UKJ-Klinikmagazin 1/2021
Blut - Saft des Lebens
Blut - Saft des Lebens
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01|21<br />
Apr. <strong>2021</strong><br />
DAS GESUNDHEITSMAGAZIN AM UNIVERSITÄTSKLINIKUM JENA<br />
TITELTHEMA<br />
BLUT – SAFT<br />
DES LEBENS<br />
Was ihn so besonders macht<br />
HEILEN<br />
Hirntumor-OP bei<br />
wacher Patientin
Foto: Schroll<br />
LIEBE LESERINNEN<br />
UND LESER,<br />
Blut ist außergewöhnlich: Es verbindet<br />
alle unsere Organe und steuert verschiedenste<br />
Körperfunktionen. Mit Blut<br />
können wir heilen. Und wir können darin<br />
lesen. Ein Blutbild gibt uns Hinweise auf<br />
zahlreiche Erkrankungen. Das Blut selbst<br />
kann aber auch krank werden. Leukämie<br />
ist sicher eine der bekanntesten Erkrankungen.<br />
Aber auch andere typische<br />
Bluterkrankungen stellen wir in diesem<br />
Heft vor. Wir berichten darüber, was den<br />
Lebenssaft ausmacht, und was jeder<br />
einzelne mit einer Blutspende bewirken<br />
kann.<br />
Nach wie vor lässt uns das Thema COVID-<br />
19 nicht los: In dieser Ausgabe stellen<br />
wir Ihnen unsere Long-COVID-Ambulanz<br />
für Kinder vor. Außerdem sprechen wir<br />
mit einem Wissenschaftler darüber,<br />
wie sich sein Arbeitsalltag, aber auch<br />
die Forschungsthemen seit Beginn der<br />
Pandemie gewandelt haben.<br />
Außerdem möchten wir Ihnen mit dieser<br />
Ausgabe unseres Magazins wieder Einblicke<br />
geben, auf welchen Gebieten am<br />
<strong>UKJ</strong> geforscht wird, wo neue Wirkstoffe<br />
die Therapien revolutionieren und was<br />
hinter den Kulissen unseres Universitätsklinikums<br />
passiert.<br />
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche<br />
Lektüre!<br />
BLUT – SAFT DES LEBENS<br />
Was macht Blut aus? Prof. Hochhaus im Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
Unser Blut im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8<br />
Leukämie – Krankheit mit vielen Gesichtern. . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
Typische Bluterkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Mit Blutplasma Erkrankten helfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
Transfusionsmedizin - mehr als Blutspende? . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
Blutvergiftung? Sepsis! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
Turbo-Forschung im weltweiten Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
AKTUELLES<br />
Long-COVID-Ambulanz für Kinder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
Optimale CT-Bilder im Notfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
Weiterbildung Notfallpflege gestartet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
Zurück in die Kinderkrankenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
Studie zu Gewalt an Pflegekräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
FORSCHEN<br />
Wie COVID-19 Organe schädigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
Stresswächter am Handgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
Neuer Professor für Hepatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29<br />
HEILEN<br />
Neue Chance durch Genersatztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
Hirn-OP bei wacher Patientin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
HINTER DEN KULISSEN<br />
Nicht zum Leben geboren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
Ihre „<strong>Klinikmagazin</strong>“-Redaktion<br />
KURZ & KNAPP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
TERMINE UND KONTAKTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38<br />
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STANDPUNKTE<br />
Abwehrzellen im Blut<br />
Wie das Immunsystem zielgerichtet gegen Infektionen<br />
und Krebs arbeitet<br />
Diese Ausgabe des <strong>Klinikmagazin</strong>s<br />
versammelt Beiträge zum Thema Blut.<br />
Es ist mir eine Freude, Ihnen die Sicht<br />
eines Immunologen auf das Thema zu<br />
vermitteln.<br />
Prof. Dr. Thomas Kamradt ist Professor für Immunologie<br />
und seit Januar <strong>2021</strong> Wissenschaftlicher<br />
Vorstand des <strong>UKJ</strong> und Dekan der Medizinischen<br />
Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena.<br />
Im Blutstrom reisen die Zellen des<br />
Abwehrsystems durch den Körper. Die<br />
meisten dieser Zellen üben ihre Funktion<br />
nicht in der Blutbahn aus, sondern<br />
sind, bildlich gesprochen, auf dem<br />
Weg zur Arbeit. Das liegt daran, dass<br />
Infektionserreger üblicherweise nicht<br />
ins Blut gelangen, sondern zunächst<br />
die Barrieren des Körpers, die Haut<br />
und die Schleimhäute, überwinden<br />
müssen. Dort gibt es eine große Zahl<br />
von Abwehrzellen. Sie phagozytieren<br />
(Fachausdruck für „fressen“) und töten<br />
die eingedrungenen Erreger, gleichzeitig<br />
produzieren sie Botenstoffe, die<br />
weitere Zellen des Immunsystems<br />
anlocken. Im einfachsten Fall wäre die<br />
Sache damit erledigt: Erreger beseitigt,<br />
Gefahr gebannt. Doch was, wenn der<br />
Erreger wiederkommt? Für diesen Fall<br />
gibt es spezielle Zellen, die sogenannten<br />
Lymphozyten. Die teilen sich die<br />
Arbeit mit den Fresszellen. Die Fresszellen<br />
sind schnell und effizient, aber<br />
nicht sehr spezifisch. Sie fressen und<br />
vernichten, ohne einen Unterschied<br />
zwischen verschiedenen Mikroben zu<br />
machen. Auch bei der hundertsten<br />
Begegnung mit einem Erreger verhalten<br />
sie sich wie bei der ersten. Die<br />
Lymphozyten arbeiten genauer. Jeder<br />
Lymphozyt erkennt ein spezifisches<br />
Merkmal eines bestimmten Krankheitserregers.<br />
Ein Lymphozyt, der ein<br />
Grippevirus angreifen kann, ist also<br />
nutzlos gegen eine Pilzinfektion. Lymphozyten<br />
können aber lernen. Nach<br />
einer Infektion oder Impfung werden<br />
einige Lymphozyten zu Gedächtniszellen,<br />
die den Erreger bei einer erneuten<br />
Begegnung schneller und effektiver<br />
bekämpfen. Das immunologische<br />
Gedächtnis ist die Grundlage aller<br />
Impfungen. Durch eine Impfung wird<br />
dem Immunsystem eine Infektion vorgegaukelt.<br />
Es wird aktiviert, Gedächtniszellen<br />
werden gebildet und schützen<br />
vor einer realen Infektion. Durch<br />
Impfungen sind viele Infektionskrankheiten,<br />
die mit hoher Sterblichkeit<br />
verknüpft waren, vollständig (Pocken)<br />
oder weitestgehend (z.B. Polio) beseitigt<br />
worden. Impfungen sind die erfolgreichste<br />
medizinische Maßnahme, die<br />
bisher erdacht wurde. Aber nicht nur<br />
Impfungen werden heute eingesetzt,<br />
um das Immunsystem auf bestimmte<br />
Ziele zu lenken. Zellen des Abwehrsystems<br />
können durch Medikamente oder<br />
molekularbiologische Manipulationen<br />
„Impfungen<br />
sind die<br />
erfolgreichste<br />
medizinische<br />
Maßnahme, die<br />
bisher erdacht<br />
wurde.“<br />
dazu gebracht werden, effizient gegen<br />
Tumorzellen vorzugehen. Durch solche<br />
immunologischen Therapien sind<br />
in den letzten Jahren Erfolge gegen<br />
Tumorkrankheiten möglich geworden,<br />
die bis vor kurzem als unheilbar<br />
galten. Im Blut ist also eine Vielzahl<br />
unterschiedlicher Abwehrzellen und<br />
wir Ärzte und Wissenschaftler lernen<br />
gerade, wie diese Zellen immer gezielter<br />
und effektiver gegen Infektionskrankheiten<br />
oder Tumoren gerichtet<br />
werden können.<br />
Prof. Thomas Kamradt<br />
Wissenschaftlicher Vorstand<br />
und Dekan<br />
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3
Blut<br />
Saft des Lebens<br />
„Blut ist ein ganz besonderer Saft“, wusste<br />
schon Mephisto in Goethes Faust. Doch was<br />
macht Blut so einzigartig? Ein Gespräch mit<br />
Prof. Dr. Andreas Hochhaus. Er leitet am<br />
Universitätsklinikum Jena die Klinik für<br />
Innere Medizin II, Hämatologie und<br />
Internistische Onkologie.<br />
4 01 | 21
TITELTHEMA<br />
Hatte Mephisto Recht, als er in der<br />
Wette mit Faust Blut als ganz besonderen<br />
Saft bezeichnete?<br />
Prof. Hochhaus: Ja, ich denke, die<br />
Bezeichnung trifft noch heute zu. Weil<br />
Blut für das Leben des Menschen essentiell<br />
ist. Weil es auch viele lebensbedrohliche<br />
Krankheiten gibt, die mit dem<br />
Blut zusammenhängen, wir aber auch<br />
mit Blut heilen können. Und weil Blut<br />
Bande schafft. Wir lasen bei Karl May<br />
von den Blutsbrüdern Winnetou und<br />
Old Shatterhand. Und nicht umsonst<br />
sprechen wir von Blutsverwandtschaft,<br />
wenn wir uns in der Familie bewegen<br />
und ausdrücken möchten, dass wir eine<br />
besondere Verbindung beispielsweise<br />
zu unseren Eltern, Geschwistern oder<br />
Kindern haben.<br />
Welche wesentlichen Aufgaben<br />
schreiben wir dem Blut zu?<br />
Prof. Hochhaus: Blut verbindet alle<br />
Organe unseres Körpers, weil es überall<br />
hindurchfließt und alle Organe mit Sauerstoff<br />
versorgt. Es transportiert zudem<br />
alles ab, was an „Abfall“ übrigbleibt,<br />
gemeint ist natürlich das Kohlendioxid,<br />
das abgeatmet werden muss. Aber es<br />
gibt auch andere Stoffe, die entstehen<br />
und über Leber und Niere abgebaut<br />
werden und dafür erst einmal dorthin<br />
transportiert werden müssen. Blut reguliert<br />
außerdem, indem es stärker oder<br />
weniger stark in die Körperregionen<br />
fließt, Wärme und Kälte unseres Körpers.<br />
Nicht zu vergessen die Blutzellen, hier<br />
zunächst die weißen Blutkörperchen, die<br />
unverzichtbar für unsere Immunabwehr<br />
sind. Hinzu kommen die roten, die, wie<br />
schon erwähnt, für den Sauerstofftransport<br />
verantwortlich sind. Als dritte Zellart<br />
wären die Blutplättchen zu nennen, sie<br />
regeln die zelluläre Blutgerinnung. Last<br />
but not least das Blutplasma, das die<br />
plasmatische Gerinnung steuert, aber<br />
auch im Zusammenhang mit der Immunabwehr<br />
die Antikörper, Komplementfaktoren<br />
und Botenstoffe transportiert.<br />
Stichwort Blutgruppen. Es gibt vier:<br />
A, B, AB und 0. Wie relevant sind sie<br />
bei der Entstehung und Ausprägung<br />
von Krankheiten?<br />
Prof. Hochhaus: Das AB0-System wurde<br />
1901 von Karl Landsteiner beschrieben,<br />
wofür er 1930 den Nobelpreis für<br />
Medizin bekam. Im Zusammenhang mit<br />
COVID-19 hatte eine Meldung die Runde<br />
gemacht, dass eine Blutgruppe einen<br />
besonderen Schutz bieten würde. Das<br />
hat sich als Falschmeldung erwiesen<br />
und wurde widerlegt. Es gibt immer<br />
wieder Berichte über Assoziationen von<br />
Blutgruppen zu bestimmten Krankheiten,<br />
die häufig in Validierungsstudien<br />
nicht belegt werden. Aber die Blutgruppen<br />
spielen natürlich eine große Rolle,<br />
wenn ein Blutersatz erforderlich wird.<br />
Dieser muss natürlich blutgruppenspezifisch<br />
gemacht werden. Ansonsten<br />
würde ich spezielle Blutgruppen mit<br />
bestimmten Krankheiten nicht in Verbindung<br />
bringen wollen. Hier gibt es<br />
keine belastbaren Daten.<br />
Prof. Dr. Andreas Hochhaus<br />
Was bezeichnen wir als typische<br />
Erkrankungen des Blutes?<br />
Prof. Hochhaus: Beginnen wir mit<br />
der Leukämie, da sie immer als<br />
unmittelbar lebensbedrohlich und<br />
für den betroffenen Patienten als<br />
wirklich schlimm verstanden wird.<br />
Hier unterscheiden wir vom Verlauf<br />
chronische und akute Leukämien,<br />
von der betroffenen Zelllinie<br />
myeloische und lymphatische Formen.<br />
Andere schwere Erkrankungen des<br />
Blutes sind die Erkrankungen des<br />
Gerinnungssystems, die angeboren<br />
sein können. Gemeint sind hier die<br />
sogenannten Blutererkrankungen,<br />
medizinisch Hämophilie. Eine weitere<br />
akute Form der Gerinnungsstörung sind<br />
die Erkrankungen der Blutplättchen,<br />
insbesondere die Thrombozytopenien.<br />
Die Immunthrombozytopenie (ITP)<br />
tritt plötzlich auf und ist unmittelbar<br />
lebensbedrohlich, weil sie die Zahl der<br />
Thrombozyten nahe Null bringt und<br />
dadurch den zellulären Teil der Gerinnung<br />
außer Kraft setzt. Nicht zu vergessen<br />
die Anämie, umgangssprachlich<br />
Blutarmut genannt. Hier gibt es sehr<br />
viele unterschiedliche Formen und<br />
Interaktionen mit allen Organsystemen.<br />
Speziell die Eisenmangelanämie ist<br />
die in Deutschland am häufigsten<br />
auftretende Erkrankung des Blutes.<br />
Insgesamt möchte ich aber sagen, dass<br />
wir bei all diesen Erkrankungen – auch<br />
den lebensbedrohlichen – heute sehr<br />
gute Behandlungsmöglichkeiten haben,<br />
die im Einzelfall eine langfristige<br />
Überlebenschance bieten. Voraussetzung<br />
ist natürlich eine schnelle und<br />
gezielte Diagnostik und strukturierte<br />
Therapieplanung, sodass auf deren<br />
Grundlage der Schrecken über die<br />
Erkrankung relativiert werden kann.<br />
Stichwort Blutbild. Es ist in der<br />
Diagnostik immer eines der ersten<br />
Mittel. Spiegelt mein Blut meinen<br />
Gesundheitszustand wirklich so<br />
deutlich wider?<br />
Prof. Hochhaus: Wenn es so einfach<br />
wäre, bräuchten wir nicht diese<br />
angewandte Breite an diagnostischen<br />
→<br />
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5
TITELTHEMA<br />
Maßnahmen. Aber in vielen Fällen spiegelt<br />
das Blutbild tatsächlich wider, dass<br />
überhaupt eine Erkrankung vorliegt.<br />
Welche dann konkret vorliegt, muss<br />
mit weiteren Untersuchungen abgeklärt<br />
werden. Aber grundsätzlich können wir<br />
bei richtiger Interpretation am Blutbild<br />
sehr viel ablesen.<br />
Was sagt das kleine, was das große<br />
Blutbild?<br />
Prof. Hochhaus: Das kleine Blutbild<br />
beinhaltet die drei Werte Hämoglobin,<br />
auch als Hb-Wert bekannt, Leukozyten<br />
und Thrombozyten. Das große<br />
Blutbild beinhaltet dann eine sehr viel<br />
feinere Aufgliederung der Leukozyten<br />
in denverschiedenen Subklassen<br />
und Reifungsstufen sowie noch einige<br />
Parameter, die so klingen wie Mainzer<br />
Karnevalsvereine: MCV und MCH. MCV<br />
bedeutet mittleres corpuskuläres<br />
Volumen oder einfaches mittleres Zellvolumen.<br />
Und unter MCH verstehen wir<br />
den mittleren Hämoglobingehalt des<br />
einzelnen Erythrozyten. An diesen Werten<br />
erkennt man, wie reich das einzelne<br />
rote Blutkörperchen mit Hämoglobin<br />
gesättigt ist und folglich, ob es einen<br />
Mangel an für die Blutbildung notwendigen<br />
Stoffen wie beispielsweise Eisen,<br />
Vitamin B12 oder Folsäure gibt.<br />
Gibt es beim Blut eine Altersspezifik<br />
zwischen Kindern und älteren<br />
Menschen?<br />
Prof. Hochhaus: Die Normalwerte, die<br />
wir in der klinischen Chemie zur Blutbildbestimmung<br />
anwenden, sind tatsächlich<br />
unterschiedlich. Kinder haben<br />
zu Beginn des Lebens unmittelbar nach<br />
der Geburt noch eine andere Hämoglobinart.<br />
Es gibt das fetale Hämoglobin,<br />
das im ersten Lebensjahr durch das<br />
typische Hämoglobin der erwachsenen<br />
Menschen ersetzt wird, welches<br />
aus zwei Alpha- und zwei Betaketten<br />
besteht.<br />
Heilen mit Blut? Aus früheren Zeiten<br />
kennen wir einerseits den Aderlass.<br />
Andererseits sind Transfusionen unerlässlich?<br />
Prof. Hochhaus: Der Aderlass ist<br />
eine der ältesten medizinischen<br />
Behandlungsformen, wird aber auch<br />
noch heute angewendet, zum Beispiel<br />
zum Eisenentzug bei Eisenüberladung.<br />
In der Hämatologie kennen wir<br />
Krankheiten, die nicht durch Mangel,<br />
sondern durch zu viel Blut charakterisiert<br />
sind. Wir sprechen von „Polyzythämie“.<br />
Und zu viel Blut führt dazu, dass die<br />
Fließgeschwindigkeit vermindert ist<br />
und dadurch die Organe mit zu wenig<br />
Sauerstoff versorgt werden. Die<br />
Ersttherapie besteht darin, künstlich<br />
einen Eisenmangel herzustellen, um die<br />
Blutbildung zu reduzieren. Das machen<br />
wir mit Aderlass.<br />
Eine Bluttransfusion ist notwendig,<br />
wenn Menschen einen akuten Blutverlust<br />
erleiden, der den Kreislauf so<br />
beeinträchtigt, dass die Organe nicht<br />
mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt<br />
werden können, zum Beispiel bei<br />
einem Unfall beziehungsweise akuter<br />
Lebensgefahr. Bluttransfusionen benötigen<br />
wir aber auch in der Behandlung<br />
von Leukämien, wenn während der Chemotherapien<br />
und als Folge der Erkrankung<br />
die normale Blutbildung zunächst<br />
unterbrochen ist. Diese Unterbrechung<br />
wird mit gespendetem Blut überbrückt.<br />
Und wir benötigen Bluttransfusionen<br />
bei geplanten Operationen, von<br />
denen wir wissen, dass sie mit einem<br />
hohen Blutverlust verbunden sind.<br />
Hier gibt es am <strong>UKJ</strong> aber schon neue<br />
Projekte, unter anderem in Form von<br />
Eigenblutspenden vor der Operation,<br />
um das eigene Blut unter der Operation<br />
wiederzubekommen. Dadurch können<br />
6 01 | 21
haben wir das kennengelernt, als in den<br />
1960er- und 1970er-Jahren Arbeiter aus<br />
Italien, Griechenland und der Türkei<br />
nach Westdeutschland kamen. Und<br />
aus Afrika kennen wir beispielsweise<br />
die Sichelzell-Anämie, dort endemisch<br />
wegen einer Malaria-Resistenz der<br />
Erythrozyten.<br />
die Transfusionen mit gespendetem<br />
Blut sehr klein gehalten werden.<br />
Stimmt es, dass Blut inzwischen auch<br />
synthetisch hergestellt werden kann?<br />
Prof. Hochhaus: Ja, das ist richtig. Es<br />
gibt schon wissenschaftliche Projekte<br />
zur Herstellung von Flüssigkeiten,<br />
mit denen wir kurzfristig die<br />
Sauerstofftransportkapazität ersetzen<br />
können. Das ist längst keine klinische<br />
Routine, aber man kann mit künstlichen<br />
Stoffen neben dem Volumenersatz<br />
die Hämoglobinfunktion, nämlich die<br />
Sauerstoffaufnahme und -abgabe,<br />
ersetzen.<br />
Gibt es regionale beziehungsweise<br />
geographische Besonderheiten bei<br />
der Entstehung von Bluterkrankungen?<br />
Prof. Hochhaus: Ja, es gibt zum Beispiel<br />
die sogenannte Mittelmeer-Anämie.<br />
Das sind genetische Varianten, die<br />
besonders in den Anrainerstaaten<br />
des Mittelmeers vorkommen, also<br />
Südeuropa und Afrika. In Deutschland<br />
Was kann ich für meine Blutgesundheit<br />
tun?<br />
Prof. Hochhaus: Ganz klare Antwort:<br />
gesund leben. Warum? Für die benötigten<br />
Bausteine im Blut wie Eisen oder<br />
Vitamin B12 brauchen wir eine gesunde,<br />
ausgewogene Ernährung und natürlich<br />
Bewegung an der frischen Luft und<br />
Sport.<br />
Interview: Annett Lott<br />
KONTAKT<br />
Prof. Dr. Andreas Hochhaus<br />
Direktor der Abteilung für Hämatologie<br />
und Internistische Onkologie der KIM II<br />
Sprecher des UniversitätsTumor-<br />
Centrums Jena<br />
03641 9-32 42 00<br />
andreas.hochhaus@med.uni-jena.de<br />
Fotos: Schroll<br />
01 | 21<br />
7
UNSER BLUT<br />
Bestandteile 55%<br />
45%<br />
flüssiges<br />
Blutplasma<br />
feste Bestandteile (rote und weiße<br />
Blutkörperchen und Blutplättchen)<br />
Rote Blutkörperchen<br />
Rote Blutkörperchen, auch Erythrozyten<br />
genannt, transportieren Sauerstoff.<br />
Lebensdauer:<br />
100 bis 120 Tage<br />
Blutplättchen<br />
Die Blutplättchen, auch Thrombozyten genannt,<br />
spielen eine wichtige Rolle bei der Blutstillung.<br />
Wird ein Blutgefäß verletzt, bilden sie einen Pfropf,<br />
der die Blutung stoppt.<br />
Lebensdauer:<br />
5 bis 11 Tage<br />
Weiße Blutkörperchen<br />
Die weißen Blutkörperchen, auch Leukozyten genannt,<br />
spielen eine entscheidende Rolle bei der Abwehr<br />
krankheitserregender Mikroorganismen wie Bakterien,<br />
Viren und Parasiten. Die verschiedenen Untergruppen<br />
Neutrophile, Basophile, Eosinophile und Lymphozyten<br />
haben unterschiedliche Aufgaben.<br />
Lebensdauer: einige Tage bis wenige Jahre<br />
Plasma<br />
Ein wichtiger Bestandteil des flüssigen Blutplasmas<br />
sind Gerinnungsfaktoren. Sie sorgen zusammen mit<br />
den Thrombozyten für die Blutstillung.<br />
Abbildung: freepik | pikisuperstar<br />
Rote Blutkörperchen<br />
Weiße Blutkörperchen<br />
mit Blutplättchen<br />
Plasma<br />
8 01 | 21
Aufgaben<br />
Unser Blut ist lebensnotwendig: Es verbindet alle Organe<br />
unseres Körpers. Das Blut versorgt die Organe mit Sauerstoff<br />
und transportiert Kohlendioxid, das abgeatmet werden<br />
muss. Es wehrt Krankheitserreger mithilfe von Antikörpern ab<br />
und verteilt Wärme gleichmäßig im Körper. Außerdem werden<br />
über das Blut nicht nur Nährstoffe wie Eiweiß oder Kohlenhydrate<br />
zu den Zellen transportiert, sondern auch wichtige<br />
Informationen in Form von Hormonen im Körper übermittelt.<br />
Blut lässt sich bisher nicht vollständig durch eine andere<br />
Flüssigkeit ersetzen.<br />
Blutgruppen<br />
Das AB0-Blutgruppensystem – 1901 von Karl Landsteiner<br />
entdeckt – umfasst die Gruppen A, B, AB und 0.<br />
Blutgruppe A weist das Antigen A auf, Blutgruppe B das<br />
Antigen B, Gruppe AB besitzt beide Antigene und Gruppe<br />
0 keines. Die Antigene sind dafür verantwortlich, dass<br />
sich das Blut verklumpt, wenn sich bestimmte Blutgruppen<br />
vermischen. Sie entwickeln Antikörper, sobald<br />
„fremde“ Blutkörperchen auftauchen.<br />
Häufigkeit<br />
AB-<br />
B-<br />
AB+<br />
0-<br />
A-<br />
B+<br />
0+<br />
A+<br />
1%<br />
2%<br />
4%<br />
6%<br />
6%<br />
9%<br />
35%<br />
37%<br />
Rhesus-System<br />
Zusätzlich zur Blutgruppe wird der Rhesusfaktor<br />
angegeben – „positiv“ oder „negativ“.<br />
Etwa 85% der weißen europäischen und amerikanischen<br />
Bevölkerung und fast 100% aller Afrikaner, Asiaten<br />
und Indianer Nordamerikas sind Rhesus-positiv, der<br />
Rest Rhesus-negativ. Von Bedeutung ist der Rhesusfaktor,<br />
wenn es zu einer Schwangerschaft einer Rhesus-negativen<br />
Frau mit einem Rhesus-positivem Kind kommt. Dann droht<br />
eine lebensbedrohliche Antigen-Antikörper-Reaktion.<br />
Farbe<br />
Die Eiweißverbindung Hämoglobin macht 90% unserer<br />
roten Blutkörperchen aus. Hämoglobin<br />
Menge<br />
Ein Baby hat nur etwa 400ml Blut – also etwa<br />
zwei Gläser voll. Ein Erwachsener muskulöser Mann kann<br />
bis zu sieben Liter Blut haben. Im Durchschnitt haben<br />
Männer 5,4l Blut und Frauen rund 4,5l Blut.<br />
Zum einen, weil Frauen meist weniger wiegen als Männer,<br />
zum anderen, weil ihr Körperfettanteil höher ist.<br />
Blutbildung<br />
Viele Blutkörperchen haben nur eine begrenzte Lebensdauer.<br />
Daher müssen sie ständig erneuert werden. Für die<br />
Blutbildung (Hämatopoese) sorgen die blutzellbildenden<br />
Stammzellen. Bei einem erwachsenen Menschen werden<br />
täglich Milliarden reife Blutzellen gebildet.<br />
besteht zu einem großen Teil aus Eisen und verleiht<br />
unserem Blut die rote Farbe.<br />
Bild: freepik | starline<br />
01 | 21<br />
9
TITELTHEMA<br />
Leukämie – eine Krankheit mit vielen Gesichtern<br />
Stammzelltherapie am <strong>UKJ</strong> mit 25-jähriger Geschichte<br />
Leukämie – wer diese Diagnose hört,<br />
verbindet sie mit einer Erkrankung, die<br />
unmittelbar lebensbedrohlich erscheint.<br />
„Hier muss man jedoch genau unterscheiden“,<br />
so Prof. Andreas Hochhaus,<br />
Direktor der Klinik für Innere Medizin<br />
II am <strong>UKJ</strong>. Im Grunde stecken hinter<br />
dem Begriff „Leukämie“ gleich mehrere,<br />
durchaus unterschiedliche Erkrankungen.<br />
Vom Krankheitsverlauf betrachtet unterscheiden<br />
sich akute, sich sehr schnell<br />
entwickelnde Formen von chronischen,<br />
langsam entstehenden Leukämien.<br />
Beide Verlaufsformen lassen sich jeweils<br />
wiederum in zwei Gruppen unterteilen,<br />
je nach den Vorläuferzellen, aus denen<br />
die Tumorzellen entstehen. Mediziner<br />
teilen die Erkrankungen in lymphatische<br />
und myeloische Leukämien ein: Bei den<br />
akuten lymphatischen Leukämien sind<br />
im Blut viele unreife, nicht funktionsfähige<br />
Lymphozyten zu finden, bei den<br />
akuten myeloischen Leukämien sind Zellen,<br />
die sogenannten myeloische Blasten,<br />
verändert und reifen nicht weiter zu<br />
funktionsfähigen Blutzellen aus.<br />
„Bei den chronischen Leukämieformen<br />
handelt es sich um einen schleichenden<br />
Prozess“, so Prof. Hochhaus. Sie werden<br />
nur unbehandelt lebensbedrohlich.<br />
Dank der heutigen Behandlungsmöglichkeiten<br />
ist für die betroffenen<br />
Patienten aber eine nahezu normale<br />
Überlebenswahrscheinlichkeit möglich.<br />
Bei den akuten Formen spielen schnelle<br />
Diagnostik und gezielte Behandlung<br />
eine entscheidende Rolle, weil diese<br />
unbehandelt innerhalb weniger Wochen<br />
einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen.<br />
„Hier ist die Stammzelltherapie<br />
heute Standard – wenn auch nicht für<br />
jeden Patienten“, so Prof. Hochhaus, der<br />
auch Sprecher des UniversitätsTumor-<br />
Centrums Jena ist. Etwa 20 Prozent aller<br />
erwachsenen Leukämie-Erkrankten<br />
sind auf eine Behandlung mit Stammzellen<br />
angewiesen.<br />
Was passiert genau bei einer Stammzelltherapie?<br />
Kommen die Stammzellen<br />
vom Patienten selbst, sprechen<br />
die Experten von einer autologen<br />
Transplantation. Apherese nennt sich<br />
das Verfahren, bei dem die körpereigenen<br />
Stammzellen beispielsweise für die<br />
Behandlung von bestimmten Formen<br />
von Lymphdrüsenkrebs gewonnen werden.<br />
Nach einer hochdosierten Chemotherapie<br />
werden sie dem Erkrankten per<br />
Infusion wieder übertragen. Bei der so<br />
genannten allogenen Transplantation<br />
stammen die Stammzellen von einem<br />
Familienangehörigen oder auch einem<br />
nichtverwandten Spender.<br />
Über das Zentrale Knochenmarkspender-Register<br />
in Deutschland (ZKRD), mit<br />
dem das <strong>UKJ</strong> eng kooperiert, kann auf die<br />
Daten von rund 29 Millionen potenziellen<br />
Spendern weltweit zurückgegriffen<br />
werden. Durch die immer effizienteren<br />
Typisierungsverfahren lassen sich so<br />
auch geeignete Spender außerhalb der<br />
Familie finden – glücklicherweise findet<br />
sich für 90 Prozent der Patienten heutzutage<br />
ein geeigneter Stammzellspender.<br />
Fotos: Schroll<br />
01 | 21
TITELTHEMA<br />
Mehr als 40 Jahre<br />
Stammzelltherapie am <strong>UKJ</strong><br />
Sechs bis acht Wochen verbringen die<br />
Patienten in der Regel auf der José-Carreras-Stammzelltransplantationsstation,<br />
in Zimmern, die mit Vorschleuse und<br />
speziellen Luftfiltern ausgestattet sind –<br />
was Keime jeglicher Art abschirmen soll.<br />
Denn vor einer Stammzelltransplantation<br />
werden die entarteten Zellen des blutbildenden<br />
Systems im Knochenmark des<br />
Erkrankten zerstört. Dies schwächt die<br />
Immunabwehr so sehr, dass die Patienten<br />
sehr anfällig für Infektionen werden<br />
– selbst durch sonst harmlose Keime.<br />
In Thüringen ist das <strong>UKJ</strong> die einzige<br />
Klinik, an der allogene Transplantationen<br />
möglich sind. Weil es früher noch keine<br />
andere Methode gab, Stammzellen zu entnehmen,<br />
wurde in der Anfangszeit primär<br />
Knochenmark transplantiert. Noch<br />
etwas anderes hat sich verändert:<br />
Früher war neben einer Chemotherapie<br />
häufiger als heute eine Ganzkörperbestrahlung<br />
nötig. Inzwischen sind<br />
die Verfahren deutlich schonender<br />
und zugleich wirksamer geworden.<br />
Davon profitieren vor allem ältere Menschen,<br />
bei denen eine Stammzelltherapie<br />
früher nicht in Frage gekommen<br />
wäre. „Vor zwanzig Jahren noch lag der<br />
Altersdurchschnitt unserer Patienten<br />
bei 40 Jahren, heute bei fast 60 Jahren“,<br />
so Prof. Hochhaus. Grund für diese Entwicklung:<br />
Leukämien lassen sich durch<br />
verbesserte labordiagnostische Möglichkeit<br />
genauer typisieren, spezifische<br />
genetische Marker geben Auskunft über<br />
Aggressivität der Erkrankung und Rückfallrisiko<br />
– neben dem Allgemeinzustand<br />
der Patienten sind dies die wichtigsten<br />
Kriterien für die Entscheidung zur<br />
Stammzelltherapie.<br />
(as/km)<br />
Pionier der Stammzelltherapie bei Kindern<br />
Am 1. Oktober 1980 führt Prof. Felix Zintl, damals junger Oberarzt und später<br />
Direktor der Kinderklinik, auf Station 6 der Jenaer Klinik für Kinder- und<br />
Jugendmedizin in der Bachstraße die erste Transplantation von Knochenmark<br />
bei einem Kind durch. Es ist die erste Behandlung dieser Art überhaupt in der<br />
ehemaligen DDR.<br />
Premiere in Ostdeutschland<br />
6. November 1996: An der Klinik für Innere Medizin II (Hämatologie) in Jena-Lobeda<br />
wird die erste Station für Knochenmarktransplantationen (KMT) für Erwachsene<br />
mit zehn Betten eröffnet. Es ist die erste Station dieser Art in Ostdeutschland.<br />
Neue Einheit<br />
Bis zum Umzug der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Dezember 2016<br />
fanden Stammzelltransplantationen bei kleinen Patienten am alten Standort<br />
der Kinderklinik in der Innenstadt statt. Diese Einheit wurde zunächst in die<br />
Erwachsenen-Station 520 im Containerbau in Lobeda integriert, bis Ende Juni<br />
2017 dann der gemeinsame Umzug in die neue Einheit A110 vollzogen werden<br />
konnte.<br />
Umzug in moderne Station<br />
Juni 2017: Die neue Station für Stammzelltransplantationen im Gebäudekomplex<br />
A wird eingeweiht. Die hochmoderne Station mit dazugehörigen Ambulanzen<br />
an der Klinik für Innere Medizin II (Hämatologie und Internistische Onkologie/<br />
Palliativmedizin) und der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin ist im Zuge des<br />
zweiten Bauabschnitts des <strong>UKJ</strong> entstanden. Sie verfügt über 20 Betten in Einzelund<br />
Zweibettzimmern. Jährlich erhalten hier circa 120 Erwachsene und 15 Kinder<br />
eine Stammzelltransplantation.<br />
Berühmter Namensgeber<br />
1987 erkrankte José Carreras an Leukämie. Aus Dankbarkeit über die eigene<br />
Heilung gründete der spanische Tenor 1988 die internationale Stiftung, die<br />
ihren Sitz in Barcelona hat. Die in München ansässige Deutsche José-Carreras-<br />
Leukämie-Stiftung existiert seit 1995. Ziel der Stiftung ist es, die Heilungschancen<br />
bei Leukämie zu erhöhen. Dabei setzt sie sich sowohl für bessere<br />
Behandlungseinrichtungen als auch für eine Intensivierung der Forschung zu<br />
Blutkrebs ein. Für den Bau der José-Carreras-Transplantationseinheit am <strong>UKJ</strong><br />
hat sie eine Million Euro zur Verfügung gestellt.<br />
01 | 21<br />
11
TITELTHEMA<br />
Typische Erkrankungen des Blutes –<br />
neben der Leukämie<br />
Hämophilie (Bluterkrankheit)<br />
Die Hämophilie zählt zu den schweren Erkrankungen des<br />
Blutes. Es handelt sich dabei um ererbte Defekte des Gerinnungssystems.<br />
Die Blutgerinnung ist gestört, weil der Körper<br />
die Gerinnungsfaktoren VIII oder IX nicht oder in zu geringer<br />
Menge herstellt. Dadurch werden Wunden nicht oder nur<br />
langsam geschlossen. Die Folgen: innere Blutungen, zerstörte<br />
Gelenke und Lebensgefahr selbst bei kleinen Verletzungen,<br />
wenn die Krankheit nicht rechtzeitig erkannt wird.<br />
Die Hämophilie trifft überwiegend, aber nicht ausschließlich,<br />
Männer, da die Gene für die Gerinnungsfaktoren auf dem<br />
X-Chromosom liegen, von welchem Männer nur eines und<br />
Frauen zwei haben. Etwa eines von 10.000 männlichen Neugeborenen<br />
leidet an der Erbkrankheit.<br />
„Noch vor 30 Jahren konnten wir die Beschwerden nur lindern.<br />
Heute sind Therapie bzw. Präparate so ausgereift, dass die<br />
Bluterkrankheit in den meisten Fällen beherrschbar geworden<br />
ist und somit ihren Schrecken verloren hat“, sagt Prof.<br />
Dr. Andreas Hochhaus, Direktor der Klinik für Innere Medizin<br />
II, Hämatologie und Internistische Onkologie am <strong>UKJ</strong>. Bei der<br />
Therapie wird den Betroffenen der entsprechende fehlende<br />
Gerinnungsfaktor über eine Infusion ergänzt. Diese Gerinnungsfaktoren<br />
werden meist aus Spenderblut gewonnen,<br />
können inzwischen aber auch gentechnisch hergestellt werden.<br />
„Die Hämophilie bleibt aber eine chronische Erkrankung,<br />
die lebenslänglich Ersatz benötigt. Aber noch vor 30 Jahren<br />
lag die mittlere Überlebenszeit bei nur 25 bis 30. Heute können<br />
auch Hämophilie-Patienten alt werden.“<br />
Immunthrombozytopenie (ITP)<br />
Bei der Immunthrombozytopenie (ITP) handelt es sich ebenfalls<br />
um eine akute Form der Gerinnungsstörung, die plötzlich<br />
auftritt und unmittelbar lebensbedrohlich ist. Hierbei richtet<br />
sich das körpereigene Immunsystem gegen die Blutplättchen<br />
(Thrombozyten) und baut sie ab. Der gemessene Thrombozytenwert<br />
kann gegen Null gehen, wodurch der zelluläre Teil der<br />
Gerinnung außer Kraft gesetzt wird. Durch diesen Thrombozytenmangel<br />
werden folglich Blutungen begünstigt.<br />
Filterorgan innerhalb des Blutkreislaufes, gleichzeitig wichtig<br />
für die Immunabwehr, vor allem bei Kindern. Erwachsene können<br />
auch ohne Milz gut weiterleben. „Insofern haben wir auch<br />
bei dieser lebensbedrohlichen Erkrankung heute gute Methoden<br />
der Heilung oder zumindest der Linderung, weshalb der<br />
Schrecken über diese Erkrankung relativiert werden kann.“<br />
Hintergrundbild: getty images | xia yuan<br />
In Deutschland leben etwa 16.000 Patienten mit einer chronischen<br />
ITP, die auch unter dem Namen Morbus Werlhof<br />
bekannt ist. Von einer ITP spricht man, wenn die Thrombozyten<br />
Zahl wiederholt unter 100.000 pro µl liegt. Zum Vergleich:<br />
Als normal werden 150.000 bis 350.000 Thrombozyten pro µl<br />
Blut angesehen. „Bei der ITP sind eine schnelle Diagnostik und<br />
rasche Therapie unbedingt nötig“, so Prof. Hochhaus. „Rasche<br />
Therapie bedeutet in diesem Fall Immunsuppression, in der<br />
Regel zunächst mit Kortison-Präparaten.“ Bei vielen Patienten<br />
sind jedoch noch weitere Behandlungsschritte erforderlich,<br />
um die Thrombozyten wieder zu mobilisieren, vor allen Dingen<br />
aber zu erhalten, so Prof. Hochhaus. In Einzelfällen könne<br />
dies auch zu einer Entfernung der Milz führen. Die Milz ist ein<br />
12 01 | 21
TITELTHEMA<br />
Anämie (Blutarmut)<br />
Bei der Anämie, umgangssprachlich Blutarmut, gibt es sehr<br />
viele unterschiedliche Formen und Interaktionen mit allen<br />
Organsystemen. So verschieden die Formen aber sind, so<br />
unterschiedlich ist auch das Herangehen. Dabei ist speziell<br />
die Eisenmangelanämie die in Deutschland am häufigsten<br />
auftretende Erkrankung des Blutes. Diese Form der Anämie<br />
lässt sich jedoch sehr gut und sehr rasch diagnostizieren,<br />
sodass hier vielen Patienten relativ schnell geholfen werden<br />
kann.<br />
Eisen wird zur Blutbildung im Knochenmark speziell zur Herstellung<br />
von Hämoglobin zwingend gebraucht. Wenn die Blutkörperchen<br />
nicht genügend Hämoglobin enthalten, können<br />
sie nur wenig Sauerstoff speichern und transportieren, es<br />
kommt zu einem Versorgungsengpass. Ein Eisenmangel entsteht<br />
häufig durch chronischen Blutverlust, z.B. als Symptom<br />
einer Tumorerkrankung, aber auch durch vegetarische oder<br />
vegane Ernährung, denn das Spurenelement ist vor allem in<br />
rotem Fleisch enthalten, allerdings auch in Gemüse, einigen<br />
Früchten oder Saft. „Eine Anämie kann sich auch herausbilden,<br />
wenn dem Körper andere wichtige Nährstoffe zur Blutbildung<br />
fehlen. Vor allem Folsäure und Vitamin B12“, so Prof.<br />
Hochhaus. Neben der Blutbildung kann auch Blutverlust das<br />
Problem sein, etwa bei Frauen durch starke Monatsblutungen<br />
oder bei Erkrankungen wie einem Tumor. „Wenn der Körper<br />
diesen Blutverlust nicht mehr ausgleichen kann, tritt eine<br />
Anämie auf“, so der Hämatologe weiter. „In seltenen Fällen<br />
kann sie aber auch von verschiedenen Krebsarten, etwa von<br />
Leukämie, ausgelöst werden.“ Die Behandlung einer Eisenmangelanämie<br />
ist stets eine kombinierte, sie beginnt aber<br />
meist mit der Therapie der Ursache und mit einer medikamentösen<br />
Eisengabe.<br />
Polycythaemia vera (PV)<br />
Die Polycythaemia vera (kurz „PV“) ist eine relativ seltene,<br />
bösartige Bluterkrankung, die nicht durch Mangel, sondern<br />
durch zu viel Blut charakterisiert sind. Die Zahl der roten<br />
Blutkörperchen (Erythrozyten) ist aufgrund einer Überproduktion<br />
deutlich erhöht. Und zu viel Blut führt dazu, dass die<br />
Blutgeschwindigkeit vermindert ist und dadurch die Organe<br />
mit zu wenig Sauerstoff versorgt werden. „Patienten mit PV<br />
haben oft eine auffallende Gesichtsröte, die nicht selten als<br />
Zeichen von Gesundheit fehlgedeutet wird. Tatsächlich sind<br />
die Symptome gerade zu Beginn sehr unspezifisch, weshalb<br />
sie oft nicht bemerkt oder falsch zugeordnet werden und eine<br />
Diagnose nicht selten erst spät getroffen wird, meist im Alter<br />
von 60 bis 65“, so Prof. Hochhaus.<br />
„Die Ersttherapie besteht darin, künstlich einen moderaten<br />
Eisenmangel herzustellen, um die Blutbildung zu reduzieren.<br />
Das machen wir mit wiederholten Aderlässen, wobei dem<br />
Patienten bis zu 500 ml Blut abgenommen werden.“ Außerdem<br />
erfolgt eine medikamentöse Therapie mit blutverdünnenden<br />
Medikamenten. Zur Therapie gehört aber auch, durch Linderung<br />
belastender Symptome die Lebensqualität parallel zu<br />
verbessern.<br />
Annett Lott<br />
Symptome der PV sind unter anderem Erschöpfung (Fatigue),<br />
Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen<br />
sowie teils eine starke Vergrößerung der Milz, verbunden<br />
mit Oberbauchschmerzen. Auch Entzündungserscheinungen<br />
können auftreten, verbunden mit Fieber, brennendem Juckreiz<br />
oder Nachtschweiß. Die Schwere der Krankheit wirkt sich<br />
dadurch auch auf die Lebensqualität der Betroffenen aus.<br />
01 | 21<br />
13
TITELTHEMA<br />
Das geben, was (fast) keiner kann<br />
Gottfried Schumann spendet Blutplasma für Corona-Erkrankte<br />
Im November 2020 erkrankt Gottfried<br />
Schumann an Corona – so schwer, dass er<br />
im Krankenhaus behandelt werden muss.<br />
„Dort habe ich gesehen, wie belastend<br />
die Behandlung von Corona-Patienten<br />
für Pfleger und Ärzte ist – körperlich<br />
und psychisch“, blickt Schumann zurück.<br />
„Schon da wusste ich, dass ich später<br />
etwas zurückgeben möchte.“ Dass dieses<br />
„etwas“ sein Blutplasma sein wird, hat er<br />
damals noch nicht geahnt.<br />
Nach seiner Erkrankung erfährt der Jurist<br />
von einem Therapieansatz am <strong>UKJ</strong>, bei<br />
dem akut an COVID-19 Erkrankte mit den<br />
Antikörpern im Blutplasma von Genesenen<br />
behandelt werden – und meldet sich<br />
sofort als potenzieller Spender für das<br />
sogenannte Rekonvaleszenten-Plasma.<br />
Mittlerweile blickt er bereits auf sieben<br />
Plasmaspenden zurück. Schumann ist<br />
einer von neun Corona-Genesenen,<br />
die regelmäßig am Jenaer Uniklinikum<br />
Plasma spenden.<br />
„Wir sind bis heute das einzige Klinikum<br />
thüringenweit, dass dieses Plasma<br />
Pathogen inaktiviert herstellt“, sagt Dr.<br />
Silke Rummler, Direktorin des Instituts<br />
für Transfusionsmedizin am <strong>UKJ</strong>. „Mithilfe<br />
einer speziellen UV-Bestrahlung zerstören<br />
wir dabei mögliche Krankheitserreger,<br />
die sogenannten Pathogene, im Blut.“<br />
Das Prinzip des Therapieansatzes: Nach<br />
einer Corona-Erkrankung findet sich häufig<br />
ein Repertoire an Antikörpern im Blut<br />
der Genesenen. Bei einer Plasmaspende<br />
werden diese aus dem Vollblut herausgetrennt,<br />
mit dem speziellen Verfahren<br />
aufbereitet und anschließend an den<br />
Betroffenen übertragen. „Die Antikörper<br />
unterstützen den Empfänger dann im<br />
Kampf gegen das Virus“, so die Transfusionsmedizinerin.<br />
Die bisherigen Erfahrungen<br />
zeigen, dass das Plasma den Verlauf<br />
der Erkrankungen positiv beeinflusst,<br />
wenn es frühzeitig eingesetzt wird. „Die<br />
Nachfrage nach unserem aufbereiteten<br />
Plasma war anfangs zurückhaltend –<br />
sicherlich auch, weil die Therapie ein<br />
ungewöhnlicher Ansatz in der Behandlung<br />
von COVID-19 ist. Doch mittlerweile<br />
kommen Kliniken aus Thüringen auf uns<br />
zu“, so Dr. Rummler.<br />
Nach einer überstandenen Corona-Infektion kann Gottfried Schumann jetzt anderen Erkrankten helfen.<br />
Foto: Hellmann<br />
Aber nicht jeder Corona-Genesene<br />
eignet sich als Plasmaspender. „Denn<br />
nicht bei allen Genesenen können<br />
Antikörper nachgewiesen werden oder<br />
es sind nicht genug Antikörper im Blut<br />
vorhanden. Außerdem verringert sich<br />
deren Anzahl, abhängig davon, wie lang<br />
die Krankheit bereits überstanden ist“,<br />
beschreibt Dr. Rummler die Grenzen<br />
des Ansatzes. Deshalb rufen die Jenaer<br />
Transfusionsmediziner regelmäßig dazu<br />
auf, sich nach einer Corona-Erkrankung<br />
als Plasmaspender anzumelden.<br />
Prinzipiell können sich alle Spender<br />
melden, die positiv auf das Virus SARS<br />
CoV-2, dem Erreger der COVID-19-Erkrankung,<br />
getestet worden und nun<br />
mindestens vier Wochen genesen sind.<br />
Potenzielle Spendeninteressierte wenden<br />
sich für Terminabstimmungen oder<br />
weitere Informationen zum Ablauf an<br />
die Mitarbeiter des Instituts für Transfusionsmedizin<br />
unter 03641 9-32 55 58.<br />
Bei einer ersten Vollblutspende überprüfen<br />
die Experten die generelle<br />
Spendentauglichkeit des Genesenen<br />
und bestimmen die Anzahl und Art<br />
der Antikörper. „Stimmen diese Werte,<br />
kann der Genesene beim nächsten Termin<br />
Plasma spenden“, so Dr. Rummler.<br />
„Einmal pro Woche ist die Spende dann<br />
möglich – so lange, wie ausreichend<br />
Antikörper vorhanden sind.“ Die Menge<br />
der Antikörper wird daher bei jeder<br />
Spende im Labor geprüft. Gottfried<br />
Schumanns Werte sind nach wie vor<br />
sehr gut. Deshalb nimmt er den Weg<br />
von Eisenberg nach Jena gern weiterhin<br />
auf sich. Weil er damit etwas geben<br />
kann, das anderen hilft – und das (fast)<br />
kein anderer geben kann.<br />
Anne Curth<br />
14 01 | 21
Foto: Rodigast<br />
Fakten, die für sich sprechen – und für eine Blutspende<br />
Blut ist lebenswichtig – das ist bekannt. Aber wussten Sie, dass man mit jeder Blutspende tatsächlich Leben retten kann,<br />
es aber viel zu wenige Blutspender gibt? Allein bei einer Bypass-Operation am Herzen erhalten Patienten vier Blutkonserven,<br />
während einer Chemotherapie wöchentlich etwa acht und nach einem Verkehrsunfall sogar bis zu 50 Blutkonserven.<br />
Für all diese Behandlungen benötigen die Experten des <strong>UKJ</strong> etwa 100 Blutprodukte – und zwar täglich. Ohne Blutspender<br />
ist dieser Bedarf nicht zu decken. Deshalb sind regelmäßige Blutspender dringend gesucht.<br />
Doch wer darf spenden? Wie läuft eine Spende ab? Und wie lang ist Blut eigentlich haltbar?<br />
Allgemeines<br />
mindestens 1 Mal im Leben ist jeder<br />
auf gespendetes Blut angewiesen<br />
3 % der Deutschen spenden regelmäßig Blut<br />
Eine Blutspende kann bis zu 3 Patienten helfen<br />
450 ml Blut wird pro Vollblutspende<br />
abgenommen<br />
Spendenhäufigkeit pro Jahr<br />
Vollblut: 6 Mal Männer<br />
Thrombozyten: 26 Mal<br />
, 4 Mal Frauen<br />
Spendendauer in Minuten<br />
5-10: Vollblutspende<br />
45: Plasmaspende<br />
60: Thrombozytenspende<br />
Haltbarkeit<br />
4 Tage: Thrombozytenkonzentrate<br />
(Blutplättchen)<br />
35 Tage: Erythrozytenkonzentrate<br />
(rote Blutkörperchen)<br />
2 Jahre: Plasma<br />
Plasma: 60 Mal<br />
Spender<br />
ab 18 Jahren<br />
mind. 50 kg<br />
01 | 21<br />
15
TITELTHEMA<br />
Transfusionsmedizin – mehr als die Blutspende?<br />
Die Transfusionsmedizin setzen viele mit der Blutspende gleich. Doch wie sieht<br />
das am Universitätsklinikum Jena aus? Darüber klärt Dr. Silke Rummler auf. Sie<br />
leitet das Institut für Transfusionsmedizin am <strong>UKJ</strong>.<br />
Welche Bereiche umfasst die Transfusionsmedizin am <strong>UKJ</strong>?<br />
Dr. Rummler: Das Institut für Transfusionsmedizin (ITM)<br />
ist für die Herstellung von Arzneimitteln aus Blut, die<br />
sachgerechte Übertragung von Blut und Blutbestandteilen,<br />
die labordiagnostische Untersuchung von Blut und für<br />
die Behandlung von Patienten mit Erkrankungen des<br />
Immunsystems zuständig.<br />
Dr. Silke Rummler, Fotos: Schroll<br />
Dafür gliedert sich das Institut in drei Bereiche: In unseren Laboren<br />
betrachten wir das Blut unserer Patienten ganz genau.<br />
Im Transplantationsimmunologischen Labor untersuchen wir<br />
vor allem Patienten vor oder nach Transplantationen. Beispielsweise,<br />
ob die Blutwerte von Spender und Empfänger<br />
zusammenpassen oder, ob sich nach der Transplantation<br />
Antikörper im Blut der Empfänger gebildet haben, die sich<br />
negativ auf das Transplantat und spätere Blutübertragungen<br />
auswirken. Im Immunhämatologischen Labor überprüfen<br />
wir das Blut von Patienten vor Blutübertragungen oder bei<br />
Transfusionsreaktionen. Zu diesem Labor gehört übrigens<br />
auch unser Blutdepot. Hier lagern die Blutprodukte – allein<br />
mindestens 400 Erythrozytenkonzentrate, d.h. Konzentrate mit<br />
roten Blutkörperchen. Im Arbeitsbereich für therapeutische<br />
Apheresen behandeln wir Patienten, die an immunologischen<br />
Erkrankungen leiden, mithilfe sogenannter „Blutwäschen“.<br />
Außerdem helfen wir in unserer transfusionsmedizinischen<br />
Praxis Patienten ambulant bei Fragen zur Übertragung von<br />
Blutprodukten.<br />
Und was ist mit der Blutspende?<br />
Dr. Rummler: Die Blutspende an sich gibt es am <strong>UKJ</strong> natürlich<br />
auch. Seit 2015 haben wir unsere Kompetenzen in diesem<br />
Bereich gemeinsam mit dem DRK-Blutspendedienst NSTOB<br />
im Institut für Klinische Transfusionsmedizin Jena gGmbH<br />
gebündelt. Neben der Blutspende in der Bachstraße umfasst<br />
das Gemeinschaftsunternehmen auch die Herstellung<br />
von Routine-Blutprodukten wie Erythrozyten- und<br />
Thrombozytenkonzentrate. Diese Produkte bezieht das<br />
Klinikum dann vom IKTJ, um seine Patienten zu versorgen.<br />
Führen Transfusionsmediziner alle blutbezogenen<br />
Therapien aus?<br />
Dr. Rummler: Das kommt immer auf die jeweilige Therapie an.<br />
Spezielle Therapien liegen in der Regel bei uns. Beispielsweise<br />
die Immunadsorption. Bei diesem therapeutischen Verfahren<br />
entfernen wir krankheitsauslösende Substanzen wie Antikörper<br />
aus dem Blut von Patienten mit autoimmunologischen,<br />
neurologischen Erkrankungen wie Gehirnentzündung. Auch<br />
bei der Lipoproteinapherese reinigen wir das Blut der<br />
Betroffenen – hierbei entfernen wir jedoch Risikofaktoren<br />
wie das LDL-Cholesterin, beispielsweise bei Patienten mit<br />
schweren Fettstoffwechselstörungen. Außerdem gehören<br />
auch Photopheresen zu unseren Schwerpunkten. Vor allem<br />
Patienten nach Herz- oder Lungentransplantation behandeln<br />
wir mit diesem Verfahren, um chronische Abstoßungen<br />
aufzuhalten. Dabei trennen wir die Leukozyten, die weißen<br />
Blutkörperchen, aus dem Vollblut heraus, versetzen diese mit<br />
Psoralen genannten Naturstoffen, belichten sie und führen<br />
sie dem Patienten wieder zurück.<br />
Allein mehr als 400 Erythrozytenkonzentrate<br />
lagern im Blutdepot.<br />
16<br />
01 | 21
Neben diesen häufigsten Therapiemethoden bieten wir<br />
auch ganz andere Verfahren an, wie Augentropfen aus<br />
Eigenblut oder die Hämodilution. Oft werden Patienten<br />
mit Durchblutungsstörungen am Auge wie einer<br />
Augenvenenthrombose damit behandelt – oder Patienten<br />
nach einem Hörsturz. Diese Erkrankungen entstehen, wenn<br />
das Blut zu dick ist und kleine, zarte Gefäße verstopft. Wir<br />
reduzieren das Blutvolumen und es fließt dadurch wieder<br />
schneller.<br />
Bei welchen Therapien arbeiten Sie eng mit<br />
anderen Fachbereichen zusammen?<br />
Dr. Rummler: Vor allem im Bereich Onkologie gibt es<br />
Überschneidungspunkte. Beispielsweise stellen wir die<br />
Stammzellpräparate her, die die Onkologen zur Therapie<br />
von Patienten mit Krebserkrankungen einsetzen. Aber auch<br />
bei der neuartigen CAR-T-Zell-Therapie für Patienten mit<br />
aggressivem Lymphdrüsenkrebs in der Klinik für Innere<br />
Medizin II unterstützen wir.<br />
Stimmt es, dass Eigenblutspenden immer seltener werden?<br />
Dr. Rummler: Früher war es normal, vor größeren Eingriffen<br />
wie Hüft- oder Kniegelenk-OPs Eigenblut zu spenden. Sollte<br />
eine Bluttransfusion während der OP notwendig sein, konnte<br />
auf das eigene Blut zurückgegriffen werden. Davon ist man<br />
mittlerweile abgekommen. Im vergangenen Jahr haben wir gar<br />
keine Eigenblutkonserve abgenommen. Ein Grund dafür ist,<br />
dass Fremdblutkonserven so sicher geworden sind.<br />
Aber was macht die Blutprodukte so sicher?<br />
Dr. Rummler: Unsere Zulassung regelt, wie unsere<br />
Blutprodukte beschaffen sein müssen, um wirklich sicher zu<br />
sein. Zum einen sind das gewisse Qualitätsanforderungen. So<br />
dürfen die Konserven ein gewisses Volumen nicht über- oder<br />
unterschreiten, es gibt einen Maximalwert für Kalium und einen<br />
Minimalwert für Hämoglobin, dem Sauerstoffträger im Blut.<br />
Zum anderen untersuchen wir das gespendete Blut natürlich<br />
auf viele verschiedene Krankheitserreger wie Hepatitis A, B<br />
und C, HIV, West-Nil oder auch auf Erkrankungen wie Syphilis.<br />
Und nur wenn all diese Anforderungen eingehalten werden,<br />
darf die Spende in unser Blutdepot – und schließlich zum<br />
Patienten.<br />
Testen Sie Blutspenden auch auf das SARS-CoV-2-Virus?<br />
Dr. Rummler: Nein, wir testen weder die Spender noch das<br />
gespendete Blut auf COVID-19. Denn es gibt bisher keinen<br />
Hinweis darauf, dass das Virus über Blutkonserven übertragen<br />
werden kann. Mit einem umfangreichen Fragebogen und<br />
Temperaturmessung prüfen wir bei jedem Spender, ob das<br />
Risiko einer COVID-19-Erkrankung vorliegt und entscheiden<br />
im Einzelfall, ob eine Spende möglich ist. Übrigens bewerten<br />
auch unsere Mitarbeiter nach diesem Schema regelmäßig ihr<br />
Erkrankungsrisiko.<br />
Nach der Spende wird das Blut im Labor umfangreich getestet.<br />
Wie hat die Corona-Pandemie die Transfusionsmedizin<br />
beeinflusst?<br />
Dr. Rummler: Wir waren zu Beginn verunsichert – sowohl in<br />
der Therapie als auch in der Blutspende. Können wir unsere<br />
Therapien noch durchführen? Wie stellen wir sicher, dass<br />
unsere chronischen Patienten Corona-frei sind? Und wie<br />
kann eine Blutspende unter Corona-Bedingungen ablaufen?<br />
Das war eine echte Herausforderung. Mit umfangreichen<br />
Hygienekonzepten, erweiterten Räumlichkeiten in der<br />
Therapie und einem Bestellsystem in der Blutspende haben<br />
wir uns aber zum Glück sehr schnell an die neue Situation<br />
angepasst.<br />
Stichwort: Patient Blood Management. Was genau verbirgt<br />
sich hinter dem Konzept, das 2017 am Jenaer Uniklinikum<br />
eingeführt wurde?<br />
Dr. Rummler: Das Patient Blood Management, kurz PBM,<br />
ist ein fächerübergreifendes Behandlungskonzept, um den<br />
Verbrauch von Fremdblut zu verringern. Bei diesem Konzept<br />
geht man prinzipiell davon aus, dass vor allem zu viele<br />
Erythrozytenkonzentrate übertragen werden. Und das kann<br />
– ohne richtige Indikation – dem Patienten auch schaden,<br />
von Fieber über Sepsis bis hin zum Tod. Deshalb setzt man<br />
an drei Säulen an: Bei geplanten Eingriffen betrachtet man<br />
die Blutwerte der Patienten vor der eigentlichen Operation.<br />
Liegt bei ihnen eine Blutarmut vor, kann diese bereits vor<br />
dem Eingriff entsprechend behandelt werden. Außerdem<br />
haben die Beteiligten des PBM auch die sogenannten<br />
Transfusionstrigger überarbeitet. Sie zeigen an, in welchen<br />
Fällen Fremdblut überhaupt notwendig und sinnvoll ist. Die<br />
letzte Säule besteht aus verschiedenen fremdblutsparenden<br />
Maßnahmen vor, während und nach den Eingriffen. Mit<br />
modernen blutsparenden Operationstechniken oder<br />
optimierten Blutentnahmen zu labordiagnostischen Zwecken<br />
lassen sich zusätzliche Blutverluste vermeiden. Und das alles<br />
war erfolgreich: Seit Einführung des PBM verbrauchen wir nun<br />
etwa 1.000 Erythrozytenkonzentrate weniger pro Jahr.<br />
Interview: Anne Curth<br />
KONTAKT<br />
Dr. Silke Rummler<br />
Direktorin des Instituts für<br />
Transfusionsmedizin am <strong>UKJ</strong><br />
03641 9-32 55 25<br />
sekretariat.itm@med.uni-jena.de<br />
01 | 21<br />
17
Blutvergiftung? Sepsis!<br />
CSCC koordiniert die Forschung im Schwerpunkt Sepsis<br />
und Infektionsmedizin am <strong>UKJ</strong><br />
Foto: freepik | onlyyouqj<br />
„Mitglieder des<br />
CSCC beraten<br />
Landes- und<br />
Bundesregierung,<br />
arbeiten in<br />
Gremien der WHO<br />
und forschen<br />
an besseren<br />
Behandlungsoptionen<br />
für<br />
COVID-19-<br />
Patienten“<br />
Prof. Michael Bauer,<br />
Sprecher des CSCC<br />
Vor zehn Jahren wurde am <strong>UKJ</strong> das<br />
Zentrum für Sepsis und Sepsisfolgen,<br />
kurz CSCC, als eines von bundesweit<br />
acht Integrierten Forschungs- und<br />
Behandlungszentren gegründet. Mit<br />
Förderung des Bundesforschungsministeriums,<br />
immerhin 50 Millionen<br />
Euro, widmete es sich der Erforschung<br />
der Sepsis – von den molekularen<br />
Mechanismen, über Prävention<br />
und schnellere Diagnostik, bis hin<br />
zu besseren Behandlungs- und<br />
Nachsorgemöglichkeiten dieser<br />
Erkrankung. Insgesamt arbeiteten die<br />
CSCC-Forscher in über 160 Projekten,<br />
davon 37 klinische Studien mit mehr als<br />
20.000 Teilnehmern, ihre Ergebnisse<br />
veröffentlichten sie in über 800<br />
Fachpublikationen. Nach dem Ende<br />
der Förderung besteht das CSCC als<br />
Forschungszentrum am <strong>UKJ</strong> fort und<br />
koordiniert die Arbeit im Schwerpunkt<br />
Sepsis und Infektionsmedizin.<br />
Was ist das eigentlich für eine<br />
Erkrankung, eine Sepsis? Der Begriff<br />
„Blutvergiftung“ trifft nicht das<br />
eigentliche Problem – denn das<br />
sind nicht die Krankheitserreger im<br />
Blut, sondern eine fehlregulierte<br />
Immunantwort auf die Infektion.<br />
Diese überschießende Reaktion führt<br />
zu Kollateralschäden an Gefäßen<br />
und Geweben, die die Funktion von<br />
Organen beeinträchtigen können bis<br />
hin zum Organversagen. Eine Sepsis ist<br />
lebensbedrohlich! An der aktualisierten<br />
wissenschaftlichen Definition der<br />
Sepsis waren die Jenaer CSCC-Forscher<br />
maßgeblich beteiligt.<br />
Infektionen sind weiterhin für die<br />
gesamte Gesellschaft gefährlich, trotz<br />
der Fortschritte der Forschung und<br />
Behandlungsmöglichkeiten. "Nichts<br />
unterstreicht die Bedeutung der<br />
Notwendigkeit einer am Patienten<br />
orientierten Forschung zur Sepsis mehr<br />
als die Jahrhundert-Pandemie durch<br />
COVID-19", betont Prof. Konrad Reinhard,<br />
der Initiator des Jenaer Sepsis-Clusters.<br />
Denn auch Virusinfektionen können<br />
eine Sepsis auslösen und viele COVID-<br />
19-Patienten auf den Intensivstationen<br />
leiden an einer COVID-19-assoziierten<br />
Sepsis mit Organversagen. „Die über 400<br />
Wissenschaftler der verschiedensten<br />
Disziplinen, die im CSCC gefördert<br />
wurden, arbeiten jetzt in regionalen,<br />
nationalen und internationalen<br />
Studien und Forschungsnetzwerken<br />
an der Bekämpfung der SARS-CoV-2-<br />
Pandemie“, beschreibt der Sprecher<br />
des CSCC, Prof. Dr. Michael Bauer, die<br />
Einbindung der Jenaer Sepsis- und<br />
Infektionswissenschaftler in die<br />
weltweite Corona-Forschung.<br />
Mehr Informationen:<br />
www.uniklinikum-jena.de/cscc<br />
Uta von der Gönna<br />
18<br />
01 | 21
TITELTHEMA<br />
Fakten<br />
» 280.000 Sepsis-Fälle und über 80.000 Todesfälle<br />
pro Jahr in Deutschland.<br />
» Knapp 50 Millionen Sepsis-Fälle und etwa 11 Millionen<br />
Todesfälle pro Jahr weltweit.<br />
Ursachen<br />
Eine Sepsis kann als Komplikation jeder akuten Infektion,<br />
wie Lungenentzündung oder Harnwegsinfektionen, aber<br />
auch nach Wundinfektionen auftreten. Eine Sepsis kann<br />
durch Bakterien, Viren oder Pilze ausgelöst werden.<br />
Symptome der Sepsis<br />
Sepsis kann zu Schock, multiplem Organversagen und<br />
letztlich zum Tod führen, insbesondere, wenn sie nicht früh<br />
erkannt und schnell behandelt wird. Durch häufig unspezifische<br />
Symptome wird eine Sepsis jedoch oft erst spät<br />
erkannt.<br />
Verwirrung,<br />
Orientierungslosigkeit<br />
Atemnot,<br />
Schnelle<br />
Atmung<br />
Niedriger<br />
Blutdruck,<br />
Hohe Herzfrequenz<br />
Extreme<br />
Krankhei<br />
gefühl<br />
Verwirrung,<br />
Orientierungslosigkeit<br />
Confusion,<br />
Disorientation<br />
Atemwege<br />
Atemwege<br />
Respiratory Atemwege<br />
tract<br />
Atemwege Atemwege<br />
Respiratory Respiratory Atemwege Respiratory tract tract<br />
tract<br />
Respiratory tract Respiratory Haut und/oder tract<br />
Weichteilgewebe<br />
Haut und/oder Skin Haut Weichteilgewebe<br />
and/or und/oder soft Weichteilgewebe<br />
tissue<br />
Haut and/or soft tissue<br />
Skin und/oder and/or Haut Skin Weichteilgewebe<br />
soft and/or tissue und/oder soft Weichteilgewebe<br />
tissue<br />
Skin and/or soft Skin Abdomen/ tissue and/or Gastrointestinaltrakt<br />
soft tissue<br />
Abdomen/ Gastrointestinaltrakt<br />
Abdomen/ gastrointestinal Gastrointestinaltrakt<br />
tract<br />
tract<br />
Abdomen/ Abdomen/ Gastrointestinaltrakt<br />
gastrointestinal Abdomen/ Gastrointestinaltrakt<br />
gastrointestinal tract tract<br />
Abdomen/ Atemnot, gastrointestinal Niedriger<br />
Genitourinary Abdomen/ Urogenitalsystem<br />
gastrointestinal tract tract<br />
Urogenitalsystem<br />
Schnelle<br />
Genitourinary Urogenitalsystem<br />
system Blutdruck,<br />
Urogenitalsystem<br />
Genitourinary Atmung Urogenitalsystem<br />
Genitourinary system<br />
Genitourinary system Genitourinary system<br />
Shortness of breath<br />
Rapid breathing<br />
Hohe Herzfrequenz<br />
Low blood pressure<br />
High heart rate<br />
Confusion,<br />
Disorientation<br />
Extremes<br />
Krankheitsgefühl<br />
Extreme<br />
discomfort<br />
Shortness of breath<br />
Rapid breathing<br />
Fieber, Schüttelfrost<br />
(gel. auch Hypothermie)<br />
Fever, shivering<br />
(sometimes hypothermia)<br />
Low blood pressure<br />
High heart rate<br />
Schwitzen,<br />
feuchte Haut<br />
Sweating,<br />
clammy skin<br />
Extrem<br />
discomfo<br />
Visualisierungen: Margit Leitner/CSCC<br />
COVID-19-Sepsis und<br />
Herz-Kreislauf-Komplikationen<br />
Intensivmedizinische Studie am <strong>UKJ</strong><br />
Prof. Dr. Dr. Sina Coldewey erforscht mit ihrer Arbeitsgruppe<br />
am ZIK Septomics, wie eine Sepsis das Herz-<br />
Kreislaufsystem schädigen kann. Vor kurzem konnte ihr<br />
Team die ersten Intensivpatienten mit COVID-19 in ein<br />
multizentrisches Studienprojekt aufnehmen, das sich<br />
auf die virale Sepsis konzentriert. Im Fokus stehen die<br />
kardiovaskulären Schädigungen, die in Verbindung mit<br />
einer COVID-19- bzw. einer Influenza-assoziierten Sepsis<br />
auftreten können. Das können z.B. Herzmuskelentzündungen,<br />
Herzrhythmusstörungen Gefäßschädigungen<br />
sein.<br />
In die prospektive kontrollierte Studie sollen kritisch<br />
kranke Patienten mit COVID-19 oder Grippe, mit und ohne<br />
Herzmuskelschädigung aufgenommen werden.<br />
Die Teilnehmer werden anhand eines weit gefassten<br />
Spektrums von klinischen Untersuchungen und molekular-<br />
und zellbiologischen Analysen intensiv charakterisiert.<br />
Um zusätzlich auch mögliche längerfristige<br />
Folgeschädigungen erkennen zu können, werden sie<br />
sechs Monate nach der Entlassung von der Intensivstation<br />
nachverfolgt.<br />
„Wenn wir die Mechanismen besser verstehen, mit denen<br />
sich COVID-19-Verläufe mit schwerem Organversagen und<br />
kardiovaskulären Komplikationen entwickeln, gibt uns<br />
das die Möglichkeit, Risikopatienten schnell zu identifizieren<br />
und passgenaue Therapien zu entwickeln“, so Sina<br />
Coldewey. Bereits erhobene Daten zur bakteriellen Sepsis<br />
nutzt das Team, um die Besonderheiten der viralen Sepsis<br />
und insbesondere der COVID-19-assoziierten Sepsis<br />
besser zu verstehen. Insgesamt 160 Patienten sollen in<br />
den kommenden zwölf Monaten in die Studie aufgenommen<br />
werden, an bis zu zehn Kliniken in Deutschland.<br />
01 | 21 19
TITELTHEMA<br />
Turbo-Forschung mit Kollegen aus aller Welt<br />
Prof. Frank Brunkhorst hat die Professur für Klinische Sepsisforschung am <strong>UKJ</strong><br />
inne und leitet hier das Zentrum für Klinische Studien. Seit Beginn der COVID-19-<br />
Pandemie hat sich für ihn vieles verändert.<br />
Wie steht es derzeit um die klinische Sepsis-Forschung?<br />
Prof. Brunkhorst: Viele Studien, die wir hätten beenden wollen,<br />
mussten auf Eis gelegt werden – und das gilt für nahezu<br />
die gesamte Forschung auch auf anderen Gebieten der Medizin.<br />
Die Rekrutierung von Patienten für klinische Studien<br />
ist mit der Pandemie zusammengebrochen. Und viele Ärzte<br />
haben jetzt einfach anderes zu tun.<br />
Aber geforscht wird zurzeit dennoch?<br />
Prof. Brunkhorst: Das ganze Interesse der Forschung richtet<br />
sich jetzt natürlich auf COVID-19 – die Erkrankung zeigt im<br />
schweren Verlauf übrigens auch klassische Aspekte einer<br />
Sepsis. Für uns Wissenschaftler ist es eine Herausforderung,<br />
die es so noch nie in der Geschichte der Medizin gegeben hat:<br />
Es gilt, innerhalb von wenigen Monaten zu Fortschritten in der<br />
Therapie zu kommen. Ich spreche also nicht von Maßnahmen<br />
zur Prävention oder über die Impfung, sondern um die konkrete<br />
Therapie von schwer Erkrankten.<br />
Was bedeutet dies für Sie persönlich?<br />
Prof. Brunkhorst: Seit Februar letzten Jahres arbeite ich<br />
ausschließlich an Maßnahmen, die das Therapieergebnis von<br />
schwer erkrankten COVID-19-Patienten verbessern. Man muss<br />
sich die Situation so vorstellen: Aus Hilflosigkeit setzen die<br />
Ärzte in Krankenhäusern Medikamente ein, obwohl deren<br />
Nutzen in diesem Zusammenhang nicht wissenschaftlich<br />
belegt ist. 50 Prozent aller COVID-19-Patienten entwickeln<br />
beispielsweise eine Thrombose. Millionenfach wurde daher<br />
in den letzten Monaten Heparin gegeben – ein Wirkstoff, der<br />
verhindert, dass das Blut im Körper gerinnt. Wir haben dann<br />
in großem Maßstab eine weltweite Studie gemacht und festgestellt,<br />
dass es sich um eine COVID-spezifische Thrombose<br />
handelt und dass die Heparintherapie bei schwer Erkrankten<br />
nichts nützt und sogar eher schadet.<br />
20 01 | 21
TITELTHEMA<br />
Unter Hochdruck arbeiten Forscher an der<br />
Frage, welche Therapien schwer erkrankten<br />
COVID-Patienten helfen. Foto: <strong>UKJ</strong><br />
Gibt es weitere Erkenntnisse dieser Art?<br />
Prof. Brunkhorst: Die REMAP-CAP-Studiengruppe ist ein von<br />
Intensivmedizinern und Infektiologen aufgebauter Zusammenschluss,<br />
an dem derzeit Intensivstationen in 14 Ländern<br />
in Europa, Kanada, USA, Australien, Neuseeland, Japan und<br />
Saudi-Arabien mitwirken. Die beteiligten Intensivstationen<br />
in Deutschland koordinieren wir vom Zentrum für klinische<br />
Studien am <strong>UKJ</strong>. Wir konnten unter anderem zeigen, dass<br />
intravenös verabreichtes Hydrokortison dem Organversagen<br />
bei COVID-19-Patienten mit schwerer Lungenentzündung<br />
entgegenwirkt und die Überlebenschancen erhöht. In einer<br />
anderen Studie wurden die Wirkstoffe Tocilizumab und Sarilumab<br />
untersucht, die seit Jahren bei rheumatischer Arthritis<br />
eingesetzt werden. Die Vermutung, dass diese die organschädigende<br />
Entzündungsantwort bei schwer Erkrankten<br />
COVID-19-Patienten abmildern, hat sich bestätigt. Das sind<br />
Meilensteine. Und so untersuchen wir in dieser einzigartigen<br />
weltweiten Kooperation gerade parallel die Wirksamkeit von<br />
15 verschiedenen Interventionen.<br />
Was ist für Sie besonders bemerkenswert?<br />
Prof. Brunkhorst: Unser Verständnis von COVID hat sich massiv<br />
verbessert. Heute wissen wir, dass eines der wesentlichen<br />
Merkmale der Erkrankung ist, dass es im Körper zu einer<br />
ausgeprägten Ausbildung von Blutgerinnseln kommt – auch<br />
in anderen Organen als der Lunge, also in den Darmgefäßen<br />
oder der Leber. So einen Fortschritt im Verständnis der<br />
Erkrankung und auch in der Behandlung hat es beispielsweise<br />
bei der Sepsis in 30 Jahren nicht gegeben. Was wir früher in<br />
einem Jahr gemacht haben, passiert heute in sechs Wochen.<br />
So etwas habe ich noch nie erlebt. Die neuen Erkenntnisse<br />
werden auch bei unserem Sepsis-Kongress im September in<br />
Weimar eine maßgebliche Rolle spielen.<br />
Warum sind diese schnellen Erkenntnisse möglich?<br />
Prof. Brunkhorst: Wir arbeiten in einem globalen Konsortium<br />
– nur so kann es gehen. In der Pandemie muss man die besten<br />
Köpfe suchen – und die sind nun einmal nicht alle in einem<br />
Land versammelt. Wir stehen mit Arbeitsgruppen in aller Welt<br />
in Verbindung, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Das<br />
können wir nicht kleinteilig an einer einzigen Uniklinik angehen,<br />
denn wir benötigen die Ergebnisse jetzt. Drei Mal in der<br />
Woche sitze ich in Zoom-Konferenzen mit den Kollegen aus<br />
aller Welt zusammen, da wird sehr fokussiert und konzentriert<br />
diskutiert. Das funktioniert hervorragend. Und wenn wir durch<br />
die Studien die Zeit verkürzen können, die Patienten auf den<br />
Intensivstationen verbringen müssen, dann schaffen wir dort<br />
auch wieder Kapazitäten für anderen Patienten.<br />
Warum passiert dies erst jetzt?<br />
Prof. Brunkhorst: Es war ein riesiger Fehler, dass wir in der<br />
gesamten Infektionsforschung den Faktor der respiratorischen<br />
Viren unterschätzt haben – und das weltweit. Es gibt<br />
einen mittlerweile viel zitierten Artikel aus dem Jahr 2018, in<br />
dem Bill Gates beschreibt, dass wir Milliarden dafür ausgeben,<br />
um Kriegsführung zu vermeiden, aber kaum Geld für Vorhersageparameter<br />
für respiratorische Pandemien. Diese Warnung<br />
war sehr weitsichtig. Christian Drosten war in Deutschland<br />
einer der wenigen, die nach den ersten SARS-Erfahrungen<br />
weiter auf diesem Gebiet geforscht haben. Wenn auf einem<br />
Gebiet bereits Expertise vorhanden ist, ist es leichter, diese<br />
auszubauen, als etwas neu aufzubauen. Das kann niemand<br />
allein schaffen, sondern funktioniert nur im Netzwerk mit<br />
internationalen Partnern. Man kann in der Forschung nicht<br />
darauf setzen, dass ein Land die Probleme allein löst. Und<br />
das gilt nicht nur für COVID-19. Wir haben durch die Pandemie<br />
gelernt, wie leicht es heutzutage ist, mit allen möglichen<br />
Kollegen regelmäßig Kontakt zu haben – das sollten wir in<br />
Zukunft auch für andere Forschungsgebiete nutzen.<br />
Interview: Anke Schleenvoigt<br />
Foto: www.lindgruen-gmbh.com<br />
„Erfolgreiche<br />
Forschung braucht<br />
ein internationales<br />
Netzwerk.“<br />
Prof. Frank Brunkhorst
AKTUELLES<br />
Auch Kinder leiden an Long-COVID<br />
Kinderklinik des <strong>UKJ</strong> richtet interdisziplinäre Long-COVID-Ambulanz für Kinder ein<br />
Corona-Infektionen nehmen mittlerweile<br />
bei Kindern und Jugendlichen<br />
stark zu – damit steigt auch die Anzahl<br />
an Kindern, die nach überstandener<br />
Infektion an Langzeitfolgen, dem so<br />
genanntem Long-COVID-Syndrom, leiden.<br />
Abgeschlagenheit, Erschöpfung,<br />
Konzentrationsstörungen, Muskel- und<br />
Gliederschmerzen, Schlafstörungen,<br />
Luftnot oder Herzklopfen gehören<br />
hier zu den häufigsten Beschwerden.<br />
Für erwachsene Patienten gibt es am<br />
Uniklinikum Jena schon eine Spezial-<br />
Ambulanz. Nun hat die Jenaer Kinderklinik<br />
für Kinder und Jugendliche eine<br />
Long-COVID-Ambulanz eingerichtet.<br />
Sie ist, den vielfältigen Beschwerden<br />
der jungen Patienten entsprechend,<br />
interdisziplinär angelegt: Spezialisten<br />
für Kinderherz-, Lungen-, Nieren-,<br />
Blut-, Magen-Darm-Erkrankungen,<br />
Kinderröntgen, Kinderschlaf- und Kinderintensivmedizin<br />
beteiligen sich und<br />
bieten für die Betroffenen umfassende<br />
Diagnose- und Therapiemöglichkeiten.<br />
„Wir wissen, dass nicht nur Erwachsene,<br />
sondern auch Kinder leider in erheblichem<br />
Maß von Langzeitfolgen nach<br />
einer COVID-19-Infektion betroffen sein<br />
können. Und das nicht nur nach schweren<br />
Verläufen, sondern auch nach milden<br />
oder sogar symptomlosen Erkrankungen,<br />
wie es gerade bei Kindern oft der Fall ist“,<br />
so Dr. Daniel Vilser, Leitender Oberarzt<br />
und Kardiologe in der Kinderklinik. „Deswegen<br />
werden die Langzeitfolgen bei<br />
Kindern viel schwieriger als solche wahrgenommen<br />
und oft eben nicht diagnostiziert.“<br />
Aktuelle Studien aus Italien zeigten,<br />
dass mehr als die Hälfte der Kinder vier<br />
Monate nach ihrer COVID-19-Erkrankung<br />
noch mindestens an einer der häufigsten<br />
Langzeitbeschwerden leiden und<br />
diese bei einem Großteil der Betroffenen<br />
den Alltag beeinträchtigten. „Gerade<br />
diesen Patienten möchten wir mit der<br />
Spezial-Ambulanz für Long-COVID eine<br />
Anlaufstelle bieten“, so Michael Lorenz,<br />
Oberarzt und Pneumologe/Allergologe<br />
an der Kinderklinik.<br />
Sprechstunde nach<br />
vorheriger Anmeldung:<br />
Montag bis Donnerstag: 8 bis 15.00 Uhr<br />
Freitag:<br />
8 bis 13.30 Uhr<br />
Für die Anmeldung müssen die Eltern<br />
einen Anmeldebogen ausfüllen, der auf<br />
der Homepage der Kinderklinik heruntergeladen<br />
werden kann:<br />
www.uniklinikum-jena.de/kinderklinik/<br />
Katrin Bogner<br />
KONTAKT<br />
03641 9-32 95 35<br />
pulmo.ambulanz@med.uni-jena.de<br />
Federführend kümmert sich unter anderem<br />
Dr. Daniel Vilser um die interdisziplinäre<br />
Long-COVID-Ambulanz für<br />
Kinder und Jugendliche. Foto: Rodigast
Professor Ulf Teichgräber und<br />
Professor Wilhelm Behringer (li).<br />
Foto: Rodigast<br />
Optimale Aufnahmen auch im Notfall<br />
Upgrade für Bildgebung in der Zentralen Notfallaufnahme<br />
Gestochen scharf zeigt das Bild die Arterien, die das Herz<br />
umgeben. Die Aufnahme stammt von einem Notfallpatienten<br />
am Universitätsklinikum Jena. Dies ist möglich, weil das<br />
Computer-Tomographie-Gerät – kurz: CT – der Zentralen Notfallaufnahme<br />
(ZNA) mit einer der derzeit leistungsfähigsten<br />
Röhren aufgerüstet worden ist. Als erste Uniklinik deutschlandweit<br />
verfügt das <strong>UKJ</strong> jetzt über diese Technologie. CT-<br />
Geräte machen mit Hilfe von Röntgenstrahlung detaillierte<br />
Querschnittsaufnahmen von Organen und Strukturen im<br />
Körper möglich.<br />
„Die neue Röntgenröhrentechnologie in Verbindung mit<br />
Künstlicher Intelligenz (KI) ist ein Meilenstein in der Bildgebung<br />
– insbesondere in der Angiographie der Herzkranzgefäße“,<br />
so Professor Dr. Ulf Teichgräber, Direktor des Instituts<br />
für Diagnostische und Interventionelle Radiologie (IDIR) am<br />
<strong>UKJ</strong>. Die neue Röhre ist leistungsfähiger, obwohl die Strahlenexposition<br />
für die Patienten geringer ausfällt. Der 16 Zentimeter<br />
breite Detektor erlaubt es, ein gesamtes Organ wie<br />
beispielsweise das Herz, in weniger als einer halben Sekunde<br />
vollständig zu erfassen. Das Bild muss nicht mehr aus mehreren<br />
Aufnahmen zusammengesetzt werden. Da die neue<br />
Technik gleichzeitig mit zwei verschiedenen Röntgenenergien<br />
arbeitet, können auch Gewebe genauer als bisher analysiert<br />
werden. Und noch etwas verbessert die Qualität der Aufnahmen:<br />
Zur Bildrekonstruktion kommt KI zum Einsatz, so dass<br />
vollkommen „rauschfreie“ Bilder entstehen.<br />
Nicht nur die geringere Strahlenexposition macht die<br />
Untersuchung schonender für die Patienten. „Wir passen<br />
die Menge an Kontrastmitteln, die die Patienten vor der<br />
Untersuchung gespritzt bekommen, individuell an – sie verringert<br />
sich teilweise um die Hälfte im Vergleich zu früheren<br />
Untersuchungen“, so Professor Wilhelm Behringer, Direktor<br />
der ZNA am <strong>UKJ</strong>.<br />
Seit 2016 befindet sich ein modernes CT-Gerät direkt in<br />
den Räumen der ZNA. „Unsere Technik war vorher bereits<br />
sehr gut, aber mit der Aufrüstung können wir jetzt sagen,<br />
dass die Untersuchungsbilder perfekt sind“, so Prof. Teichgräber.<br />
Die Methode kommt für alle Organe in Frage. „Wichtig<br />
in einer Notfallsituation ist auch, dass wir mit einer<br />
Untersuchung gleich mehrere Erkrankungen erkennen<br />
können“, so Prof. Behringer. Am häufigsten kommt das CT-<br />
Gerät in der ZNA für Untersuchungen des Schädels und der<br />
Lunge zum Einsatz. Untersuchungen der Hauptschlagader,<br />
der Lungen- und der Herzkranzgefäße gehörten ebenfalls<br />
zur täglichen Routine, so Prof. Behringer – um gefährliche<br />
Aussackungen oder Verschlüsse der Blutgefäße schnell zu<br />
erkennen und im Zweifel Leben zu retten. Von der durch<br />
Fördermittel der EU möglich gewordenen Aufrüstung des<br />
CT-Geräts profitiere somit jeder Thüringer, der einmal als<br />
Notfall am <strong>UKJ</strong> untersucht werden muss.<br />
Anke Schleenvoigt<br />
01 | 21 23
Weiterbildungsleiterin Nadine Petsch (re.)<br />
mit Teilnehmerin Alexandra Reinhold in der<br />
Zentralen Notaufnahme. Foto: Rodigast<br />
Auf Notfälle bestens vorbereitet<br />
Erstmals in Thüringen ist am <strong>UKJ</strong> die Weiterbildung „Notfallpflege“ gestartet<br />
Alexandra Reinhold ist Feuer und Flamme für ihren Job<br />
in der Notfallpflege. Seit Mai 2019 gehört sie zum Team<br />
des Notfallzentrums am <strong>UKJ</strong>. Sie kommt aber nicht klassisch<br />
von der Notfallpflege, sondern war vorher in der<br />
Geburtsmedizin im Einsatz. Auch wenn sie schon wertvolle<br />
Erfahrungen gesammelt hat, möchte sie ihr bisheriges<br />
Wissen erweitern. Deshalb hat die 24-Jährige im März die<br />
Notfallpflege-Weiterbildung begonnen, die erstmals am<br />
<strong>UKJ</strong> und thüringenweit nur im <strong>UKJ</strong> angeboten wird. „Wir sind<br />
stolz darauf, dass wir die Weiterbildung etablieren können,<br />
bauen damit unser schon breites Spektrum an DKGzertifizierten<br />
Fachweiterbildungen aus und schaffen hier<br />
ein Angebot höchster Qualität in Thüringen, das Fachkräfte<br />
bestmöglich für die Notfallpflege qualifiziert“, so Evelyn<br />
Voigt, Pflegedirektorin am <strong>UKJ</strong>.<br />
Insgesamt 720 Stunden Theorie und 1800 Stunden Praxis<br />
stehen auf dem Programm. „Nicht nur Einsätze im Notfallzentrum,<br />
sondern Praxiszeiten unter anderem auf den<br />
Intensivstationen, im Rettungsdienst, im Herzkatheterlabor<br />
und auf der Stroke Unit sorgen für eine abwechslungsreiche<br />
Zeit“, so Weiterbildungsleiterin Nadine Petsch. Ein großes<br />
Plus sei die enge Zusammenarbeit mit den Ärzten. „Unsere<br />
Teilnehmer haben hier die Chance, fachlich intensiv zu<br />
lernen und gleichzeitig über den Tellerrand zu schauen.<br />
Davon profitieren sie enorm. Denn Notfallpatienten zu versorgen<br />
heißt, hochkomplexe Pflegesituationen zu bewältigen.<br />
Es gibt immer wieder unvorhersehbare Wechsel der<br />
Arbeitsabläufe und des Arbeitspensums. Wir behandeln<br />
alle Altersgruppen und die unterschiedlichsten Schweregrade<br />
an Patienten“, erklärt Nadine Petsch. Gemeinsam mit<br />
Marlene Stellenberger, Leitung für die Theorie, und einer<br />
Kollegin im Notfallzentrum hat sie das Curriculum erstellt.<br />
Im Regelfall absolvieren die Teilnehmer die Weiterbildung<br />
in zwei Jahren, haben aber die Möglichkeit, diese in maximal<br />
fünf Jahren abzuschließen. Für den Unterricht werden<br />
sie freigestellt. Zulassungsvoraussetzungen sind eine<br />
abgeschlossene Berufsausbildung in der Gesundheits- und<br />
Krankenpflege oder der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege<br />
und sechs Monate Erfahrung in der innerklinischen<br />
Notfallmedizin.<br />
Alexandra Reinhold bringt diese Voraussetzungen natürlich<br />
mit. Wie Nadine Petsch hat sie als Auszubildende am<br />
<strong>UKJ</strong> angefangen, arbeitete nach ihrem Abschluss auf der<br />
Wöchnerinnenstation der Klinik für Geburtsmedizin, bis<br />
eine Hospitation sie schließlich in die Notfallpflege führte.<br />
Von der Weiterbildung verspreche sie sich, noch mehr fachliches<br />
Wissen, um die Notfallmedizin besser zu verstehen.<br />
„In der Notfallpflege muss man einfach Allrounder sein,<br />
da wir hier die gesamte Bandbreite der Medizin sehen, und<br />
jede Notfallsituation so individuell ist.“<br />
Nicht nur Mitarbeiter des <strong>UKJ</strong> sind unter den Teilnehmern.<br />
Die weiteste Anfahrt liegt bei rund 130 Kilometern. Was<br />
Teilnehmer laut Petsch anzieht, sich am <strong>UKJ</strong> auf die Notfallpflege<br />
zu spezialisieren: „Wir zählen rund 30.000 Patienten<br />
jährlich, haben ein großes Einzugsgebiet und versorgen auch<br />
viele seltene Krankheitsbilder. Also werden unsere Teilnehmer<br />
sehr viel lernen können."<br />
Michelle Korneli<br />
24 01 | 21
AKTUELLES<br />
Zurück in die Kinderkrankenpflege<br />
Er hatte als erster Mann die Kinderkrankenpflege-Ausbildung am <strong>UKJ</strong> abgeschlossen.<br />
Das war 1994. Danach zog es Raik Rosmus in die OP-Pflege, dann zum<br />
Medizincontrolling, seit 2014 arbeitet er im Personalrat und seit zweieinhalb<br />
Jahren im Gleichstellungsbüro. Nun ist er wieder in Teilzeit in die Kinderkrankenpflege<br />
zurückgekehrt.<br />
Wie kam es dazu?<br />
Rosmus: Im Frühjahr 2020 meldete ich mich als Coronahelfer<br />
und kam wieder in aktiver Rolle zur Pflege. Erst war ich<br />
mir unsicher, in welchem Bereich ich helfen kann. In<br />
der OP-Pflege, die ich von früher gut kenne, oder doch<br />
etwas Neues, aber trotzdem Bekanntes, also wieder<br />
zurück zur Kinderkrankenpflege? Letztlich hat mich die<br />
Pflegedienstleitung Kerstin Pechmann dazu ermutigt, etwas<br />
zu wagen und so wurde ich im März und April 2020 auf der<br />
E220, der Kinderintensivstation, eingearbeitet und eingesetzt.<br />
Und da habe ich mich wieder daran erinnert, warum ich vor so<br />
vielen Jahren diesen Beruf gelernt habe: Dieses einzigartige<br />
Gefühl, wenn man anderen hilft und von unseren kleinen<br />
Patienten und deren Eltern so viel zurückbekommt. Und<br />
seit September bin ich nun offiziell in Teilzeit auf unserer<br />
Kinderintensivstation tätig. Es war und ist für mich einfach<br />
eine Herzensentscheidung.<br />
War die Rückkehr in die Kinderkrankenpflege schwierig?<br />
Rosmus: Ich habe mich zunächst schon gefragt, gelingt mir<br />
das? Und natürlich gab es auch skeptische Stimmen, weil<br />
ich keine ITS-Erfahrung mitbrachte. Doch für mich hat es<br />
sich nicht wie ein Sprung ins kalte Wasser angefühlt. Denn<br />
ich wurde so gut vom Team aufgenommen und sie haben<br />
mich super bei der Einarbeitung unterstützt. Mich begeistert<br />
wirklich das Fachwissen und der Enthusiasmus meiner<br />
Kolleginnen und Kollegen, egal ob sehr jung oder schon<br />
langjährig erfahren, man kann so viel von ihnen lernen. Und<br />
auch der Zusammenhalt mit den Ärzten hat mich beeindruckt.<br />
Was mir meinen Start erleichtert hat, ist dieses besondere<br />
Zusammenhaltsgefühl in der Kinderklinik.<br />
Was sind die Besonderheiten der Kinderkrankenpflege,<br />
speziell in der Kinderintensivpflege?<br />
Rosmus: In der Kinderkrankenpflege hat sich in den Jahren<br />
natürlich viel getan und im Vergleich zur OP-Pflege bei<br />
Erwachsenen ist die Arbeit mit Kindern einfach anders. Kinder<br />
sind keine kleinen Erwachsenen. Das hat mir vor vielen Jahren<br />
schon Frau Kasper, meine Klassenlehrerin in der Ausbildung,<br />
gesagt. Hinzu kommt die Schwere der Erkrankungen der<br />
kleinen Patienten. Hier ist die psychische Komponente nicht<br />
zu unterschätzen. Ich selbst habe zwei Kinder und da gibt es<br />
selbstverständlich Situationen, die mir nah gehen, weil man<br />
häufiger den Vergleich zu den eigenen Kindern zieht. In der<br />
Kinderintensivpflege kümmert sich die Pflege nicht nur um die<br />
Patienten, sondern genauso um deren Eltern.<br />
Welche Tipps haben Sie für diejenigen, die überlegen<br />
wieder in die Pflege zurückzukommen?<br />
Rosmus: Wer mit dem Gedanken spielt, sollte nicht warten,<br />
sondern sich trauen und einfach auf die Pflegeleitung des<br />
Wunschbereiches zugehen. Im Gespräch wird als erstes geklärt,<br />
ob man als Rückkehrer geeignet ist und welcher Bereich sich<br />
anbietet. Wenn es dann an die Einarbeitung geht, wird man<br />
auf verschiedene Weise begleitet. Es gibt ein individuelles<br />
Einarbeitungskonzept und es wird versucht, dass man einen<br />
festen Ansprechpartner in der Einarbeitungszeit an die Hand<br />
bekommt. Auch wenn vielleicht Zweifel da sind, den ersten<br />
Schritt muss man selbst wagen. Und ich bin froh, dass ich nach<br />
vielen Jahren am <strong>UKJ</strong> genau das gemacht habe und zu meinen<br />
Wurzeln zurückgekehrt bin.<br />
Foto: Szabó<br />
Interview: Michelle Korneli<br />
01 | 21<br />
25
Foto: gettyimages | alvarez<br />
Schimpfen, Spott oder Schläge<br />
Studie analysiert Gewalterfahrungen von Pflegekräften<br />
Es beginnt mit harschen Worten eines<br />
Patienten, kann in Beschimpfungen<br />
übergehen oder von verbaler in körperliche<br />
Aggression umschlagen: Gewalt<br />
von Patienten gegenüber Pflegekräften<br />
ist ein Thema in Krankenhäusern, wenn<br />
auch nach wie vor ein Tabuthema. In welcher<br />
Form erleben Pflegekräfte Gewalt<br />
von Patienten? Was sind die Ursachen?<br />
Und wie geht das Pflegepersonal damit<br />
um? Dies sind nur einige Fragen, die<br />
Franziska Rusam, Doktorandin am Institut<br />
für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie<br />
und Psychoonkologie am <strong>UKJ</strong><br />
in ihrer Studie umfassend am Thüringer<br />
Universitätsklinikum untersucht – und<br />
das deutschlandweit erstmals in dieser<br />
Qualität. Denn bislang existieren nur<br />
Literaturstudien zu dem Thema.<br />
Ihre Studie soll deshalb ein Meinungsbild<br />
aus der Praxis gewinnen. 230 Pflegekräfte<br />
des <strong>UKJ</strong> haben einen umfassenden<br />
Fragebogen zum Thema „Gewalt<br />
von Patienten gegenüber Pflegekräften“<br />
anonym beantwortet. „Insgesamt wurde<br />
der viereinhalbseitige Fragebogen an<br />
850 Pflegekräfte verteilt. Durch eine<br />
detaillierte, quantitative Befragung<br />
sollte in einer Vorstudie herausgefunden<br />
werden, ob Pflegekräfte in den vergangenen<br />
zwölf Monaten Gewalt erlebt<br />
haben, wie sie Gewalt prinzipiell wahrnehmen,<br />
wie sich Gewalterlebnisse<br />
emotional auf die Beteiligten auswirken<br />
und wie sie seitdem damit umgehen“, so<br />
Franziska Rusam.<br />
„Egal ob verbale, sexuelle oder körperliche<br />
Gewalt: Sie hat viele unterschiedliche<br />
Formen. Die Literatur spricht von<br />
einer hohen Dunkelziffer hinsichtlich<br />
Gewalt, die Pflegekräfte durch Patienten<br />
bei ihrer täglichen Arbeit erfahren“, so<br />
Rusam. Aber beginnt Gewalt schon beim<br />
Anschreien oder erst bei Handgreiflichkeiten?<br />
„Das ist eine wesentliche Frage,<br />
die erörtert werden muss. Nach wie vor<br />
ist nicht greifbar, welcher Gewaltart<br />
Pflegekräfte besonders ausgesetzt sind<br />
und wie sich das auf die Pflegekräfte<br />
und ihre Tätigkeit auswirkt“, ergänzt sie.<br />
Auch interessiert Rusam, inwiefern die<br />
Arbeitszufriedenheit die Bewertungen<br />
hinsichtlich Gewalt am Arbeitsplatz<br />
und dem Umgang mit entsprechenden<br />
Folgen beeinflusst. Sie untersucht, ob<br />
es bestimmte Pflegebereiche gibt, in<br />
denen Gewalt gehäuft auftritt. Rusam:<br />
„Psychiatrie und die Notaufnahme sind<br />
Bereiche, die in der Literatur häufig<br />
genannt werden. Trifft das auch am <strong>UKJ</strong><br />
zu oder gibt es andere Bereiche, die<br />
vermehrt von Gewalt betroffen sind?“<br />
Außerdem analysiert Rusam in ihrer<br />
Arbeit, welche Anlaufstellen das <strong>UKJ</strong> im<br />
Fall von Gewalterfahrungen anbietet.<br />
Aus den gewonnenen Erkenntnissen soll<br />
ein Maßnahmenkatalog zur Früherkennung,<br />
Gegensteuerung, Vorbeugung und<br />
Meldung von Gewaltvorfällen abgeleitet<br />
werden. Rusam: „Das <strong>UKJ</strong> nimmt hier eine<br />
Vorreiterrolle ein, was die Aufarbeitung<br />
und Prävention von Gewalt gegenüber<br />
dem Pflegepersonal betrifft. Mit der<br />
Studie wird einem bisher im Pflegealltag<br />
eher nachgeordnetem Thema Brisanz<br />
und Transparenz verliehen.“<br />
Die Studie wird als Kooperationsprojekt<br />
durch Professor Bernhard Strauß vom<br />
Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie<br />
und Psychoonkologie und Dr.<br />
Norbert Hebestreit, Pflegewissenschaftler<br />
der Pflegedirektion, am <strong>UKJ</strong> betreut<br />
und soll <strong>2021</strong> abgeschlossen werden.<br />
Michelle Korneli<br />
26 01 | 21
FORSCHEN<br />
COVID-19-Atlas der Gewebeschäden und Viruslast in Organen<br />
Jenaer Forschungsteam veröffentlicht Studie im Onlinefachjournal eLife<br />
In der seit über einem Jahr währenden Pandemie wurden<br />
bereits über 100 Millionen SARS-CoV-2-Infektionen weltweit<br />
registriert. Vieles konnte in der biomedizinischen und<br />
klinischen Erforschung von COVID-19 schon erreicht werden,<br />
jedoch sind weiterhin noch wesentliche Krankheitsmechanismen<br />
unverstanden. Ein Forschungsteam aus Virologie und<br />
Mikrobiologie, Rechtsmedizin und Pathologie sowie Intensivmedizin<br />
und Elektronenmikrospie am Universitätsklinikum<br />
Jena untersuchte die Körper von elf Patienten, die an COVID-<br />
19 verstorben sind. Sie erfassten die SARS-CoV-2-Viruslast in<br />
einer Vielzahl von Organen und Geweben und brachten die<br />
Verteilung des Virus in Zusammenhang mit den festgestellten<br />
Gewebeschäden. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie jetzt<br />
im Onlinejournal eLife. Die Studie wurde von der Carl-Zeiss-<br />
Stiftung gefördert.<br />
Umfassendes mikrobiologisches<br />
und histologisches Bild von COVID-19<br />
auch in verschiedenen anderen Geweben und Organen, wie<br />
Verdauungsorganen, Nieren oder den Herzgefäßen nachgewiesen.<br />
Aber nur in der Lunge hatte das Virus das Gewebe<br />
angegriffen“, so der Rechtsmediziner und Koautor PD Dr.<br />
Daniel Wittschieber. Die untersuchten Entzündungsmarker<br />
und Gerinnungsfaktoren waren bei allen Patienten erhöht.<br />
Mit ihrer Studie, die erstmals die Viruslast und Gewebeschäden<br />
bei COVID-19 umfassend kartiert, bestätigen die Jenaer<br />
Forscher den systemischen Charakter der Erkrankung. „Dass<br />
nur das Lungengewebe geschädigt, aber im gesamten Körper<br />
Virus-RNA verteilt ist, stützt die Vermutung, dass unser<br />
Immunsystem nicht angemessen auf das Vorhandensein des<br />
Virus im Blut reagieren kann. Das ist das eigentliche Problem<br />
bei COVID-19“, so Stefanie Deinhardt-Emmer.<br />
Uta von der Gönna<br />
„Klinische Beobachtungen, insbesondere auch die Erfahrungen<br />
mit dem Post-COVID-Syndrom legen nahe, dass COVID-<br />
19 eine systemische Erkrankung ist, die nicht nur die Lunge,<br />
sondern den gesamten Körper betrifft“, so Autorin Dr. Stefanie<br />
Deinhardt-Emmer. „Geeignete experimentelle Modelle zur<br />
Untersuchung von COVID-19 fehlen jedoch.“ Um ein umfassendes<br />
Bild der Erkrankung bezüglich der Mikrobiologie und<br />
Histologie beim sehr schweren Verlauf zu erhalten, führten<br />
die Wissenschaftler jeweils nur wenige Stunden nach den Tod<br />
Autopsien an COVID-19-Patienten durch. So konnten Abbauprozesse<br />
an den Geweben und der Virus-RNA gering gehalten<br />
werden. Pro Patient dokumentierten sie an über 60 Proben<br />
in verschiedenen Organen die Viruslast von SARS-CoV-2, Entzündungsmarker<br />
und Gewebeschäden. Mit elektronenmikroskopischen<br />
Aufnahmen konnten sie intakte Viruspartikel im<br />
Lungengewebe nachweisen.<br />
Gewebeschäden nur in der Lunge<br />
Wie erwartet fanden die Wissenschaftler Virus-RNA vor<br />
allem in der Lunge, und dort war das Gewebe auch schwer<br />
betroffen. „Interessanterweise haben wir SARS-CoV-2-RNA<br />
COVID-19-Gewebeschaden in der Lunge: Im gestreiften Bereich fehlt die<br />
äußere Zellschicht, die für Funktion und Stabilität des Lungenbläschens<br />
notwendige oberflächenaktive Substanzen produziert. Rot: Blutkörperchen,<br />
blau: Atemluft. Transmissionselektronenmikroskop, nachkoloriert<br />
Bild: Dr. Sandor Nietzsche, Elektronenmikroskopisches Zentrum, <strong>UKJ</strong><br />
01 | 21<br />
27
FORSCHEN<br />
Smarter Stresswächter am Handgelenk<br />
Mit selbstlernender App Stresssituationen erkennen und ihnen entgegenwirken<br />
„Pling! - Fühlen Sie sich im Moment unter Druck? – Wollen<br />
Sie bei einigen Atemübungen entspannen?“, so könnte sich<br />
die Cello-App bei Träger oder Nutzerin melden, wenn deren<br />
Fitnesstracker oder Smartwatch auffällige Werte misst. Diese<br />
modernen, am Körper getragenen „Wearables“ können Atemfrequenz<br />
und Herzfunktion erfassen – wann diese auffällig<br />
sind für ein erhöhtes Stresslevel des Nutzers und wie die<br />
Trägerin am wirksamsten entspannen kann, das soll die Cello-<br />
App wissen, und zwar ganz individuell, weil sie es von und mit<br />
dem Nutzer gelernt hat.<br />
Ein Team aus Ärzten, Psychologen, Informatikern und Anwendungsentwicklern<br />
startet jetzt die Entwicklungsarbeit an<br />
dem System, das Methoden des maschinellen Lernens nutzt.<br />
„Zunächst werden wir aufwendige Studien zur Erfassung<br />
von Stressfaktoren und zur Charakterisierung individueller<br />
Stressunterschiede planen und durchführen, um in sehr<br />
genauen Messungen die Trainingsdaten für den Algorithmus<br />
zu erzeugen“, beschreibt Prof. Dr. Martin Walter das Vorgehen.<br />
Der Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am<br />
<strong>UKJ</strong> koordiniert das Projekt und leitet die Studien. Darin werden<br />
neben detaillierten Interviews physiologische Parameter<br />
wie Puls, Atemfrequenz, EKG und Hautwiderstand, Daten aus<br />
EEG- und MRT-Messungen sowie genetische und hormonelle<br />
Daten erfasst.<br />
Diese genauen Stressmarker dienen als Referenzsystem für<br />
die von den Fitnesstrackern gemessene Herzfrequenzvariabilität,<br />
die die Fähigkeit beschreibt, die Herzfrequenz den<br />
körperlichen und mentalen Anforderungen anzupassen.<br />
„Diese Fähigkeit lässt nach, wenn das Stresslevel über längere<br />
Zeit erhöht ist. Dem kann man zum Beispiel mit Biofeedback-<br />
Training entgegenwirken und die Herzfrequenzvariabilität<br />
steigern“, so Prof. Dr. Veronika Engert vom Institut für Psychosoziale<br />
Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie am<br />
<strong>UKJ</strong>. Sie wird im Projekt Studiendaten zur Wirksamkeit dieses<br />
Trainings sammeln, an denen sich die App auch messen lassen<br />
muss. Denn das System soll nicht nur personalisiert auf<br />
das Stresslevel aufmerksam machen, sondern auch individualisierte<br />
Empfehlungen geben.<br />
Parallel zu diesen Studien entwickeln IT-Spezialisten der<br />
Universität des Saarlandes, des Fraunhofer Instituts für Grafische<br />
Datenverarbeitung in Rostock und der mHealth Pioneers<br />
GmbH in Berlin den maschinellen Lernalgorithmus, die<br />
Schnittstelle zum Fitnesstracker und die Software-Oberfläche<br />
für die App, deren Rohversion dann mit den Studiendaten<br />
trainiert wird. Dabei stellen die Einbindung der verschiedenen<br />
Gerätestandards, die Berücksichtigung der verschiedensten<br />
Alltagssituationen und der Datenschutz besondere Herausforderungen<br />
dar.<br />
Ist der Algorithmus justiert, folgen Feldstudien, in denen<br />
Testnutzer handelsübliche Smartwatches tragen werden<br />
und in den Dialog mit der App treten. Mit jeder Rückmeldung<br />
des Nutzers lernt die Software ihn besser kennen, kann in<br />
den richtigen Situationen warnen, immer bessere Prognosen<br />
erstellen und passgenauere Hilfsangebote unterbreiten.<br />
Anhand des Lernverhaltens der App und der Treffsicherheit<br />
ihrer Warnungen und Vorschläge erfolgt dann iterativ die<br />
Kalibrierung und Optimierung des Systems. Prof. Walter: „Mit<br />
der Cello-App wollen wir ein einfaches und geräteunabhängiges<br />
Tool zum personalisierten Stressmonitoring entwickeln.<br />
Allein das Bewusstmachen stressauslösender Faktoren ist<br />
ein Gewinn für die Nutzer. Die App soll mit Hilfe von künstlicher<br />
Intelligenz und im Dienst der Gesundheit den Dialog<br />
von Mensch und Maschine vermitteln.“ Das BMBF fördert die<br />
Partner in Jena, Rostock, Berlin und Saarbrücken mit knapp<br />
einer Million Euro.<br />
Uta von der Gönna<br />
Die geräteunabhängige und selbstlernende Cello-App soll personalisiert in<br />
Stresssituationen warnen und Angebote zur Stressreduktion unterbreiten.<br />
Foto: Uta von der Gönna<br />
28 01 | 21
FORSCHEN<br />
Medizin rund um die Leber<br />
Prof. Alexander Zipprich ist neuer Professur für Hepatologie am <strong>UKJ</strong><br />
Hintergrundbild: getty images | SEBASTIAN KAULITZKI<br />
„Die medikamentöse Therapie der Hepatitis<br />
C hat sich in den letzten Jahren<br />
durch neue Wirkstoffe dramatisch<br />
geändert, mit Heilungsraten weit über<br />
90 Prozent und wesentlich besserer<br />
Verträglichkeit“, beschreibt Prof. Dr.<br />
Alexander Zipprich einen bedeutenden<br />
Fortschritt in seinem Fachgebiet. Der<br />
49-jährige Internist und Gastroenterologe<br />
ist Spezialist für Lebererkrankungen,<br />
seit März hat er die neu eingerichtete<br />
Professur für Hepatologie am <strong>UKJ</strong> inne,<br />
die an der Klinik für Innere Medizin IV<br />
angesiedelt und mit der stellvertretenden<br />
Leitung dieser Klinik verbunden ist.<br />
Foto: Szabó<br />
Die Leber ist die Stoffwechselzentrale<br />
unseres Körpers: Sie verarbeitet fast<br />
alles, was wir zu uns nehmen. Sie entgiftet,<br />
sie produziert Eiweißstoffe und<br />
reguliert so wichtige Prozesse wie zum<br />
Beispiel die Blutgerinnung. Ihr können<br />
Infektionen zusetzen, wie die durch<br />
Viren verursachte Hepatitis C. Häufiger<br />
aber sind Gifte, allen voran Alkohol,<br />
oder ein Zuviel von Fett und Zucker<br />
die Ursache für Schädigungen an dem<br />
Organ. Die Leber ist sehr widerstandsfähig<br />
und kann moderate Schäden lange<br />
ausgleichen, wegen ihrer Schmerzunempfindlichkeit<br />
sendet sie auch keine<br />
Warnsignale. „Langfristig kommt es<br />
jedoch zu Entzündungserscheinungen<br />
und Umbauprozessen, in deren Folge<br />
das normale Gewebe der Leber umgebaut<br />
wird. Bei der Leberzirrhose büßt<br />
das Gewebe seine Funktion ein und es<br />
kommt zur Bauchwassersucht und Entstehung<br />
von Krampfadern in der Speiseröhre,<br />
auch das Risiko für Leberkrebs<br />
erhöht sich“, so Prof. Zipprich.<br />
Nur durch rechtzeitige Diagnosestellung<br />
und Therapie lässt sich verhindern,<br />
dass eine weitere Verschlechterung<br />
eintritt und eine Transplantation notwendig<br />
wird, „einen Organersatz für die<br />
Leber, wie die Dialyse für die Nieren,<br />
gibt es leider nicht.“ Für die Fettleber,<br />
eine durch Übergewicht bedingte<br />
Vorstufe der Leberzirrhose, sind vielversprechende<br />
Wirkstoffe in der Entwicklung.<br />
Alexander Zipprich: „An den<br />
klinischen Studien für diese Wirkstoffe<br />
werden wir uns beteiligen, um unseren<br />
Patienten solche neuen Behandlungsmöglichkeiten<br />
zu eröffnen.“ Ziel ist<br />
es, den fortschreitenden Verlust der<br />
Organfunktion zu bremsen oder aufzuhalten.<br />
Ist das nicht mehr möglich,<br />
kann zumindest die Notwendigkeit einer<br />
Transplantation hinausgezögert werden.<br />
Zum Beispiel lässt sich durch einen<br />
TIPS genannten Kurzschluss zwischen<br />
den Lebergefäßen die akute Gefahr der<br />
Krampfaderblutung und der Bauchwassersucht<br />
vermindern. „Zusammen<br />
mit den Kollegen der Chirurgie und<br />
Radiologie wollen wir die Betreuung<br />
der Patienten eng verzahnen und auch<br />
im ambulanten Bereich gemeinsame<br />
Sprechstunden etablieren“, so Zipprich.<br />
Der gebürtige Hallenser hat in seiner<br />
Heimatstadt Medizin studiert und<br />
beschäftigte sich schon in seiner Promotion<br />
mit der Leberdurchblutung.<br />
Seine Facharztausbildung in der Inneren<br />
Medizin und Gastroenterologie am Universitätsklinikum<br />
Halle unterbrach er<br />
für einen zweijährigen Forschungsaufenthalt<br />
an der Yale University. In Halle<br />
habilitierte sich Alexander Zipprich zur<br />
hepatisch-arteriellen Durchblutung<br />
der zirrhotischen Leber und leitete<br />
eine eigene Arbeitsgruppe „Molekulare<br />
Hepatologie“. Zuletzt arbeitete er als<br />
leitender Oberarzt der Klinik für Innere<br />
Medizin I am Uniklinikum Halle.<br />
In der Grundlagenforschung untersucht<br />
Alexander Zipprich die molekularen<br />
Mechanismen des zirrhotischen Gewebeumbaus,<br />
bei dem Leberzellen durch<br />
Bindegewebszellen ersetzt werden.<br />
Zum Beispiel erforscht er mit Förderung<br />
der DFG die Beteiligung eines Steroidhormonrezeptors<br />
am Fortschreiten<br />
des Umbauprozesses. „Wir wollen den<br />
Übergang von der Fibrose zur Zirrhose<br />
besser verstehen, um daraus neue<br />
Therapie- oder Präventionsansätze<br />
entwickeln zu können“, erklärt Zipprich.<br />
„Denn es gilt, durch weitere Fortschritte<br />
in der Lebermedizin die Funktion dieses<br />
faszinierenden Organs noch besser zu<br />
schützen und zu erhalten.“<br />
Uta von der Gönna<br />
KONTAKT<br />
Prof. Dr. Alexander Zipprich<br />
Klinik für Innere Medizin IV<br />
(Gastroenterologie,<br />
Hepatologie, Infektiologie)<br />
Universitätsklinikum Jena<br />
03641 9-32 44 40<br />
alexander.zipprich@med.uni-jena.de<br />
01 | 21<br />
29
HEILEN<br />
Lebensverändernde Chance für kleine Patienten<br />
Neue Genersatztherapie hält seltene Muskelerkrankung auf<br />
Bereits seit dem vierten Lebensmonat ist die motorische Entwicklung<br />
von Sina auffällig. Aber erst im Alter von 13 Lebensmonaten<br />
erhielt sie die Diagnose „Spinale Muskelatrophie“,<br />
kurz SMA. Charakteristisch für die seltene Erkrankung ist eine<br />
voranschreitende Muskelschwäche. Um diese aufzuhalten,<br />
erhielt die kleine Patientin im Sommer 2020 eine neuartige<br />
Genersatztherapie in der Klinik für Neuropädiatrie am <strong>UKJ</strong>,<br />
dem einzigen Zentrum in Thüringen, welches dieses Verfahren<br />
anbietet. „Wir sehen in der neuen Therapie einen enormen<br />
Fortschritt, denn sie könnte lebensverändernd sein. Noch vor<br />
wenigen Jahren verlief die schwerste Form der Erkrankung<br />
dramatisch. Erkrankte Kinder verstarben in den ersten beiden<br />
Lebensjahren, weil es keine effektiven Medikamente gab“, so<br />
der behandelnde Oberarzt Dr. Ralf Husain.<br />
Die Eltern des damals eineinhalbjährigen Mädchens bemerkten<br />
bereits kurze Zeit nach der Genersatztherapie Fortschritte:<br />
„Auch, wenn es für andere nur kleine Veränderungen sind, für<br />
uns sind es große Fortschritte. Wir hatten tatsächlich Gänsehaut,<br />
als wir gesehen haben, dass sie ihren Kopf selbstständig halten<br />
kann und auch die Flasche nicht mehr einfach aus der Hand<br />
rutscht.“ Und auch Dr. Husain sieht Fortschritte: „Ihre Rumpfund<br />
Halsmuskulatur ist stabiler geworden, sodass sie nun frei<br />
sitzen kann. Das ist ein wesentlicher Schritt in der kindlichen<br />
Entwicklung, vor dem Stehen und Laufen. Regelmäßig bekommt<br />
Dr. Ralf Husain. Foto: Szabó<br />
sie Physiotherapie, um ihr motorische Entwicklung zu fördern.<br />
Wie schnell weitere Fortschritte kommen, wird die Zeit zeigen.“<br />
Die Genersatztherapie wird nur einmal durchgeführt. Husain:<br />
„Über die Vene wird einmalig ein Medikament verabreicht, das<br />
in betroffenen Nervenzellen im Rückenmark wirkt. Ich nutze<br />
gern den Vergleich mit einem trojanischen Pferd, denn in dem<br />
Medikament sind nicht krankmachende Viruszellen enthalten,<br />
in denen eine voll funktionsfähige Kopie des betroffenen<br />
Gens ,versteckt‘ ist. Diese Gen-Kopie übernimmt ersatzweise<br />
die Funktion in den Nervenzellen und die notwendigen<br />
Eiweißstoffe werden wieder gebildet.“<br />
Damit gibt es nun erstmals zwei Therapieoptionen für die<br />
zuvor unheilbare Erkrankung. Bereits seit 2017 wird die SMA<br />
am <strong>UKJ</strong> mit einem Medikament behandelt, das über das Nervenwasser<br />
verabreicht wird. „Bisher konnten wir mit dieser<br />
Therapie in unserer Klinik 21 Patienten vom Säugling bis zum<br />
Jugendlichen behandeln. Im Gegensatz zur neuen Therapie<br />
muss es allerdings dreimal jährlich dauerhaft verabreicht<br />
werden. Üblicherweise schreiten die Symptome bei beiden<br />
Therapieformen nicht weiter voran. Im besten Fall kommt es<br />
zu Fortschritten der motorischen Entwicklung“, sagt der Neuropädiater.<br />
„Und im Frühjahr <strong>2021</strong> steht die Zulassung eines<br />
weiteren Medikamentes an, welches als Saft täglich eingenommen<br />
wird. Einigen unserer Patienten wird dieses Medikament<br />
bereits im Rahmen eines Härtefallprogramms verabreicht.“<br />
Die SMA tritt bei ungefähr einem von 10.000 Menschen<br />
auf. Je früher die Diagnose erfolge, umso besser seien die<br />
Erfolgsaussichten. Dr. Husain begrüßt es deshalb, dass die<br />
Untersuchung auf SMA im Herbst <strong>2021</strong> in das bundesweite<br />
Neugeborenenscreening aufgenommen wird. Am Stoffwechselzentrum<br />
der Kinderklinik wird auch die Diagnostik und<br />
Therapie der bisher im Neugeborenenscreening untersuchten<br />
Erkrankungen für Thüringen koordiniert.<br />
Die kleine Patientin wird weiter engmaschig von den Experten<br />
am <strong>UKJ</strong> begleitet. Mittlerweile konnten drei weitere<br />
Kinder mit der neuen Genersatztherapie behandelt werden.<br />
Und die Hoffnung ist groß, dass die einst unheilbare<br />
Erkrankung bei diesen und anderen kleinen Patienten weiter<br />
zurückgedrängt wird.<br />
Michelle Korneli<br />
30 01 | 21
HEILEN<br />
Bei der ersten Wach-Operation am <strong>UKJ</strong> arbeiteten Neurochirurgen, Neurologen, Anästhesisten und OP-Pflegepersonal Hand in Hand. Foto: <strong>UKJ</strong><br />
Hirntumor bei wacher Patientin entfernt<br />
Jenaer Neurochirurgen operieren am Tumor in Nähe des Sprachzentrums<br />
Eine Wach-Operation ist auch für den erfahrenen Neurochirurgen<br />
und neuen Klinikdirektor der Jenaer Neurochirurgie, Prof. Dr.<br />
Christian Senft, ein ganz besonderer Eingriff. Erstmals operierten<br />
er und seine Kollegen am <strong>UKJ</strong> eine Patientin an einem Hirntumor<br />
in der Nähe des Sprachzentrums, indem sie während der Operation<br />
aus der Narkose geholt wurde und Sprachtests absolvierte.<br />
Die Patientin konnte bereits wenige Tage nach der Operation<br />
nach Hause entlassen werden - ohne Sprachstörungen.<br />
„Operationen am Gehirn sind immer etwas Spezielles und erst<br />
recht, wenn man es ‚live‘ miterlebt. Aber auf diese Art und Weise<br />
können wir heute Patienten helfen, bei denen eine Tumorentfernung<br />
vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Und nur<br />
so konnte unsere Patientin funktionserhaltend am Tumor operiert<br />
werden“, erklärt Prof. Dr. Christian Senft. Er selbst hat bisher<br />
bereits über 50 solcher Wach-Operationen durchgeführt und<br />
miterlebt. Für seine Kollegen am <strong>UKJ</strong> war es aber eine gelungene<br />
Premiere, auf die sich ein Team aus Neurochirurgen, Anästhesisten<br />
und OP-Pflegepersonal intensiv vorbereitet hat. „Insbesondere<br />
für unser Anästhesieteam bestand die Herausforderung<br />
darin, die Patientin erst gut und schnell wach werden zu lassen,<br />
um dann die Operation fortzusetzen. Eine solche Wach-OP war<br />
auch für die Anästhesie ein Novum und alle haben es sehr gut<br />
gemeistert“, so das Fazit von Dr. Michael Winkens, Oberarzt der<br />
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am <strong>UKJ</strong>.<br />
Der Verlauf klingt spektakulär: Zunächst wurde die Patientin<br />
normal in Narkose versetzt und ihre Kopfhaut mittels Lokalanästhesie<br />
betäubt. Nachdem die Schädeldecke geöffnet war,<br />
wurde sie schonend von den Anästhesie-Experten des <strong>UKJ</strong> aus<br />
der Narkose geholt. Dann unterhielt sich Neurologin Dr. Irina<br />
Gepfner-Tuma mit der Patientin und testete ihre Sprache. Ihr<br />
Gehirn wurde dabei mit Strom stimuliert, um herauszufinden,<br />
wo nicht sprachrelevante Areale liegen, in die das Team zum<br />
Tumor vordringen konnte. Der Tumor konnte so weitestmöglich<br />
und schonend entfernt werden. Ob eine Wach-OP die geeignete<br />
Methode ist, muss vorher umfassend geprüft werden. Prof.<br />
Senft: „Dieses Verfahren kommt insbesondere für Patienten in<br />
Frage, bei denen Tumore in Gehirnarealen liegen, die für das<br />
Verständnis oder die Produktion von Sprache wichtig sind. Denn<br />
diese Funktionen können während der sonst bei Operationen<br />
üblichen Allgemeinnarkose nicht überwacht werden. Eine Operation<br />
in Vollnarkose hätte bei unserer Patientin ein hohes Risiko<br />
für bleibende Sprachstörungen gehabt.“<br />
Welche Patienten für einen solchen Eingriff geeignet sind, wird<br />
im interdisziplinären Austausch zwischen Neurochirurgen, Neurologen<br />
und Anästhesisten festgelegt. „Unsere Patientin haben<br />
wir behutsam darauf vorbereitet, was sie während der Operation<br />
erwartet. Deshalb wurde sie von einem Team aus Psychologen<br />
und Neurologen nicht nur vor, sondern auch nach der Operation<br />
begleitet. Und sie hat sich wirklich vertrauensvoll in unsere<br />
Hände begeben“, so Dr. Irina Gepfner-Tuma von der Klinik für<br />
Neurologie am <strong>UKJ</strong>. Für die Patientin sind dank der Wach-OP nun<br />
die bestmöglichen Voraussetzungen für die weitere Therapie<br />
geschaffen.<br />
Michelle Korneli<br />
KONTAKT<br />
Prof. Dr. Christian Senft<br />
Klinik für Neurochirurgie<br />
neurochirurgie@med.uni-jena.de<br />
01 | 21<br />
31
Stille Geburt<br />
Wenn der Lebensbogen sich schließt, bevor er begonnen hat<br />
Die Geburt. Der Inbegriff des Lebens.<br />
Der Lebensfreude. Vielleicht ist es deshalb<br />
häufig immer noch ein Tabu, über<br />
stille Geburten zu sprechen. Vielleicht<br />
möchte man schlicht nicht darüber<br />
nachdenken, dass es einen selbst<br />
treffen kann. Dass aus dem eigentlich<br />
schönsten, freudigsten Ereignis<br />
im Leben ein tieftrauriges wird. Aber<br />
ja: Es gibt sie. Stille Geburten. Eltern,<br />
deren Kind nicht zum Leben geboren<br />
wird, brauchen dann Unterstützung.<br />
Brauchen Einfühlsamkeit. Brauchen<br />
Menschen, die Erfahrung mit ihrer<br />
Situation haben. Und das vor, während<br />
und nach der Geburt. Das Team der<br />
Geburtsmedizin bietet all das: Hilfe,<br />
Empathie, Erfahrung. Saskia Selleng,<br />
Hebamme im Kreißsaal des <strong>UKJ</strong>, und<br />
Dr. Judith Rothaug, Psychologin in der<br />
Geburtsmedizin, sprechen über stille<br />
Geburten und möchten damit vor allem<br />
den betroffenen Eltern Mut machen<br />
und Mut geben.<br />
Sternenkinder oder auch Sternchen<br />
nennen Eltern liebevoll ihre Kinder,<br />
die den Weg ins Leben nicht gefunden<br />
haben. In den allermeisten Fällen<br />
wissen die Eltern schon bevor sie ins<br />
Klinikum zur Entbindung kommen, dass<br />
ihr Kind ein Sternchen ist. Grundsätzlich<br />
wird empfohlen, das Kind dennoch<br />
natürlich zu gebären und nicht per<br />
Kaiserschnitt zu holen. Am <strong>UKJ</strong> ist das<br />
Team der Geburtsmedizin auf diese<br />
Situation vorbereitet und hat entsprechende<br />
Strukturen etabliert, damit die<br />
Eltern eine bestmögliche Betreuung<br />
und Begleitung erfahren. Ganz wichtig:<br />
Sie sind nicht alleine in dieser Situation,<br />
sondern können auf die Unterstützung<br />
von erfahrenen Ärztinnen und Ärzten,<br />
Hebammen, Psychologinnen und Seelsorgern<br />
zählen. Und das Team nimmt<br />
sich alle Zeit und Ruhe, die es braucht,<br />
um mit den Eltern zu besprechen, was<br />
auf sie zukommt, was passieren kann<br />
und wie es nach der Geburt weitergeht.<br />
„Selbstverständlich kann der Partner<br />
oder eine andere vertraute Person die<br />
schwere Zeit an der Seite der Schwangeren<br />
sein“, so Hebamme Saskia. „Wir<br />
gewährleisten eine 1:1-Betreuung durch<br />
uns Hebammen, damit die Eltern vertraute<br />
Gesichter um sich haben.“<br />
Für die Eltern ist die Situation eine extreme<br />
und emotional sehr belastend.<br />
„Daher ist die empathische Begleitung<br />
im Kreißsaal auch so wichtig und kann<br />
später bei der Trauerbewältigung<br />
helfen“, erklärt Psychologin Judith<br />
Rothaug. Auch Hebamme Saskia weiß,<br />
wie prägend eine Geburt ist – das gilt<br />
umso mehr für eine stille Geburt. Umso<br />
wichtiger ist es ihr, der Frau die Geburt<br />
so behütet wie möglich zu gestalten.<br />
Trotz dieser großen Trauer und Traurigkeit.<br />
„Am Ende soll sie sagen können,<br />
dass es eine schöne Geburt war“, so die<br />
Hebamme.<br />
Behutsamer Umgang<br />
mit Eltern und Kind<br />
Der Begriff stille Geburt stammt<br />
ursprünglich aus dem Englischen und<br />
beschreibt das Fehlen des charakteristischen<br />
Schreis eines Neugeborenen.<br />
Dieser Moment ist ein ganz besonderer,<br />
den die Mutter, den die Eltern sehr<br />
individuell erleben und verarbeiten. Die<br />
Reaktionen reichen von tiefster Trauer<br />
bis hin zum Schweigen. Die Geburt gibt<br />
den Eltern aber auch die Möglichkeit,<br />
wertvolle Augenblicke mit ihrem Kind zu<br />
erleben und Erinnerungen zu schaffen.<br />
„Manche Eltern möchten ihr Sternchen<br />
gleich auf die Brust oder in den Arm<br />
nehmen. Andere brauchen Zeit. Und<br />
natürlich gibt es auch Eltern, die ihr<br />
Kind zunächst nicht sehen können, weil<br />
Angst und Schmerz in diesem Moment<br />
zu groß sind. Wir drängen die Eltern<br />
hier auf gar keinen Fall, sondern gehen<br />
ganz behutsam mit der Situation um“,<br />
beschreibt es Hebamme Saskia. Behutsam<br />
und mit aller Würde und Fürsorge<br />
kümmern sich die Hebammen zudem<br />
um das Kind. So kleiden sie das Kind<br />
liebevoll ein. „Natürlich können das<br />
die Eltern auch jederzeit selbst übernehmen.<br />
Manche haben auch eigene<br />
Kleidung mitgebracht. Wir unterstützen<br />
hier, wo wir können und wie es den<br />
Eltern guttut“, sagt Hebamme Saskia.<br />
Erinnerungen sind kostbar. Daher fertigt<br />
das Kreißsaal-Team für die Eltern – und<br />
bei Wunsch gemeinsam mit den Eltern –<br />
Hand- und Fußabdrücke des Kindes an.<br />
Eine professionelle Fotografin der Klinik<br />
fotografiert das Kind, wenn die Eltern<br />
das wünschen. Wann die Eltern diese<br />
Erinnerungen an ihr Kind ansehen und<br />
haben möchten, entscheiden sie selbst.<br />
32 01 | 21
„Alles, was wir machen, ist ein Angebot.<br />
Die Entscheidung liegt bei den Eltern.<br />
Immer“, beschreibt es die Hebamme.<br />
Abschied nehmen<br />
Wie geht es nach der Geburt weiter?<br />
Kann das Kind beerdigt werden? Woher<br />
bekommt man eine Sterbeurkunde?<br />
Das sind alles Fragen, die den Eltern<br />
sicherlich nicht als Erstes durch den<br />
Kopf gehen, aber die beantwortet werden<br />
müssen. Auch hier steht das Team<br />
der Geburtsmedizin mit Rat und Tat zur<br />
Seite. Um die Sterbeurkunde kümmert<br />
sich die Klinik genauso wie um eine<br />
Möglichkeit, das Kind beizusetzen. So<br />
besteht in Deutschland zwar keine<br />
Bestattungspflicht, wenn das Kind<br />
weniger als 500 Gramm wiegt. Aber das<br />
<strong>UKJ</strong> hat am Jenaer Nordfriedhof eigens<br />
eine Grabstelle für Sternenkinder.<br />
„Es kann für die Eltern ein tröstlicher<br />
Gedanke sein zu wissen, dass ihr Kind<br />
nicht alleine irgendwo begraben liegt,<br />
sondern mit anderen Sternenkindern“,<br />
erklärt Judith Rothaug. Zwei Mal im Jahr<br />
findet eine Beisetzungsfeier statt, einmal<br />
im Jahr eine Gedenkfeier, zu der die<br />
Klinik die Eltern einlädt.<br />
Auch im Wochenbett<br />
für die Eltern da<br />
genauso zu“, bekräftigt Hebamme Saskia.<br />
Gerade nach einer stillen Geburt sei<br />
es wichtig, dass jemand da ist und fragt<br />
und schaut, wie es ihr geht. „Männer<br />
und Frauen trauern da durchaus unterschiedlich,<br />
insofern kann ein weiterer<br />
Ansprechpartner sehr hilfreich sein“,<br />
weiß Psychologin Rothaug. Wer möchte,<br />
kann direkt in der Klinik nach einer Hebamme<br />
für die Nachsorge fragen. Gerne<br />
übernimmt das auch die Hebamme, die<br />
bei der Geburt dabei war.<br />
Trauerarbeit<br />
Jeder Mensch, jedes Familienmitglied,<br />
geht mit der Situation anders um und<br />
trauert auf seine eigene Weise. „Es ist<br />
völlig normal, tieftraurig zu sein.<br />
Die akute Situation ist tieftraurig“, weiß<br />
Psychologin Judith Rothaug. „Und es ist<br />
auch wichtig, diese Trauer zuzulassen<br />
und den Betroffenen dafür einfach Zeit<br />
zu geben. Denn Trauer braucht Zeit.“ Ihr<br />
ist es jedoch ein großes Anliegen, den<br />
Familien auch langfristig ein Angebot<br />
zu geben, ihre Trauer bewältigen zu<br />
können: mithilfe einer Trauergruppe.<br />
Etwa ein Jahr nach der stillen Geburt<br />
lädt sie die Eltern hierzu ein. Die Treffen<br />
finden abends statt, um Berufstätigen<br />
die Möglichkeit zu geben, teilzunehmen.<br />
„Es kann helfen, sich mit anderen<br />
Betroffenen auszutauschen“, weiß die<br />
Psychologin. Vor allem aber bietet sie<br />
ihre professionelle psychologische<br />
Unterstützung an, das Erlebte zu verarbeiten.<br />
Denn nicht immer schafft man<br />
das alleine. „Und das müssen die Eltern<br />
auch nicht.“ Die stille Geburt und vor<br />
allem das Sternenkind werden immer<br />
in Erinnerung bleiben. „Aber es kann<br />
gelingen, seinen Frieden mit diesem<br />
schlimmen Ereignis zu schließen und<br />
das Erlebte nicht nur mit Schmerz und<br />
Trauer zu verbinden, sondern auch mit<br />
der Liebe gegenüber dem Kind.“<br />
Katrin Bogner<br />
Bei einer stillen Geburt macht eine<br />
Frau alle körperlichen und hormonellen<br />
Veränderungen genauso durch wie<br />
jede andere Schwangere. „Ihr steht eine<br />
Hebammenbegleitung im Wochenbett<br />
Bild: getty images | Emilie Drd / EyeEm<br />
01 | 21<br />
33
KURZ UND KNAPP<br />
Startschuss für Deutsches Zentrum<br />
für Psychische Gesundheit<br />
Strahlungsärmere Diagnostik<br />
für die Kleinsten<br />
Jährlich sind in Deutschland fast 18 Millionen Erwachsene<br />
von psychischen Krankheiten betroffen. Deshalb<br />
entsteht für Mitteldeutschland in den ausgewählten<br />
Standorten Jena, Magdeburg und Halle (Saale) ein bundesweit<br />
einmaliges Deutsches Zentrum für Psychische<br />
Gesundheit, gefördert vom Bundesministerium für<br />
Bildung und Forschung (BMBF).<br />
Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg<br />
Röntgenaufnahmen des Brustkorbs sind bei kleinen<br />
Frühgeborenen oder bei Kindern häufig notwendig,<br />
wenn sie auf der neonatologischen und pädiatrischen<br />
Intensivstation behandelt werden müssen. Wie diese<br />
Untersuchungen optimiert werden können, um die<br />
Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten und<br />
eine bestmögliche Bildqualität zu erzielen, untersuchte<br />
Katharina Ebeling, Doktorandin der Sektion Kinderradiologie<br />
des Instituts für diagnostische und interventionelle<br />
Radiologie am <strong>UKJ</strong>, in einer aktuellen Studie.<br />
Dabei hat sie den Nutzen aktueller Softwaresysteme<br />
evaluiert, die unter anderem mit künstlicher Intelligenz<br />
arbeiten. „Einen signifikanten Nutzen konnten wir bei<br />
Kindern ab einem Körpergewicht von circa zehn Kilogramm<br />
zeigen. Das macht die Software vor allem für<br />
die Kinderintensivstation gut nutzbar. Außerdem können<br />
Katheter durch die neue Technik besser erkennbar<br />
gemacht werden. Das ist sehr sinnvoll für den Einsatz<br />
bei Frühgeborenen.“<br />
Ein mehr als 60-köpfiges Expertenteam aus den Bereichen<br />
der Psychiatrie, Neurowissenschaften, Psychotherapie<br />
und Psychologie hat dazu eine gemeinsame Initiative<br />
unter dem Namen C-I-R-C gestartet, um neuartige<br />
Konzepte für die Prävention, Diagnose und Behandlung<br />
psychischer Störungen zu entwickeln. Daran beteiligt<br />
sind Universitätsklinikum und Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,<br />
die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,<br />
die Leibniz-Institute für Neurobiologie in Magdeburg<br />
und für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie<br />
in Jena sowie das DLR-Institut für Datenwissenschaft<br />
in Jena.<br />
Eine weitere wesentliche Erkenntnis von Ebeling:<br />
Durch neue technische Möglichkeiten und Anwendung<br />
künstlicher Intelligenz können verschiedene Aspekte<br />
des Röntgenbildes besser beurteilt werden und bei<br />
besserer Bildqualität kann die Strahlendosis reduziert<br />
werden. Für ihre Arbeit wurde die Doktorandin deshalb<br />
im vergangenen Herbst mit dem Vortragspreis der<br />
internationalen Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie<br />
ausgezeichnet.<br />
(me)<br />
Foto: Schroll<br />
Der Name C-I-R-C ist angelehnt an das englische Wort<br />
circuit für Netzwerk und bezieht sich u.a. auf die Netzwerke<br />
der Nervenzellen in Gehirn und Körper. Prof.<br />
Dr. Martin Walter, Direktor der Klinik für Psychiatrie<br />
und Psychotherapie und Sprecher der Initiative: „Wir<br />
wollen zur Erhaltung der psychischen Gesundheit und<br />
zur Behandlung ihrer Störungen den ganzen Patienten<br />
in den Blick nehmen und vor allem den Einfluss von<br />
Immunfaktoren, aber auch vom Darm-Mikrobiom auf<br />
die Gehirnfunktion erforschen.“<br />
(vdg/ane)<br />
34 01 | 21
Kein Babyboom in Thüringen<br />
Kontaktbeschränkungen, viel Zeit Zuhause, viel Zweisamkeit<br />
– und dadurch auch mehr Geburten? Was während<br />
des ersten Lockdowns im Frühjahr viel spekuliert<br />
wurde, hat sich zumindest in Thüringen nicht bestätigt.<br />
„Es gab keinen Babyboom im Herbst“, sagt Professor<br />
Ekkehard Schleußner, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin<br />
am <strong>UKJ</strong>. Im Vergleich zum Jahr 2019 seien sogar<br />
insgesamt weniger Kinder geboren worden. „Allein in<br />
Thüringen sank die Anzahl der Geburten um fast sechs<br />
Prozent. Das sind im Jahr 2020 mit 14.950 Geburten fast<br />
1.000 Geburten weniger als im Jahr zuvor“.<br />
Foto: Schroll<br />
Buch Liebe<br />
Auch wenn am <strong>UKJ</strong> tatsächlich mehr Kinder als 2019 das<br />
Licht der Welt erblickten, lässt sich der Geburtenzuwachs<br />
vor allem im Frühjahr zwischen Januar und Mai<br />
verzeichnen – Zeugungszeitpunkt war damit eindeutig<br />
und lange vor dem Lockdown. Für den generellen<br />
Geburtenrückgang hat Schleußner auch eine Erklärung:<br />
„Unsichere Zeiten, wie es die Corona-Pandemie zweifelsohne<br />
ist, führen nicht zu mehr Geburten. Stattdessen<br />
schieben Paare ihren Kinderwunsch auf, soweit<br />
es möglich ist.“ Dies habe sich beispielsweise in den<br />
1990er-Jahren gerade in den neuen Bundesländern<br />
gezeigt, wo zur Wendezeit die Geburtenzahlen deutlich,<br />
teils um mehr als die Hälfte, zurückgingen und erst<br />
langsam wieder anstiegen.<br />
Auch eine weitere These zu Geburten während der<br />
Corona-Pandemie lässt sich bisher in Thüringen nicht<br />
bestätigen, nämlich dass es während des Lockdowns<br />
weniger Frühgeburten gab. Hier liegen allerdings erst<br />
die Zahlen für das erste Halbjahr 2020 vor. Diese zeigen<br />
aber bislang keinen Unterschied zum Vorjahr.<br />
Und selbstverständlich gilt für alle Schwangeren<br />
auch in Pandemie-Zeiten: „Gehen Sie regelmäßig zur<br />
Schwangerschaftsvorsorge.“<br />
(kbo)<br />
Jenaer<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Thalia<br />
Neue Mitte Jena«<br />
Leutragraben 1 · 07743 Jena<br />
Tel. 03641 4546-0<br />
E-Mail: thalia.jenaneuemitte@thalia.de<br />
01 | 21<br />
35
KURZ UND KNAPP<br />
Für die Seele sorgen<br />
Ulrike Spengler verstärkt das Team der Seelsorge am <strong>UKJ</strong><br />
Ein Gefühl dafür zu bekommen, welche<br />
Fragen einen erkrankten Menschen<br />
beschäftigen, ist das wichtigste bei<br />
Ulrike Spenglers Tätigkeit. Seit Februar<br />
ist sie als Evangelische Klinikseelsorgerin<br />
am <strong>UKJ</strong> tätig und macht damit<br />
das Seelsorge-Quartett am Klinikum<br />
komplett. „Krankheit verunsichert<br />
oft auch die Seele. Auch sie braucht<br />
Zuwendung – wie das gebrochene<br />
Bein den Gipsverband oder das kranke<br />
Herz den Bypass“, so Spengler. „Daher<br />
verstehen wir Seelsorge als Teil eines<br />
ganzheitlichen Heilungsansatzes, den<br />
wir gern in das System Krankenhaus<br />
mit einbringen.“<br />
Nur den Namen und die Zimmernummer,<br />
mehr kennt die Seelsorgerin nicht<br />
von den Patienten, die sie besucht.<br />
„Mehr benötige ich auch nicht. Denn<br />
allein der Patient bestimmt das Thema<br />
des Gesprächs“, sagt Spengler. Ob<br />
Smalltalk, existenzielle Fragen oder<br />
Glaubensfragen – die Bandbreite ist<br />
groß. „Manchmal helfe ich den Patienten<br />
dabei, die eigenen Gefühle zu sortieren,<br />
die konkrete Angst zu benennen<br />
oder ein Gebet zu sprechen. In anderen<br />
Situationen bin ich da, um die Schwere<br />
einer Krise mitzutragen, gemeinsam<br />
nach Hoffnung in einer scheinbar hoffnungslosen<br />
Situation zu suchen oder<br />
einfach nur, um zuzuhören“, beschreibt<br />
die Klinikseelsorgerin.<br />
in Meiningen anzutreten. Zurück in Jena<br />
arbeitet die Theologin neun Jahre als<br />
Gemeindepfarrerin in Jena-Ost, bevor<br />
sie eine Stelle als Referentin für Seelsorge<br />
im Landeskirchenamt in Erfurt<br />
antritt. Weitere neun Jahre später ist<br />
sie nun wieder in Jena angekommen.<br />
„Und damit auch wieder an der ‚Basis‘“,<br />
so Spengler. „Denn Menschen in<br />
schwierigen Situationen zu begleiten,<br />
ist für mich das wesentliche in meinem<br />
beruflichen Selbstverständnis.“<br />
Gerade in Corona-Zeiten wird deutlich,<br />
wie wichtig die Seelsorge in einem Klinikum<br />
ist. „Für Patienten ist ein Krankenhaus<br />
oft ein Ort voller Umbrüche<br />
und Veränderungen. Und wir haben<br />
zum Glück weiterhin das Privileg, die<br />
Patienten auf Station dabei begleiten<br />
zu können“, freut sich Spengler. Aber<br />
nicht nur die strengen Hygienevorschriften<br />
stellen sie und ihre Kollegen<br />
vor neue Herausforderungen. „Teilweise<br />
sind wir nun mit ganz anderen<br />
Problemen konfrontiert: Wie soll sich<br />
ein Patient beispielsweise von einem<br />
geliebten Verstorbenen verabschieden,<br />
wenn er nicht an der Trauerfeier<br />
teilnehmen kann?“, fragt die Theologin.<br />
Eine Lösung: via Video an der Beerdigung<br />
teilnehmen und mit den Anwesenden<br />
ins Gespräch kommen. Auch<br />
das kann sehr bewegend sein – nicht<br />
nur für den Patienten.<br />
Ulrike Spengler pendelt nun täglich<br />
zwischen den Standorten des <strong>UKJ</strong>. Denn<br />
sie betreut nicht nur die Patienten der<br />
Geriatrie und Strahlentherapie in der<br />
Bachstraße, sondern auch die Patienten<br />
der A-Gebäude sowie die onkologischen<br />
Patienten der B-Gebäude am<br />
Standort Lobeda. Außerdem hat sie<br />
auch für die Mitarbeiter des <strong>UKJ</strong> stets<br />
ein offenes Ohr – in beruflichen wie<br />
privaten Belangen.<br />
Natürlich gehen die Gespräche mit Patienten<br />
und Mitarbeitern nicht spurlos an<br />
der Klinikseelsorgerin vorüber. Neue<br />
Kraft schöpft sie vor allem auf dem spirituellen<br />
Weg, beispielsweise im Gebet<br />
vor Gott. Oder mit Sport: Denn wenn sie<br />
mit dem Fahrrad von Lobeda durch den<br />
Paradiespark in die Bachstraße radelt,<br />
bekommt sie den Kopf wieder frei, um<br />
auch für die Seele des nächsten Patienten<br />
zu sorgen.<br />
Anne Curth<br />
Foto: Rodigast<br />
Die Nähe zum Thema Seelsorge durchzieht<br />
Spenglers Biografie wie ein roter<br />
Faden – genauso wie ihre Verbundenheit<br />
zur Stadt Jena. Direkt nach ihrem<br />
Theologie-Studium in Jena zieht die<br />
gebürtige Jenenserin mit ihrer Familie<br />
zunächst nach Südthüringen, um dort<br />
ihre erste Stelle als Klinikseelsorgerin<br />
36 01 | 21
KURZ UND KNAPP<br />
Was ist das?<br />
Erkennen Sie, was auf diesem Foto<br />
zu sehen ist?<br />
Schreiben Sie uns Ihre Antwort (unbedingt<br />
mit Angabe Ihrer Postadresse)<br />
bis zum 15. Mai <strong>2021</strong> an die Redaktion<br />
<strong>Klinikmagazin</strong>, Bachstraße 18, 07743<br />
Jena oder per Mail an presse@med.<br />
uni-jena.de. Unter den Einsendern<br />
mit der richtigen Antwort verlosen<br />
wir unter Ausschluss des Rechtswegs<br />
einen Büchergutschein im Wert von<br />
40 Euro sowie drei Büchergutscheine<br />
im Wert von je zehn Euro, die von<br />
der Jenaer Universitätsbuchhandlung<br />
gesponsert werden.<br />
Auflösung<br />
In Heft 136 suchten wir:<br />
„DaVinci“ Operationsroboter<br />
Gewinner des 40-Euro-Gutscheins:<br />
Rosel Herrmann<br />
Gewinner der 10-Euro-Gutscheine:<br />
David Buckreus, Dirk Traber,<br />
Renate Schweigel<br />
Impressum<br />
Ausgabe: 1|<strong>2021</strong>, Nummer 137<br />
Herausgeber:<br />
V.i.S.d.P.:<br />
Redaktionsleitung:<br />
Redaktionsteam:<br />
Layout:<br />
Druck:<br />
Auflage:<br />
Universitätsklinikum Jena | Bachstraße 18 | 07743 Jena<br />
<strong>UKJ</strong> Förderverein | Am Klinikum 1 | 07747 Jena<br />
Annett Lott, Stabsstelle Unternehmenskommunikation<br />
Anke Schleenvoigt<br />
Katrin Bogner (kbo), Anne Curth (ac), Dr. Uta von der Gönna (vdG), Michelle Korneli (me), Annett Lott (ane),<br />
Anke Schleenvoigt (as)<br />
Klinisches Medienzentrum des Universitätsklinikums Jena<br />
Druckhaus Gera<br />
8 000 Exemplare<br />
Erscheinungsweise: 4 Ausgaben pro Jahr / Die nächste Ausgabe erscheint im Juli <strong>2021</strong><br />
Kontakt:<br />
Tel.: 03641 9-39 11 81, E-Mail: presse@med.uni-jena.de<br />
Wenn aus Gründen der besseren Lesbarkeit im Text die männliche Form gewählt wurde, beziehen sich die Angaben auf Angehörige<br />
beider Geschlechter. Nachdruck von Inhalten nur mit Genehmigung der Unternehmenskommunikation des Universitätsklinikums Jena<br />
(<strong>UKJ</strong>) gestattet.<br />
01 | 21<br />
37
TERMINE & KONTAKTE<br />
Veranstaltungen April bis Juni <strong>2021</strong><br />
GEBURTSVORBEREITUNGSKURSE<br />
25. / 26.5.<strong>2021</strong><br />
Dienstag: 17.00 bis 20.00 Uhr und Mittwoch: 16.00 bis 20.30 Uhr<br />
Der Kompaktpaarkurs zur Geburtsvorbereitung vermittelt die wesentlichen Abläufe und Informationen rund um die Geburt<br />
und möchte werdenden Eltern Sicherheit für die bevorstehende Geburt geben. Die Kurse finden derzeit online statt.<br />
Weiterer Termin: 8./9.6.<strong>2021</strong><br />
Weitere Informationen und Anmeldung unter:<br />
geburtsvorbereitung@med.uni-jena.de<br />
https://www.uniklinikum-jena.de/geburtsmedizin/Geburtsvorbereitungskurse.html<br />
FORTBILDUNGEN FÜR PFLEGENDE<br />
3.5.<strong>2021</strong><br />
9.00 bis 16.30 Uhr<br />
Basale Stimulation<br />
in der Kinderkrankenpflege<br />
– Grundlagenwissen<br />
Weiterer Termin: 4.5.<strong>2021</strong><br />
5.5.<strong>2021</strong><br />
9.00 bis 16.30 Uhr<br />
Basale Stimulation<br />
in der Kranken- und<br />
Kinderkrankenpflege<br />
für<br />
Fortgeschrittene<br />
6.5.<strong>2021</strong><br />
14.00 bis 16.00 Uhr<br />
Rechtsgrundlagen in<br />
der Krankenpflege<br />
(Teil 1)<br />
7.5.<strong>2021</strong><br />
14.00 bis 15.30 Uhr<br />
Wenn das Essen<br />
zur Qual wird –<br />
Essstörung, eine<br />
psychosomatische<br />
Erkrankung<br />
11.5.<strong>2021</strong><br />
9.00 bis 16.00 Uhr<br />
Konfliktmanagement<br />
für leitende<br />
Pflegefachkräfte<br />
Weiterer Termin: 4.5.<strong>2021</strong><br />
18.5.<strong>2021</strong><br />
14.00 bis 15.30 Uhr<br />
Postoperative<br />
Versorgung von<br />
Patienten mit<br />
Drainagen<br />
19.5.<strong>2021</strong><br />
14.00 bis 16.00 Uhr<br />
Pflege international<br />
21.5.<strong>2021</strong><br />
11.00 bis 15.00 Uhr<br />
Kultursensible<br />
Pflege – Verständnis<br />
fördert Heilung<br />
26.5.<strong>2021</strong><br />
14.00 bis 15.30 Uhr<br />
Medikamente und<br />
ihre Wirkung bei<br />
älteren Patienten<br />
28.5.<strong>2021</strong><br />
9.00 bis 12.30 Uhr<br />
Intersexualität –<br />
gendergerecht<br />
pflegen<br />
Informationen und Anmeldung über: pflegefortbildung@med.uni-jena.de / Tel. 03641 9-39 51 54<br />
ONKO-KREIS<br />
Die Thüringische Krebsgesellschaft e.V. und die Ambulanz für Naturheilkunde und Integrative Onkologie der Klinik<br />
für Innere Medizin II bieten Krebserkrankten und ihren Angehörigen regelmäßig Vorträge an. Die Teilnahme ist<br />
kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Im Rahmen der Vorträge werden gerne Ihre Fragen beantwortet.<br />
Alle Veranstaltungen finden derzeit virtuell als Online-Seminar statt. Wenn es die Pandemiebedingungen zum Zeitpunkt<br />
der Veranstaltung zulassen, wird diese zusätzlich als Präsenzveranstaltung in den neuen Geschäftsräumen<br />
der TKG, Am Alten Güterbahnhof 5 in 07743 Jena, durchgeführt. Bitte informieren Sie sich im Vorfeld auf der Webseite:<br />
https://krebsgesellschaft-thueringen.de/alle-veranstaltungen.html<br />
17.5.<strong>2021</strong><br />
16.00 bis 17.00 Uhr<br />
Patientenverfügung:<br />
wichtig – aber<br />
richtig!<br />
Referent:<br />
Dr. Albrecht Seifert,<br />
Facharzt für<br />
Anästhesiologie i.R.<br />
31.5.<strong>2021</strong><br />
16.00 bis 17.00 Uhr<br />
Krebs und Psyche –<br />
Wie kann ich<br />
Betroffenen helfen?<br />
Referentin:<br />
Luisa Heydt,<br />
Thüringische<br />
Krebsgesellschaft e.V.<br />
14.6.<strong>2021</strong><br />
16.00 bis 17.00 Uhr<br />
Ernährung bei<br />
laufenden<br />
Therapien – kann<br />
ich Nebenwirkungen<br />
lindern?<br />
Referentin:<br />
Viktoria Matthies,<br />
UniversitätsTumor-<br />
Centrum Jena<br />
21.6.<strong>2021</strong><br />
16.00 bis 17.00 Uhr<br />
Die zehn größten<br />
Bewegungsmythen<br />
Referent:<br />
Dr. Steffen Derlien,<br />
Institut für<br />
Physiotherapie, <strong>UKJ</strong><br />
24.6.<strong>2021</strong><br />
16.30 bis 17.45 Uhr<br />
Komplementäre<br />
Medizin - Was kann<br />
mir helfen?<br />
Referentin:<br />
Prof. Dr. Jutta Hübner,<br />
Klinik für<br />
Innere Medizin II<br />
38 01 | 21
TERMINE & KONTAKTE<br />
Wegweiser für Patienten<br />
ZENTRALE<br />
RUFNUMMERN<br />
KLINIK-<br />
SOZIALDIENST<br />
KLINIK-<br />
SEELSORGE<br />
Zentrale Klinikum<br />
Tel.: 03641 9-300<br />
Empfang Haupteingang<br />
Tel.: 03641 9-32 08 50<br />
Empfang Haus E<br />
Tel.: 03641 9-32 80 20<br />
Beratung u.a. zu Anschlussheilbehandlung<br />
und Rehabilitation,<br />
häuslicher Krankenpflege,<br />
Pflegestufen, Schwerbehindertenausweis;<br />
pychosoziale Beratung<br />
Kontakt:<br />
Yvonne Wiese (Leiterin)<br />
Tel.: 03641 9-32 02 91<br />
yvonne.wiese@med.uni-jena.de<br />
EVANGELISCHE KLINIKSEELSORGE:<br />
Pastorin Babet Lehmann<br />
Tel.: 0151-17 10 14 93<br />
Pastorin Ulrike Spengler<br />
Tel.: 0151-17 10 14 94<br />
KATHOLISCHE KLINIKSEELSORGE:<br />
Dominik Gehringer<br />
Tel.: 01523-21 87 679<br />
FÖRDERVEREIN<br />
WIR FÖRDERN PROJEKTE<br />
für Patienten und Mitarbeiter – in<br />
Forschung und Lehre – zur Vernetzung<br />
und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Spendenkonto:<br />
Sparkasse Jena-Saale-Holzland<br />
IBAN: DE89830530300000028010<br />
BIC: HELADEF1JEN<br />
Vorsitzender:<br />
PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf<br />
foerderverein@med.uni-jena.de<br />
Tel.: 03641 9-32 50 01<br />
BESUCHS-<br />
DIENST DER<br />
KLINIKSEELSORGE<br />
Die ehrenamtlich Tätigen nehmen<br />
sich Zeit zum Zuhören, Plaudern,<br />
Spielen, Vorlesen & erledigen<br />
kleine Besorgungen.<br />
Kontakt:<br />
Babet Lehmann<br />
Tel.: 0151 17 10 14 93<br />
PATIENTENFÜR-<br />
SPRECHERINNEN<br />
KLINISCHES<br />
ETHIKKOMITEE<br />
Beratung und Hilfestellung<br />
für Patienten, Angehörige und<br />
medizinisches Personal bei<br />
ethischen Konflikten in Therapie<br />
und Pflege<br />
Kontakt:<br />
Dr. Ulrike Skorsetz<br />
(Leiterin Geschäftsstelle)<br />
Tel.: 03641 9-33 775<br />
Mobil: 0151-16 35 93 41<br />
ulrike.skorsetz@med.uni-jena.de<br />
EINKAUFS-<br />
MÖGLICHKEITEN<br />
Blumen im Klinikum<br />
Mo bis Fr: 8 - 17 Uhr<br />
Sa: 13 - 17 Uhr<br />
Tel.: 03641 - 35 01 30<br />
Imbiss und Shop<br />
Mo bis Fr: 8 - 18 Uhr<br />
Sa: 9 - 12.30 Uhr & 13 - 17 Uhr<br />
So und Feiertage: 13 - 18 Uhr<br />
Tel.: 03641- 22 62 95<br />
Ansprechpartner für Anregungen<br />
und Beschwerden von Patienten<br />
KLINIKUM LOBEDA, Mitarbeiterservice<br />
in der Magistrale<br />
Christine Börner | 0170-45 89 890<br />
Maria Lasch | 0151-12 21 16 05<br />
Sprechzeit: Mi. 13.30 – 15.00 Uhr<br />
Klinik für Psychiatrie<br />
Dr. Edgar Becker<br />
Antje Standau-Gröschner<br />
patientenfuersprecher<br />
@med.uni-jena.de<br />
Tel. 03641 9-39 01 01<br />
01 | 21<br />
39
Wir spenden Blut.<br />
Ihr auch?<br />
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40 01 | 21<br />
Institut für Klinische Transfusionsmedizin Jena gGmbH | Universitätsklinikum Jena | Bachstraße 18 | 07743 Jena