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Ein Zeitungskind <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsch-<strong>de</strong>utschen Beziehungen<br />

staeffi<br />

DAS ANDERE LAND NICHT<br />

* FÜR EIN FREMDES HALTEN<br />

>> Präsidialer Plausch: Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt<br />

Johannes Rau mit „staeffi“-Reporterinnen am<br />

19.6. in Bremens Lan<strong>de</strong>svertretung in Berlin.<br />

Auf <strong>de</strong>m Bürosessel, von <strong>de</strong>m aus Günter Gaus ab 1974 die Interessen <strong>de</strong>r<br />

BRD vertrat, nahm 1999 eine neue Hausherrin Platz: E<strong>de</strong>lgard Bulmahn,<br />

Bun<strong>de</strong>sministerin für Bildung und Forschung, bezog mit ihrem Ministerium<br />

die historischen Räume in <strong>de</strong>r Hannoverschen Straße. Welches Verhältnis<br />

sie zu <strong>de</strong>m Ort hat, an <strong>de</strong>m sie arbeitet, erzählte die Ministerin <strong>de</strong>n<br />

politik<strong>orange</strong>-Mitarbeitern Bettina und Martin Holtz.<br />

Frau Bulmahn, was <strong>de</strong>nken Sie über<br />

<strong>de</strong>n Einzug Ihres Ministeriums in die<br />

ehemalige Ständige Vertretung?<br />

Es war und ist mir selber noch<br />

immer ein großes Anliegen, dass<br />

die Geschichte dieses Hauses nicht<br />

verdrängt wird, son<strong>de</strong>rn als ein Teil<br />

dieses Ministeriums im Gedächtnis<br />

erhalten bleibt. Dieses Haus hat<br />

ganz unterschiedliche Phasen <strong>de</strong>r<br />

Geschichte erlebt: Es war einmal<br />

eine Polizeiaka<strong>de</strong>mie, es hat eine<br />

Geschichte als ein Haus, in <strong>de</strong>m die<br />

Planung für <strong>de</strong>n Wie<strong>de</strong>raufbau Berlins<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n sollte, es war<br />

Teil <strong>de</strong>r Bauaka<strong>de</strong>mie, es war die<br />

Ständige Vertretung. Damit haben<br />

in diesem Haus die Ursprünge <strong>de</strong>r<br />

Verständigung zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />

Teilen Deutschlands stattgefun<strong>de</strong>n.<br />

Heute ist dieses Gebäu<strong>de</strong> ein Ministerium<br />

für ein geeintes Deutschland.<br />

Es war mir wichtig, genau diesen<br />

Unterschied zwischen <strong>de</strong>n Phasen<br />

in diesem Haus in Erinnerung zu<br />

halten. Deshalb habe ich das Haus<br />

auch als einen Ort <strong>de</strong>r unterschiedlichen<br />

Zeiten, die dieses Land erlebt<br />

hat, erlebt, und erlebe es auch immer<br />

noch als solches. Vor allen Dingen ist<br />

es aber auch ein Haus mit Zukunft.<br />

Herr Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt, welche Be<strong>de</strong>utung<br />

hatte die StäV für Sie?<br />

Ich bin ja viel durch die DDR gefahren.<br />

Und zwar in all <strong>de</strong>n Jahren von 1959<br />

bis zum Fall <strong>de</strong>r Mauer. Da war es immer<br />

gut, dass man eine Anlaufstelle bekam,<br />

wo man abhörsicher mit allen re<strong>de</strong>n<br />

konnte, und ich hab manche Freun<strong>de</strong><br />

hingebeten. Zum Beispiel habe ich mit<br />

<strong>de</strong>m Ständigen Vertreter die politische<br />

Lage einzuschätzen versucht, bevor ich<br />

Honecker besuchte. Also das war eine<br />

feste Adresse, die außeror<strong>de</strong>ntlich wichtig<br />

war.<br />

GESCHICHTE *<br />

NICHT VERDRÄNGEN<br />

Wieso wissen Jugendliche heute so<br />

wenig über die DDR? Wird das<br />

Thema an Schulen ausgespart?<br />

Ich glaube, Jugendliche wissen<br />

häufi g nicht viel über die wirklichen<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r damaligen<br />

Politikerinnen und Politiker. Aber<br />

auch über die Probleme mit <strong>de</strong>r<br />

Menschlichkeit: Es war ja ungeheuer<br />

schwierig, Verwandte in <strong>de</strong>r DDR zu<br />

besuchen. Es war erst recht schwierig<br />

für DDR-Bürger, Verwandte in West<strong>de</strong>utschland<br />

zu besuchen. Ich kann<br />

mich noch aus meiner eigenen Kindheit<br />

daran erinnern, dass Besucher<br />

aus <strong>de</strong>r DDR erst dann zulässig<br />

waren, wenn die Menschen das Rentenalter<br />

erreicht hatten. Mit Begriffen<br />

wie zum Beispiel Entspannungspolitik<br />

und Ostpolitik bin ich aufgewachsen,<br />

weil sehr viele Familien<br />

davon betroffen waren. Das ist für<br />

die Jugendlichen heute so nicht mehr<br />

erlebbar, <strong>de</strong>shalb fehlt <strong>de</strong>r Bezug. Es<br />

ist unerlässlich, dass dieses Thema<br />

heute in <strong>de</strong>n Schulen unterrichtet<br />

wird, gera<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>r vielen betroffenen<br />

Menschen - die Geschichtsunterricht<br />

übrigens auch sehr lebendig<br />

machen können.<br />

Kann man sagen, dass die Arbeit <strong>de</strong>r<br />

StäV für die Wen<strong>de</strong> Vorarbeit leistete?<br />

Ganz gewiss, und zwar von Günter<br />

Gaus über Klaus Bölling, Hans-Otto<br />

Bräutigam und Franz Bertele. Das war<br />

eine ganz, ganz wichtige Hilfsstelle, die<br />

uns gelehrt hat, das an<strong>de</strong>re Land nicht<br />

für ein frem<strong>de</strong>s Land zu halten. Das war<br />

das Wichtigste.<br />

Wir haben <strong>de</strong>n Eindruck, dass die Geschichte<br />

<strong>de</strong>r DDR in Schulen nicht ausreichend<br />

vermittelt wird. Woher kommt<br />

dieses Desinteresse?<br />

Zwei Fragen an Thomas<br />

Krüger, Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r<br />

Bun<strong>de</strong>szentrale für<br />

politische Bildung.<br />

>> Wan<strong>de</strong>l durch<br />

Annäherung: Der<br />

Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>szentrale<br />

für politische<br />

Bildung, Thomas<br />

Krüger, 2004 und in<br />

<strong>de</strong>n Achtziger Jahren<br />

als Theologiestu<strong>de</strong>nt<br />

und Schauspieler in<br />

Ost-Berlin.<br />

ansichtssachen | 09<br />

Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt Johannes Rau ließ es sich nicht nehmen, persönlich die Feierlichkeiten<br />

zum 30-jährigen Jubiläum bei<strong>de</strong>r Ständigen Vertretungen zu besuchen. Er<br />

selbst war zu DDR-Zeiten Ministerpräsi<strong>de</strong>nt in Nordrhein-Westfalen. Am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Veranstaltung gab er Ida Krenzlin und Janina Rogge ein kurzes Interview.<br />

Das ist ganz unterschiedlich. Ich habe<br />

drei Kin<strong>de</strong>r, die in Berlin zur Schule<br />

gegangen sind. Zwei von <strong>de</strong>nen wissen<br />

sehr gut aus <strong>de</strong>r Schule Bescheid und eins<br />

nicht ganz so gut. Das ist aber auch eine<br />

Frage <strong>de</strong>s Lehrers und seines Engagements.<br />

Aber ganz gewiss wird das Interesse<br />

an <strong>de</strong>r DDR im Laufe <strong>de</strong>r Zeit<br />

abnehmen, <strong>de</strong>nn inzwischen haben wir<br />

auch Lehrer, die diese Zeit nicht mehr<br />

bewusst erlebt o<strong>de</strong>r erfahren haben. Deshalb<br />

bin ich dafür, dass man vieles dokumentiert<br />

und weitererzählt.<br />

* STÄV<br />

DER ANFANG VOM ENDE<br />

DER DDR ?<br />

Herr Krüger, einige Experten sagen, mit <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>r<br />

Ständigen Vertretung begann <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rgang <strong>de</strong>r DDR...<br />

Nur zwei Tagen nach<strong>de</strong>m 1974 die Ständige Vertretung<br />

gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, schlug die Fußballelf <strong>de</strong>r DDR das Team<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik mit 1:0, am En<strong>de</strong> war die DDR damals<br />

also noch lange nicht. Aber im Ernst: Die Ständige Vertretung<br />

war ein beson<strong>de</strong>rs exklusiver Kommunikationsraum, <strong>de</strong>n<br />

es nirgendwo sonst gab. Absurd auf <strong>de</strong>r<br />

einen Seite, weil dies ein Ort war, <strong>de</strong>r das<br />

ganze absur<strong>de</strong> Leben zusammengeführt<br />

hat. Künstler und Staatskünstler, Ostler<br />

und Westler. Die Staatsfunktionäre und<br />

Oppositionellen konnte man in diesem<br />

Freiraum nebeneinan<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r sogar miteinan<strong>de</strong>r<br />

treffen. Das war einzigartig.<br />

Diese Zeit aufzuarbeiten betreiben vor<br />

allem Westdiplomaten. Warum sitzt zum<br />

Jubiläum kein Vertreter <strong>de</strong>r ost<strong>de</strong>utschen<br />

Ständigen Vertretung mit auf <strong>de</strong>n Podien?<br />

Vielleicht haben die noch immer Angst,<br />

es wür<strong>de</strong> Gericht über sie gesessen. Diese<br />

Dauer-Mauer im Kopf ärgert mich.

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