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Wie sich mit <strong>de</strong>r DDR-Vergangenheit gutes Geld verdienen lässt.<br />
Von Elisa Fie<strong>de</strong>lmann und Sarah Schönherr<br />
„41 Jahre Mauermuseum, für Frie<strong>de</strong>n in<br />
Freiheit, gegrün<strong>de</strong>t 1962 direkt am [...]<br />
Brennpunkt <strong>de</strong>s Kalten Krieges, dort wo<br />
die Weltenteilung begann!“ - So wirbt das<br />
Mauermuseum „Haus am Checkpoint<br />
Charlie“ in seinem Prospekt um Besucher,<br />
die aus allen Teilen <strong>de</strong>r Welt<br />
stammen dürften, <strong>de</strong>nn schließlich gibt<br />
es alle Texte in Deutsch, Englisch,<br />
Französisch und Russisch. Wer in <strong>de</strong>r<br />
geschichtsträchtigen Hauptstadt Berlin<br />
nach <strong>de</strong>n Spuren <strong>de</strong>r DDR-Vergangenheit<br />
sucht, fi n<strong>de</strong>t unter an<strong>de</strong>rem das<br />
Mauermuseum am Checkpoint - nur ein<br />
Beispiel für die nahezu perfekte Vermarktung<br />
<strong>de</strong>r Geschichte.<br />
Statt umfassen<strong>de</strong>r Informationen über<br />
die Mauer und die Teilung Deutschlands<br />
gibt es hier hauptsächlich Bil<strong>de</strong>r, Zeitungsausschnitte<br />
und Filme über Fluchtversuche<br />
aus <strong>de</strong>r ehemaligen DDR zu<br />
sehen: Schaufensterpuppen liegen in<br />
einem alten Volkswagen und in einer<br />
Lautsprecherbox, aus einer Reisetasche<br />
grinst eine hässliche Babypuppe hervor.<br />
Zwar hebt die Ecke über <strong>de</strong>n 17. Juni<br />
1953 <strong>de</strong>n Informationsgehalt <strong>de</strong>r Ausstellung<br />
<strong>de</strong>utlich an. Doch dieser Eindruck<br />
verblasst spätestens am Ausgang:<br />
Der Besucher wird direkt in <strong>de</strong>n „Mauershop“<br />
geleitet.<br />
*<br />
Die Mauerreste, die Verkäuferin<br />
Hanna Mundt täglich in großer Stückzahl<br />
an <strong>de</strong>n Mann o<strong>de</strong>r an die Frau bringt,<br />
sind angeblich noch original erhalten.<br />
„Wir haben eine Lagerhalle, in <strong>de</strong>r<br />
die Mauerstücke von 1989 aufbewahrt<br />
wer<strong>de</strong>n. Ich vermute aber, dass die Farbe<br />
darauf neu aufgetragen wird, weil sie<br />
mit <strong>de</strong>n Jahren verblasst ist.“ Magneten,<br />
Postkarten, Schokola<strong>de</strong> und Filme seien<br />
bei <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n im Übrigen auch sehr<br />
beliebt.<br />
*<br />
Während Hanna Mundt im Trockenen<br />
steht, muss sich Achmed Küçük einen<br />
Unterschlupf suchen. Es regnet in<br />
Strömen, seinen Verkaufsstand<br />
gegenüber <strong>de</strong>s ehemaligen Grenzhäuschens<br />
am Checkpoint hat er mit<br />
einer Plane abge<strong>de</strong>ckt. Im Gegensatz<br />
zum Mauershop bietet<br />
Achmed Küçük vor allem<br />
Hüte und Mützen <strong>de</strong>r<br />
Nationalen Volksarmee und<br />
<strong>de</strong>r Volkspolizei an. „Eine<br />
kostet zehn Euro. Ich verkaufe<br />
täglich drei Stück“,<br />
sagt er in gebrochenem<br />
Deutsch. Hanna Mundt sind<br />
Stän<strong>de</strong> wie <strong>de</strong>r von Achmed Küçük<br />
ein Dorn im Auge: „Sie sind furchtbar<br />
und müssen weg. Wer Mützen und<br />
Uniformen aus <strong>de</strong>r DDR-Zeit verkauft,<br />
missbraucht die Geschichte.“<br />
*<br />
Nicht nur am Checkpoint Charlie,<br />
auch am Alexan<strong>de</strong>rplatz fi n<strong>de</strong>n aufmerksame<br />
Passanten die Spuren <strong>de</strong>r Vergangenheit.<br />
Korinna Koos hat im Dezember<br />
2003 von ihrer Mutter das kleine<br />
Geschäft „Ostprodukte“ übernommen.<br />
Im Regal fi n<strong>de</strong>n sich Marken wie<br />
Florena, Zetti, Yvette Intim, Nudossi<br />
und Halloren. Korinna Koos zählt vor<br />
allem ältere Menschen zu ihren Stammkun<strong>de</strong>n.<br />
Auch Ingeborg Rie<strong>de</strong>l kauft<br />
hier regelmäßig: „Meine Frisiercreme<br />
bekomme ich sonst nirgendwo.“ Wie die<br />
Frisiercreme „Fan“ wird <strong>de</strong>r Großteil<br />
<strong>de</strong>r „Ostprodukte“ auch in <strong>de</strong>n neuen<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn hergestellt. Ein Beispiel<br />
dafür ist das Kosmetik-Unternehmen<br />
Florena, das seinen Sitz im sächsischen<br />
Waldheim hat. 2002 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Grundstein<br />
für eine sechs Millionen Euro teure<br />
neue Produktionshalle gelegt. Im gleichen<br />
Jahr wur<strong>de</strong> die Florena Cosmetic<br />
GmbH auch eine 100-prozentige Tochter<br />
<strong>de</strong>r Beiersdorf AG. „Wie bei<br />
Florena stammen auch die<br />
Inhaber an<strong>de</strong>rer Firmen, die<br />
Ostprodukte herstellen, aus<br />
<strong>de</strong>m Westen“, weiß<br />
Korinna Koos.<br />
*<br />
Mit einer Kundin aus <strong>de</strong>m<br />
Westen Deutschlands geriet<br />
kürzlich Artur Schnei<strong>de</strong>r, Inhaber<br />
<strong>de</strong>s „Café Sibylle“ in <strong>de</strong>r Karl-<br />
Marx-Allee, aneinan<strong>de</strong>r. „Die Kundin<br />
beharrte darauf, dass es mir vor allem<br />
ums Geld verdienen gehe“, erinnert sich<br />
Artur Schnei<strong>de</strong>r. Die beson<strong>de</strong>re Attraktion<br />
seines Cafés sind das linke Ohr und<br />
<strong>de</strong>r linke Teil <strong>de</strong>s Bartes <strong>de</strong>r Stalin-Statue,<br />
die von 1953 bis 1963 in <strong>de</strong>r Stalin-Allee<br />
stand, die heute Karl-Marx-Allee heißt.<br />
„Natürlich spielt Geld auch eine Rolle,<br />
aber nicht die wichtigste. Mir geht es<br />
hauptsächlich darum, etwas auf die Beine<br />
zu stellen“, sagt <strong>de</strong>r Café-Inhaber. Eine<br />
kleine Ausstellung in seinem Café zeichnet<br />
die Geschichte <strong>de</strong>r ehemaligen Stalin-Allee<br />
nach. Neben Informationstafeln<br />
sollen ein alter Fernseher und eine<br />
Briefkastenanlage das Leben in <strong>de</strong>r<br />
Prachtstraße <strong>de</strong>s sozialistischen Ost-Berlins<br />
ver<strong>de</strong>utlichen. „Stalins Ohr und Bart<br />
souvenir, souvenir | 15<br />
DAS<br />
GESCHÄFT *<br />
MIT DEM OSTEN<br />
sind nur die Aufhänger, um Besucher<br />
anzulocken“, betont <strong>de</strong>r Inhaber.<br />
*<br />
Wie das gelingt, weiß <strong>de</strong>r Tübinger<br />
Designer Markus Heckhausen nur zu<br />
gut. Er ent<strong>de</strong>ckte in <strong>de</strong>n Höfen <strong>de</strong>r<br />
Berliner Straßenbaumeisterei entsorgte<br />
DDR-Ampelmännchen und baute aus<br />
<strong>de</strong>m Original-Glas eine rote und eine<br />
grüne Ampelleuchte. Mit medienwirksamen<br />
Aktionen und Demonstrationen<br />
gelang es 1997, die Ostmännchen wie<strong>de</strong>r<br />
als zulässiges Ampelzeichen an allen kommunalen<br />
Straßen durchzusetzen. 1999 gab<br />
Markus Heckhausen die erste Ampelmann-Kollektion<br />
heraus. Seither wird<br />
das Sortiment regelmäßig erweitert. In<br />
<strong>de</strong>n drei Geschäften in <strong>de</strong>n Hackeschen<br />
Höfen, am Potsdamer Platz und Unter<br />
<strong>de</strong>n Lin<strong>de</strong>n fi n<strong>de</strong>n die Kun<strong>de</strong>n nicht nur<br />
Lampen o<strong>de</strong>r Flaschenöffner in Form<br />
<strong>de</strong>s roten o<strong>de</strong>r grünen Ampelmännchens,<br />
son<strong>de</strong>rn auch T-Shirts, Buchstützen,<br />
Tassen o<strong>de</strong>r Ausstechförmchen. „Das<br />
beliebteste Produkt sind wohl die Fruchtgummis“,<br />
vermutet Florian Heckhausen,<br />
<strong>de</strong>r Bru<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Tübinger Designers.<br />
Der Ampelmann sei inzwischen zum<br />
beliebtesten Berlin-Souvenir aufgestiegen.<br />
Übrigens ist vor zwei Jahren auch ein<br />
Webshop (www.ampelmann.<strong>de</strong>) eingerichtet<br />
wor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn auch im Internet hat<br />
die grenzenlose Vermarktung <strong>de</strong>s Ostens<br />
Fuß gefasst - so gibt es in <strong>de</strong>n neuen<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn zumin<strong>de</strong>st eine Branche,<br />
die boomt.