Wirtschafts-News I 2021 Wiesbaden
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Anzeige<br />
18<br />
1. Ein Gleichgewicht zwischen Ich,<br />
Du und Wir – das heißt jeder Aspekt<br />
kommt in der Beziehung<br />
gleichermaßen vor.<br />
2. Das Gleichgewicht zwischen wesentlichem<br />
Nehmen und Geben – das heißt die Kraft entsteht<br />
durch Wesentliches anstatt durch Funktion.<br />
3. Eine Atmosphäre, die von Interesse, Offenheit,<br />
Empathie, Augenhöhe, Respekt und Wertschätzung<br />
geprägt ist.<br />
Wenn Sie diese Aspekte in Ihren jeweiligen Beziehungen<br />
leben – dann sind Sie krisenfest und<br />
sicher. Ein erschöpftes Ich oder Wir entsteht,<br />
wenn diese Ebenen fehlen. In der jetzigen Krise<br />
wird deutlich, wie sehr diese Dialogkultur<br />
bisher gefehlt hat und wie dringend nötig es<br />
ist, diese jetzt einzuführen.<br />
WN: In Ihrem gerade erschienenen Werk „Die<br />
Kraft des Dialogs“ schreiben Sie u. a., dass in<br />
beruflichen oder privaten Beziehungen oft die<br />
unbewusste innere Haltung herrsche: „Was<br />
kannst du für mich tun, was bringt mir der andere“.<br />
Nähe werde nicht personal, sondern<br />
funktional gelebt. Erst wenn in Beziehungen<br />
(auch) innerhalb von Systemen konsequent auf<br />
gegenseitigen Missbrauch verzichtet würde,<br />
könne sich „die Kraft des jeweiligen Systems<br />
für ein starkes Wir entfalten“ und für Bedineine<br />
Lebenshaltung<br />
auf<br />
Augenhöhe<br />
WN: Robert Musil schreibt in seinem "Mann<br />
ohne Eigenschaften" vom „Möglichkeitssinn“,<br />
eine Fähigkeit, in Chancen zu denken. Das Übermorgen<br />
als Gestaltungsraum zu begreifen, den<br />
man durch eigenes Zutun zum Besseren wenden<br />
kann und will. Ist es möglich – gerade auch<br />
im <strong>Wirtschafts</strong>umfeld – eine Art „Möglichkeitssinn“<br />
zu trainieren?<br />
Dr. Mirriam Prieß: Das ist es sicherlich! Meiner<br />
Haltung nach kann das jedoch nur sinnvoll sein,<br />
wenn dies auf Grundlage des Dialoges<br />
stattfindet. Das heißt das Begegnen<br />
von Möglichkeiten auf<br />
Augenhöhe. Dazu gehört auch das<br />
Erkennen von wesentlichen Grenzen und die<br />
gleichzeitige Bereitschaft, diese zu respektieren.<br />
gungen sorgen, in denen ein gesundes Leben<br />
und nachhaltiges Wachstum möglich sei. Übertragen<br />
auf die Welt hätten wir einiges zu tun.<br />
Was hilft – außer Krisen – diese Einsichten<br />
insbesondere in der Wirtschaft zu etablieren<br />
und umzusetzen?<br />
Dr. Mirriam Prieß: Erst wenn wir erkennen, dass<br />
erfolgreiches Leben Begegnung ist, haben wir<br />
erfolgreiches Leben<br />
ist Begegnung<br />
die Chance auf eine langfristig<br />
gesunde Wirtschaft.<br />
Gesundes Wachstum kann<br />
nur auf Grundlage einer<br />
Dialogkultur stattfinden – in der Einhaltung der<br />
drei Aspekte, die ich oben aufgeführt habe. Der<br />
Mechanismus des Ausbrennens, den Sie bei<br />
Menschen sehen, finden Sie ebenfalls in der<br />
Wirtschaft. Sie brauchen das Gleichgewicht<br />
zwischen wesentlichem Nehmen und Geben<br />
– sonst erschöpfen Sie sich.<br />
Augenhöhe, ein Teil der Dialogkultur, ist zentral<br />
– hier geht es nicht nur um die Kultur des Miteinanders,<br />
sondern um Augenhöhe in der Zielsetzung,<br />
die Fähigkeit, Realitäten zu erkennen<br />
und anzuerkennen – und das Bestmögliche<br />
daraus zu machen, anstatt sich im Unwesentlichen<br />
zu verlieren oder mit der Illusion den<br />
Gewinn machen zu wollen bzw. in der Illusion<br />
den Gewinn zu suchen.<br />
Offenheit – die Bereitschaft, die eigene Welt zu<br />
verlassen – nur so entstehen Innovation und<br />
Wachstum. All diese Aspekte wird jeder abnicken,<br />
den Sie fragen. Die Praxis zeigt jedoch, dass das<br />
im Alltag nach wie vor nur wenig gelebt wird.<br />
Ob Sie sich die politische Situation, die private<br />
oder wirtschaftliche Situation oder auch die Klimasituation<br />
anschauen – wenn<br />
wir uns nicht erschöpfen<br />
wollen, sondern gesund leben<br />
möchten, kommen wir um<br />
den Dialog nicht umhin.<br />
Der Aspekt der wesentlichen Begegnung anstatt<br />
des funktionalen Missbrauchs ist für jede gesunde<br />
Unternehmenskultur entscheidend. Der<br />
Mensch wird krank, wenn er zur Funktion wird<br />
und dadurch auch das Unternehmen. Sie haben<br />
die Natur angesprochen – dort gilt dasselbe<br />
Prinzip. Das Gleichgewicht zwischen Ich (Mensch),<br />
Innovation und<br />
Wachstum durch<br />
Offenheit.