500 war negativ, Dividendenwachstum 1,8 % jährl. 2017<br />

20<br />

16<br />

<strong>12</strong><br />

8<br />

4<br />

Quelle: Hartford Funds<br />

Die Dividende als Rendite-Kick<br />

Die Wissenschaft beweist: Unternehmen, die ihre<br />

Dividende kontinuierlich steigern können, liefern an<br />

der Börse die höchsten Renditen und sind dabei<br />

auch noch deutlich weniger volatil.<br />

Jährliche Gewinne nach Dividendenpolitik<br />

in Prozent, 1972 bis 2017<br />

Dividende steigt/erstmalig gezahlt Standardabweichung: 15,7 % 10,1<br />

Dividendenzahler 16,4 %<br />

9,3<br />

keine Änderungen 17,8 %<br />

7,5<br />

Nicht-Zahler 2,6 24,5 %<br />

24,8 % –0,4<br />

Dividende sinkt/wurde gestrichen<br />

S&P-500, gleichgewichtet 17,3 %<br />

7,7<br />

Quelle: Ned Davis Research<br />

FOCUS-MONEY <strong>12</strong>/<strong>2021</strong><br />

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