pdf, 5.88 MB - Stift Klosterneuburg
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UNBEKANNTE SCHÄTZE<br />
UNBEKANNTE<br />
SCHÄTZE<br />
DES STIFTS<br />
Runde Geburts- und Todestage von<br />
Künstlern regen nicht nur die<br />
Ausstellungstätigkeit an, auch der Handel<br />
sucht üblicherweise von der verstärkten<br />
Aufmerksamkeit, die solch ein Jubiläum<br />
auf die Person lenkt, zu profitieren, und<br />
so tauchen gerade zu solchen Zeiten<br />
Werke auf, die bis dahin wohl verborgen<br />
in Privatsammlungen geruht haben.<br />
Im Frühjahr dieses Jahres konnte das<br />
<strong>Stift</strong> im Münchner Kunsthandel eine kleine<br />
Zeichnung von Daniel Gran erwerben, die<br />
eine große Bereicherung der graphischen<br />
Sammlung des <strong>Stift</strong>smuseums darstellt.<br />
Handelt es sich doch um eine Vorstudie zu<br />
einem Gemälde, das sich seit seiner<br />
Entstehung im Jahr 1757 in der Prälatur<br />
des <strong>Stift</strong>es befindet. »Die Familie<br />
Joachims« ist das letzte Werk Grans. Das<br />
Bild ist auf der Rückseite mit einer lateinischen<br />
Widmung an Propst Berthold<br />
Staudinger versehen, dem Gran den<br />
16 |<br />
Teil XI<br />
DANIEL GRAN, DIE<br />
UNTERWEISUNG MARIENS<br />
Auftrag für das 1749 ausgeführte<br />
Deckenfresko im<br />
Marmorsaal des <strong>Stift</strong>es zu<br />
verdanken hatte und dem<br />
er zeitlebens verbunden<br />
blieb. Das Thema der »Unterweisung<br />
Mariens« hat Gran in mehreren Versionen<br />
gestaltet. Es geht auf eine Bibelstelle aus<br />
dem Buch der Sprichwörter (1,8) zurück:<br />
»Höre, mein Sohn, auf die Mahnung des<br />
Vaters und die Lehre deiner Mutter<br />
verwirf nicht« und wendet das Wort auf<br />
Maria an. Die Kunst des Lesens beherrschten<br />
damals nur wenige, meist vornehme<br />
Menschen. Dazu sollten auch Anna und<br />
Maria gerechnet werden. Auch soll<br />
gezeigt werden, wie wichtig die Kenntnis<br />
der Heiligen Schrift für die Ausübung des<br />
Glaubens ist. Die kleine Zeichnung ermöglicht<br />
uns einen Blick auf Grans Arbeitsmethoden.<br />
Sie beweist zum einen, dass<br />
der Künstler sich in seiner späteren Zeit<br />
immer wieder an älteren Bildkompositionen<br />
orientierte. Bereits 1747 hatte er<br />
nämlich für den Chorherrn Paul Bernhard<br />
eine »Heilige Familie« gemalt, die sich<br />
heute in der Österreichischen Galerie<br />
Belvedere befindet und für die die »Familie<br />
Joachims« als Gegenstück konzipiert war.<br />
Mit mehreren Entwurfs- und Skizzenstufen<br />
werden nun ausgehend von dem<br />
älteren Gemälde verschiedene Gruppierungen<br />
der Personen ausprobiert, um<br />
zu einer harmonischen Gesamtlösung zu<br />
kommen. Zum anderen zeigt sich, dass<br />
Gran während des Entwurfsprozesses<br />
unablässig änderte, verwarf, neu konzipierte<br />
und wieder änderte.<br />
Gegenüber dem ausgeführten<br />
Gemälde ist die Personengruppe auf der<br />
Zeichnung seitenverkehrt wiedergegeben,<br />
auch hält Maria hier ein Buch in<br />
der Hand, aus dem sie ihren Eltern<br />
vorliest. Auf dem Gemälde dagegen sitzt<br />
sie auf dem Schoß ihrer Mutter Anna und<br />
hat die Hände gefaltet, während ihr<br />
Vater Joachim mit einem Buch in den<br />
Händen dahinter steht. Die Putti über der<br />
Szene, die er aus der älteren »Heiligen<br />
Familie« übernahm, finden sich auf dem<br />
Gemälde nicht mehr, von der Studie übernommen<br />
wurden dagegen der Vorhang<br />
und das antike Gebäude im Hintergrund,<br />
das an das Pantheon in Rom erinnert. ■<br />
Willkommen im <strong>Stift</strong> HERBST/WINTER 2007<br />
© Belvedere, Wien<br />
Daniel Gran (1694–1757). (v. l.): Die Unterweisung Mariens, Federzeichnung,<br />
<strong>Stift</strong>smuseum <strong>Klosterneuburg</strong>. Die Heilige Familie, 1747, Öl auf<br />
Leinwand, Belvedere, Wien. Die Familie Joachims, 1757, Öl auf<br />
Leinwand, <strong>Stift</strong>smuseum <strong>Klosterneuburg</strong>.