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12. Januar 2021

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<strong>12.</strong> <strong>Januar</strong> <strong>2021</strong><br />

AUS DER BÜMPLIZER VERGANGENHEIT – HEITERE GESCHICHTEN VON MAX WERREN<br />

Von einer weinseligen Reise<br />

und dem gelobten Vaterland<br />

Am 1. Juli 1901 wurde die<br />

Eisenbahnlinie Bern – Neuenburg<br />

mit einem Extrazug und<br />

Festanlässen auf allen Bahnhöfen<br />

eröffnet. Der Ablauf jener<br />

Festlichkeiten folgte einem<br />

einfachen Schema: Eilfertige<br />

Ehrendamen – singende<br />

Schulkinder – Ansprache des<br />

Gemeindepräsidenten – süffiger<br />

Wein. Geringfügige Abweichungen<br />

wurden mit Interesse zur<br />

Kenntnis genommen.<br />

Eine Planung mit viel Querelen<br />

und Gehässigkeiten<br />

Obschon sich die Parlamente der<br />

Kantone Bern und Neuenburg bereits<br />

im Jahre 1852 für den Bau<br />

einer direkten Bahnlinie zwischen<br />

Kantonshauptstädten ausgesprochen<br />

hatten, vergingen viele<br />

Jahre der Planungsarbeit mit<br />

nicht weniger als zehn Streckenvarianten.<br />

Den Initianten erwuchs<br />

aber auch grosser Widerstand<br />

seitens der Centralbahn –<br />

den heutigen Bundesbahnen. Zu<br />

dieser Zeit führte der Verkehr –<br />

teils per Schiff über den Bielersee<br />

– von Bern über Biel nach Neuenburg.<br />

Die Centralbahn mit Sitz in<br />

Basel besass die Konzession für<br />

diese Strecke, wie auch für jene<br />

des geplanten Streckenabschnitts<br />

Bern Hauptbahnhof – Abzweigung<br />

Ausserholligen. Die Auseinandersetzungen<br />

der neugegründeten<br />

Bern-Neuenburg-Bahn mit<br />

dem mächtigen Kontrahenten<br />

führten insbesondere im Bahnhof<br />

Bern zu einer markanten Überschreitung<br />

des Budgets, da einer-<br />

Belastungsprobe für die Eisenbahnbrücke über die Bümplizsstrasse, um 1900.<br />

seits ein fünftes Perron die Abtragung<br />

eines Teils der Grossen<br />

Schanze erforderlich machte, anderseits<br />

für den gemeinsam genutzten<br />

Streckenabschnitt Hauptbahnhof-Ausserholligen<br />

eine exorbitante<br />

Gebühr entrichtet werden<br />

musste. Die Kosten gingen<br />

allesamt zu Lasten der neuen<br />

Bahngesellschaft.<br />

Am 10. Oktober 1890 erteilte der<br />

Bundesrat der Eisenbahngesellschaft<br />

die Konzession. Auf<br />

Wunsch der Centralbahn trug die<br />

neue Bahn den Zusatz «direkte Linie»<br />

(im Volksmund «Direkte» genannt),<br />

um damit eine Abgrenzung<br />

gegenüber der Strecke via<br />

Biel zu dokumentieren. Am <strong>12.</strong><br />

September 1898 erfolgte der Start<br />

der Bauarbeiten. Die Eröffnung<br />

wurde auf den 1. Juli 1901 festgelegt.<br />

Dieser Termin konnte eingehalten<br />

werden.<br />

Auftakt zur Eröffnungsfahrt<br />

Wie es zu dieser Zeit üblich war,<br />

umfasste der Kreis der erlauchten<br />

Gäste an der Eröffnungsfahrt<br />

ausschliesslich Männer.<br />

Nach dem Start auf<br />

dem hintersten Gleis des Hauptbahnhofs<br />

Bern erfolgte ein erster<br />

Halt im Bahnhof Bümpliz-Bethlehem<br />

(heute Bern Bümpliz Nord).<br />

Ein Mitarbeiter der Eisenbahn<br />

hielt das Geschehen wie folgt fest:<br />

Die Gemeinde Bümpliz bekundete<br />

ihre Nähe zur Hauptstadt durch<br />

flotte Ehrendamen, welche den<br />

funkelnden Wein in silbernen Pokalen<br />

kredenzten. Hinter vier Fahnen<br />

war ein Kinderchor gruppiert,<br />

daneben die Blechmusik. «Vaterland,<br />

ruh in Gottes Hand», sangen<br />

die Kleinen. Dann dampfte der Zug<br />

weiter in die sonnige Gegend hinaus.<br />

In Riedbach war die Begrüssung<br />

nicht minder herzlich, wenn<br />

auch der absolut ländlichen Bevölkerung<br />

entsprechend, einfacher.<br />

Während dem ein Männerchor<br />

sang, kreiste ein «Meiel» voll klaren<br />

Weins in der Gesellschaft in<br />

unserem Wagen herum.<br />

Der Schützenverein der Gemeinde<br />

Mühleberg, auf deren Boden<br />

der Bahnhof Rosshäusern lag,<br />

reiste bereits am 29. Juni in einem<br />

Extrazug von Neuenburg<br />

kommend nach Luzern an das<br />

DER AUTOR<br />

Max Werren ist ehemaliger Inhaber einer Kommunikations-<br />

Agentur und einstiger ehrenamtlicher Co-Ortsarchivar von<br />

Bümpliz. Er ist Verfasser zahlreicher Publikationen, darunter der<br />

«Bümplizer Geschichte(n)». Zudem ist Werren Präsident von<br />

«Kultur Schloss Bümpliz».<br />

Eidgenössische Schützenfest. Anlässlich<br />

dazu entwarf ein kreativer<br />

Hobbydichter eine Tafel mit<br />

einer Grussbotschaft, die anschliessend<br />

im Bahnhof Rosshäusern<br />

eingelagert wurde. Der sparsame<br />

Bahnhofvorstand entschied<br />

in eigener Regie, die Tafel wiederum<br />

an der Eröffnungsfahrt einzusetzen<br />

und so weitere Dekorationskosten<br />

zu vermeiden. Und<br />

so erblickten die verblüfften Ehrengäste<br />

am Bahnhofsgebäude<br />

folgenden Epos:<br />

Bern – Rosshäusern – Neuchâtel<br />

– Paris – Havre – New York –<br />

Tokio,<br />

Luzerner Schützen zum Appell,<br />

wir fahren ringsum am Globo,<br />

Vivat Bravissimo!<br />

Es erfolgte eine vergleichsweise<br />

anspruchslose Rede des Gemeindepräsidenten,<br />

hernach ein Vortrag<br />

des gemischten Chors samt<br />

Blechmusikbegleitung und Ehrenwein.<br />

In diesem Sinne – wenn<br />

auch ohne lyrischen Einschub,<br />

dafür mit archaischen Böllerschüssen<br />

– ging es weiter über<br />

Gümmenen – Ferenbalm-Gurbrü<br />

– Kerzers – Müntschemier.<br />

Die Freude der Märitfrauen von<br />

Ins und Gampelen<br />

Das Projekt einer «Direkten» von<br />

Neuenburg nach Bern wurde von<br />

Anfang an in Ins und Gampelen<br />

mit einer Ausnahme stark unterstützt.<br />

Die einzige Kritik aus Ins<br />

kam ausgerechnet vom berühmten<br />

Maler Albert Anker, der seinen<br />

Pflanzplätz für das Trassee<br />

der neuen Bahn opfern musste.<br />

Zudem beklagte er den Umstand,<br />

dass er beim Bahnhof keine direkten<br />

Billette nach Paris kaufen<br />

konnte. Sonst aber herrschte gerade<br />

in Kreisen der Marktfahrer<br />

grosser Optimismus, weil sie sich<br />

mit dem neuen Transportmittel<br />

die mühsame Fahrt mit Pferd und<br />

Wagen für den Wochenmarkt<br />

und die Belieferung der Gaststätten<br />

in Bern und Neuenburg ersparen<br />

konnten. Der Chronist<br />

schildert den Empfang in den beiden<br />

Seeländer Dörfern mit folgenden<br />

Worten:<br />

Ins hatte Schlimmes mit uns vor,<br />

denn da standen lange Tische mit

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