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Red Bulletin Aug 2021

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DEUTSCHLAND<br />

AUGUST / SEPTEMBER <strong>2021</strong><br />

€ 2,50<br />

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN<br />

ER<br />

MACHT<br />

MESSI<br />

BEINE<br />

Wie Hip-Hop-<br />

Weltmeister<br />

Majid Kessab<br />

den Fußballgott<br />

das Tanzen lehrte<br />

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E D I T O R I A L<br />

WILLKOMMEN<br />

AUF DEM<br />

DANCEFLOOR<br />

IMMER IM BILD<br />

Hier sehen wir US-Fotograf<br />

Keith Ladzinski,<br />

dem wir eine abenteuerliche<br />

Bildstrecke verdanken,<br />

bei der Arbeit.<br />

Und zwar in einer Wand<br />

im Zion- Nationalpark<br />

im Bundes staat Utah.<br />

Seine Bilder ab Seite 22.<br />

Ganz im Rhythmus der Musik aufgehen, das Leben<br />

wieder fühlen, zu unseren Lieblingssongs mit anderen<br />

Menschen feiern: Wenig haben wir in den letzten<br />

Monaten dermaßen vermisst<br />

wie unsere Rückkehr auf die<br />

Tanz fläche. Von der Magie des<br />

Tanzens kann kaum jemand<br />

besser er zählen als unser Cover-<br />

Held Majid Kessab, 28. Als schüchternes<br />

Kind stärkten die Tanz-<br />

Auftritte sein Selbstvertrauen.<br />

Mittlerweile ist der Krefelder mit<br />

irakischen Wurzeln zweifacher<br />

Hip-Hop-Weltmeister, Tanzschullehrer<br />

und angehender Schauspieler. Ab Seite 42<br />

erfährst du, wie Majid seinen Beat im Leben fand und<br />

dass er sogar Lionel Messi Unterricht gab. Eine Geschichte,<br />

die Lust macht, uns diesen Sommer endlich<br />

wieder die Seele aus dem Leib zu tanzen.<br />

Gute Unterhaltung<br />

mit der neuen Ausgabe<br />

von The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>!<br />

Die <strong>Red</strong>aktion<br />

TONY HAWKS<br />

ERSTES BRETT<br />

Er hat Skaten in den Achtzigern<br />

neu erfunden und posiert hier<br />

mit einem aktuellen Modell.<br />

Hawks allererstes Skateboard<br />

zeigen wir auf Seite 16.<br />

WENN HERZEN<br />

KREISEN …<br />

… treibt es unser Gehirn<br />

bunt. Jochen Schievinks<br />

Illustrationen (u. a.<br />

„Zeit“, „Süddeutsche“)<br />

zieren unsere Gehirn-<br />

Story: ab Seite 76.<br />

JEDE MENGE<br />

TAKTGEFÜHL<br />

Autorin Anne Waak<br />

(u. a. „Die Welt“) traf<br />

Hip-Hop‐Weltmeister<br />

Majid Kessab in seiner<br />

Heimatstadt Krefeld.<br />

Ihr Porträt ab Seite 42.<br />

KEITH LADZINSKI (COVER), ATIBA JEFFERSON, CHRISTIAN WERNER JOCHEN SCHIEVINK<br />

4 THE RED BULLETIN


FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAU<br />

FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULE<br />

(K)EIN<br />

FAULER<br />

SACK<br />

FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER S<br />

Marleen Scholten @postbeforelost<br />

LER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK FAULER SACK<br />

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INHALT<br />

The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />

im <strong>Aug</strong>ust / September <strong>2021</strong><br />

COVERSTORY<br />

42 FINDE DEINEN BEAT<br />

Vom Einwandererkind zum<br />

Hip-Hop-Weltmeister: der<br />

unglaubliche Weg des Krefelder<br />

Tänzers Majid Kessab.<br />

MODE<br />

60 TRIUMPHZUG<br />

EINER KREATIVEN<br />

Die österreichische Designerin<br />

Marina Hoermanseder begeistert<br />

mit ihren Entwürfen<br />

nicht nur Lady Gaga.<br />

42<br />

MIT TAKTGEFÜHL Hip-Hop-Weltmeister Majid<br />

Kessab brachte Fußballgott Messi Tanzen bei.<br />

PORTFOLIO<br />

22 STEILE WELTREISE<br />

Fotograf Keith Ladzinski zeigt<br />

seine besten Kletter-Motive<br />

rund um den Planeten.<br />

WAKEBOARDEN<br />

36 AN DER STRIPPE<br />

Warum Athlet Felix Georgii<br />

seine kreative Ader wichtiger<br />

ist als das Gewinnen.<br />

ARCHÄOLOGIE<br />

38 RETTERIN DER INKA<br />

Wie Forscherin und Model<br />

Terry Madenholm antike<br />

Stätten für morgen bewahrt.<br />

WINDSURFEN<br />

40 DER TRAUMTÄNZER<br />

Warum sich Legende Robby<br />

Naish keine Ziele setzt,<br />

sondern Träume verwirklicht.<br />

STREETBALL<br />

52 KÖNIGE DER STRASSE<br />

West 4th Street ist New Yorks<br />

legendärster Basketballplatz –<br />

zu Besuch im „Käfig“.<br />

WELLENREITEN<br />

66 SURFIN’ AFRICA<br />

Warum die Zukunft des Sports<br />

in Afrika liegt.<br />

GEHIRNFORSCHUNG<br />

76 BUNTE VORSTELLUNG<br />

Zwei Forscher verwandeln<br />

Hirnströme in Kunst und erklären,<br />

wie das Gehirn arbeitet.<br />

GUIDE<br />

Tipps für ein Leben<br />

abseits des Alltäglichen<br />

83 REISEN. Auf Boulder-Tour im<br />

Schweizer Tessin mit Kletter-Profi<br />

Maestro Giuliano Cameroni.<br />

88 LESESTOFF. Es geht noch böser –<br />

Märchen neu erzählt.<br />

90 TIPPS & TRENDS. Vom Skate-<br />

Trolley zum weltgrößten Games-<br />

Event – unsere aktuellen Favoriten.<br />

92 BOULEVARD DER HELDEN. Als<br />

Schwimmer Mark Spitz im Sommer<br />

1972 zum Teenie-Schwarm wurde.<br />

40<br />

MIT DER STRÖMUNG Windsurf-Legende<br />

Robby Naish sucht die längste Welle der Welt.<br />

52<br />

CHRISTOPH VOY, CRAIG KOLESKY/RED BULL CONTENT POOL, ANTHONY GEATHERS, ALAN VAN GYSEN<br />

8 GALLERY<br />

14 ZAHLEN, BITTE!<br />

16 FUNDSTÜCK<br />

18 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW<br />

20 MEIN ERSTES MAL<br />

96 IMPRESSUM<br />

98 CARTOON<br />

MIT LEIDENSCHAFT Zu Besuch auf New Yorks<br />

legendärstem Streetball-Platz<br />

6 THE RED BULLETIN


66<br />

MIT PIONIERGEIST<br />

South-African-Open-<br />

Champion Joshe Faulkner<br />

(o.) und die neue Welle<br />

afrikanischer Top-Surfer<br />

THE RED BULLETIN 7


RAUNHEIM, DEUTSCHLAND<br />

Robert geht<br />

ein Licht auf<br />

An dieser Location an der A3 südwestlich von<br />

Frankfurt ist Fotograf Robert Garo gut tausend<br />

Mal vorbeigedüst, ohne sie zu bemerken. Erst<br />

ein Stau änderte das. Und zum Glück kam Garo<br />

nachts wieder, um das Bauwerk näher in <strong>Aug</strong>enschein<br />

zu nehmen. Erst da bemerkte er, dass<br />

das Ding sogar beleuchtet war. Genau die richtige<br />

Kulisse, um Skateboarder Milan Hruska in Szene<br />

zu setzen. Und um bei <strong>Red</strong> Bull Illume, dem<br />

größten Action- und Adventure-Fotowettbewerb<br />

der Welt, eine gute Figur zu machen.<br />

Mehr meisterhafte Fotos: robertgaro.net<br />

ROBERT GARO/RED BULL ILLUME


9


10


WINDHOEK, NAMIBIA<br />

Schau mir<br />

in die <strong>Aug</strong>en<br />

Diese Aufnahme sieht wie ein Schnappschuss<br />

aus, die Sache war aber deutlich komplizierter:<br />

Zuerst mussten mehrere Nashörner (die in<br />

einem Reservat leben, Anm.) wochenlang an die<br />

Rampe und an die Bewegungen des namibischen<br />

BMX-Könners Eric Garbers gewöhnt werden.<br />

Da die Tiere ziemlich schlecht sehen, aber umso<br />

besser hören, versuchte Garbers vom Bike aus<br />

beruhigend auf sie einzureden. Fotograf Shawn<br />

van Eeden hingegen musste gaaaanz leise sein.<br />

Und dann entstand dieser magische Schuss,<br />

auf dem Nashorn Mattanu und der Biker einander<br />

direkt in die <strong>Aug</strong>en sehen.<br />

Shawn van Eeden unterstützt das Rhino Momma<br />

Project zum Schutz der Tiere: creativelab.com.na<br />

SHAWN VAN EEDEN/RED BULL ILLUME


ÖTZTAL, ÖSTERREICH<br />

Höchste<br />

Eisenbahn!<br />

Die ungewohnte Perspektive, die grafische<br />

Strenge des Bildausschnitts, die fast beiläufige<br />

Integration der Wakeboarderin Anne Eaton<br />

an diesem See im Freizeitpark „Area 47“<br />

(rechts im Bild): Es hat Gründe, warum es dieses<br />

Foto des Münchner Fotografen Lorenz Holder<br />

ins Finale von <strong>Red</strong> Bull Illume 2019, Kategorie<br />

„Innovation“, geschafft hat. Falls du jetzt<br />

das Gefühl hast, das kann ich auch, dann ist<br />

Eile geboten: Anmeldeschluss für den aktuellen<br />

Fotowettbewerb ist der 31. Juli.<br />

Schnellster Weg an den Start:<br />

QR‐Code links scannen.<br />

Alle Infos: redbullillume.com


LORENZ HOLDER/RED BULL ILLUME<br />

13


Z A H L E N , B I T T E !<br />

INDIANA JONES<br />

Mit Peitschen und Trompeten<br />

Vierzig Jahre nach Teil eins, „Jäger des verlorenen Schatzes“, starten diesen Sommer<br />

die Dreharbeiten zu „Indiana Jones V“. Hier die Fakten zum berühmtesten Archäologen<br />

der Kinogeschichte: von der 5000-Schlangen-Szene bis zum Hasenhaar-Filzhut.<br />

150<br />

Dollar pro Woche verdiente Harrison<br />

Ford, heute 78, zu Beginn seiner<br />

Filmkarriere 1966. 2008 kassierte<br />

er für „Der Tempel des Kristallschädels“<br />

65 Millionen Dollar.<br />

5000<br />

Schlangen wurden für die Höhlenszene<br />

in „Jäger des verlorenen<br />

Schatzes“ aus Holland nach<br />

Tunesien eingeflogen.<br />

929<br />

Teile umfasst „Der Tempel des<br />

Kristallschädels“, das größte von<br />

19 Indiana-Jones-Lego-Sets.<br />

3129<br />

Meter lang war der Filmstreifen,<br />

der „Jäger des verlorenen Schatzes“<br />

1981 auf die Leinwand zauberte.<br />

73<br />

Drehtage brauchte Regisseur<br />

Steven Spielberg für den<br />

ersten Teil – 14 Tage weniger<br />

als vom Studio vorgegeben.<br />

4<br />

Trompeten des London Symphony<br />

Orchestra spielen den „Raiders<br />

March“, das „Indiana Jones“-Thema<br />

des Komponisten John Williams.<br />

1170<br />

Dollar kostet eine der 10 Fuß<br />

langen „No. 455“-Peitschen der<br />

Firma David Morgan heute. Bei<br />

den ersten drei „Indiana Jones“-<br />

Produktionen waren mehr als<br />

30 von ihnen im Einsatz.<br />

58<br />

ist die Hutgröße von Harrison<br />

Fords ikonischem Fedora,<br />

einem Modell aus Hasenhaarfilz<br />

namens „The Poet“ von der<br />

Herbert Johnson Hat Company<br />

in der City von London.<br />

37<br />

1.961.339.569<br />

Jahre alt war die Figur des Indiana<br />

Jones im ersten Teil. Darsteller<br />

Harrison Ford (78) war beim Kinostart<br />

1981 zwei Jahre älter. Dollar spielten die vier Indy-Filme weltweit an den<br />

Kinokassen ein – die Gesamt-Produktionskosten<br />

betrugen 281 Millionen Dollar.<br />

40<br />

Jahre nach dem ersten<br />

Abenteuer erscheint im<br />

Sommer <strong>2021</strong> eine Sammelbox<br />

mit Remasters aller<br />

vier Filme in 4K Ultra-HD.<br />

43,5<br />

ist Harrison Fords Schuhgröße.<br />

Als Indiana Jones verlässt er sich<br />

auf rahmengenähte Arbeitsschuhe<br />

der Marke Alden, Modell<br />

405 mit Trubalance-Leisten.<br />

GETTY IMAGES (3), PICTUREDESK.COM CLAUDIA MEITERT<br />

14 THE RED BULLETIN


DER VOLLELEKTRISCHE<br />

FORD MUSTANG MACH-E.<br />

BIS ZU 610 KM REICHWEITE. 1<br />

Verbrauchswerte nach § 2 Nrn. 5, 6, 6 a Pkw-EnVKV in der jeweils geltenden Fassung: n. v.*<br />

Verbrauchswerte nach WLTP: Stromverbrauch 19,5–16,5 kWh/100 km (kombiniert); CO 2<br />

-Emissionen im<br />

Fahr betrieb: 0 g/km (kombiniert).<br />

* n. v. = Daten nicht verfügbar. Der Gesetzgeber arbeitet an einer Novellierung der Pkw-EnVKV und empfiehlt in der Zwischenzeit für Fahrzeuge, die nicht mehr auf Grundlage<br />

des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) homologiert werden können, die Angabe der realitätsnäheren WLTP-Werte. Diese sind in der nachfolgenden Zeile zu finden.<br />

1<br />

Gemäß Worldwide Harmonised Light Vehicles Test Procedure (WLTP) können bis zu 610 km Reichweite bei voll aufgeladener Batterie erreicht werden – je nach vorhandener<br />

Konfi guration. Die tatsächliche Reichweite kann aufgrund unterschiedlicher Faktoren (Wetterbedingungen, Fahrverhalten, Fahrzeugzustand, Alter der Lithium-Ionen-<br />

Batterie) variieren.


F U N D S T Ü C K<br />

Der Gottvater der<br />

Skateboarder: Der<br />

Kalifornier Tony<br />

Hawk, 53, machte<br />

eine Gegenkultur<br />

weltweit populär.<br />

TONY HAWK<br />

Am Anfang<br />

war das Brett<br />

Das erste Board der lebenden Skater-Legende, Smithsonian National Museum of American History, 1977<br />

Tony Hawk, heute 53, war gerade einmal neun Jahre alt, als er 1977 das abgelegte Skateboard seines älteren<br />

Bruders Steve bekam: ein Brett der Marke Bahne, Baujahr 1975. Es sollte sein Leben und die Welt verändern:<br />

Mit 14 wurde Tony Profi, in den 80ern kreierte er über hundert Tricks und erfand damit das Skateboarden neu.<br />

In diesem Jahrtausend wurde sein Name über ein Videospiel weltweit zum Begriff. Und er hatte maßgeblichen<br />

Einfluss darauf, dass Skateboarden jetzt kein öffentliches Ärgernis mehr, sondern olympisch ist.<br />

MIKE BLABAC, ATTIBA JEFFERSON<br />

16 THE RED BULLETIN


D A S F I K T I V E P H I L O S O P H E N - I N T E R V I E W<br />

SCHOPENHAUER SAGT:<br />

„Selbstverwirklichung<br />

ist Blödsinn“<br />

Wer wirklich zu sich selbst finden will, muss sich zuerst<br />

selbst vergessen. Denn prinzipiell steht unserem Glück<br />

nur eines im Weg: Wir wollen zu viel. Das behauptet der<br />

deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer in unserem<br />

fiktiven Interview mit Christoph Quarch.<br />

the red bulletin: „Du musst dein wahres<br />

Selbst finden!“ – „Du musst dich selbst<br />

verwirklichen!“ – „Du musst dein<br />

Potenzial entfalten!“ So oder ähnlich<br />

bekommen wir es ständig gepredigt.<br />

Was halten Sie davon?<br />

Arthur schopenhauer: Nichts<br />

halte ich davon, rein gar nichts.<br />

Das ist in meinen <strong>Aug</strong>en Küchenpsychologie,<br />

die vielleicht für bunte<br />

Wochenend-Illustrierte taugt, aber<br />

nicht fürs wirkliche Leben.<br />

Das heißt: Wir sind nichts anderes<br />

als das, was wir zu sein glauben.<br />

Kein Selbst, keine Seele, kein<br />

Wesenskern oder so etwas? Und<br />

alle Bemühungen, das wahre<br />

Selbst zu finden, sind Quatsch?<br />

Sagen wir mal so: Da ist schon<br />

etwas im Hintergrund Ihres Ichs,<br />

dessen Sie sich nicht bewusst sind<br />

und was Sie unaufhaltsam vor sich<br />

hertreibt. Psychologen nennen es<br />

„das Unbewusste“. Ich nenne es „den Willen“. Und ich<br />

verstehe darunter eine schwer greifbare Dynamik, die<br />

überall in der Welt zugange ist: Evolution, Fortschritt,<br />

Entwicklung, Geschichte, Ihre Biografie – das alles<br />

wird unermüdlich vom Willen angetrieben. Wenn es<br />

irgendetwas wie Ihr wahres Wesen gibt, dann ist das<br />

dieser in Ihnen wabernde Wille.<br />

Aber ist das nicht nur ein anderes Wort für die Seele<br />

oder das Selbst, das zu entdecken uns die von Ihnen<br />

so wenig geschätzten Psychologen nahelegen?<br />

Nein, der Wille, von dem ich rede, ist unpersönlich.<br />

Er ist die treibende Kraft, die nichts und niemanden<br />

je zur Ruhe kommen lässt. Dieser elende Wille macht<br />

uns fertig. Ihn als „Potenzial zu entfalten“ wäre das<br />

Dümmste, was Sie tun können. Das führt zu nichts als<br />

Stress. Wollen, wollen – immer mehr, immer Neues.<br />

Mein Gott! Das mag zwar gut fürs Business sein, aber<br />

Sie, mein Freund, gehen in diesem Hamsterrad vor<br />

die Hunde. Was glauben Sie, weshalb so viele Leute<br />

„Ich warne Sie<br />

eindringlich:<br />

Von dem, was in<br />

Ihnen steckt,<br />

lassen Sie besser<br />

die Finger.“<br />

an Burnout leiden? Weil sie zu viel wollen. Deshalb<br />

warne ich Sie eindringlich: Von dem, was da in Ihnen<br />

steckt, lassen Sie besser die Finger.<br />

Sich selbst zu verwirklichen, halten Sie für kontraproduktiv?<br />

Damit stehen Sie ziemlich alleine da.<br />

Ist mir doch egal, solange es der Wahrheit<br />

entspricht. Und das tut es: erstens, weil es<br />

dieses ach so tolle Selbst gar nicht gibt;<br />

zweitens, weil uns das Wollen auf<br />

Dauer versklavt. Ist doch furchtbar,<br />

ewig ein Sklave des Willens zu sein<br />

– ewig irgendetwas sein zu wollen,<br />

was es in Wahrheit gar nicht gibt.<br />

Okay, aber was gibt’s dann<br />

eigentlich noch für uns zu tun?<br />

Gar nichts zu wollen und gar nichts<br />

zu sein klingt irgendwie trostlos.<br />

Bingo, genau so ist es: trostlos. Das<br />

Leben ist eine ziemlich trostlose<br />

Angelegenheit – oder sagen wir so:<br />

Es wäre komplett trostlos, wenn es da<br />

nicht etwas gäbe, was uns von dem<br />

ganzen Elend des Wollens befreit.<br />

Da machen Sie mich jetzt aber<br />

neugierig. Was denn?<br />

Resignation! Na, na, nun schauen<br />

Sie nicht so bedröppelt. Ich meine<br />

das zwar ernst, habe aber noch mehr zu bieten. Das<br />

Beste, was Sie tun können, wenn Sie glücklich werden<br />

wollen, ist, dieses ganze Rumgestochere in sich selbst<br />

aufzugeben und sich etwas hinzugeben, bei dem Sie<br />

sich komplett selbst vergessen. Kunst oder Musik zum<br />

Beispiel. Das schaltet den Willen aus, da kommen Sie<br />

zur Ruhe – und vielleicht ja auch zur Wahrheit, die<br />

dort beginnt, wo der Wille aufhört. Fußballgucken ist<br />

übrigens auch gut. Werde gleich einmal schauen, was<br />

die Eintracht macht …<br />

ARTHUR SCHOPENHAUER (1788–1860) ist der wohl einflussreichste<br />

Philosoph Europas. Seine vollständig erhaltenen Dialoge<br />

verraten nicht nur eine beachtliche literarische Begabung,<br />

sondern auch die Fähigkeit, die Weisheit der griechischen Antike<br />

in einer Philosophie zusammenzufassen.<br />

CHRISTOPH QUARCH, 57, ist deutscher Philosoph, Gründer<br />

der Neuen Platonischen Akademie (akademie-3.org) und Autor<br />

zahlreicher philosophischer Bücher. Zuletzt erschienen:<br />

„Kann ich? Darf ich? Soll ich? Philosophische Antworten<br />

auf alltäg liche Fragen“.<br />

DR. CHRISTOPH QUARCH BENE ROHLMANN<br />

18 THE RED BULLETIN


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M E I N E R S T E S M A L<br />

MARTIN GRUBINGER:<br />

„In Japan hab ich gemerkt:<br />

Schlagzeug ist mein Ding!“<br />

Der Salzburger zählt heute zu den besten klassischen Perkussionisten der Welt.<br />

Hier erzählt er von seinem Erweckungserlebnis als Jugendlicher:<br />

einer Reise zu einem Musikwettbewerb, bei dem er eigentlich verlieren wollte.<br />

Viele kennen ihn als Kolumnisten der „Kronen Zeitung“,<br />

andere als Fernsehmoderator beim Bayerischen Rundfunk.<br />

Die Musikwelt feiert den 38-jährigen Salzburger<br />

als schnellsten Trommler von allen (40 Schläge pro<br />

Sekunde), als musikalischen Ausdauersportler<br />

(Konzerte können<br />

bis zu sieben Stunden dauern)<br />

und als Allrounder, der klassisches<br />

Schlagzeug, Marimba und<br />

andere Percussion-Instrumente<br />

auf Weltklasse-Niveau spielt.<br />

Prestigereiche Konzertsäle –<br />

vom Wiener Musikverein bis zur<br />

Carnegie Hall in New York – füllt<br />

er bis auf den letzten Platz.<br />

Hier erzählt Grubinger von<br />

der Zeit vor seinen großen Gigs.<br />

„1999 war ich ein junger Student,<br />

ich hatte schon zwei Jahre in Linz<br />

am Bruckner-Konservatorium<br />

hinter mir. Dass ich gut war am<br />

Schlagzeug, das wusste ich. Aber<br />

es gab noch kein YouTube, kein<br />

Internet. Ich hatte also keine<br />

Ahnung, wie die Kids in Amerika<br />

oder in Japan drauf waren. Dann<br />

erzählte mir mein Lehrer von<br />

der World Marimba Competition<br />

in Okaya, Japan. Das ist so etwas<br />

wie die Kitzbüheler Streif für<br />

Marimba-Spieler und Schlagzeuger.<br />

‚Da könntest du mitmachen‘,<br />

meinte er. Einfach mitmachen,<br />

olympischer Gedanke,<br />

dabei sein ist alles. Die anderen Teilnehmer waren alle<br />

älter und erfahrener, zwischen 22 und 30 Jahre alt.<br />

Meine Idee: Ich scheide in der ersten Runde aus, dann<br />

höre ich den anderen zu, lerne und knüpfe Kontakte.<br />

Das Ganze ist schrecklich losgegangen: Mein Vater<br />

hätte mich begleiten sollen, aber am Salzburger Flughafen<br />

hat er festgestellt, dass sein Pass abgelaufen war.<br />

Ich sitz also allein im Flieger nach Japan. Dann vom<br />

Tokioter Flughafen direkt nach Shinjuku, einen der<br />

größten Bahnhöfe der Welt. Ich – ein echtes österreichisches<br />

Landei – war völlig geflasht. Und als ich<br />

0:00–45:40<br />

Martin Grubinger<br />

Mein erstes Mal – der Podcast<br />

„Ich war allein in Okaya,<br />

nervös und völlig naiv.<br />

So konnte ich total<br />

unbeschwert loslegen.“<br />

Martin Grubinger, 38,<br />

über sein Aha-Erlebnis als Musiker<br />

dort ankomme, treffe ich hundert andere Schlagzeuger<br />

aus der ganzen Welt, die alle monatelang auf<br />

diesen Wettbewerb hintrainiert haben. Da war schon<br />

eine ziem liche Grundnervosität da. Ich war aber<br />

gleichzeitig völlig naiv. Und das<br />

war gut so. Denn das hat es mir<br />

ermöglicht, völlig unbeschwert<br />

loszulegen. Ich übersteh also die<br />

erste Runde. Die zweite Runde.<br />

Die dritte. Halbfinale. Und plötzlich<br />

steh ich im Finale!<br />

Am Abend davor saß ich im<br />

Hotelzimmer und hab noch einmal<br />

die Töne gelernt, weil ich<br />

das Programm für die späteren<br />

Runden schon wochenlang nicht<br />

mehr geübt hatte. Ich hatte<br />

nicht damit gerechnet, so weit<br />

zu kommen. Für die besten drei<br />

hat es am Ende nicht gereicht,<br />

aber ich hab zum ersten Mal<br />

gemerkt: Hey, da kann ich mithalten!<br />

In dem Moment habe ich<br />

zum ersten Mal gespürt: Schlagzeug<br />

ist mein Ding. Ich habe<br />

dort so viel Selbstvertrauen mitgenommen,<br />

dass ich mit einem<br />

Schlag gleich noch viel besser<br />

war – ohne dass ich irgendetwas<br />

ver ändert hätte. Beflügelt von<br />

diesem Erlebnis, habe ich daraufhin<br />

noch härter trainiert. Zum<br />

Teil zwölf Stunden nonstop. Weil<br />

dieser Trip mir vor <strong>Aug</strong>en geführt<br />

hatte, dass man mit harter Arbeit sogar als Salzburger<br />

Landei mit den Besten der Welt mithalten kann.“<br />

„MEIN ERSTES MAL“ IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE,<br />

in der Helden über ihre Anfänge sprechen. Die aktuelle Folge<br />

mit Martin Grubinger, in der er auch<br />

verrät, warum er bald in Pension gehen<br />

will, gibt’s im Podcast-Kanal von<br />

The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>.<br />

Zu finden auf allen<br />

gängigen Platt formen<br />

wie Spotify und auf<br />

redbulletin.com/podcast<br />

SIMON PAULY<br />

20 THE RED BULLETIN


DEN MYTHOS ZUM<br />

LEBEN ERWECKT.<br />

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ein Fragment aus dem original Amboss von 1896, für die Ewigkeit konserviert in einer Zeitkapsel.<br />

*ABT RS6 Johann Abt Signature Edition – 589 kW (800 PS), 980 Nm · Verbrauchswerte in l/100 km (die angegebenen Verbrauchswerte beziehen sich<br />

auf das Serienfahrzeug): innerorts 16,1 – 16,2; außerorts 8,9 – 8,8; kombiniert 11,6 – 11,5. CO 2<br />

-Emissionen kombiniert: 265 – 263 g/km. Abbildungen<br />

zeigen Individualisierungsmaßnahmen nach den Regelungen der StVZO für Änderungen an in Verkehr befindlichen Fahrzeugen. Stand 30.4.<strong>2021</strong><br />

WWW.ABT-SPORTSLINE.DE/JOHANN-ABT-EDITION<br />

ABT Sportsline GmbH · Johann-Abt-Straße 2 · D-87437 Kempten


P O R T F O L I O<br />

Wände<br />

hoch!<br />

In zehn Abenteuern um die Welt:<br />

US-Fotograf Keith Ladzinski<br />

begleitet die besten Kletterer<br />

überallhin. Hier erzählt er die<br />

Geschichten hinter seinen Bildern<br />

– vom Eisberg in Grönland bis<br />

zum „Super Mario“-Felsen in China.<br />

Protokoll DAVID MAYER<br />

Hier kommt Alex<br />

Alex Honnold, Kalymnos,<br />

Griechenland<br />

„Einmalige Kalkfelsformationen,<br />

über wältigende Ausblicke, jede Menge<br />

Sonne – die kleine Insel Kalymnos vor<br />

der türkischen Südwestküste ist ein<br />

absolutes Kletterparadies. Diesen Spot<br />

entdeckten Alex und ich, als wir die<br />

Gegend mit Rollern erkundeten.“<br />

22 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 23


P O R T F O L I O<br />

24 THE RED BULLETIN


Wüste Route<br />

Mike Brumbaugh,<br />

Großes Becken,<br />

Nevada, USA<br />

„Die Wüste in Nevada<br />

ist eine Schatztruhe<br />

voller Sandstein-<br />

Kletter routen, die<br />

noch kein Mensch<br />

bezwungen hat. Hier<br />

versucht sich Mike an<br />

einer Erstbesteigung<br />

eines ebenso steilen<br />

wie makellosen<br />

Felsen.“<br />

THE RED BULLETIN 25


P O R T F O L I O<br />

Alles im Griff<br />

Dave Graham,<br />

Grampians National Park, Australien<br />

„In der Great Dividing Range im Südosten Australiens,<br />

dem größten Gebirgszug des Kontinents, liegt eine<br />

der schwierigsten Boulder-Passagen der Welt, genannt<br />

‚The Wheel of Life‘. Über 60 Handgriffe brauchen<br />

Kletterer, um sie zu bezwingen. Mich faszinierte,<br />

wie leicht Dave diesen Kampf aussehen ließ.“<br />

26 THE RED BULLETIN


Sie will nur spielen<br />

Tara Brouwer, Yellowstone Lake,<br />

Wyoming, USA<br />

„Die meisten Menschen sehen hier ein traumhaftes<br />

Panorama im Yellowstone-Nationalpark, Tara hin gegen<br />

sieht einen Spielplatz. Als wir hier ankamen, legte sie<br />

spontan einen einhändigen Radschlag hin. Das Foto<br />

beweist: Selbst die außergewöhnlichsten Orte der Welt<br />

können wir mit unserer Fantasie noch bereichern.“<br />

THE RED BULLETIN 27


P O R T F O L I O<br />

28 THE RED BULLETIN


Am Mondberg<br />

Emily Harrington,<br />

Yangshuo, China<br />

„Vor etwa 500 Millionen<br />

Jahren entstanden im<br />

Süden Chinas diese fast<br />

unwirklichen Karst landschaften<br />

aus Kalkstein –<br />

mich erinnern sie an die<br />

asiatisch angehauchten<br />

Naturwelten der ‚Super<br />

Mario‘-Spiele. Hier sehen<br />

wir Emily bei einer kurzen<br />

Pause am Moon Hill,<br />

bevor sie die kühne Route<br />

weiterklettert.“<br />

THE RED BULLETIN 29


P O R T F O L I O<br />

Hängepartie<br />

Joe Kinder, Mojave Desert, Utah<br />

„In der Kletterfotografie geht es darum, Schlüsselmomente<br />

einzufangen. Hier meistert Joe eine besonders<br />

kni≠lige und damit entscheidende Stelle der<br />

steilen Route Visitor Q hoch über der Mojave-Wüste<br />

im Südwesten Utahs. Er besteigt sie hier zum allerersten<br />

Mal und scheint förmlich am Fels zu kleben.“<br />

Es werde Licht<br />

Jonathan Siegrist, Estes Park, Colorado, USA<br />

Bild rechts: „Manchmal reicht ein Lichtstrahl, um einer<br />

Kletterroute völlig neuen Glanz zu ver leihen. An diesem Tag<br />

traf die Sonne im Estes Park in Colorado zufällig exakt<br />

die ‚Grand Ol’ Opry‘, als Jonathan auf den Felsen kletterte.<br />

Die Route führt über unebenen, leicht überhängenden<br />

Granit – ein echter Kraftakt.“<br />

30 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 31


P O R T F O L I O<br />

Das gibt ihnen Berge<br />

Mike Libecki und Ethan Pringle,<br />

Grönland, Dänemark<br />

„Seekrank wurden Mike und Ethan nicht auf unserer<br />

elf Tage langen Bootsreise durch die unberührten<br />

Weiten Grönlands. Doch als wir einige Zeit vergeblich<br />

nach besteigbaren Eisbergen gesucht hatten, befiel<br />

sie heftiges Kletterfieber. Wir verschafften ihnen<br />

mit einem Stopp an diesem Eisberg Linderung.“<br />

32 THE RED BULLETIN


Abstecher ins Blaue<br />

Erik Leidecker, Südisland<br />

„Du stellst dir Island als lebendige und etwas<br />

verwunschene Insel vor? Genauso ist es auch.<br />

Profi‐Kletterer, die einen richtigen Nervenkitzel suchen,<br />

steigen hier in Eishöhlen ab. Hier macht sich Erik<br />

zu einem Tagesausflug in die tiefblauen Welten auf.“<br />

THE RED BULLETIN 33


P O R T F O L I O<br />

34 THE RED BULLETIN


DER FOTOGRAF<br />

„Für ein großartiges<br />

Foto musst du zwei<br />

Dinge gleichzeitig<br />

einfangen: einen<br />

Schlüsselmoment und<br />

das richtige Licht“,<br />

erklärt US-Fotograf Keith Ladzinski, 45,<br />

sein Handwerk. Es ist nicht übertrieben,<br />

zu sagen, dass er die Übung perfektioniert<br />

hat. Vor allem der Einsatz mitgebrachten<br />

Lichts und das Vertrauen auf sein gutes<br />

<strong>Aug</strong>e zeichnen die Bildsprache des<br />

New Yorkers aus, der in Colorado aufgewachsen<br />

ist. Renommierte Auftraggeber<br />

wie „National Geographic“, die<br />

„New York Times“ oder Apple schicken<br />

ihn für seine Missionen zu Themen wie<br />

Natur, Klimawandel oder Extremsport<br />

inzwischen rund um die Welt. Dabei ist<br />

er von Anfang an seinen beiden Leidenschaften<br />

treu geblieben: Skateboarden<br />

und Klettern. „85 Prozent des Aufwands<br />

gehen für die Location-Suche drauf“, sagt<br />

Ladzinski. „Oft waren wir über 30 Tage<br />

unterwegs, bevor jemand zum ersten<br />

Mal geklettert ist. Das ist Wahnsinn!“<br />

Mit Keith um den Globus: ladzinski.com<br />

Das ist die Härte!<br />

Arjan de Kock,<br />

Waterval Boven, Südafrika<br />

„Viel schwieriger als hier im Nordosten<br />

Südafrikas wird es für Kletterer nicht.<br />

Das gilt sowohl für die oft überhängenden<br />

Routen als auch für das Gestein an sich.<br />

Es handelt sich um extrem harten Quarzit,<br />

der Arjan – und vor allem seinen Schultern<br />

– alles abverlangt.“<br />

THE RED BULLETIN 35


Wakeboarden<br />

Felix Georgii<br />

lässt seiner Kreativität beim Wakeboarden freien Lauf:<br />

mit einer tragbaren Seilwinde und Tricks aus dem Zirkus.<br />

Das findet mitunter sogar die Polizei spannend.<br />

Interview JOHANNES MITTERER<br />

Foto MARCO FREUDENREICH<br />

Felix Georgii, 28, ist Profi-Wakeboarder<br />

und wird von Kollegen als<br />

„König des Winchens“ bezeichnet.<br />

Winchen bedeutet, dass er mit<br />

seinem Board und einer mobilen<br />

Seilwinde, der Winch, in Bächen,<br />

Wehren oder Kanälen unterwegs ist.<br />

Bei den X Games gewann der Allgäuer<br />

Gold, sein Markenzeichen sind<br />

seine kreativen Videos. Im Interview<br />

erklärt er, warum ihn Kreativität<br />

noch mehr anspornt als Medaillen.<br />

the red bulletin: Wie reagieren<br />

die Leute, wenn du mit der mobilen<br />

Seilwinde und dem Wakeboard<br />

in der Stadt unterwegs bist?<br />

felix georgii: Es kann sein, dass<br />

500 Leute drum herum stehen und<br />

alle klatschen und schreien. Es kann<br />

aber auch sein, dass ein böser alter<br />

Mann da ist – oder eine böse alte<br />

Frau –, die sagen: „Das ist verboten!<br />

Ihr seid schlechte Vorbilder!“<br />

Und dann rufen sie die Polizei?<br />

Kommt vor. In Amsterdam waren<br />

wir mal in einem Kanal zugange,<br />

nach drei Stunden war die Polizei<br />

da. Die Beamten sagten: „Ihr fahrt<br />

hier schneller als die erlaubten<br />

6 km/h.“ Das respektieren wir<br />

dann auch.<br />

Du erfindest oft neue Stunts, zuletzt<br />

den Sprung durch einen Reifen.<br />

Woher nimmst du die Ideen?<br />

Vom Snowboarden und Skaten her<br />

reizt es mich, meine Tricks aus dem<br />

Park an einem Street-Spot zu testen.<br />

Und dann will ich einfach den Sport<br />

immer weiter denken. Die Reifen-<br />

Idee kommt aus dem Zirkus. Wir<br />

haben sogar kurz überlegt, ob der<br />

Reifen nicht brennen sollte. Das hat<br />

dann aber nicht ins Konzept gepasst.<br />

Wie wichtig sind dir Wettkämpfe?<br />

Seine krassesten Skills auf Knopfdruck<br />

abzurufen und in einem Run<br />

zusammenzupacken – wie der perfekte<br />

Athlet –, das ist ein Hammergefühl.<br />

Gleichzeitig ist aber immer<br />

jemand anderer enttäuscht, und damit<br />

konnte ich nie umgehen. Daher<br />

hatte ich nie diesen Ansatz, zu sagen:<br />

„Ich muss jetzt hier gewinnen.“<br />

Heute gibt es wegen Social Media<br />

auch beim Wakeboarden einen<br />

Wettbewerb in Kreativität. Ist das<br />

dann nicht das Gleiche?<br />

Beim Contest bist du auf dich allein<br />

gestellt. Machst du einen Fehler,<br />

dann ist es dein Fehler. Winchen<br />

und davon Videos machen ist hingegen<br />

Teamwork: Die einen bedienen<br />

die Winde, andere filmen, und wenn<br />

das am Ende geil aussieht, ist das<br />

nicht nur mein Verdienst. Da ist die<br />

Belohnung größer. Und über die<br />

Videos werden auch Außenstehende<br />

aufs Wakeboarden aufmerksam.<br />

Ich werde noch zu oft gefragt, was<br />

Wakeboarden überhaupt ist. Eine<br />

Stadt oder eine Wehr sind den Leuten<br />

näher als ein weißes Plastik-Hindernis<br />

in einem Wake-Park.<br />

Im <strong>Aug</strong>ust findet „<strong>Red</strong> Bull Wake<br />

Capital“ in Hamburg statt, direkt<br />

unterhalb der Elbphilharmonie<br />

in der Speicherstadt. Es ist eine<br />

Mischung aus beiden Welten: ein<br />

klassischer Contest, aber mitten in<br />

der Stadt und mit einem kreativen<br />

Parcours, den du mitentwickelst.<br />

Wie sieht deine Mitarbeit aus?<br />

Ich war beim ersten Location-Check<br />

dabei und habe mit meinem Verständnis<br />

vom Winchen versucht, den<br />

Contest in die Stadt zu integrieren.<br />

Für den Hamburg-Vibe verwenden<br />

wir als Obstacles zum Beispiel auch<br />

sogenannte Spülschuten – Pontonschiffe,<br />

die sonst für Bauarbeiten benutzt<br />

werden. Diese Schuten füllen<br />

wir mit Wasser, sodass erhöhte Pools<br />

entstehen und wir mit verschiedenen<br />

Wasserebenen spielen können.<br />

Du startest auch selbst. Hast du<br />

Elemente eingebaut, die dir besser<br />

liegen als der Konkurrenz?<br />

Es wird auf jeden Fall so ein paar<br />

Sachen … ähm … na ja, eigentlich<br />

nicht! Aber es wird so einen Bagger<br />

geben, den man in einem Wake-Park<br />

eher nicht findet. Das ist etwas ganz<br />

Neues. Da bin ich selber aufgeregt.<br />

Ring frei: Felix Georgii beim Dreh<br />

des Videos „We’re Open“ in Duisburg<br />

Erlebe den<br />

fliegenden Felix<br />

Am 7. <strong>Aug</strong>ust steigt „<strong>Red</strong> Bull<br />

Wake Capital” in Hamburg.<br />

Einzigartige Hindernisse, 16 internationale<br />

Spitzenfahrer, und das alles<br />

mitten in der Speicherstadt: So es die<br />

dann aktuellen Vorschriften erlauben,<br />

kannst du das spektakulärste Wakeboard-Event<br />

des Jahres hautnah erleben.<br />

Alle Infos und Tickets unter: redbull.com<br />

STEFFEN VOLLERT/RED BULL CONTENT POOL<br />

36 THE RED BULLETIN


„Du zeigst deinen<br />

Wakeboard-Trick<br />

mitten in der<br />

Stadt. 500 Leute<br />

stehen da und<br />

schreien.“<br />

Felix Georgii (28) über die Motivation<br />

für seine Video-Extratouren<br />

THE RED BULLETIN 37


Archäologie<br />

Terry Madenholm<br />

hat zwei interessante Jobs: Sie ist Archäologin und nebenbei<br />

gefragtes Model. Hier erklärt die 31-Jährige, wie sie antike<br />

Inka-Siedlungen mittels Drohnentechnik retten will.<br />

Text RACHAEL SIGEE<br />

Foto CHRIS SAUNDERS<br />

Wir erreichen Terry Madenholm<br />

in ihrer Pariser Wohnung. Sie steckt<br />

gerade mitten in den Vorbereitungen<br />

für eine Rettungsaktion: Es geht um<br />

die Ausgrabung einer über 500 Jahre<br />

alten Inka-Siedlung in der Provinz<br />

Cotopaxi in Ecuador, die von Klimawandel,<br />

Bebauungsplänen und – besonders<br />

unberechenbar – einem seit<br />

2015 aktiven Vulkan bedroht ist. Die<br />

31-Jährige gehört zu einem Team,<br />

das diesen Kulturschatz mittels<br />

modernster Drohnentechnologie<br />

und digitaler 3D-Rekonstruktion im<br />

allerletzten Moment für die Nachwelt<br />

bewahren will.<br />

Madenholm, in Stockholm geboren<br />

und in Polen aufgewachsen,<br />

hat in Paris aber noch andere Sachen<br />

zu tun: Sie stand bereits für Werbekampagnen<br />

so schillernder Marken<br />

wie L’Oréal, Clarins oder L’Occitane<br />

als Model vor der Kamera. Ursprünglich<br />

dienten ihr solche Jobs nur<br />

zur Finanzierung des Archäologiestudiums.<br />

Doch die Modelkarriere<br />

nahm derart schnell Fahrt auf, dass<br />

sie ihre Zeit heute zu gleichen Teilen<br />

zwischen Ausgrabungen und Fotoshootings<br />

aufteilt. „Ich sehe mich<br />

als Archäologin, die zufällig auch<br />

modelt“, sagt Madenholm. „Immer,<br />

wenn ich bei Ausgrabungen etwas<br />

finde, erscheint es mir wie eine<br />

Reise in die Vergangenheit. Indem<br />

ich verschwitzt und voll Schlamm<br />

meine Hände in die Erde stecke,<br />

starte ich eine Zeitmaschine.“<br />

the red bulletin: Wie fühlt<br />

es sich an, bei Ausgrabungen<br />

mitzumachen?<br />

terry madenholm: Es ist eine<br />

intensive Erfahrung und erfordert<br />

viel Durchhaltevermögen und Demut,<br />

weil man seine Ziele nicht immer erreicht.<br />

Manchmal sucht man monateoder<br />

sogar jahrelang nach etwas,<br />

das dann nicht so ergiebig ist wie erhofft.<br />

Abgesehen davon sind die Ausgrabungen<br />

sehr anstrengend. Man<br />

kämpft ständig mit sich selbst und<br />

geht an seine Grenzen. Aber genau<br />

das mag ich an der Archäologie:<br />

Man spürt so richtig, dass man lebt.<br />

Wie kartieren und bewahren Sie<br />

antike Stätten?<br />

Mit Tools wie LiDAR, das steht für<br />

Light Detection and Ranging. Es<br />

funktioniert im Grunde ganz einfach:<br />

Ein Laser tastet die Erdoberfläche<br />

ab und erzeugt ein 3D-Bild<br />

dessen, was darunter versteckt liegt.<br />

Diese Werkzeuge sind in der Archäologie<br />

ziemlich neu, aber sie bringen<br />

uns schneller voran. Die Drohnen<br />

verschaffen uns einen besseren Überblick<br />

über die Ausgrabungsstätte,<br />

sodass wir mit unseren Aufzeichnungen<br />

schneller fertig sind.<br />

Was bedeutet diese Technologie<br />

für die Zukunft der Archäologie?<br />

Sie kann neue Perspektiven eröffnen.<br />

Wir können plötzlich größere, mutigere<br />

Fragen stellen. Ich glaube, die<br />

Geschichte der alten Kulturen wird<br />

neu zu schreiben sein. Monumente<br />

und Artefakte können mittels 3D-<br />

Nachbildungen originalgetreu für die<br />

Nachwelt bewahrt und für Publikum<br />

zugänglich gemacht werden. So wird<br />

die Archäologie auch demokratisiert:<br />

Jeder kann sich die Stätten ansehen,<br />

ohne selbst hinzufahren.<br />

Was war für Sie der bisherige<br />

Höhepunkt Ihrer Karriere als<br />

Archäologin?<br />

Die Entdeckung eines zweitausend<br />

Jahre alten Rings an der Küste von<br />

Tel Aviv. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten<br />

Monate an einem Projekt und<br />

träumen die ganze Zeit nur davon,<br />

etwas Großartiges zu finden. Dann,<br />

im letzten Moment, kurz bevor das<br />

Projekt in die Winterpause geht, finden<br />

Sie plötzlich diesen Ring unter<br />

der Erde! Es fühlte sich irgendwie an,<br />

als hätte jemand den Ring vor zweitausend<br />

Jahren fallen lassen, damit<br />

ich ihn finde. Wenn man so ein persönliches<br />

Stück findet, dann spinnt<br />

man sofort eine Geschichte darüber,<br />

wer ihn gefertigt, wer ihn getragen<br />

hat. In meinem Kopf entstand das<br />

Bild eines dicken Kaufmanns, denn<br />

der Ring war riesig, und ich konnte<br />

ihn leicht über zwei Finger ziehen.<br />

Was erhoffen Sie sich in Zukunft<br />

für Ihre Arbeit?<br />

Überraschungen – die sind das Beste<br />

an der Archäologie. Denken Sie nur<br />

an die Ausgrabungen von Pompeji<br />

in Italien. Die Historiker waren ursprünglich<br />

überzeugt, dass der Vesuv<br />

am 24. <strong>Aug</strong>ust 79 n. Chr. ausgebrochen<br />

sei. Dann wurde 2018 eine alte<br />

Inschrift in Kohle entdeckt, aus der<br />

hervorging, dass der Ausbruch zwei<br />

Monate später statt gefunden hatte.<br />

Daran sieht man, dass Archäologen<br />

und Historiker manchmal falschliegen.<br />

Diese Geschichte spricht mich<br />

sehr an. Ich will einfach Überraschungen<br />

erleben. Ich will von meinen<br />

Funden so richtig umgehauen<br />

werden!<br />

Terry Madenholm ist Projektpartnerin von<br />

Drone Archaeology: dronearchaeology.com<br />

38 THE RED BULLETIN


„Was ich an der<br />

Archäologie<br />

mag? Man<br />

spürt so richtig,<br />

dass man lebt.“<br />

Terry Madenholm, hier an der<br />

Aus grabungsstätte La Cave aux Fées<br />

in Brueil-en-Vexin bei Paris, über<br />

die Faszination ihres Hauptberufs<br />

THE RED BULLETIN 39


Surfen<br />

Robby Naish<br />

hat sich nie Ziele gesetzt, sondern immer nur Träume<br />

verwirklicht. Das hält die Windsurf-Ikone bis heute so.<br />

Text JÜRGEN SCHMIEDER<br />

1976, mit dreizehn (!), holte Robby<br />

Naish den ersten von 24 WM-Titeln,<br />

er trieb Innovationen wie kürzere<br />

Boards und Fußschlaufen voran,<br />

sein Abbild schmückte bis in die<br />

90er-Jahre als Poster Kinderzimmer<br />

rund um den Globus. Kurz: Naish<br />

hat Windsurfen zum Welterfolg gemacht<br />

und erfindet den Sport bis<br />

heute immer wieder neu (so war er<br />

auch am Aufstieg von Kitesurfen<br />

und Stand-up-Paddling beteiligt).<br />

Nun erscheint eine Doku über sein<br />

Leben nach der Titeljagd – höchste<br />

Zeit für ein Gespräch über die<br />

wahren Gründe für seinen Erfolg.<br />

the red bulletin: Mister Naish …<br />

robby naish: Bitte „Robby“.<br />

Okay. Jetzt einmal ehrlich, Robby:<br />

Wo befindet sich dieser Jungbrunnen<br />

auf Hawaii, in den du<br />

gefallen bist? Oder gibt es gar ein<br />

geheimes Fitnessprogramm?<br />

Im Gegenteil: Ich mache kein Yoga,<br />

ich dehne nicht einmal. Ich will, dass<br />

die Muskeln hart und kräftig sind.<br />

Sollten ein Fitnesstrainer und ein<br />

Psychologe herkommen, würden sie<br />

denken, sie hätten es mit einer Laune<br />

der Natur zu tun. Ich mache so<br />

ziemlich alles falsch, was man falsch<br />

machen kann. Ich mache das, was<br />

ich auch mit zwanzig gemacht habe.<br />

Klingt ziemlich old school …<br />

Ich versuche, fast täglich ins Wasser<br />

zu gehen. Man verletzt sich dort<br />

nicht so schnell: Man plumpst rein,<br />

und das war es meistens. Ich bin bis<br />

auf einen Beckenbruch vor einigen<br />

Jahren von größeren Verletzungen<br />

verschont geblieben.<br />

Bereust du etwas im Leben?<br />

Ich habe das Leben nie so betrachtet,<br />

weil einen so was fertigmacht. Sehr<br />

oft sind die Leute, die viel haben,<br />

diejenigen, die am unglücklichsten<br />

sind – weil sie immer mehr wollen<br />

und sagen: „Oh, ich habe so viel geopfert,<br />

ich sollte noch mehr haben!“<br />

So will ich nicht sein. Ich bin nicht<br />

perfekt – aber ich bin unfassbar<br />

glücklich, der zu sein, der ich bin.<br />

Du hast leicht reden: Du bist<br />

immerhin 24-facher Weltmeister!<br />

Aber der letzte Titel liegt Jahrzehnte<br />

zurück. Ich bin keiner, der von der<br />

guten alten Zeit schwärmt. Ich will<br />

auch nicht zu viel an die Zukunft<br />

denken. Ich nehme jeden Tag, wie<br />

er kommt. Ich feile noch immer an<br />

meiner Technik oder entwickle eine<br />

neue Disziplin.<br />

In der TV-Doku „The Longest<br />

Wave“ reist du um die Welt, um<br />

möglichst lange Wellen auf einem<br />

Stand-up-Paddle-Board zu surfen.<br />

War das dein Ziel, eine neue<br />

Sportart populär zu machen?<br />

Ich habe mir nie ein Ziel gesetzt, sondern<br />

eher Träume verwirklicht. Ich<br />

wollte nie etwas erreichen. Ich liebe,<br />

was ich tue – und ich bin ein Glückspilz,<br />

weil ich tun darf, was ich mag.<br />

Wer mit Zielen durchs Leben läuft,<br />

fragt sich irgendwann: Und nun?<br />

Die Surf-Kultur hat sich durch<br />

die sozialen Medien gewaltig<br />

verändert. Was meinst du dazu?<br />

Die positive Seite: Jeder kann sein<br />

Können präsentieren. Er braucht<br />

keinen Manager oder Magazin- Fotografen<br />

mehr, um berühmt zu werden.<br />

Jeder hat die gleiche Chance.<br />

Das klingt doch gut …<br />

Aber auch die Liste der negativen<br />

Aspekte ist lang. Die sozialen Medien<br />

verändern, wie gerade junge Leute<br />

die Welt sehen. Es geht nicht mehr<br />

darum, gut in etwas zu werden –<br />

sondern berühmt. Daraus entsteht<br />

ein Wettbewerb: Du bist nur so viel<br />

wert wie dein letztes Posting.<br />

Du machst aber auch mit.<br />

Ich passe mich an. Für junge Leute<br />

ist das jedoch gefährlich, weil sie<br />

glauben, dass sie berühmt werden,<br />

ohne dafür arbeiten zu müssen.<br />

Doch auf den einen, der berühmt<br />

wird, kommen Tausende, die es<br />

nicht schaffen. Ich wünsche mir,<br />

dass die Leute einfach die Reise<br />

genießen, statt dem nächsten Foto<br />

nachzujagen. Das Leben ist kein<br />

Beliebtheitswettbewerb. Es geht<br />

darum, Glück in dem zu finden, was<br />

man tut. Das Ziel sollte sein, die<br />

Fahrt zu genießen und das Gefühl,<br />

etwas erreicht zu haben.<br />

Robby jagt<br />

die längste Welle<br />

Eine neue Doku zeigt das jüngste<br />

Abenteuer des Altmeisters.<br />

Von Namibia über Peru bis Costa Rica:<br />

Drei Jahre reiste Robby Naish immer<br />

wieder um die Welt, um mit seinem Standup-Paddle-Board<br />

die längsten Wellen<br />

der Welt zu reiten. Begleitet vom oscarnominierten<br />

Filmemacher Joe Berlinger,<br />

entdeckt der Surfer dabei nicht nur eine<br />

neue Sportart, sondern auch ein wenig<br />

sich selbst. Die daraus entstandene Doku<br />

„The Longest Wave“ zeigt das wohl aufwühlendste<br />

Abenteuer in Naishs Karriere.<br />

Aktuell in der ZDFmediathek, ab 10. <strong>Aug</strong>ust<br />

auch auf <strong>Red</strong> Bull TV; Infos: redbull.com<br />

CRAIG KOLESKY / RED BULL CONTENT POOL<br />

40 THE RED BULLETIN


„Ich bin ein<br />

Glückspilz,<br />

weil ich tun<br />

darf, was<br />

ich mag.“<br />

Robby Naish, 58, über<br />

seine Lebenseinstellung<br />

THE RED BULLETIN 41


Dance<br />

Messis Tanzlehrer<br />

MAJID KESSAB kam als Kleinkind aus dem Irak nach<br />

Deutschland. Jetzt ist er 28, Hip-Hop-Weltmeister<br />

und Tanzschulbesitzer. Und er hat Fußballgott<br />

Lionel Messi elegante Moves beigebracht.<br />

Das alles reicht ihm allerdings noch nicht.<br />

Text ANNE WAAK<br />

Fotos CHRISTOPH VOY<br />

AUF GROSSEM FUSS<br />

Majids Bewegungen sind<br />

einzigartig. Im Tanz hat<br />

der Krefelder, hier in seiner<br />

Heimatstadt, seine Ausdrucksform<br />

entdeckt.<br />

42


43


AUGENBLICK!<br />

Majid beim Porträt-<br />

Shooting für<br />

The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong> in<br />

Krefeld. In der TV-<br />

Show „Got to Dance“<br />

begeisterte er<br />

Millionen Fans.


Dance<br />

Sein Stil wirkt,<br />

als tanze er<br />

unter Wasser.<br />

Seine<br />

Bewegungen<br />

sind unglaublich<br />

fließend.<br />

Ein Schrottplatz mitten in<br />

Krefeld. Der knallblaue<br />

Himmel kontrastiert das<br />

Rostrot der riesenhaften<br />

Rohre, auf denen Majid<br />

Kessab posiert. Er balanciert<br />

auf einem Bein, biegt<br />

den Kopf nach hinten,<br />

ein Arm hinterm Rücken.<br />

Er hält die Pose mühelos,<br />

bis das Bild im Kasten ist.<br />

Jemand hat mal über<br />

seinen Stil gesagt: Es sei, als würde er<br />

unter Wasser tanzen. Und es stimmt:<br />

Egal was er macht – ob Moves, die aus<br />

dem Freestyle stammen, oder welche,<br />

die eher an die eckigen Verrenkungen<br />

eines Roboters erinnern –, Majids Bewegungen<br />

sind unglaublich fließend und<br />

geschmeidig. In Sachen Körperbeherrschung<br />

ist der 28-Jährige einzigartig.<br />

Nicht nur das: Als zweimaliger Hip-<br />

Hop-Weltmeister ist er einer der besten<br />

Tänzer der Welt. Im Dezember wird er<br />

beim globalen Finale von <strong>Red</strong> Bull Dance<br />

Your Style in Südafrika antreten – ein<br />

Contest, der vor allem die Improvisationsgabe<br />

der Tänzer fordert. Majids Ziel<br />

dafür ist klar: gewinnen, was sonst?<br />

Majid ist Erfolg gewohnt. Tatsächlich<br />

scheint es, als würde ihm alles, was er<br />

anfängt, gelingen. Dabei ist es längst nicht<br />

nur das Tanzen, was ihn interessiert. Seine<br />

Ambitionen gehen weiter, viel weiter. Er<br />

wurde 1993 als jüngstes von vier Kindern<br />

im nordirakischen Zakho geboren, seine<br />

kurdischen Eltern – der Vater Ölunternehmer,<br />

die Mutter Lehrerin – flohen<br />

nach Deutschland, als Majid drei Jahre<br />

alt war. Die Familie landete in Krefeld,<br />

in dem Teil Nordrhein-West falens, der<br />

an die Niederlande grenzt. Der Vater eröffnete<br />

einen Kiosk, die Mutter kümmerte<br />

sich um die Kinder.<br />

Es war keinesfalls von Anfang an klar,<br />

dass er einmal Tänzer werden würde.<br />

Zwar war sein Vater immer ein begnadeter<br />

Folklore-Tänzer, der seine Künste auf<br />

Familienfeiern vorführte, aber Majids<br />

Ding war der Fußball. Es war seine<br />

Schwester, die den damals Achtjährigen<br />

drängte, es doch mit dem Tanzen zu<br />

versuchen. „Ich glaube, das war eigentlich<br />

eher ihr Wunsch, aber sie hat sich<br />

geschämt“, sagt Majid. „Also habe ich<br />

das für sie ausgelebt.“<br />

Damals fehlte es ihm an Selbstbewusstsein,<br />

und wenn er sprach, dann<br />

nuschelte er so stark, dass man ihn kaum<br />

verstand. Das Tanzen änderte das. „Es<br />

war mein Sprachrohr, mit dem ich meine<br />

Emotionen ausdrücken konnte, und ein<br />

Ventil für meine Energie“, sagt er. Bald<br />

sah er erste Erfolge und gewann Wettbewerbe.<br />

„Das hat mich gestärkt und mir<br />

Selbstsicherheit gegeben.“<br />

MIT MESSI BEIM DREH<br />

Majid mit seinem berühmtesten<br />

Schüler 2013 in Barcelona:<br />

Für einen Werbeclip entwarf er<br />

eine Choreografie und zeigte<br />

Lionel Messi die Schritte.<br />

THE RED BULLETIN 45


Dance<br />

Doch das Tanzen veränderte sein<br />

Leben auch in anderer Hinsicht,<br />

denn es hatte Einfluss auf seinen<br />

Freundeskreis. Die, mit denen er<br />

rumhing, bevor er mit dem Tanzen<br />

in Berührung kam, sind alle<br />

irgendwann mit dem Gesetz kollidiert.<br />

Majid hat wenig Zweifel daran, dass es<br />

ihm genauso ergangen wäre.<br />

Aber gleich seine erste Straftat – eine<br />

dumme Geschichte um ein geklautes<br />

BMX-Bike – führte ihn an einen Ort, der<br />

wie kein anderer sein Leben prägen sollte<br />

und bis heute prägt. Er bekam Sozialstunden<br />

verordnet, abzuleisten in einem<br />

kirchlichen Krefelder Jugendzentrum.<br />

Der Ort sollte sich als besonders einflussreich<br />

für sein Leben erweisen. „Das<br />

Jugendzentrum war alles für mich, ich<br />

habe da so viel gelernt“, sagt er. Auch<br />

nach seinen Sozialstunden ging er weiter<br />

hin, weil dort Platz zum Tanzen war und<br />

er andere traf, die seine Leidenschaft<br />

teilten. Damit er noch mehr Zeit im<br />

Jugendzentrum verbringen konnte,<br />

absolvierte er auch noch das Praktikum<br />

im Rahmen seines Fachabiturs dort.<br />

Jugendzentren wie jenes in Krefeld<br />

entstanden ab Ende der 1960er-Jahre<br />

oft auf Initiative von Gymnasiasten, die<br />

für sich Räume einforderten, in denen<br />

ihnen weder der Staat noch die Stadt<br />

rein redeten. Gedacht waren sie als Orte,<br />

an denen jungen Menschen Demokratie<br />

und Werte vermittelt werden, um schließlich<br />

eine bessere Welt zu schaffen. Heute<br />

geht es in diesen Einrichtungen weniger<br />

um politische Bildung als darum, Jugendlichen<br />

ein kostenloses Freizeitangebot<br />

zu bieten, einen Treffpunkt abseits von<br />

Fußgängerzonen und Einkaufszentren,<br />

einen Fokus, der nicht das eigene Handy<br />

ist. In Majids Fall war es einer der wenigen<br />

Plätze, an denen er mit anderen Tänzern<br />

sein Wissen austauschen und seine Fähigkeiten<br />

ausbauen konnte. YouTube gab es<br />

vor zehn, zwölf Jahren zwar bereits, es<br />

war aber noch nicht die Plattform, auf<br />

FREEZE!<br />

Bei dieser Pose<br />

stoppt Majid abrupt<br />

seine flüssigen<br />

Bewegungen und<br />

„friert“ sie ein.<br />

Als Kind<br />

nuschelte Majid<br />

so stark, dass<br />

man ihn kaum<br />

verstand. Heute<br />

spielt er in<br />

Kinofilmen mit.<br />

46


DIE NÄCHSTEN<br />

SCHRITTE<br />

Majid in der Nähe seiner<br />

Tanzschule in Krefeld,<br />

mit der er bald umzieht.<br />

Viele seiner Schüler<br />

wohnen in Siedlungen<br />

wie dieser hier im<br />

Hintergrund.


Dance<br />

Er will den Kids<br />

mehr beibringen<br />

als Tanzen:<br />

stark sein,<br />

an sich glauben,<br />

sich selbst<br />

fordern.<br />

der man Tutorials zu jedem erdenklichen<br />

Nischenhobby hätte finden können. Tanzschulen<br />

waren noch nicht eingerichtet<br />

auf Kurse für seine Art des Tanzens, jedenfalls<br />

nicht auf solche, die mehr als die<br />

Grundlagen vermittelten.<br />

Daneben spielte Majids ältester Bruder<br />

eine wichtige Rolle für seine tänzerische<br />

Entwicklung. Er war es, der ihn und seine<br />

Freunde tagelang mit dem Auto durch<br />

halb Europa fuhr, zu Tanzcamps und auf<br />

Battles nach Tschechien, Österreich und<br />

in die Schweiz.<br />

Die Schule machte Majid nebenbei,<br />

ohne auch nur einmal sitzenzubleiben.<br />

Eine gute Ausbildung war<br />

seinen Eltern immer wichtig;<br />

seine Geschwister arbeiten heute<br />

als Apothekerin, Ingenieur und<br />

Mechatroniker. Nach der Schule etwas<br />

ratlos, wie es weitergehen sollte, studierte<br />

Majid Elektrotechnik – nur um nach ein<br />

paar Wochen abzubrechen. Auch das<br />

Architekturstudium schmiss er nach zwei<br />

– eigentlich erfolgreichen – Semestern.<br />

In der Zwischenzeit war er nämlich<br />

mit dem Tanzen so erfolgreich geworden,<br />

dass sich die Frage, wohin es ihn in<br />

Zukunft ziehen würde, gar nicht mehr<br />

stellte. 2014 sollte sein bis dahin bestes<br />

Jahr werden: Er nahm am Juste Debout<br />

teil, dem internationalen Gipfeltreffen<br />

in Sachen urbaner Tanz in Frankreich.<br />

Im Vorfeld behauptete er auf Facebook<br />

öffentlich, er werde das Ding gewinnen.<br />

Damit legte er sich die Latte ziemlich<br />

hoch – wer will nach so einer Ansage<br />

schon scheitern? Aber er sollte recht<br />

behalten: Er gewann den Wettbewerb<br />

und war damit Hip-Hop-Weltmeister.<br />

Seither steht für ihn fest: Erfolg ist allein<br />

eine Frage der Einstellung, des Mindsets.<br />

„Wenn ich an mir zweifle, dann verliere<br />

ich.“ Wenn er jedoch an sich glaubt, kann<br />

ihn nichts und niemand aufhalten. Bis<br />

jetzt hat das jedenfalls immer gestimmt.<br />

Dank des Tanzens ist der Majid von heute<br />

das genaue Gegenteil des unsicheren<br />

Jungen von einst.<br />

Ebenfalls 2014 eröffnete er gemeinsam<br />

mit einem Freund in einem kleinen Raum<br />

des Krefelder Bahnhofsgebäudes seine<br />

Tanzschule AREA UDC und nahm an der<br />

ProSieben-Castingshow „Got to Dance“<br />

teil, die ihn auch außerhalb der Tanz-<br />

Community bekannt machte. Majid sagt,<br />

er sei kein Fan von solchen Shows, denen<br />

es vor allem um die Schauwerte und<br />

Einschaltquoten geht und nicht um die<br />

Kultur hinter dem Tanz. Aber als die<br />

Produktionsfirma ihn kontaktierte und<br />

einlud mitzumachen, sah er die Möglichkeit,<br />

in der Sendung mit einem Aufdruck<br />

auf seinem Sweatshirt für seine Schule<br />

zu werben. Als ihm bewusst wurde, wie<br />

hoch die Einschaltquoten der ersten Folge<br />

waren, nahm er die Show ernst. Und was<br />

Majid ernst nimmt, will er auch gewinnen.<br />

Die Jury liebte ihn von Anfang an,<br />

besonders die britische Tänzerin und<br />

Choreografin Nikeata Thompson war<br />

gleich nach seinem ersten Tanz vollends<br />

begeistert von ihm. Der Rest war ein<br />

Durchmarsch, im Finale setzte er sich<br />

gegen neun andere Tänzer, Duos und<br />

Crews durch. Er gewann 100.000 Euro –<br />

die er als Anzahlung für ein Haus für<br />

seine Eltern verwendete. Er verdankt<br />

dem Tanzen viel, aber seiner Mutter und<br />

seinem Vater alles. Der Sperrbildschirm<br />

seines Handys zeigt ein aktuelles Bild<br />

der beiden.<br />

49


GANZ BEI SICH<br />

Für unser Shooting<br />

improvisiert Majid,<br />

wie er es beim Tanzen<br />

oft tut. Hier in einer<br />

riesigen Metallröhre.


Dance<br />

2022 will<br />

Majid als<br />

erster Tänzer<br />

zum dritten Mal<br />

Weltmeister<br />

werden.<br />

TOMISLAV MOZE/RED BULL CONTENT POOL<br />

Seither kennt Majids Karriere nur<br />

eine Richtung: bergauf. Vor drei<br />

Jahren zog er mit der Tanzschule<br />

in größere Räume, sie belegt jetzt<br />

fast 300 Quadratmeter in einem<br />

Industriekasten unweit des Bahnhofs.<br />

Ein Dutzend Leute arbeiten hier für<br />

ihn, sie alle sind Freunde, die er noch aus<br />

dem Jugendzentrum kennt. Vor Corona<br />

trainierten sie 300 Schülerinnen und<br />

Schüler, und er hat keine Zweifel, dass es<br />

nach der Pandemie mindestens genauso<br />

viele sein werden. Der nächste Umzug<br />

in noch größere Räume steht bald an.<br />

Dennoch ist es ihm wichtig, dass die<br />

Tanzschule den Charakter des Jugendzentrums<br />

behält, in dem er damals so viel<br />

Freundschaft und Unterstützung fand.<br />

„Die Leute können uns immer privat<br />

schreiben, wenn sie allein trainieren oder<br />

ein eigenes Projekt verfolgen wollen.“<br />

Für die Jugend in Krefeld sind sie auch<br />

Sozialarbeiter, die den Kids mehr beibringen<br />

als Tanzen: nämlich Selbstbewusstsein,<br />

Charakterstärke, Persönlichkeit.<br />

Und sich selbst zu fordern.<br />

Längst ist Majids Talent auch außerhalb<br />

der Dance-Community gefragt. Vor<br />

ein paar Jahren choreografierte und trainierte<br />

er mit Fußballgott Lionel Messi<br />

eine Tanzszene in einem Werbespot für<br />

Qatar Airways, es folgte sein Schauspieldebüt<br />

in der Serie „Crews & Gangs“ des<br />

deutschen Streaming-Anbieters Joyn.<br />

Sein jüngstes Schauspielprojekt ist „Fly“,<br />

ein Film der deutschen Regisseurin<br />

Katja von Garnier, der im Herbst ins Kino<br />

kommen soll. In beiden Filmen spielt er<br />

Kleinkriminelle mit Migrationshintergrund<br />

– eher keine Sympathieträger. Er<br />

ist stolz auf die Rolle, auch wenn es ihn<br />

ein wenig nervt, dass sie gängigen Klischees<br />

über Menschen entspricht, deren<br />

Eltern oder Großeltern nicht in Deutschland<br />

geboren wurden. Aber Majid sagt,<br />

dann dreht er eben einfach selbst einen<br />

Film, der mit diesen Vorurteilen bricht.<br />

„Fly“ soll sein Einstieg in die Schauspielerei<br />

sein, aber sie ist nur eines von<br />

vielen Zielen. „Ich habe in den letzten<br />

Jahren geschäftlich so viel erreicht“, sagt<br />

Majid. „Aber es ging mir nie um Geld<br />

oder Bekanntheit. Ich will die Möglichkeiten,<br />

die ich bekommen habe, an<br />

andere weitergeben.“ In den Tagen vor<br />

dem Gespräch hat er im Stadtbad Krefeld<br />

einen Film mit Tänzern der Schule abgedreht,<br />

ein paar Tage später wird er<br />

in Bochum ein Battle mit 200 Tänzern<br />

unter freiem Himmel veranstalten.<br />

2022 will er der Erste sein, der bei<br />

Juste Debout zum dritten Mal Weltmeister<br />

wird. Er plant ein Tanzprojekt<br />

mit einem Kinderheim im Irak. Und denkt<br />

über die Eröffnung einer zweiten Tanzschule<br />

nach. Es besteht wenig Zweifel<br />

daran, dass er all das schaffen wird.<br />

Majid heißt immerhin: der Tüchtige.<br />

Mehr Majid in allen Lagen auf Instagram: @majidk<br />

Deutschlands beste<br />

Tänzer live erleben!<br />

Ende <strong>Aug</strong>ust startet wieder<br />

<strong>Red</strong> Bull Dance Your Style.<br />

Ein Floor, zwei Kontrahenten, deine<br />

Stimme: Hier zeigen die Tanzenden<br />

Moves zu Musik aus allen Genres, die<br />

Zuschauer entscheiden, wer gewinnt<br />

und zum Weltfinale in Südafrika fährt.<br />

Qualifier: 28. 8. München, 29. 8. Frankfurt,<br />

4. 9. Berlin, 5. 9. Köln; nationales<br />

Finale: 11. 9. Hamburg; Infos: redbull.com<br />

THE RED BULLETIN 51


Basketballspiel im<br />

Käfig an der West 4th<br />

Street in New York:<br />

Die Enge des Kult-<br />

Platzes sorgt für<br />

intensive Stimmung.<br />

52<br />

EIN KÄFIG


Streetball<br />

West 4th Street<br />

ist New Yorks<br />

legendärster<br />

Basketballplatz.<br />

Stars wie Denzel<br />

Washington pilgern<br />

an seine Zäune,<br />

Spieler aller Ethnien<br />

kämpfen in hitzigen<br />

Partien um Respekt.<br />

Zu Besuch an einem<br />

Ort, der für viel mehr<br />

steht als Sport.<br />

Text DAVE HOWARD<br />

Fotos ANTHONY GEATHERS<br />

VOLLER HELDEN


D<br />

er Platz ist klein<br />

Das ist das Offensichtliche, wenn man<br />

den West 4th Street Park in New York City<br />

betritt. Würde man die Drei-Punkte-Linie<br />

auf NBA-Distanz setzen – als Zugeständnis<br />

für die Profis, die hier manchmal<br />

trainieren –, läge sie fast schon am Mittelkreis.<br />

Schaut man sich eines der großen<br />

Summer-Leagues-Matches im Cage an,<br />

dem „Käfig“, wie dieser sagenumwobene<br />

Platz genannt wird, kommt es einem vor,<br />

als hätten Riesen einen Kinderspielplatz<br />

überrannt.<br />

Versucht man herauszufinden, inwieweit<br />

die Maße des Platzes tatsächlich<br />

von den regulären abweichen, wird es<br />

interessant. Google wirft unterschiedlichste<br />

Schätzungen aus, von „ein bisschen<br />

kleiner als die Norm“ (das steht auf<br />

Basketball-Cracks beim Einlauf zu einem Summer-Leagues-Playoff-Match 2016:<br />

Das Spiel im Käfig „körperbetont“ zu nennen ist eine krasse Untertreibung.<br />

Hier darfst du keine Schwäche<br />

zeigen, sagen die Locals. Sonst<br />

machen dich die Gegner platt.<br />

der offiziellen Homepage des New Yorker<br />

Parks) bis hin zur „Hälfte des Standards<br />

von 94 Fuß“ (28,65 Meter). Auch die<br />

Legenden des Käfigs äußern sich ausweichend:<br />

Die Spiele können sich schon<br />

eng anfühlen, hört man da, sogar ein bisschen<br />

klaustrophobisch. Kenny Graham,<br />

Gründer der „Summer Leagues“, die den<br />

West 4th zu einem Streetball-Hotspot<br />

und einem weltbekannten Geheimtipp<br />

für Touristen gemacht haben, zuckt nur<br />

mit den Schultern und antwortet, dem<br />

grünen Rechteck seien schon „viele<br />

Größen nachgesagt“ worden. „Das lieben<br />

die Leute ja so an diesem Platz.“ Warum<br />

mit dem Maßband den ganzen Spaß<br />

verderben, scheint er sagen zu wollen.<br />

Die ungewöhnlichen Abmessungen<br />

tragen zur Aura des Ortes bei, aber nicht<br />

nur: Sie verändern tatsächlich das Spiel.<br />

Wer auf Geschwindigkeit und Wendigkeit<br />

setzt, hat ein Problem, denn alle sind so<br />

eng zusammengepfercht, dass es sich anfühlt,<br />

als wären doppelt so viele Spieler<br />

auf dem Feld wie sonst. Der Zaun, der<br />

das Spielfeld umschließt, verstärkt den<br />

Eindruck der Enge noch. Der Käfig belohnt<br />

diejenigen, die ohne viel Platz gute<br />

Würfe oder Rebounds zustande bringen<br />

oder die, besser noch, sich selbst Platz<br />

verschaffen können in jener Zone, die die<br />

Veteranen einst „Death Valley“ nannten.<br />

Das Spiel hier „körperbetont“ zu nennen<br />

ist eine gewaltige Untertreibung.<br />

Und da das hier New York ist, sind<br />

einige der Zuschauer, die sich von außen<br />

an den Zaun drücken, Zwischenrufer,<br />

und sie lassen es dich wissen, wenn du<br />

Mist baust. Jason Curry ist der Gründer<br />

und Präsident von Big Apple Basketball.<br />

Als er klein war, schaute er seinem Vater<br />

zu, der hier an spontanen Freundschaftsmatches<br />

teilnahm, sogenannten Pickup<br />

Games. Später spielte Curry selbst und<br />

trainierte Spitzenspieler im West 4th.<br />

Nach einem Fehler, den er hier machte,<br />

dachte er: „Der wäre mir besser an jedem<br />

anderen Ort passiert.“ Viele Leute täten<br />

sich schwer im West 4th, weil der Platz<br />

so eng ist, erklärt er. „Es ist fast wie das<br />

Gesetz des Dschungels. Man darf in keiner<br />

Hinsicht eine Schwäche zeigen, sonst<br />

machen sie dich platt.“<br />

Der Platz ist eine große Bühne<br />

Als Kenny Graham 1976 auf diesen Ort<br />

stieß und bei Spontan-Matches mitspielte,<br />

spürte er sofort, dass der Platz anders<br />

war. Er war als Lebensmittellieferant<br />

viel unter wegs. Im Gegensatz zu den<br />

typischen Basketballplätzen in New York,<br />

54 THE RED BULLETIN


Streetball<br />

Spielszenen aus<br />

dem Käfig: Hier<br />

zählen Können,<br />

Härte und Respekt.<br />

Im letzten Viertel<br />

dieses knappen Spiels<br />

ist die Spannung auf<br />

dem Platz und daneben<br />

förmlich zu greifen.<br />

THE RED BULLETIN 55


Angriff gestoppt:<br />

Das wilde Spiel im<br />

New Yorker Käfig<br />

brachte zahlreiche<br />

lokale Stars hervor.<br />

Hip-Hop-Größen schauen regelmäßig<br />

vorbei. EA Sports baute den Court<br />

für ein Computerspiel nach.<br />

56 THE RED BULLETIN


Streetball<br />

„Es ist fast so, als würdest du<br />

mitten am Broadway spielen – alle<br />

<strong>Aug</strong>en sind auf dich gerichtet.“<br />

auf denen nur Leute aus dem Viertel anzutreffen<br />

waren, kamen hier Spieler aus<br />

allen Teilen der Stadt zusammen – und<br />

das heißt: Spieler aus der ganzen Welt.<br />

„Du triffst hier auch heute noch Juden,<br />

Italiener, Iren, Schwarze, Native Americans,<br />

alles Mögliche“, sagt Graham. „In<br />

keinem anderen Park im ganzen Land<br />

hast du so eine Diversität.“<br />

Die besondere Lage spielt natürlich<br />

auch eine Rolle. Die meisten Outdoor-<br />

Basketballplätze New Yorks verstecken<br />

sich in entlegenen Winkeln der Stadt,<br />

aber der West 4th liegt in Greenwich<br />

Village, an der 6th Avenue, einer der<br />

großen Verkehrsadern Manhattans.<br />

Die U-Bahn-Station West 4th Street ist<br />

ein Knotenpunkt für das öffentliche Verkehrsnetz<br />

– ein Ausgang befindet sich<br />

gleich neben dem Platz. „Es ist fast, als<br />

würdest du mitten am Broadway spielen“,<br />

meint Jason Curry. „Alle <strong>Aug</strong>en sind auf<br />

dich gerichtet.“<br />

Die Spiele hier ziehen schon lange<br />

Passanten an. Irgendwann in den Sechzigern<br />

gab es schon mal eine Liga, die<br />

aber nur ein paar Jahre überlebte. Als<br />

einige Trainer entschieden, die West 4th<br />

League neu zu organisieren, erkannte<br />

Kenny Graham das Potenzial für etwas<br />

Großes. Er heuerte bei der Liga an und<br />

stieg innerhalb von zwei Jahren zu ihrem<br />

Co-Commissioner und Direktor auf.<br />

In diesen Funktionen zeigte sich<br />

Grahams Händchen für den Aufbau<br />

einer Marke. Er schuf „Kenny Graham’s<br />

West 4th Street Pro-Classic“ mit eigenem<br />

Logo und Merchandising. In den frühen<br />

Achtzigern zogen die Summer Leagues<br />

immer größere Namen aus der College-<br />

Liga, selbst aus dem Profi-Lager an. Die<br />

Sache schaukelte sich hoch: Je höher das<br />

Niveau, desto mehr Publikum kam, und<br />

so wurden die Namen noch größer. Sogar<br />

Julius Erving alias Dr. J, in den Siebzigern<br />

einer der Überflieger der NBA, stopfte<br />

damals ein paar Körbe im Käfig.<br />

Schon bald beehrten nicht mehr nur<br />

New Yorker Spieler den winzigen Platz.<br />

Jason Curry erinnert sich, wie einmal<br />

vor etwa zehn Jahren plötzlich Dwight<br />

Howard auftauchte – es war zu jener Zeit,<br />

als er als aufregendster Spieler der Welt<br />

gefeiert wurde –, nur um sich ein Match<br />

anzuschauen.<br />

Die Popkultur folgte. Die Hollywood-<br />

Stars Denzel Washington und Spike Lee<br />

waren da. Hip-Hop-Größen schauen<br />

vor bei, und Werbespots für nationale<br />

Kam pagnen werden hier gedreht. Wer es<br />

persönlich nicht auf den West 4th schafft,<br />

kann sich dort virtuell austoben: im Videospiel<br />

„NBA Street V3“ von EA Sports.<br />

Die Pandemie zwang den Summer<br />

Leagues eine einjährige Pause auf.<br />

Wenn die Stadt wieder voller Leben ist,<br />

werden sich auch wieder Touristen zu<br />

den Stamm-Zuschauern am Käfig gesellen.<br />

Graham wird Kappen und Trikots<br />

verkaufen an Menschen aus Südkorea,<br />

Norwegen und Brasilien und ihnen das<br />

Gefühl geben, genau hier im Zentrum<br />

der Basketballwelt zu sein.<br />

Der Platz ist ein Fluchtort<br />

Jack Ryan wuchs als Basketball-Wilder in<br />

Brooklyn auf. Als er zwölf Jahre alt war,<br />

konnte ihm kein Gleichaltriger mehr das<br />

Wasser reichen, sein vier Jahre älterer<br />

Bruder ließ ihn bei seinen Freunden<br />

mitspielen. Als er auch die an die Wand<br />

spielte, fand Ryan, dass es an der Zeit<br />

sei, sich in Manhattan zu messen. „Ich<br />

sagte mir, okay, mal sehen, wie gut ich<br />

wirklich bin“, erinnert er sich. Wo er<br />

hingehen musste, war klar: in den Park<br />

an der West 4th Street.<br />

So nahm die Legende von „Black<br />

Jack“ Ryan in den Achtzigern ihren Anfang.<br />

Ryan wurde auch dafür berühmt,<br />

dass er Angebote von Colleges und aus<br />

der NBA in den Wind schlug – seine<br />

Unreife und eine schwierige Kindheit<br />

trugen sicherlich viel dazu bei. Der<br />

Kose name seines Vaters für ihn war ein<br />

F-Wort, sein eigentliches Zuhause war<br />

der West 4th. Black Jack und der Platz<br />

waren wie füreinander geschaffen.<br />

Einmal flog er wegen zu viel Show aus<br />

einem College-Team, aber Streetball<br />

funktioniert anders: Im Käfig war sein<br />

aufreizendes Spiel eine Waffe.<br />

Gegen Phil Sellers, einen ehemaligen<br />

Profi der Detroit Pistons, machte Ryan<br />

einmal 44 Punkte. Als ihn ein Freund<br />

darauf ansprach, antwortete er: „Wer<br />

ist Phil Sellers?“ Von dem Hall-of-Fame-<br />

Mitglied Chris Mullin, auch eine New<br />

Yorker Basketball-Legende, ist das Statement<br />

überliefert, Black Jack sei der<br />

beste Werfer, den er außerhalb der NBA<br />

je gesehen habe. Hier im West 4th umgab<br />

Ryan eine Familie, das spürte er.<br />

Zuseher am Zaun an der West 4th Street: Beleidigungen gehören hier zum guten Ton.<br />

THE RED BULLETIN 57


Streetball<br />

Hier war Beständigkeit: Dass der Punktezähler<br />

Omar vor den Spielen immer<br />

viel zu viel billiges Bier trank und sich<br />

prompt verzählte, sodass Graham ihn<br />

korrigieren musste, änderte nichts daran,<br />

dass Omar weiterhin für die Punkte verantwortlich<br />

blieb. Ryan gefiel das. Die<br />

Sticheleien des Sprechers, der ballettgleiche<br />

Wettkampf, Kenny Grahams<br />

strenge Regeln gegen Gewalt – das alles<br />

sorgte für Stabilität in einer sonst völlig<br />

instabilen Welt.<br />

Jack Ryan war MVP („most valuable<br />

player“ – der wertvollste Spieler) in<br />

einer der Ligen, auf seiner Wade prangt<br />

ein Tattoo des West-4th-Logos. Und er<br />

trifft sich immer noch mit Leo, Sherm,<br />

Doc – all den Männern, mit denen er<br />

Freundschaft geschlossen hat in seinen<br />

fast vierzig Jahren auf dem Platz. „Jetzt,<br />

da ich älter bin, ist das meine Familie“,<br />

sagt Ryan. „West 4th Street ist mein<br />

zweites Zuhause. Mein Hinterhof.“<br />

Der Platz ist eine Gemeinschaft<br />

Das mag seltsam klingen, denn das Spiel<br />

ist so körperbetont, dass es sich an der<br />

Grenze zu offener Feindseligkeit bewegt.<br />

Nach einigen Schlägereien hat Kenny<br />

Graham Nulltoleranzregeln aufgestellt.<br />

Wer gegen sie verstößt, kann des Platzes<br />

verwiesen werden.<br />

Aber es gibt eine große Wertschätzung<br />

zwischen den Spielern. Alle mühsam<br />

erarbeiteten, liebevoll gehegten Animositäten<br />

verpuffen in dem Moment, in dem<br />

sich alle zur nächsten Runde, zum nächsten<br />

Match versammeln.<br />

„Bei aller Härte herrscht ein unglaublicher<br />

Kameradschaftsgeist“, sagt Jason<br />

Curry. „Jedem, der auf den Platz geht,<br />

wird Respekt entgegengebracht.“ Die<br />

Leute passen aufeinander auf.<br />

Die Spiele im Käfig sind für viele ein<br />

wichtiger Teil ihres Lebens. 70 Teams<br />

treten hier in Ligen gegeneinander an: je<br />

20 für Männer und High-School-Schüler,<br />

16 für Frauen, 14 für Nachwuchsteams.<br />

Graham, heute 69, zeigt keine Ermüdungserscheinungen,<br />

obwohl er erklärt,<br />

im Ruhestand zu sein. Im West 4th, so<br />

sagt er, „sieht man die Früchte meiner<br />

Arbeit“. Im Moment versucht er die<br />

Magie dieses Ortes, die multikulturelle<br />

Mischung des Käfigs in die Welt hinauszutragen.<br />

Er arbeitet mit Offiziellen<br />

aus der Dominikanischen Republik an<br />

einem Austauschprogramm.<br />

Für ihn war das während der Pandemie<br />

vielleicht auch ein guter Zeitvertreib.<br />

Bald jedoch wird alles wieder<br />

so sein wie früher: Die Spieler werden<br />

auftauchen, so verlässlich, dass man<br />

die Uhr nach ihnen stellen könnte. Die<br />

Fans, die während der Summer Leagues<br />

Abend für Abend denselben Platz am<br />

Zaun besetzen, werden ihre Posten wieder<br />

einnehmen. Den Käfig gibt es jetzt<br />

schon so lange, dass er Teil von Familiengeschichten<br />

geworden ist: Generationen<br />

kommen gemeinsam. Eltern reichen die<br />

Erfahrung des Spielens oder Zuschauens<br />

im West 4th wie ein Erbstück feierlich<br />

an ihre Kinder weiter. Der Platz ist also<br />

noch etwas: eine Zeitkapsel.<br />

Mit den Jahrzehnten verändert sich<br />

Manhattan, es verwandelt sich immer<br />

wieder, nimmt ständig neue Formen an.<br />

Gebäude werden abgerissen und gebaut,<br />

Restaurants wechseln den Besitzer und<br />

die Identität, Parks verwahrlosen und<br />

werden wiedergeboren.<br />

Aber dieses kleine Rechteck, das da<br />

irgendwie in Greenwich Village hineingequetscht<br />

wurde? Dieser Käfig, so scheint<br />

es, ist für die Ewigkeit.<br />

Gleich geht’s los: Zwei Spieler der New Yorker Männerliga sind bereit für das Spiel.<br />

Alle Animositäten verpuffen in<br />

dem Moment, in dem sich alle zum<br />

nächsten Match versammeln.<br />

Streetball vom Feinsten<br />

Am 18. Juli steigt in Berlin das<br />

Finale von <strong>Red</strong> Bull Half Court.<br />

Sechs Spieler, ein Korb und jede Menge<br />

Action: Sei dabei, wenn in Berlin Deutschlands<br />

beste 3-gegen-3-Streetball-Teams<br />

zur nationalen Ednrunde antreten. Die<br />

Gewinner reisen zum Weltfinale nach<br />

Russland und treffen auf die Sieger aus<br />

über 20 weiteren Nationen.<br />

Detaillierte Infos über das Turnier:<br />

redbull.com<br />

58 THE RED BULLETIN


Hier teilen sich zwei<br />

Schüler mannschaften<br />

den Platz, der viel<br />

kleiner ist als ein normales<br />

Basketballfeld.<br />

Fast jedes Match<br />

ist intensiv, aber der<br />

Höhepunkt sind die<br />

All-Star-Games, wie<br />

hier im Bild: Da spielen<br />

die Besten der Saison<br />

gegeneinander.<br />

THE RED BULLETIN 59


Designerin Marina Hoermanseder (35)<br />

in ihrem Atelier in Berlin.<br />

Ihr Markenzeichen stammt in diesem Fall<br />

aus einem orthopädischen Korsett.


Mode<br />

„Die Schnalle<br />

war mein<br />

größtes Glück“<br />

Die Schnalle ist das Markenzeichen<br />

der österreichischen Designerin<br />

MARINA HOERMANSEDER.<br />

Am Anfang ihrer Karriere fällt sie auf,<br />

weil Lady Gaga ihre Sachen trägt.<br />

Inzwischen hat sie Briefträgern Coolness<br />

verliehen, Uhren entworfen und<br />

tritt mit Heidi Klum im Fernsehen auf.<br />

Porträt einer Frau, die weiß,<br />

wie man Aufmerksamkeit erregt.<br />

Text WOLFGANG WIESER<br />

Fotos DAVID FISCHER<br />

THE RED BULLETIN 61


Mode<br />

Ein paar Zentimeter über<br />

ihrem linken Handgelenk<br />

hat Marina Hoermanseder<br />

eine kleine Tätowierung.<br />

Es ist nicht die einzige, da<br />

ist auch noch ein Kreuzchen<br />

knapp unterhalb des Ellbogens,<br />

ein gefräßiger Pac-Man und ein zartes<br />

Porträt einer Löwin auf dem rechten<br />

Unterarm.<br />

Aber nur diese drei blassen Großbuchstaben<br />

über dem rosa Uhrband, das sich<br />

zweimal um ihr Handgelenk schlingt,<br />

irritieren den Betrachter – auch auf den<br />

zweiten Blick.<br />

Da steht: GUT.<br />

Erster Gedanke: Was, bitte, ist GUT?<br />

Zweiter Gedanke? Meint Marina Hoermanseder<br />

damit sich selbst?<br />

Ganz so einfach ist es – wie so oft –<br />

nicht. Tatsächlich werden sich diese drei<br />

Buchstaben als Statement entpuppen –<br />

allerdings ganz anders als gedacht. Aber<br />

davon später.<br />

Marina Hoermanseder, gerade 35<br />

geworden, hat in den vergangenen acht<br />

Jahren eine beneidenswerte Karriere<br />

hingelegt – von null auf hundert in Nullkommanichts<br />

könnte man sagen. Zuerst<br />

schafft sie das Kunststück, dass Lady<br />

Gaga einen ihrer Entwürfe trägt. Drei<br />

Jahre später feiert sie die Modebibel<br />

„Vogue“ als „neue Modestimme“ Berlins,<br />

wo sich inzwischen ihr Hauptquartier<br />

befindet. Und heute gilt sie außerdem als<br />

Königin der Kooperationen, eine Frau von<br />

„entschieden ungewöhnlicher Substanz“,<br />

wie es in einem Statement der Schweizer<br />

Uhrenmarke Rado heißt, die sich von<br />

Hoermanseder eben eine Uhr hat entwerfen<br />

lassen.<br />

„Ich sehe mich als fleißige, kreative<br />

Unternehmerin, das beschreibt mich<br />

am besten“, sagt Marina Hoermanseder,<br />

„mein Leben ist auf Werte gebaut, die mir<br />

stets gegenwärtig sind.“<br />

the red bulletin: Und die wären?<br />

marina hoermanseder: Fleiß,<br />

Anstand, Dankbarkeit und Loyalität –<br />

auf mich kann man sich verlassen.<br />

Du hast ja geradezu rasant Karriere<br />

gemacht.<br />

Das habe ich damals gar nicht so erlebt,<br />

nicht so wahrgenommen. Ich habe die<br />

Firma gegründet, weil Lady Gaga meine<br />

erste Kollektion bestellt hat. Man kann<br />

sagen: Ich habe einfach auf den Zuspruch<br />

reagiert, den ich bekommen habe.<br />

Marina Hoermanseder in Berlin<br />

bei der Arbeit, erste Skizzen vor sich<br />

„Ich habe meine<br />

Lookbooks in die<br />

Briefkästen der zehn<br />

Top-Stylisten in L. A.<br />

werfen lassen.“<br />

Lady Gaga in der Buckle-Jeans<br />

von Marina Hoermanseder, getragen<br />

2015 bei New Yorks Pride Parade<br />

US-Sängerin Janelle Monáe in Hoermanseder<br />

auf dem „Variety“-Cover<br />

Wie bist du damit umgegangen?<br />

Es war wie ein Wirbelwind, bei dem<br />

ich in der Mitte war. Aber im Zentrum<br />

eines Sturms ist es immer am ruhigsten.<br />

Ich habe einfach in Ruhe gemacht und<br />

gemacht und gemacht.<br />

Erzähl doch bitte, wie Lady Gaga<br />

auf dich gekommen ist.<br />

Ich gehe mit offenen <strong>Aug</strong>en durchs<br />

Leben, ich interessiere mich für Erfolgsgeschichten.<br />

Und überlege mir, was ich<br />

daraus lernen kann. Ich hatte gelesen,<br />

dass Ed Hardy (US-Tattookünstler, Anfang<br />

des neuen Jahrtausends für kurze<br />

Zeit als Designer extrem populär; Anm.)<br />

seine T-Shirts und Kappen vor Hotelzimmern<br />

deponierte, in denen Stars<br />

übernachteten. Und seine Sachen hat<br />

dann immerhin Madonna getragen. Also<br />

habe ich 2013 eine Liste mit den zehn<br />

wichtigsten Stylisten in L. A. gemacht<br />

und eine Freundin gebeten, meine Lookbooks<br />

in deren Briefkästen zu werfen.<br />

Und das hat tatsächlich funktioniert.<br />

Der Mann, der sich für Hoermanseders<br />

Entwürfe interessiert, heißt Nicola Formichetti.<br />

Er ist zu dieser Zeit auch für die<br />

Outfits von Popstar Lady Gaga verantwortlich<br />

– er ist es etwa, der der Sängerin<br />

das berühmt gewordene „Fleisch-Kleid“<br />

verpasst. Und er erkennt das Potenzial<br />

von Marina Hoermanseder.<br />

Lady Gaga schlüpft schließlich 2015 bei<br />

der Pride Parade in New York in die Buckle-<br />

Jeans der Österreicherin – Jeans, die an der<br />

Vorderseite mit Schnallen in Regenbogenfarben<br />

geschmückt sind. Stars wie Kylie<br />

Jenner, Kourtney Kardashian und Jennifer<br />

Lopez kopieren den Trend. Und Marina ist<br />

praktisch über Nacht berühmt. Ein Kinderspiel,<br />

könnte man glauben. Tatsächlich<br />

hat sie all das akribisch vorbereitet.<br />

Marina Hoermanseder absolviert<br />

ein Wirtschaftsstudium, das Vater Wilhelm,<br />

langjähriger Vorstandschef des<br />

österreichischen Industrieunternehmens<br />

Mayr-Melnhof Karton, ihr abgerungen<br />

hat. 2010 liefert sie ihre Diplomarbeit ab,<br />

belegt parallel Kurse am Central Saint<br />

Martins College of Art and Design in London<br />

und wechselt schließlich nach Berlin<br />

an die Mode-Uni ESMOD. 2012 macht sie<br />

ein Praktikum im Unternehmen des 2010<br />

verstorbenen britischen Star-Designers<br />

Alexander McQueen, das heute von<br />

Kreativ direktorin Sarah Burton geführt<br />

wird. Als sie für ihre Abschlusskollektion<br />

recherchiert, entdeckt sie orthopädische<br />

DDP IMAGES<br />

62 THE RED BULLETIN


Im Atelier von Marina Hoermanseder<br />

in Berlin. Das Schild hielt ein Model<br />

in der Herbst/Winter-2020/21-<br />

Runway-Show, die ein Strapskirt<br />

aus veganem „Ananas-Leder“ trug:<br />

„Mein Rock ist aus Ananas.“


Die Erleuchtung: Zwischen<br />

ihren Schuhen im Atelier<br />

schnappt sich Marina<br />

Hoermanseder spontan eine<br />

Neon röhre als Accessoire<br />

für das letzte Bild.


Mode<br />

PICTUREDESK.COM, MAKE-UP: SHIRIN KÜRSCHNER/NINA KLEIN<br />

Korsetts. Deren morbider Charme und das<br />

für ihre Anfertigung nötige handwerkliche<br />

Können faszinieren sie. Daraus entsteht<br />

Marina Hoermanseders Markenzeichen:<br />

der Strapskirt, ein enger Rock aus kreuz<br />

und quer übereinandergelegten Lederstreifen,<br />

die mit Schnallen verziert sind.<br />

„Mein größtes Glück ist, dass ich die<br />

Schnalle gefunden habe – daran man<br />

erkennt sofort, dass es ein Stück von mir<br />

ist. Und ich sitze nie vor einem weißen<br />

Blatt Papier. Ich arbeite immer um die<br />

Schnalle herum.“<br />

Hattest du so etwas wie einen Businessplan,<br />

also zum Beispiel: zuerst<br />

Aufsehen erregen und dann souverän<br />

den Mainstream erobern?<br />

Ich habe Wirtschaft studiert. Viele<br />

meiner Kollegen sitzen heute in den<br />

Marketingabteilungen großer Unternehmen.<br />

Und natürlich weiß ich, dass<br />

das Allerwichtigste die Ökonomie der<br />

Aufmerksamkeit ist. Andere würden<br />

sagen, ich bin der Lobbyist der Truppe.<br />

Ich bin einfach von Natur aus Netzwerkerin,<br />

aber ich gebe meinem Netzwerk<br />

auch immer etwas zurück.<br />

Warum ist das wichtig?<br />

Weil Dankbarkeit zählt. Tatsächlich habe<br />

ich einige Jobs nur bekommen, weil ich<br />

immer die Einzige bin, die sich bedankt.<br />

Man darf nicht nur verlangen – jeder,<br />

der Hilfe braucht, bekommt sie von mir<br />

auch. Ich hatte nie Berührungsängste –<br />

vielleicht, weil ich eine halbe Französin<br />

bin (ihre Mutter stammt aus Frankreich;<br />

Anm.) –, ich bin weltoffen, und es geht<br />

mir außerdem darum, Kräfte zu bündeln.<br />

Du bist für deine vielen Kooperationen<br />

bekannt – du hast etwa die Mitarbeiter<br />

von Österreichs Post neu eingekleidet.<br />

Wenn ich Kooperationen mache, stehe<br />

ich auch wirklich dahinter. Ich suche mir<br />

meine Partner ganz genau aus. Ich muss<br />

hinter dem Produkt stehen. Und ich<br />

möchte nicht das Zugpferd sein. Mein<br />

Anspruch ist es, mit jeder Kooperation<br />

meine Bekanntheit zu steigern.<br />

Deine Uhr für die Schweizer Marke<br />

Rado ist unverkennbar Marina Hoermanseder.<br />

Ich wollte schon immer eine Uhr machen,<br />

wo das Uhrband eine Schnalle ist. Dieses<br />

„Captain Cook“-Modell, das eigentlich<br />

gar nicht so feminin wirkt, ist ein echtes<br />

Statement Piece. So etwas hat es noch<br />

Hoermanseder mit Angestellten der<br />

Österreichischen Post, denen sie<br />

neuen Chic verpasst hat.<br />

Ihr jüngster Coup: eine Uhr<br />

für Rado. Rechts darüber ist die<br />

GUT‐Tätowierung zu erkennen.<br />

„Die Reaktionen auf<br />

die Hasskommentare<br />

haben gezeigt, wie<br />

sehr meine Community<br />

hinter mir steht.“<br />

Id molutet volupta turemquuntis<br />

aute none nonesto il ipiduciet quunda<br />

idis sequae. Ex el imet at.<br />

Führung durchs Atelier in Berlin:<br />

Marina trägt ihre Kreationen.<br />

nicht gegeben – und wer genau hinsieht,<br />

erkennt auch das eingravierte Strapmuster<br />

auf dem Zifferblatt.<br />

Die Uhr wird auf Marinas Instagram-<br />

Account vom Publikum übrigens<br />

begeistert aufgenommen. Auszug aus<br />

den Kommentaren: „Sieht mega aus“,<br />

„so sexy“, „… ist der Hammer“.<br />

An gleicher Stelle ist beispielsweise<br />

auch dokumentiert, wie ein Vasenkleid<br />

für Hip-Hop-Superstar Nicki Minay entsteht:<br />

Es wird gehämmert, geschliffen und<br />

gebohrt. Und wir sehen Marina erst hochschwanger<br />

und gut gelaunt im knappen<br />

Bikini durchs Bild hüpfen und später mit<br />

blankem Busen Baby Lotti stillen. Nicht<br />

immer aber ist alles eitel Wonne.<br />

Nach deinem Auftritt bei Heidi Klums<br />

TV-Show „Germany’s Next Topmodel“<br />

hast du einen heftigen Shitstorm geerntet,<br />

weil du eine der Teilnehmerinnen<br />

kritisiert hattest.<br />

Die Reaktionen auf die Hasskommentare<br />

böser Trolls (die sich unter anderem über<br />

das Stillen des Babys lustig machten;<br />

Anm.) nach dem Auftritt bei „GNTM“ haben<br />

gezeigt, wie sehr meine Community<br />

hinter mir steht. Mein Vater hat immer<br />

gesagt: „Ruhm und Ruhe sind selten<br />

Freunde.“ Man muss halt lernen, sich wie<br />

ein nasser Hund abzuschütteln.<br />

Würdest du’s wieder machen?<br />

Solche Shows machen mir die größte<br />

Freude! Natürlich würde ich wieder<br />

mitmachen und wieder den Designer<br />

raushängen lassen. Das ist ein Unterhaltungsformat<br />

– wer das nicht versteht,<br />

hat in der Branche nichts zu suchen.<br />

Letzte Frage, Marina: Warum hast du<br />

GUT auf deinem Unterarm tätowiert?<br />

(Lacht.) Da hast du nicht alles gesehen:<br />

Eine Silbe fehlt auf dem Foto. Bei einem<br />

unserer Events war auch ein Tätowierer,<br />

und ich habe meine Mitarbeiterinnen<br />

nach einem Wort gefragt, das ich immer<br />

sage – eines, das sie mit mir verbinden.<br />

„Urgut“, haben sie gesagt. Und das steht<br />

da jetzt auch, in Großbuchstaben.<br />

Urgut, das ist die in diesem Fall bessere<br />

Version von Gut. Ein Gut mit <strong>Aug</strong>enzwinkern.<br />

Und Selbstironie ist nur eine Eigenschaft,<br />

die Marina vergessen hat, in ihrer<br />

Persönlichkeitsbeschreibung zu erwähnen.<br />

Mehr Marina: @marinahoermanseder<br />

THE RED BULLETIN 65


Die Zukunft<br />

des Surfens<br />

ist afrikanisch<br />

Über den blauen <strong>Aug</strong>en blonder Wellenreiterstars vergaß die Welt,<br />

dass dunkelhäutige Menschen in Polynesien diesen Sport erfunden<br />

hatten. Dann kamen die Brasilianer und verärgerten die Beach-Eliten<br />

mit ihrer leidenschaftlichen Exzellenz. Jetzt zieht der „African Storm“<br />

auf und erfindet das Surfen neu – mit Krügen voller Ozeanwasser<br />

im Wohnzimmer und dem Zauber, der aus der Schönheit<br />

des Nichtbesserwissens erblüht.<br />

Text FLORIAN OBKIRCHER<br />

TATE DRUCKER, NICOLE SWEET


Surfen<br />

Zwei Helden aus dem Buch<br />

„Afrosurf“, das Afrikas neue<br />

Surfszene vorstellt: Sung<br />

Min Cho (linke Seite) ist<br />

drauf und dran, Mosambiks<br />

erster Profisurfer zu werden.<br />

Diese Seite: Der Senegalese<br />

Cherif Fall ist der erste<br />

schwarze Surfer,<br />

der die West Africa Tour<br />

zweimal gewonnen hat.<br />

67


Surfen<br />

Es<br />

gibt da in der legendären Surfer-Doku<br />

„The Endless Summer“ aus dem Jahr<br />

1966 eine ziemlich bezeichnende Szene:<br />

Die Helden des Films, die US-Surfer<br />

Mike Hynson und Robert <strong>Aug</strong>ust, unternehmen<br />

eine Weltreise auf der Suche<br />

nach der perfekten Welle. Auf ihrem Weg<br />

durch Afrika machen sie in Ghana Sta tion.<br />

Am Labadi Beach holen sie die Surfbretter<br />

raus und ziehen vor scheinbar<br />

verblüfften Einheimischen eine Show ab,<br />

dass denen die Kinnlade runterfällt.<br />

So suggeriert der Film, dass die Ghanaer<br />

so etwas noch nie zuvor gesehen<br />

hätten. Aber wer genau hinschaut, erkennt<br />

bei der Ankunft von Hynson und<br />

<strong>Aug</strong>ust am Strand im Hintergrund ein<br />

paar Burschen, die auf Schwemmholz<br />

die Wellen reiten – was in der Doku<br />

jedoch niemals angesprochen wird.<br />

Eine Beobachtung, die Teil eines<br />

größeren Problems ist: Die Surfkultur<br />

wurde praktisch von Anfang an über<br />

Bilder von blonden Menschen mit blauen<br />

<strong>Aug</strong>en definiert. Das Anfang des Jahres<br />

erschienene Buch „Afrosurf“ will dieses<br />

Narrativ nun korrigieren – Herausgeber<br />

sind unter anderen Selema Masekela, 49,<br />

US-amerikanischer TV-Moderator und<br />

Surfer mit südafrikanischen Wurzeln<br />

(Selema ist Sohn der südafrikanischen<br />

Jazz-Legende Hugh Masekela), sowie<br />

das Team der afrikanischen Surfmarke<br />

Mami Wata. Zum ersten Mal wird darin<br />

die Surfbewegung Afrikas umfassend<br />

dokumentiert – von Marokko bis Somalia,<br />

vom Senegal über Mosambik bis<br />

Südafrika.<br />

Mit über 200 Fotos, 25 Porträts der<br />

besten afrikanischen Surfer und 14 kulturwissenschaftlichen<br />

Texten stellt das<br />

Buch die üblichen Surfklischees infrage.<br />

Nur ein Beispiel unter vielen: Entgegen<br />

einer weit verbreiteten Meinung war<br />

es nicht ein Botaniker in Diensten des<br />

Dass es so etwas wie<br />

eine afrikanische Surfszene<br />

gibt, zeigte erstmals<br />

die Doku „Sliding<br />

Liberia“ (2007). Sie<br />

beschäftigte sich mit<br />

dem lokalen Pionier<br />

Alfred Lomax (hier auf<br />

der Welle) und begeisterte<br />

mit Bildern von<br />

unberührten Stränden.<br />

68 THE RED BULLETIN


„Es war doch immer so:<br />

Um als Surfer ernst genommen<br />

zu werden, musstest du blonde<br />

Haare und blaue <strong>Aug</strong>en haben.“<br />

ARTHUR BOURBON<br />

THE RED BULLETIN 69


Der südafrikanische<br />

Big-Wave-Surfer<br />

Grant „Twiggy“ Baker<br />

in seinem Element. Er<br />

meint: „In 20 Jahren<br />

gibt es mindestens<br />

so viele schwarze<br />

Weltklasse-Surfer wie<br />

jetzt brasilianische.“


Surfen<br />

MARTIN CAPRILE<br />

Weltumseglers Captain James Cook,<br />

der 1767 in Tahiti zum ersten Mal in der<br />

Geschichte einen Surfer beobachtete;<br />

tatsächlich stammt die erste erhaltene<br />

Aufzeichnung aus den 1640ern aus jenem<br />

Gebiet, auf dem sich heute Ghana<br />

befindet. Im Interview erklärt Selema<br />

Masekela, wie es zum Erblühen des<br />

Surfens in Afrika kam und warum es<br />

nur eine Frage der Zeit ist, bis Afrikaner<br />

die weltweite Szene aufmischen.<br />

the red bulletin: Herr Masekela,<br />

was hat Sie zu Ihrem Buch „Afrosurf“<br />

über Afrikas Surfkultur inspiriert?<br />

selema masekela: Mein Vater hat sich<br />

auf dem Totenbett gewünscht, dass ich<br />

seine Arbeit fortsetze – die Beziehung<br />

der Leute zum afrikanischen Kontinent<br />

zu fördern und ihren Eifer, ihn zu entdecken.<br />

Nach seinem Tod 2018 dachte<br />

ich darüber nach, wie ich dieses Vermächtnis<br />

einlösen würde. Ich wollte die<br />

Sache über das Surfen anlegen. Wir begannen<br />

zu diskutieren, wie Surfen als<br />

ein Brennglas einsetzbar wäre, um die<br />

Schönheit Afrikas zu zeigen: Bilder, die<br />

noch niemand gesehen hatte, und Geschichten,<br />

die noch nie erzählt wurden.<br />

Warum hat die Welt dieses Buch<br />

gebraucht?<br />

Seit ich denken kann, zeigen 99,9 Prozent<br />

der gängigen Surfbilder Menschen, die<br />

keine große Ähnlichkeit mit mir hatten.<br />

Es war doch immer so: Um als Surfer<br />

ernst genommen zu werden, musstest du<br />

blonde Haare und blaue <strong>Aug</strong>en haben.<br />

Das ist das sichtbare Erkennungszeichen<br />

von Surfern – ungeachtet der Tatsache,<br />

dass das Surfen von Süd-Polynesiern<br />

erfunden wurde …<br />

… und von Afrikanern auf dem Gebiet<br />

des heutigen Ghana, wie wir im Buch<br />

lernen. Wie konnte dieser wichtige<br />

„Wir wollten<br />

das Surfen als<br />

Brennglas einsetzen,<br />

um die Schönheit<br />

Afrikas zu zeigen.“<br />

Der US-amerikanische TV-Moderator Selema Masekela ist einer der Herausgeber des<br />

Buchs „Afrosurf“, das erstmals die gesamte Wellenreiterszene Afrikas dokumentiert.<br />

Es ist das Ergebnis eines Versprechens, das er seinem Vater auf dem Totenbett gab.<br />

Aspekt so lange ignoriert werden,<br />

sogar innerhalb der Szene?<br />

Da gibt es all diese merkwürdigen Methoden,<br />

mit denen die Geschichte weißgewaschen<br />

und so verändert wird, damit<br />

es so aussieht, als ob ein bestimmter Teil<br />

der Menschheit die Dinge erfunden hat,<br />

weil er großartiger, talentierter und von<br />

Gott gesegnet ist. Lauter Dinge, von denen<br />

wir überzeugt worden sind, richtig?<br />

Das hat zu einer Menge Missverständnissen<br />

geführt: Ich sehe immer wieder die<br />

Reaktionen von Menschen auf Bilder, die<br />

Afrikaner beim Surfen auf hohem Niveau<br />

zeigen. Ungefähr so: „Hä?“ Als ich seinerzeit<br />

surfen lernte, fragten mich die Leute:<br />

„Wie kann es sein, dass du surfen lernst,<br />

wenn Menschen wie du doch nicht einmal<br />

schwimmen können?“ Wenn du dir<br />

Surfvideos anschaust: Die Mehrzahl von<br />

ihnen wurzelt in der Idee, dass weiße<br />

Menschen exotische Gegenden aufsuchen<br />

und unglaubliche Wellen reiten,<br />

während die Einheimischen am Strand<br />

stehen und ihnen ungläubig zuschauen.<br />

Der Film „The Endless Summer“ ist das<br />

klassische Beispiel dafür.<br />

Hatten Sie vor, die Praxis des Weißwaschens<br />

in der Geschichte des Surfens<br />

aufzudecken?<br />

Unsere Absicht war es nicht, zu sagen:<br />

„Hey, alles, was sie dir bis jetzt übers<br />

Surfen erzählt haben, ist eine Lüge.“<br />

Wir wollen nur den Blickwinkel dafür<br />

erweitern, wie wir den Surfsport wahrnehmen,<br />

und darüber hinaus einen<br />

Einblick in den Reichtum Afrikas bieten.<br />

Dieses Buch ist eigentlich nur ein kleiner<br />

Kratzer an der Oberfläche.<br />

THE RED BULLETIN 71


Surfen<br />

Mitglieder des 2012 ins Leben gerufenen Bureh Beach Surf Club in Sierra Leone. „Nur<br />

wenige wussten damals, was Surfen ist“, sagt Mitgründer Jahbez Benga (nicht im Bild).<br />

Der südafrikanische Surfprofi Grant<br />

„Twiggy“ Baker meint, dass das Surfen<br />

in Afri ka soeben im Begriff ist, zu<br />

explodieren – so wie die brasilianische<br />

Szene vor zehn Jahren. Sehen Sie das<br />

auch so?<br />

Total. Der „Brazilian Storm“ war etwas,<br />

was das Mainstream-Surfen nicht kommen<br />

gesehen hat. Die Brasilianer wurden<br />

immer als Belästigung gesehen, weil sie<br />

kulturell anders waren. Das Maß ihrer<br />

Leidenschaft fürs Surfen war anders, und<br />

die Leute verstanden nicht, wie sie plötzlich<br />

auf der Weltbühne auftauchten. Als<br />

der Sturm 2011 ankam, drehte er alles.<br />

Es war sehr schierig für die Surf-Community,<br />

das zu verdauen und die Dominanz<br />

und das Leistungsniveau zu akzeptieren,<br />

das die Brasilianer brachten – bis zu<br />

dem Punkt, an dem sie sich für ihren Stil<br />

entschuldigen sollten. Ich hätte damals<br />

nicht gedacht, dass brasilianische Surfer<br />

je Teil der globalen Teams der größten<br />

Marken der Welt sein würden, aber heute<br />

beherrschen sie die World Surf League<br />

Championship Tour … Ich glaube, der<br />

„African Storm“ entwickelt sich gerade.<br />

Afrika hat die jüngste Bevölkerung und<br />

ist ein riesiger Kontinent. Es ist nicht die<br />

Frage, ob der afrikanische Profisurfer-<br />

Sturm kommt, sondern nur, wann.<br />

Warum passiert das erst heute und<br />

nicht schon vor zehn Jahren?<br />

„Wenn ich früher<br />

mit einem Board in<br />

die Hotellobby kam,<br />

erstarrten alle.“<br />

Das ist die 15-jährige Senegalesin Aita Diop.<br />

Ihre Fähigkeiten auf dem Board brachten ihr ein<br />

Stipendium der International Surfing Association.<br />

Für talentierten Nachwuchs in der beständig<br />

wachsenden Szene ist jedenfalls gesorgt.<br />

Weil es heute Vorbilder gibt. 2018 war<br />

der Südafrikaner Mikey February der<br />

erste nicht weiße Surfer auf der World<br />

Tour. Das öffnete die Tür sowohl für afrikanische<br />

Kids überall auf dem Kontinent<br />

als auch für schwarze Surfer auf der ganzen<br />

Welt. Vor Mikey wussten sie nicht,<br />

dass es überhaupt möglich war, so auszusehen<br />

und das zu machen. In ganz<br />

Afrika wurde Surfen historisch als ein<br />

Sport für Weiße gesehen.<br />

Warum denn das?<br />

In Südafrika zum Beispiel wurde Surfen<br />

durch die Apartheid eindeutig geregelt.<br />

Ich erinnere mich noch daran, dass ich<br />

1991 am North Beach von Durban verhaftet<br />

werden sollte. Das war nach der<br />

Aufhebung des Segregationsgesetzes<br />

(das den verschiedenen Rassen zwischen<br />

1951 und 1991 unterschiedliche Wohngebiete<br />

zuwies), also rein technisch war<br />

meine Anwesenheit dort erlaubt. Aber<br />

der Umstand, dass ich dort war und mir<br />

nichts, dir nichts „ihr Ding“ machte, hat<br />

die Cops dermaßen aufgeregt, dass sie<br />

mich drei Tage lang beobachtet haben,<br />

bevor sie irgendeinen lächerlichen<br />

Grund fanden, um mich festzunehmen.<br />

So war das damals. Ich erinnere mich<br />

noch daran, wie ich mit einem Surfboard<br />

aus dem Aufzug in die Hotellobby kam<br />

und alle in der Sekunde erstarrten. Sie<br />

glotzten mich an und bewegten sich<br />

nicht mehr. Es war ein Anblick, den sie<br />

nie im Leben erwartet hatten.<br />

Und das ist nur dreißig Jahre her …<br />

Sogar im Südafrika von heute gibt es<br />

noch eine Menge Leute, die an eine<br />

Wohltätigkeitssache glauben, wenn sie<br />

schwarze Kids surfen sehen – eine Aktion<br />

des guten Willens. Es ist, als würden sie<br />

eine Tür aufhalten, um sie hereinzulassen<br />

– dabei gehört das Surfen genauso gut<br />

uns wie ihnen.<br />

Im Buch sagen viele Surfer, dass ein<br />

besonderes Kennzeichen der afrikanischen<br />

Surfkultur darin besteht, dass<br />

es keine gibt. Dass sie sie erfinden,<br />

während sie surfen.<br />

Das ist richtig. Die Abwesenheit von Magazinen<br />

oder einer Gehirnwäsche über<br />

Generationen – in der Art von „Du musst<br />

das so und so machen, sonst machst<br />

MAGNUS ENDAL, DJIBRIL DRAME<br />

72 THE RED BULLETIN


South-African-Open-<br />

Champion Joshe<br />

Faulkner zeigt, was er<br />

kann. „Ein schwarzer<br />

Surfer zu sein be deu tet<br />

mir eine Menge“,<br />

sagt er, „gerade weil<br />

es ein von Weißen<br />

dominierter Sport ist.“<br />

„Es ist nicht die Frage, ob der<br />

afrikanische Profisurfer-Sturm kommt,<br />

sondern nur, wann.“<br />

MARTIN CAPRILE ,DJIBRIL DRAME, ALAN VAN GYSEN<br />

Auf 30.500 Kilometern<br />

Küste gibt es natürlich<br />

auch den einen oder<br />

anderen Geheimtipp:<br />

hier ein nahezu jungfräulicher<br />

Traumstrand<br />

im Süden Angolas mit<br />

drei Kilometern Wellen.<br />

THE RED BULLETIN 73


Surfen<br />

Der Südafrikaner<br />

Mikey February, 28,<br />

scha≠te es 2018<br />

als erster Schwarzer,<br />

sich für die World Surf<br />

League Champion ship<br />

Tour zu qualifizieren.<br />

Er ist der Held von<br />

Legionen afrikanischer<br />

Jugendlicher.


„Der Zauber beginnt, wenn dir niemand<br />

diktiert, was richtig oder falsch ist.“<br />

In einem Essay schreibt der südafrikanische<br />

Surfstar Mikey February:<br />

„Ich habe das Gefühl, dass die afridu<br />

es nicht richtig“ erlaubt einen völlig<br />

anderen Zugang. Die Schönheit des<br />

Nichtbesserwissens ist genau der Punkt,<br />

wo der Zauber passiert. In der Kunst, in<br />

der Musik und überhaupt im Leben ist es<br />

ja dasselbe: Keine Instanz zu haben, die<br />

dir diktiert, was richtig oder falsch ist,<br />

war immer schon der Schlüssel, um kulturverändernde<br />

Momente zu schaffen.<br />

ALAN VAN GYSEN, YORIYAS YASSINE ALAOUI ISMAILI<br />

Wenn man sich die Porträts der<br />

afrikanischen Surfhelden anschaut,<br />

scheint es einen roten Faden zu geben:<br />

die spirituelle Verbindung zum Meer.<br />

Diese Idee des Surfens als sexy Freizeitvergnügen<br />

existiert in der afrikanischen<br />

Kultur nicht; stattdessen gibt es eine<br />

starke Verehrung für den Ozean. Als<br />

mein Vater jung war und damit anfing,<br />

Konzertreihen in den südafrikanischen<br />

Townships zu spielen, hat ihn meine<br />

Oma gebeten, Krüge mit Ozeanwasser<br />

aus bestimmten Regionen mitzubringen,<br />

das war ihr einziger Wunsch. Sie hat<br />

diese Krüge auf einem Regal im Wohnzimmer<br />

aufgehoben. Mein Vater hat auch<br />

einen Song mit dem Titel „Mami Wata“<br />

geschrieben – eine Ode an die spirituelle<br />

Energie des Ozeans.<br />

Hat dieser spirituelle Aspekt irgendeine<br />

Auswirkung auf den Zugang der<br />

Leute zum Surfen?<br />

Die Gemeinschaft und die Nähe in indigenen<br />

Kulturen sind einzigartig. Im Fall<br />

Südafrikas besteht etwa die Ubuntu-<br />

Philosophie darin, dass das Teilen alle<br />

Menschen miteinander verbindet. Wenn<br />

du das auf die Einstellung zum Surfen<br />

überträgst, kommst du zu völlig anderen<br />

Ergebnissen als die Surfer anderswo.<br />

Glauben Sie, dass Sie dieser Sinn<br />

für Gemeinschaft zu einem besseren<br />

Surfer gemacht hat?<br />

Wenn du dir die weltbesten Surfer – ganz<br />

egal, welcher Hautfarbe und Kultur – anschaust,<br />

dann hatten viele von ihnen mit<br />

Widrigkeiten zu kämpfen. Sie mussten<br />

Hindernisse überwinden, um gut zu<br />

werden. Kelly Slater hatte ein kaputtes<br />

Elternhaus, mit Alkoholismus in seiner<br />

Familie, also wurde das Surfen zu seiner<br />

Oase. Oder schau dir die Geschichten<br />

dieser brasilianischen Surfer an: Viele<br />

von ihnen kommen aus den sehr starken<br />

Ramzi Boukhiam vertritt Marokko bei den Spielen in Tokio. „Wir sind eine Surfnation“,<br />

sagt er. „Wir haben 3000 Kilometer Küste mit Weltklassewellen.“<br />

Gemeinschaften ihrer Favelas, nicht? Sie<br />

haben es alle geschafft, wirtschaftliche<br />

Krisen zu überwinden. Wenn wir lernen,<br />

unsere Kultur mit unserem Talent, harter<br />

Arbeit und Chancen zu verbinden, dann<br />

werden wir aufsteigen.<br />

Wie sehen Sie die Zukunft der<br />

afri kanischen Surfkultur?<br />

Das wird davon abhängen, wie die Surf-<br />

Communitys quer über den ganzen Kontinent<br />

ihre eigene Definition von Surfkultur<br />

hinkriegen – von der Gründung<br />

von Marken, die Menschen weltweit<br />

ansprechen, bis zur Neuausrichtung des<br />

Surftourismus. Im <strong>Aug</strong>enblick wird die<br />

Szene noch von Amerikanern und Australiern<br />

dominiert, die nach Afrika gehen<br />

und dort Einheimische engagieren – sie<br />

bestimmen, wie die Geschäfte laufen.<br />

Doch was wäre, wenn das Business<br />

von Afrikanern geführt werden würde –<br />

anstatt dass Ausländer diese Wir-obenihr-unten-Situation<br />

schaffen? Das wäre<br />

eine riesige Chance für Einheimische,<br />

ihre eigene Version solcher Betriebe<br />

aufzubauen und zu gestalten.<br />

kanischen Surf-Communitys in Zukunft<br />

viele Menschen auf der ganzen<br />

Welt beeinflussen werden.“ Stimmen<br />

Sie dem zu?<br />

Ja. Mikey sagt, dass die afrikanische Art,<br />

Dinge auszudrücken, sehr roh und ehrlich<br />

ist. Da gibt es keine hohlen Phrasen,<br />

und niemand versucht, andere zu beeindrucken.<br />

Das ist ganz wichtig, denn all<br />

deine Erfahrungen an Land prägen dich,<br />

wenn du auf dem Board stehst. Das ist<br />

es, was du ausstrahlst – das Essen, die<br />

Musik, das Tanzen. Kultur und Tradition.<br />

All diese Dinge, die für deine Kultur<br />

einzigartig sind, prägen dich auch beim<br />

Surfen. Das ist auch der Grund für die<br />

Ausstrahlung der Brasilianer und dass<br />

die Menschen in Tahiti tanzen, wie sie<br />

tanzen. Im Wesentlichen ist es das, was<br />

dem Surfen seinen Reichtum verleiht,<br />

seine Tiefe und seine Vielfalt. Das ist es,<br />

was Surfen so cool macht.<br />

„Afrosurf“,<br />

320 Seiten,<br />

Ten Speed Press,<br />

z. B. bei Amazon<br />

um ca. 33 Euro.<br />

mamiwatasurf.com/<br />

pages/afrosurf<br />

THE RED BULLETIN 75


Gehirnforschung<br />

Liebe<br />

ist stärker<br />

als Kokain<br />

Das Gehirn hat den Menschen<br />

zum intelligentesten Lebewesen<br />

der Erde gemacht. Aber nicht klug genug,<br />

um die Funktionsweise dieses Organs<br />

vollständig zu verstehen. Die deutsche<br />

Therapeutin Anja Hussong und der<br />

Schweizer Wissenschaftler Philipp<br />

Stämpfli arbeiten in unter schiedlichen<br />

Fachrichtungen mit dem Gehirn:<br />

Hier erklären sie, warum wir beim<br />

Duschen Lösungen finden, uns Laufen<br />

beim Erinnern hilft und Liebe stärker<br />

wirkt als jede Droge.<br />

Text WOLFGANG WIESER<br />

Illustrationen JOCHEN SCHIEVINK<br />

76 THE RED BULLETIN


KUNSTWERK IM KOPF<br />

Mittels Magnetresonanz lässt sich das Netzwerk<br />

der Nervenfasern im Gehirn darstellen.<br />

Neben ihrer wissenschaft lichen und therapeutischen<br />

Arbeit erschaffen die beiden<br />

Forscher Anja Hussong und Philipp Stämpfli<br />

aus solchen Aufnahmen bunte Gehirn-<br />

Kunstwerke wie dieses Exemplar.<br />

BRAINPICS GMBH<br />

THE RED BULLETIN 77


So arbeitet<br />

unser Gehirn<br />

2<br />

Wie Gehirntraining<br />

dabei hilft, vernünftig<br />

mit Geld umzugehen<br />

... oder warum wir Lotto spielen,<br />

obwohl wir statistisch betrachtet<br />

450.000 Jahre spielen müssten,<br />

um eine 95-prozentige Chance<br />

auf einen Jackpot zu haben.<br />

FORSCHER & THERAPEUTIN<br />

MIT GEMEINSAMER MISSION<br />

Philipp Stämpfli und Anja Hussong<br />

machen die Schönheit des Gehirns<br />

sichtbar. Mit Wissenschaft und Kunst.<br />

Die Mission von Anja<br />

Hussong und Philipp<br />

Stämpfli ist es, „die Schönheit<br />

und Einzigartigkeit<br />

des menschlichen Gehirns<br />

in die Welt zu tragen“.<br />

Hussong ist Neurofeedback-Therapeutin,<br />

Stämpfli<br />

ist Informatikingenieur<br />

und leitet das Zentrum<br />

für Magnet resonanz-<br />

Bildgebung an der<br />

Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich,<br />

zudem ist er Hypnosetherapeut. Gemeinsam<br />

haben sie die Firma BrainPics gegründet.<br />

Das Ziel des Unternehmens ist,<br />

mit Hilfe eines komplexen Verfahrens,<br />

der sogenannten diffusionsgewichteten<br />

Bildgebung, die Schönheit der Struktur<br />

der Nervenfaserverbindungen sichtbar<br />

zu machen – gern auch vom Gehirn<br />

der Kunden. Diese Netzwerke steuern<br />

unsere Denkleistung, Konzentration und<br />

Gefühle. Was dabei so abgeht? Hier sind<br />

neun Beispiele aus der Hirnforschung.<br />

1<br />

Warum wir<br />

unter der<br />

Dusche<br />

oft die<br />

besten<br />

Ideen haben<br />

Die Erklärung: Duschen ist wie ins Kaminfeuer<br />

starren – man erreicht einen<br />

fast hypnotischen Zustand. Das Unterbewusstsein<br />

liefert Antworten, die<br />

rational (noch) nicht greifbar wären.<br />

Im Detail: Warmes Wasser umhüllt<br />

den Körper. Die Muskeln entspannen<br />

sich. Der Duft der Seife bahnt sich<br />

durch die Nase den Weg in den<br />

Mandelkern (Amygdala) im Zentralgehirn.<br />

Er wandelt Wahrnehmungen<br />

in Gefühle um und weckt Erinnerungen.<br />

Das Gehirn produziert vermehrt<br />

beruhigende Alpha-Theta-Wellen.<br />

Schließen wir jetzt noch die <strong>Aug</strong>en,<br />

aktiviert sich das „Default Mode“-<br />

Netzwerk (Ruhenetzwerk). Die Ablenkung<br />

von außen wird verringert,<br />

der Geist findet Zugang zum Unterbewusstsein<br />

– plötzlich tauchen Antworten<br />

auf Fragen oder Lösungen<br />

auf, die vorher nicht greifbar waren.<br />

Die Erklärung: Mittels Neurofeedback<br />

lässt sich der Frontalkortex (Stirnhirnlappen)<br />

trainieren, er ist für die Impulskontrolle<br />

zuständig. Weil wir Menschen<br />

aber grundsätzlich Opti misten<br />

sind, probieren wir das Lottospielen<br />

ent gegen besserem Wissen trotzdem<br />

immer wieder – die Verlockung<br />

des schnellen Gewinns ist zu groß.<br />

Im Detail: Es gibt Untersuchungen, die<br />

zeigen, dass die meisten Menschen<br />

eher davon ausgehen, zu denen zu<br />

gehören, denen etwas Gutes widerfährt<br />

– etwa ein Lottogewinn. Gleichzeitig<br />

wird die Möglichkeit, dass<br />

einem etwas Schlimmes passiert, als<br />

eher unwahrscheinlich eingeschätzt.<br />

Dabei spielt der Frontalkortex eine<br />

große Rolle. Er ist sozusagen die<br />

letzte Instanz in der Netzwerkreihe<br />

des Gehirns und entscheidet, ob<br />

eine Handlung ausgeführt wird oder<br />

nicht. Eine Unteraktivierung des<br />

Frontalkortex kann dazu führen, dass<br />

jemand spielt, obwohl es kein logisches<br />

Argument dafür gibt. Ein gezieltes<br />

Neurofeedback-Training zur<br />

verstärkten Aktivierung des Frontalkortex<br />

kann helfen, den Impuls zum<br />

Spielen zu kontrollieren. Besse re<br />

Impulskontrolle hilft übrigens bei<br />

allen Süchten. Vorteil: Der Frontalkortex<br />

ist sehr lernfreudig – weil wir<br />

dabei Lust empfinden.<br />

BRAINPICS GMBH<br />

78 THE RED BULLETIN


Gehirnforschung<br />

3<br />

Warum uns<br />

zu viele<br />

Drinks<br />

geschwätzig<br />

machen<br />

Die Erklärung: Alkohol bringt vor<br />

allem zwei Botenstoffe im Gehirn<br />

ins Ungleichgewicht – und das<br />

lockert unsere Zunge.<br />

Im Detail: Alkohol aktiviert den Botenstoff<br />

GABA (Gamma-Aminobuttersäure).<br />

Wir fühlen uns entspannter.<br />

Gleichzeitig wird der Botenstoff<br />

Glutamat, der für das „schnelle<br />

Denken“ zuständig ist, blockiert.<br />

Enthemmt und denkfaul – schon ist’s<br />

passiert: Wir plaudern ein Geheimnis<br />

aus, das sonst niemals über unsere<br />

Lippen gekommen wäre.<br />

Wir können unser<br />

Hirn mit Dauerläufen<br />

trainieren. Körperliche<br />

Anstrengung<br />

lässt die Zellen<br />

im Hippocampus<br />

wach sen. Das<br />

steigert Kurz- und<br />

Langzeit gedächtnis.<br />

4Wie ein<br />

übereifriges Gehirn<br />

Ehen gefährden kann<br />

Die Erklärung: Das zum limbischen<br />

System gehörende Cingulum (Teil<br />

des Frontalhirns) steuert das Sozialverhalten.<br />

Ist es zu aktiv, werden<br />

wir nachtragend, unkooperativ und<br />

grantig. Und das hat noch keiner<br />

Beziehung gutgetan.<br />

Im Detail: Das Cingulum ist verantwortlich<br />

für die kognitive Flexibilität<br />

und die soziale Anpassung an den<br />

Alltag, entscheidet über die Kooperationsbereitschaft<br />

und die Fähigkeit,<br />

Chancen zu erkennen und zu ergreifen.<br />

Ist dieser Bereich über- oder<br />

unteraktiviert, kann es zu Problemen<br />

im täglichen Miteinander kommen.<br />

Diese Menschen neigen dazu, sich<br />

ständig zu sorgen, sind nachtragend,<br />

unflexibel und zwanghaft – Eigenschaften,<br />

die zu Problemen in Beziehungen<br />

führen können. Ein<br />

Ansatz zur Abhilfe kann Neurofeedback<br />

sein. Wichtige Voraussetzung:<br />

der Wille, wirklich etwas zu ändern.<br />

5<br />

Warum Laufen<br />

Erinnerungen bewahrt<br />

Die Erklärung: Eine Studie hat gezeigt,<br />

dass der Hippocampus, die zentrale<br />

Schaltstelle des limbischen Systems,<br />

mit Dauerläufen trainiert werden<br />

kann. Gut in Form, macht er höhere<br />

Denkleistungen möglich und hat ein<br />

stärkeres Erinnerungsvermögen.<br />

Im Detail: Der Hippocampus ist das<br />

Zentrum für Erinnerungen aus dem<br />

Kurz- und Langzeitgedächtnis. In<br />

ihm wird bei Erwachsenen auch das<br />

Protein BDNF (Brain-Derived Neurotrophic<br />

Factor) gebildet. Eine Studie<br />

zeigte, dass ein niedriger BDNF-<br />

Spiegel mit einem kleineren Hippocampus<br />

verbunden sein kann. Dies<br />

lässt den Rückschluss zu, dass ein<br />

kleinerer Hippocampus mit schlechteren<br />

Gedächtnisleistungen einhergeht.<br />

Die Bildung des BDNF wird unter<br />

anderem angeregt, wenn Muskeln<br />

sich zusammenziehen. Das heißt:<br />

Körperliche Anstrengung lässt die<br />

Gehirnzellen im Hippocampus wieder<br />

wachsen und optimiert so seine<br />

Leistung im Kurz- und im<br />

Langzeit gedächtnis.<br />

THE RED BULLETIN 79


Gehirnforschung<br />

6<br />

Wie wir<br />

uns zum<br />

Traumjob<br />

denken<br />

Die Erklärung: Glaube kann Berge<br />

versetzen – das stimmt tatsächlich.<br />

Eine präzise Vorstellung wird vom<br />

Gehirn als wahr betrachtet und führt<br />

dazu, dass zum Beispiel der Traumjob<br />

Wirklichkeit wird.<br />

Im Detail: Jeder Gedanke, der intensiv<br />

genug ist, löst im Gehirn die Ausschüttung<br />

von Nervenbotenstoffen<br />

(Neurotransmittern) aus. Bei negativen<br />

Gedanken erzeugen sie Stress,<br />

bei positiven machen sie uns zu erfolgreichen<br />

Menschen. Aus diesem<br />

Grund gilt: „Achte auf deine Gedanken<br />

– sie erzeugen deine Welt!“<br />

Für die Ausschüttung der Botenstoffe<br />

spielt es erstaunlicherweise keine<br />

Rolle, ob wir uns eine Situation nur<br />

vorstellen oder sie echt erleben, denn<br />

das Unterbewusstsein kann nicht zwischen<br />

Fiktion und Fakten, zwischen<br />

Traum und Wirklichkeit unterscheiden.<br />

Eine im Unterbewusstsein verankerte<br />

Vorstellung wird auf die Art<br />

zur „persönlichen Wahrheit“. Jeder<br />

Gedanke hinterlässt im Gehirn eine<br />

Gedächtnisspur – ein Muster, das abgerufen<br />

und verfestigt wird, je öfter<br />

wir diese Spur benutzen. Denken wir<br />

uns also nur oft genug in unseren<br />

Traumjob (und tun natürlich auch<br />

etwas dafür, dass wir dort gebraucht<br />

werden), steigert das die Chancen,<br />

diese Stelle tatsächlich zu bekommen.<br />

Genau so verwurzeln sich auch andere<br />

Glaubenssätze, positive wie – aufgepasst!<br />

– negative: Die Sätze „Du<br />

taugst nichts“, „Das schaffst du nie“,<br />

„Du bist zu dick“ können so zur fixen<br />

Idee und in der Folge wahr werden.<br />

7Warum Multitasking<br />

Blödsinn ist (und<br />

trotzdem ans Ziel<br />

führen kann)<br />

Die Erklärung: Multitasking funktioniert<br />

nicht, sagt die Hirnforschung.<br />

Wer trotzdem alles gleichzeitig macht,<br />

wünscht sich vermutlich unbewusst<br />

eine Änderung seines Lebens.<br />

Im Detail: Wer mehrere Dinge zur<br />

gleichen Zeit macht, schenkt keiner<br />

von ihnen die nötige Aufmerksamkeit.<br />

Das führt zu Schlampereien und<br />

Fehlern. Im Wiederholungsfall wird<br />

womög lich der Chef reagieren – etwa<br />

mit Versetzung oder Kündigung<br />

– und so für die unbewusst herbeigesehnte<br />

Veränderung sorgen.<br />

8Warum Verliebtsein<br />

stärker (und gesünder)<br />

als jede Droge ist<br />

Die Erklärung: In der Verliebtheitsphase<br />

werden vom Gehirn die gleichen<br />

Neurotransmitter ausgeschüttet<br />

wie beim Kokainkonsum. Die Folge:<br />

das gleiche Hochgefühl, aber ohne<br />

die gesundheitlichen Risiken.<br />

Im Detail: Die ersten Auswirkungen<br />

von Sich-Hals-über-Kopf-Verlieben<br />

und dem Konsum von Kokain sind<br />

recht ähnlich. Man spürt unfassbare<br />

Euphorie, mitunter Appetitlosigkeit<br />

und überbordende Motivation –<br />

das ist bei Liebe und Droge gleich.<br />

Nervenbotenstoffe (Neurotransmitter)<br />

lassen sich also durch einen<br />

anderen Menschen oder mit Chemie<br />

beeinflussen. Die Liebe schädigt<br />

allerdings nachweislich weder die<br />

Herzwände noch die Organe, und<br />

irgendwann stabilisiert sich auch<br />

der Schlaf rhythmus wieder.<br />

Ein verliebtes Gehirn schüttet<br />

die gleichen Neurotransmitter<br />

aus wie beim Drogenkonsum.<br />

Aber ohne Risiko für die Gesundheit.<br />

80 THE RED BULLETIN


9<br />

Wie wir<br />

der Angst<br />

die Kraft<br />

nehmen<br />

Die Erklärung: Angstzustände werden<br />

oft durch eine falsche „Programmierung“<br />

im Unterbewusstsein verursacht<br />

– und sind durchaus behandelbar.<br />

Im Detail: Das Unterbewusstsein ist<br />

leider – im Gegensatz zum Bewusstsein<br />

– nicht rational und analytisch,<br />

sondern stellt oft Verknüpfungen her,<br />

die nicht logisch sind. Solche „Fehlprogrammierungen“<br />

können Ängste,<br />

aber auch Blockaden, Suchtverhalten,<br />

Allergien oder andere körperliche<br />

Symptome auslösen, deren Ursache<br />

analytisch nicht zu ergründen ist.<br />

Durch moderne Hypnosetherapie<br />

kann jedoch der Ursprung des Angstgefühls<br />

aufgedeckt und neutralisiert<br />

werden. Das Ergebnis der Veränderung<br />

ist messbar, indem man beispielsweise<br />

die Hirnleistung in einem<br />

bestimmten Netzwerk in gewissen<br />

Situationen vor und nach einer<br />

Therapie misst. Ein Trauma kann<br />

innerhalb weniger Millisekunden<br />

entstehen – aber mit einer Therapie<br />

auch ebenso schnell aufgelöst<br />

werden.<br />

BRAINPICS GMBH<br />

GEHIRNE ABSTRAKT<br />

Zwei weitere Magnetresonanz-Kunstwerke<br />

von Hussong und Stämpfli. Wer sein eigenes<br />

Gehirn als Bild an die Wand hängen will,<br />

kann eine Sitzung hier buchen: brainpics.ch<br />

THE RED BULLETIN 81


A N Z E I G E<br />

must-haves<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1 JUNGE LIEBE<br />

Tim Thoelke, Stadionsprecher von RB Leipzig, interviewt<br />

44 Fans: Egal ob Lokführer, Lehrerin, Professor<br />

oder Boxerin – sie erzählen von den schönsten<br />

Momenten der jungen Vereinsgeschichte. Fotograf<br />

Enrico Meyer porträtiert die Fans für diesen einzigartigen<br />

Text-Bild-Band, der zeigt, dass Fußball ein<br />

Sport ist, der ohne Fans nur halb so großartig wäre!<br />

pantauro.com<br />

4 PERFECT MATCH<br />

Was kommt dir in den Sinn, wenn du an das perfekte<br />

Mountainbike denkst? Richtig, das brandneue<br />

SCOTT Spark. Warum? Tja, abgesehen davon, dass<br />

es schnell, leicht und für verschiedenstes Terrain<br />

geeignet ist, sieht es auch verdammt gut aus. Sportliches<br />

Trail Bike? Downcountry Rig? Race Maschine?<br />

Es bleibt ganz dir überlassen, wie du es nennst.<br />

scott-sports.com<br />

5<br />

2 SPECIAL EDITION<br />

In Zusammenarbeit zwischen CASIO EDIFICE und<br />

dem F1-Rennstall AlphaTauri ist ein neuer Connected<br />

Chronograph entstanden: Die EQB-1000AT-1AER<br />

verkörpert gekonnt sportliche Leistungskraft und<br />

einen lässigen Lifestyle. Markante Stilelemente aus<br />

der Welt des Motorsports spiegeln sich im Design<br />

wider, das Gehäuse ist aus massivem Edelstahl.<br />

edifice.de<br />

5 DIE SPORTBRILLE FÜR ALLES<br />

Egal ob zum Biken, Wandern oder Laufen: Die federleichte<br />

Sportbrille The HAWK von NAKED Optics<br />

wird allen Anforderungen gerecht. Der stylishe Allrounder<br />

ist sehr flexibel und durch das magnetische<br />

Schweißband und das Brillenband angenehm zu<br />

tragen. Für die beste Sicht bei allen Bedingungen<br />

sorgen insgesamt 6 Wechselgläser.<br />

nakedoptics.net<br />

6<br />

3 WILDES DING<br />

Die Brixton Felsberg 125 XC verwandelt jedes noch<br />

so schwierige Gelände in ein Paradies. Gebaut nach<br />

dem Vorbild einer klassischen Enduro, wurde dieses<br />

Motorrad entwickelt, um immer wieder schmutzig<br />

gemacht zu werden. Mit seinem hohen Vorderradkotflügel<br />

und dem starken Unterbodenschutz ist<br />

die Felsberg 125 XC für jedes Abenteuer gerüstet.<br />

brixton-motorcycles.com<br />

6 EASY TO LOVE<br />

Skandinavisches Design gepaart mit Premium-<br />

Qualität: Die leichte und schlanke Suunto 9 Peak<br />

überzeugt bei Tag und Nacht mit viel Leistung und<br />

höchstem Komfort. Mit bis zu 170 Stunden GPS-<br />

Akkulaufzeit, über 80 Sportarten, Barometer,<br />

Herzfrequenz- und Blutsauerstoffmessung ist<br />

sie ein stylisher Begleiter für alle Abenteurer.<br />

suunto.com


GUIDE<br />

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen<br />

FELS IM GRIFF<br />

Die Schweiz mediterran:<br />

auf Boulder-Tour<br />

im Tessin mit Maestro<br />

Giuliano Cameroni<br />

STEFAN KUERZI/RED BULL CONTENT POOL SIMON SCHREYER<br />

83


GUIDE<br />

Reisen<br />

„Im Tessin gibt es eine<br />

höhere Konzentration<br />

an kniffligen Felsproblemen<br />

als überall<br />

sonst in Europa.“<br />

Boulder-Profi Giuliano<br />

Cameroni, 24, erzählt uns<br />

von seiner Kletter-Heimat<br />

I<br />

ch war noch nicht einmal geboren,<br />

da war ich schon auf den Felsblöcken<br />

des Tessins unterwegs. Meine Mutter<br />

ließ es sich nämlich nicht nehmen, sogar<br />

während der Schwangerschaft zu<br />

bouldern (also in Absprung höhe zu klettern,<br />

Anm.). Auch mein jüngerer Bruder<br />

Diego und mein Vater Claudio (der ganz<br />

besonders!) sind in meiner Heimat als<br />

Boul derer bekannt. Mein Vater hat sogar<br />

vier beliebte Guides über das Tessin<br />

verfasst. Klettern ist bei uns also eine<br />

echte Familienangelegenheit. Und die<br />

Boulder-Felder der Umgebung waren<br />

bereits meine Spielwiese, als ich erst<br />

vier Jahre alt war.<br />

Im Tessin befinden sich vier wichtige<br />

Boulder- Gebiete: Cresciano, Chironico,<br />

Brione und den Gotthardpass. Sie alle<br />

zeichnen sich durch hohe Felsqualität<br />

aus. Die Granit- und Gneisblöcke verfügen<br />

über kompakte Strukturen – gerade genug<br />

für Griffe und Leisten. Es kommt so<br />

gut wie nie vor, dass ein Griff ausbricht.<br />

Außerdem ist der Fels so gestaltet,<br />

dass sich die Bewegungen ganz von<br />

selbst ergeben. Es ist beinahe so, als<br />

hätte die Schöpfung für uns mitgedacht.<br />

Hier spricht der Fels zu den Kletterern.<br />

Steiniges Zuhause: Boulder-Profi Giuliano Cameroni auf einem Felsblock im Tessin<br />

Der klare Bergbach<br />

im Tessiner Verzascatal<br />

erzeugt natürliche<br />

Whirlpools. Hier findet<br />

man nach dem Bouldern<br />

herrliche Abkühlung.<br />

84 THE RED BULLETIN


Anreise<br />

Mit dem Auto: Von Zürich<br />

aus erreicht man den<br />

Gotthardtunnel in etwa<br />

eineinhalb Stunden (keine<br />

Maut!). Eine Autobahn-<br />

Vignette für 10 Tage kostet<br />

€ 9,40 / CHF 10.29. Am<br />

besten gleich einen<br />

Zwischenstopp einlegen,<br />

denn der Gotthardpass ist<br />

für sich schon ein Boulder-<br />

Traumziel. Fährt man doch<br />

durch den Tunnel, so erreicht<br />

man ungefähr eine<br />

Stunde nach der Tunnelausfahrt<br />

Bellinzona. Von dort<br />

sind es nur noch wenige<br />

Minuten bis Cresciano.<br />

Bern<br />

Mit der Bahn: Die Fahrzeit<br />

von Zürich nach Bellinzona<br />

beträgt etwa 2 Stunden.<br />

(Ticket: € 71,– / CHF 77.80).<br />

Schweiz<br />

KANTON TESSIN<br />

Cresciano<br />

Lugano<br />

Zürich<br />

Der Ort Lavertezzo in der Valle Verzasca: Hier können Besucher bouldern und wildbaden.<br />

STEFAN KUERZI/RED BULL CONTENT POOL, EVOLUTIONCENTER.CH,<br />

GETTY IMAGES (2) SIMON SCHREYER<br />

Im Tessin gibt es so eine höhere Konzentration<br />

an kniffligen Felsproblemen<br />

als überall sonst in Europa – genau das<br />

begeistert den ambitionierten Boulderer.<br />

Und meine Erfahrung ist: Jeder Felsen<br />

hat seine ganz eigene Energie.<br />

Ob Anfänger oder Experten:<br />

Hier können alle klettern<br />

Drei der Boulder-Probleme möchte ich<br />

hier genauer vorstellen. Sie befinden sich<br />

in meinem Lieblingsgebiet – in Cresci ano.<br />

Fangen wir mit dem schwierigsten an (in<br />

der Klammer steht jeweils der Boulder-<br />

Schwierigkeitsgrad aus der Skala bis<br />

9a): Dreamtime (8b+/8c), 7 Meter lang,<br />

3 Me ter hoch, ist ein Klassiker mit<br />

Für Regentage: Kletterhalle Evolution in Taverne<br />

Gut zu wissen<br />

Unterkunft: Barbara und Cornelia<br />

betreiben das Ostello Cresciano, das<br />

sich unter Kletterern zunehmender<br />

Beliebtheit erfreut. Dort ist das<br />

Frühstück inkludiert, das Wi-Fi gratis<br />

und die Lounge gemütlich. Als Alternative<br />

bieten sich Airbnb an oder drei<br />

Campingplätze (Al Censo, Bellinzona<br />

oder Agri turismo La Finca), wenn ihr<br />

mit dem Van anreist.<br />

An Regentagen bieten sich zwei<br />

Indoor-Anlagen zum Klettern an:<br />

Alphaboulder in Giubiasco und<br />

die Sportkletterhalle Evolution<br />

(Bild links) in Taverne.<br />

Infos: ostello-cresciano.online<br />

THE RED BULLETIN 85


GUIDE<br />

Reisen<br />

Die Ponte dei Salti im Verzascatal lädt Wagemutige zum Sprung ins Wasser.<br />

20 Zügen und einem Dyno (Sprung) am<br />

Ausstieg. Die Route führt durch einen<br />

45-Grad-Überhang, steigt von rechts<br />

nach links und führt dann mittig nach<br />

oben. Was ich hier mag, ist der geschmeidige<br />

Bewegungsfluss.<br />

La grotte des soupirs (7c), 4 Meter<br />

lang, 2 Meter hoch, ist ein höhlenartiges<br />

Dach mit weiten Griff abständen.<br />

Sie bietet einen nicht zu schwierigen,<br />

aber kräftezehrenden Ablauf. Anstrengung<br />

und Akustik haben Erstbegeher<br />

Fred Nicole zu dem Namen inspiriert:<br />

die Höhle der Seufzer.<br />

Il Cerchio Celtico (6a+), 4 Meter<br />

lang, 2 Meter hoch, wohl ein ehemaliger<br />

keltischer Kultplatz, befindet sich<br />

auf einem Hügel mit unglaublichem<br />

Panorama. Auf den Boulder führen<br />

fünf Routen, die sich zum Aufwärmen<br />

für Könner oder als Startpunkt für Anfängerinnen<br />

und Anfänger eignen.<br />

Die meisten Boulder stehen tief<br />

in der wilden Landschaft versteckt,<br />

weitab jeder Zivilisation. Ein weiterer<br />

„Im Tessin spricht<br />

der Fels zu<br />

den Kletterern.“<br />

Giuliano Cameroni, 24, Boulder-Profi<br />

Pluspunkt der Gegend: Im Tessin lässt<br />

sich das ganze Jahr über klettern. Und:<br />

Es scheint extrem oft die Sonne!<br />

Zur Abkühlung in der<br />

Verzasca baden<br />

Dazu kommt noch, dass die Gegend<br />

eine besonders friedvolle Ausstrahlung<br />

hat. Falls in Cresciano einmal viel<br />

los sein sollte (was aber selten vorkommt),<br />

kann man immer noch nach<br />

Chironico in Leventina ausweichen.<br />

Zur Abkühlung baden meine Freunde<br />

und ich gern in der Verzasca. Der<br />

klare Bergbach in dem idyllischen Tal<br />

erzeugt natürliche Whirlpools mit sanfter<br />

Strömung. Attraktive Alter native<br />

dazu: Ponte Brolla im nahe ge legenen<br />

Maggiatal. Dort kann man aus mehreren<br />

Metern Höhe ins Wasser springen<br />

und manchmal auch professionellen<br />

Cliff-Divern zuschauen.<br />

Mehr über Giuliano Cameroni:<br />

Instagram: @giuliano_cameroni,<br />

redbull.com<br />

GETTY IMAGES, STEFAN KUERZI/RED BULL CONTENT POOL SIMON SCHREYER<br />

86 THE RED BULLETIN


Spitz<br />

die Ohren<br />

The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong> gibt’s nun auch zum<br />

Anhören: inspirierende Interviews, scharfe<br />

Porträts, abenteuerliche Reportagen.<br />

Jeden Mittwoch –<br />

überall, wo es Podcasts gibt.<br />

Jetzt reinhören<br />

und gleich abonnieren.<br />

Plus:<br />

MICHAEL KÖHLMEIERS<br />

Kolumne<br />

Boulevard der Helden<br />

als Podcast-Serie


GUIDE<br />

Lesestoff<br />

KLASSIKER, NEU ERZÄHLT<br />

Märchenhaft böse<br />

„Alice im Wunderland“ und andere Geschichten auf die harte Tour: US-Bestsellerautorin<br />

Christina Henry interpretiert weltberühmte Kinderbuch-Klassiker für Erwachsene neu.<br />

Text JAKOB HÜBNER<br />

Lewis Carroll war nicht<br />

nur Schriftsteller, Fotograf<br />

und Theologe – er<br />

war auch studierter Mathematiker.<br />

Und als solcher<br />

mit den Grundsätzen der<br />

Logik bestens vertraut. Der<br />

Brite wusste also ganz genau,<br />

wo er den surrealen Hebel<br />

ansetzen musste, als er 1865<br />

sein weltberühmtes Nonsens-<br />

Märchen „Alice im Wunderland“<br />

zu Papier brachte. Das<br />

schmale Büchlein entfaltete<br />

breite Wirkung. Die Abenteuer<br />

der kleinen Alice, die via Kaninchenbau<br />

in ein absurdes<br />

Fantasiereich plumpst, sind<br />

ein verlässlicher Kandidat<br />

in sämtlichen Ranglisten mit<br />

der Überschrift „Klassiker<br />

der Weltliteratur“. Außerdem<br />

schaute Alice in den vergangenen<br />

150 Jahren einer Reihe<br />

von namhaften Künstlern<br />

– von Salvador Dalí bis John<br />

Lennon – konspirativ über die<br />

Schulter. Und ganz nebenbei<br />

wurde die Geschichte und<br />

ihre Fortsetzung „Alice hinter<br />

den Spiegeln“ bis heute rund<br />

50 Mal verfilmt.<br />

Nicht schlecht für ein<br />

Kinderbuch.<br />

Noch tiefer aus dieser<br />

sprudelnden Inspirationsquelle<br />

schöpft die US-amerikanische<br />

Autorin Christina<br />

Henry. Anstatt lediglich ein<br />

paar Rosinen aus dem Wunderland<br />

zu picken, schnappt<br />

sie sich gleich den ganzen<br />

Kuchen. Ihre dunklen „Chroniken<br />

von Alice“ sind so etwas<br />

wie eine literarische Coverversion<br />

des Märchens für Erwachsene.<br />

Der Ordnung halber<br />

muss man an dieser Stelle<br />

sagen, dass sie nicht die Erste<br />

ist, die eine Neu interpretation<br />

dieses Kinderklassikers wagt<br />

(siehe Tipps rechts), allerdings<br />

ist sie die bisher Erfolgreichste<br />

– und die bei weitem<br />

Böseste.<br />

Henry verankert ihre<br />

„Alice“-Adaption in zwei Bereichen.<br />

Erstens: Alle tragenden<br />

Figuren stammen aus<br />

dem Original. Zweitens: Das<br />

Absurde kommt auch bei<br />

ihr mit der entwaffnenden<br />

Selbstverständlichkeit eines<br />

VINZ SCHWARZBAUER<br />

88 THE RED BULLETIN


Erster Absatz aus<br />

„Finsternis im Wunderland“<br />

Wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, sich bis ganz nach<br />

oben streckte, die Wange an die Wand legte und den Kopf nach<br />

links drehte, konnte sie durch die Gitterstäbe gerade so den<br />

Rand des Monds sehen. Eine Scheibe Käse, eine Scheibe Kuchen,<br />

eine Tasse Tee, um der Höflichkeit Genüge zu tun. Einmal<br />

hatte ihr jemand eine Tasse Tee angeboten, jemand mit blaugrünen<br />

<strong>Aug</strong>en und langen Ohren. Komisch, dass sie sich nicht<br />

an sein Gesicht erinnern konnte. Dieser Teil ihrer Erinnerung<br />

war nebelig, wie in Rauch gehüllt, abgesehen von den <strong>Aug</strong>en<br />

und den Ohren. Und die Ohren waren lang und pelzig gewesen.<br />

LESETIPPS<br />

Es war einmal …<br />

Noch mehr Märchen<br />

für Erwachsene<br />

Traums daher – diesfalls jedoch<br />

mit der eines Albtraums.<br />

Alice, missbraucht und von<br />

ihrer Familie verstoßen, sitzt<br />

seit rund zehn Jahren in der<br />

gut gepolsterten Zelle einer<br />

düsteren Irrenanstalt, deren<br />

therapeutische Fähigkeiten<br />

sich auf zwei Dinge reduzieren:<br />

sedieren und wegsperren.<br />

Abgesehen von den sadistischen<br />

Pflegern hat sie – durch<br />

ein von einer Maus gegrabenes<br />

Loch – nur zu einem Menschen<br />

sozialen Kontakt: ihrem<br />

Zellennachbarn Hatcher. Der<br />

ist ein Axtmörder mit einer bipolaren<br />

Störung – sonst aber<br />

ein liebenswerter Mensch und<br />

ein virtuoser Kämpfer.<br />

Als in der Anstalt Feuer<br />

ausbricht, können Alice und<br />

Hatcher gemeinsam fliehen.<br />

Beide sinnen auf blutige Rache.<br />

Auf ihrer Liste: der Grinser,<br />

die Raupe, das Walross,<br />

das Kaninchen, der Jabberwock<br />

und die weiße Königin.<br />

Während Hatcher den Weg<br />

mit recht rustikalen Methoden<br />

freihackt, dämmert Alice<br />

allmählich, dass ihr Wahnsinn<br />

einen gewissen Zauber in<br />

sich birgt …<br />

Obwohl man die 1974 geborene<br />

Christina Henry nicht als<br />

Newcomerin bezeichnen kann<br />

– ihre „Black Wings“-Serie<br />

sammelt bereits seit Jahren<br />

eifrig Sternchen –, kam der<br />

Hype um Alice doch ein wenig<br />

überraschend. Der erste Band<br />

„Finsternis im Wunderland“<br />

enterte vom Stand weg die internationalen<br />

Bestsellerlisten<br />

und wurde in „Amazon’s Best<br />

Books of the Year“ gewählt.<br />

Begleitet wurde der kommerzielle<br />

Erfolg von wohlwollenden<br />

Worten aus Feuilletons,<br />

die derartige „U-Literatur“<br />

normalerweise bestenfalls<br />

vom Wegsehen kennen. Was<br />

vermutlich nicht nur an der<br />

berühmten Vorlage, sondern<br />

auch an Henrys zutiefst eigenwilligem,<br />

kindlich-brutalem<br />

Erzählstil liegt, dessen Ambivalenz<br />

eine ganz seltsame<br />

Stimmung erzeugt. Streckenweise<br />

fühlt man sich, als lausche<br />

man dem düsteren Betthupferl<br />

am Lagerfeuer eines<br />

Jungscharcamps, aber dann<br />

haut Henry auch immer wieder<br />

Sätze raus, die man sich<br />

am liebsten einrahmen und an<br />

die Wand hängen würde.<br />

Und da kommt noch mehr:<br />

Die dunklen Chroniken von<br />

„Peter Pan“ sind für 21. Juni<br />

angekündigt, und auch jene<br />

von „Meerjungfrau“ und „Rotkäppchen“<br />

sind bereits in der<br />

Übersetzung. Mit dem Spruch<br />

„Erzähl mir keine Märchen!“<br />

braucht man Christina Henry<br />

also nicht zu kommen …<br />

CHRISTINA HENRY<br />

„Finsternis im Wunderland.<br />

Die Chroniken von Alice“<br />

Deutsch von Sigrun Zühlke<br />

Penhaligon, 352 Seiten<br />

FRANK BEDDOR<br />

Frank Beddor, der mit dem<br />

US-Ski-Team zweimal die<br />

Freestyle-Weltmeisterschaft<br />

holte, stürzt sich in seiner<br />

Interpretation von „Alice<br />

im Wunderland“ ohne Rücksicht<br />

auf Verluste in einen<br />

Fantasy-Thriller voller Action,<br />

in dem aber auch der Humor<br />

nicht zu kurz kommt.<br />

Im Vorwort verspricht der<br />

Autor eine Geschichte<br />

„voll Blut vergießen, Mord,<br />

Rache und Krieg“.<br />

Und er hält Wort.<br />

„Das Spiegellabyrinth“<br />

(dtv)<br />

NICOLE BÖHM<br />

Für ihre Jugendbuchserie<br />

„Die Chroniken der Seelenwächter“<br />

wurde Nicole Böhm<br />

bereits zweimal mit dem<br />

Deutschen Phantastik Preis<br />

ausgezeichnet. Das gelang<br />

ihr auch mit dem – deutlich<br />

düsterer angelegten – Roman<br />

„Wer hat Angst vorm bösen<br />

Wolf?“, der gemeinsam mit<br />

„Spieglein, Spieglein an der<br />

Wand“ eine märchenhafte<br />

Dilogie bildet, in der<br />

neben Spannung auch<br />

die Romantik knistert.<br />

„Das Vermächtnis<br />

der Grimms“<br />

(Drachenmond Verlag)<br />

WALTER MOERS<br />

Walter Moers (bzw. sein Alter<br />

Ego Hildegunst von Mythenmetz)<br />

ist vermutlich der<br />

genialste Märchenonkel der<br />

Gegenwartsliteratur. In „Ensel<br />

und Krete“ versetzt er das<br />

berühmte Geschwisterpaar<br />

der Brüder Grimm in sein<br />

legendäres Zauberreich<br />

Zamonien, in dem sich –<br />

vom gemeingefährlichen<br />

Laubwolf bis zum doppelköpfigen<br />

Wollhühnchen –<br />

allerhand absonderliche<br />

Geschöpfe tummeln.<br />

„Ensel und Krete“<br />

(Penguin Verlag)<br />

NELSON MANDELA<br />

In dieser 2004 erschienenen,<br />

prächtig illustrierten Anthologie<br />

versammelt der Freiheitskämpfer,<br />

Friedensnobelpreisträger<br />

und erste<br />

schwarze Präsident Südafrikas<br />

die schönsten Märchen<br />

seines Kontinents.<br />

Das Buch ist eine wahre<br />

Schatztruhe voll poetischer<br />

Juwele, die vor Witz und<br />

Weisheit nur so funkeln und<br />

deren exotischer Zauber Kinder<br />

ebenso in seinen Bann<br />

zieht wie Erwachsene.<br />

„Meine afrikanischen<br />

Lieblingsmärchen“<br />

(dtv)<br />

THE RED BULLETIN 89


GUIDE<br />

Tipps & Trends<br />

ZUG UM ZUG BESSER WERDEN<br />

CHESSUP: SCHLAUER SCHACH SPIELEN LERNEN<br />

Die Idee: Schachspielen lernen beziehungsweise sein<br />

Schachspiel ver bessern – per Interaktion mit dem Brett,<br />

einer schlauen Software und echtem Know-how von Großmeister<br />

Levon Aronian. Für Weihnachten notieren – das<br />

Gerät soll im November marktreif sein. indiegogo.com<br />

DIE WOLLEN<br />

NUR SPIELEN<br />

GAMESCOM <strong>2021</strong><br />

Brandneue Games, innovative<br />

Technik und jede Menge Unterhaltung:<br />

Ende <strong>Aug</strong>ust (25. – 27.)<br />

steigt das größte Games-Event<br />

des Planeten nochmals rein<br />

digital. Los geht’s mit der Show<br />

„gamescom: Opening Night<br />

Live“. gamescom.de<br />

STARKES<br />

LEICHTGEWICHT<br />

Wiegt 4 Kilo, fasst<br />

41 Liter und<br />

ist kabinentauglich.<br />

EINFACH BLAU MACHEN<br />

FLOYD CABIN<br />

Ein Koffer, der so viel Schwung bringt wie die Skateboarder<br />

in den 1970er-Jahren. Deshalb auch die knallroten Rollen<br />

– als Verweis auf die Inspiration durch die frühen Asphalthelden.<br />

Die schöne Farbe heißt „Miami Blue“, innen gibt’s<br />

zwei große verschließbare Fächer. floyd.one<br />

KOELNMESSE/GAMESCOM/OLIVER WACHENFELD, STEFAN VOITL/RED BULL CONTENT POOL<br />

90 THE RED BULLETIN


BOOTS FÜR ABENTEURER<br />

BALLY NOKOR<br />

Ein Schuh, der auch Professor Indiana „Indy“ Jones<br />

ge fallen würde – feinstes Leder, trittfeste Sohle, bestens<br />

geeignet für aufregende Höhlenabenteuer inklusive<br />

weniger erfreulicher Schlangen-Begegnung. bally.eu<br />

BOCK AUF STIL<br />

Das feine Leder<br />

aus Italien wurde<br />

pflanzlich gegerbt.<br />

Richtig gutes Zeug<br />

Ein schlaues Brett, eine tiefschwarze Uhr und ein Skater-<br />

Trolley – unsere besten Empfehlungen. Text WOLFGANG WIESER<br />

CHAMPIONS AUF PUMP<br />

RED BULL UCI PUMP TRACK WORLD CHAMPIONSHIPS<br />

Rasantes Tempo, steile Kurven, pures Spektakel: In der<br />

Disziplin Pump Track beschleunigen die Biker (rechts im<br />

Bild: Martin Söderström) mittels Hochdrücken des Körpers<br />

aus der Tiefe („Pumpen“). Am 28. <strong>Aug</strong>ust gastiert die<br />

Weltmeisterschaft im Mellowpark in Berlin. redbull.com<br />

SCHWARZE<br />

SCHÖNHEIT<br />

TUDOR BLACK BAY CERAMIC<br />

Diese Uhr macht ihrem Namen<br />

alle Ehre: Selbst ihr Werk ist tiefschwarz.<br />

Es ist der erste Master<br />

Chronometer der Marke, heißt:<br />

Bei Präzision, Magnetfeldresistenz<br />

und Gangreserve werden<br />

höchste Standards erfüllt – per<br />

Test bestätigt. tudorwatch.com<br />

THE RED BULLETIN 91


B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />

MARK SPITZ<br />

VERLIEBT IN SUPERMAN<br />

Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten<br />

inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit.<br />

Folge 5: Teenie-Schwärmerei für einen Meisterschwimmer im Sommer 1972.<br />

Das ist eine alte Geschichte, an die<br />

manchmal gern, manchmal ungern<br />

erinnert wird. Sie trug sich im<br />

Sommer 1972 zu. Die Olympischen<br />

Spiele fanden in München statt.<br />

Wir alle, die damals so viel Freude am<br />

Sport hatten, denken gern daran – mein<br />

Onkel Hans war Schiedsrichter beim Hochsprung<br />

der Damen; und wir denken nicht<br />

gern daran, denn ein großes Verbrechen<br />

war geschehen: Palästinensische Terroristen<br />

überfielen das Camp der israelischen<br />

olympischen Mannschaft und ermordeten<br />

zwei Sportler. Insgesamt starben siebzehn<br />

Menschen.<br />

So viel Freiheit war in meinem Leben<br />

damals. Ich war Student, in den Semesterferien wollte<br />

ich arbeiten, um wenigstens einen Teil meines Studiums<br />

selbst zu verdienen. Genauso mein Freund. Es gab die<br />

Möglichkeit, in der Schweiz auf den Feldern Bohnen<br />

zu ernten, da konnte man gut Geld machen und eine<br />

interessante sonnenbraune Haut bekommen, aber die<br />

Arbeit war beschwerlich – und: Wir wären nicht dazugekommen<br />

fernzusehen, wir hätten die meisten Wettbewerbe<br />

verpasst. Das allein war unser Antrieb, dem<br />

ORF ein Hörspiel anzubieten, das erste, wir hatten<br />

keine Erfahrung. Aber der ORF nahm an, und wir<br />

verdienten etwa genauso viel wie auf den Schweizer<br />

Bohnenfeldern. Und wir konnten uns im Fernsehen<br />

die Olympischen Spiele ansehen.<br />

Das war Glück.<br />

Meine Familie hatte damals noch keinen Fernseher.<br />

Aber die Familie meines Freundes hatte einen. Er<br />

studierte auch, fast das Gleiche wie ich, er hatte eine<br />

sehr liebe kleine Schwester, sie war erst vierzehn und<br />

interessierte sich überhaupt nicht für Sport. Sie mochte<br />

ihren Bruder gern, und mich mochte sie auch, ich darf<br />

MICHAEL KÖHLMEIER<br />

Der Vorarlberger<br />

Bestsellerautor gilt<br />

als bester Erzähler<br />

deutscher Zunge.<br />

Zuletzt erschienen:<br />

„Die Märchen“,<br />

816 Seiten, Verlag<br />

Carl Hanser.<br />

mir sogar einbilden, sie mochte mich besonders<br />

gern, und deshalb setzte sie sich zu uns<br />

und schaute sich gemeinsam mit uns an,<br />

was da alles in München geschah. Und dann<br />

verliebte sie sich. Und sie verliebte sich so<br />

heftig, so bedingungslos, voll Hingabe und<br />

Verzweiflung – nie in meinem Leben bin ich<br />

einem solchen Überschwang begegnet.<br />

Sie verliebte sich in Mark Spitz.<br />

Und das war ja auch ganz leicht. Mark<br />

Spitz war Schwimmer, er trat für die USA<br />

an. Er war ein schöner Mann – das erstens.<br />

Zweitens war er am Ende der Spiele der<br />

erfolgreichste olympische Sportler aller<br />

Zeiten. Sieben Goldmedaillen hat er gewonnen!<br />

Außerdem sieben Mal Weltrekord!<br />

Und das innerhalb einer Woche! Zu groß, um es nur zu<br />

erwähnen; ich will, ich muss aufzählen: Am 28. <strong>Aug</strong>ust<br />

200 Meter Schmetterling und 4 × 100 Meter Freistil,<br />

am 29. <strong>Aug</strong>ust 200 Meter Freistil, am 31. <strong>Aug</strong>ust<br />

100 Meter Schmetterling und 4 × 200 Meter Freistil,<br />

am 3. September 100 Meter Freistil, am 4. September<br />

4 × 100 Meter Lagen. Während sich seine Konkurrenten<br />

alle Haare vom Körper rasieren ließen, um<br />

dadurch vielleicht um ein paar Hundertstel schneller<br />

zu sein, trat Mark Spitz mit fast schulterlangen braunen<br />

Locken auf und mit einem attraktiven Schnurrbart.<br />

Hundertstelsekunden spielten bei ihm keine<br />

Rolle, wo er doch alle anderen manchmal sogar um<br />

einige Längen hinter sich ließ.<br />

Die Schwester meines Freundes versäumte keinen<br />

Start. Sie fieberte. Sie fieberte nicht, weil sie sich<br />

um einen Sieg ihres Idols sorgte. Nein. Jeder<br />

wusste, Mark Spitz würde in allen Disziplinen, in denen<br />

er antrat, gewinnen. Sie fieberte, weil sie fürchtete,<br />

er könnte schon vergeben sein. Sie war vierzehn<br />

MICHAEL KÖHLMEIER BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT GETTY IMAGES<br />

92 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 93


B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />

Jahre alt, aber doch nicht so naiv, dass sie dachte,<br />

sie könne diesen Prinzen des Wassers erobern. Nicht<br />

in der Wirklichkeit jedenfalls. Aber in ihren Träumen.<br />

Nur Verrückten gelingt es, ihre Träume ganz und gar<br />

von der Wirklichkeit zu lösen – ich kann mir nicht<br />

einbilden, ein Wolf zu sein, aber ich kann mir einbilden,<br />

einen dressierten Wolf zu besitzen. Ich will<br />

der Schwester meines Freundes einen Namen geben,<br />

einen falschen Namen, ich hoffe, das wird mir niemand<br />

nachtragen. Ich nenne sie Marianne. Mariannes<br />

Traum wäre zerstört worden, hätte sie erfahren, Mark<br />

Spitz sei verheiratet oder verlobt oder sonst wie gebunden.<br />

Sie stutzte ihre Träume zurecht. Wenigstens<br />

die Hand wollte sie ihm geben. Wenigstens ein paar<br />

Worte wollte sie mit ihm wechseln. Vielleicht ihm das<br />

Handtuch reichen, wenn er aus dem Bassin steigt.<br />

Und dann war sie weg. Es war am 4. September,<br />

Marianne war verschwunden.<br />

Ohne einen Brief. Ohne jemandem etwas zu sagen.<br />

Ihr Bruder berichtete, er sei früher als sonst aufgewacht,<br />

er wollte Marianne wecken, sie war nicht<br />

mehr da. Als sie bis zum Abend nichts von ihr hörten,<br />

verständigten die Eltern die Polizei.<br />

Ach, es ist eine merkwürdige Geschichte! Meine<br />

Familie hatte damals nicht nur keinen Fernseher,<br />

wir hatten auch kein Telefon. Wenn ich telefonieren<br />

wollte, ging ich in den Gemischtwarenladen<br />

in unserer Straße. Jeder in unserer Straße kannte die<br />

Nummer dieses Ladens. Marianne auch. Am Morgen<br />

des 5. September klingelte es an unserer Haustür,<br />

die Angestellte des Ladens stand draußen und sagte,<br />

ich werde am Telefon verlangt. Es war Marianne. Sie<br />

rief aus München an, von einer Telefonzelle. Sie habe<br />

leider nur wenige Münzen sagte sie, sie sprach schnell<br />

und mit hoher, aufgeregter Stimme. Ich solle bitte<br />

ihren Eltern ausrichten, es gehe ihr gut, sie sei sehr,<br />

sehr glücklich. Mich bat sie, ich solle sie in München<br />

abholen, sie habe kein Geld mehr für die Rückreise.<br />

Ich fragte, wo ich sie denn treffen könne. Sie rief in den<br />

Hörer: „Bei Mark …“ Dann brach die Verbindung ab.<br />

Ich mochte Marianne von Herzen gern, also fuhr<br />

ich nach München. Aber wo ist „bei Mark“? Dass sie<br />

Mark Spitz gemeint hatte, das war klar. In diesen<br />

Tagen war dieser Mann der größte Star der Welt. Den<br />

kann man nicht einfach treffen. Zugleich aber dachte<br />

ich, wenn es jemand kann, dann Marianne. Was wird<br />

sie tun? Mit dem unbedingten Zutrauen eines vierzehnjährigen<br />

verliebten Mädchens wird sie sich durch die<br />

„Mark Spitz habe ihr<br />

einen Kuss gegeben.<br />

Auf den Mund.<br />

Hundertprozentig.“<br />

Stadt zum olympischen Dorf fragen und dort zu den<br />

amerikanischen Sportlern und dort zu Mark Spitz.<br />

Also, dachte ich, mache ich es genauso. Und ich traf<br />

sie. Sie saß, an die Wand einer Baracke gelehnt,<br />

im amerikanischen Bezirk und lachte mir entgegen.<br />

Sie habe, rief sie mir schon weitem zu, Mark Spitz<br />

getroffen. Er habe sie auf eine Jause eingeladen und<br />

ihr eine Limonade spendiert. Und dann habe er ihr<br />

einen Kuss gegeben. Auf den Mund. Hundertprozentig.<br />

„Gott, ich lüge nicht!“<br />

Was soll ich sagen: Ich glaubte ihr.<br />

„Glaubst du mir?“, fragte sie.<br />

„Ich glaube dir“, sagte ich.<br />

„Hundertprozentig?“<br />

„Hundertprozentig.“<br />

Sie war glücklich. Wir gingen den weiten Weg<br />

in die Stadt, und dort lud ich sie auf ein Eis ein, nicht<br />

irgendein Eis, sondern ein sechsstöckiges, das nur zur<br />

Hälfte abgeschleckt werden konnte, der Rest tropfte<br />

ihr über die Hand und den Ärmel hinunter auf die<br />

Beine und die Schuhe, es war ein sehr heißer Tag.<br />

Sie lachte darüber. Sie war glücklich. Über und über.<br />

„Also erzähl“, sagte ich. „Wie ist er?“<br />

Sie wollte gerade beginnen – ich schwöre –, da war<br />

um uns herum plötzlich ein Tumult – Polizeisirenen<br />

heulten, Menschen schrien, Durchsagen ertönten.<br />

Was war geschehen? Terroristen hatten das Haus des<br />

israelischen Olympiateams gestürmt, zwei Männer<br />

erschossen und die anderen als Geiseln genommen.<br />

Einer neben uns sagte, sie hätten auch Mark Spitz in<br />

ihrer Gewalt, er sei zwar Amerikaner, aber Jude, und<br />

die Terroristen wollten alle Juden töten.<br />

Marianne brach zusammen und weinte und weinte<br />

weiter, noch als wir erfuhren, dass Mark Spitz in Sicherheit<br />

sei. Er sei unter einer Decke in einem Auto aus<br />

dem olympischen Dorf gebracht und nach London<br />

ausgeflogen worden.<br />

Dreißig Jahre später war Marianne in Amerika. Sie<br />

besuchte ihren Bruder, meinen Freund, er war<br />

inzwischen ein ziemlich berühmter Rockmusiker.<br />

Sie erkundigte sich nach Mark Spitz, fand heraus, wo<br />

er lebte, mietete sich einen Pontiac Firebird, fuhr nach<br />

Modesto in Kalifornien und klingelte an seiner Tür.<br />

Und Mark Spitz himself öffnete.<br />

Und Mark Spitz himself lud sie zu sich in sein Haus<br />

ein, er selbst ließ ihr einen Kaffee aus der Espressomaschine<br />

rinnen, er selbst holte einen Kranz Eiskuchen<br />

aus dem Tiefkühlschrank. Er sah immer noch gut aus,<br />

die Haare waren inzwischen grau geworden, auch der<br />

Oberlippenbart – Marianne vermutete, er färbe ihn<br />

den Haaren nach, was sie als geschmackvoll wertete.<br />

Sie verbrachten einen netten Nachmittag miteinander.<br />

Marianne erzählte ihm, dass sie vor dreißig<br />

Jahren einen sehr, sehr guten Freund angelogen habe,<br />

dass sie diesem Freund erzählt habe, sie habe ihn,<br />

Mark, in München während der Olympischen Spiele getroffen,<br />

ihn persönlich, im olympischen Dorf, sie habe<br />

94 THE RED BULLETIN


„Sie habe kein Glück<br />

mit Männern, sagte sie.<br />

Sie habe sich mit vierzehn<br />

in Superman verliebt,<br />

das sei ihr Verhängnis.“<br />

ihm, Mark, die Hand gegeben und er, Mark, habe sie<br />

auf die Wange geküsst. Sie habe den langen Weg nach<br />

Modesto zurückgelegt, um diese Lüge auszulöschen.<br />

Ob er, Mark, sie, bitte, auf die Wange küssen wolle.<br />

Das tat er.<br />

Weitere zehn Jahre später traf ich Marianne<br />

in Wien. Wir hatten uns in all den Jahren<br />

aus den <strong>Aug</strong>en verloren. Aber das bedeutete<br />

nichts. Sie hatte geheiratet, sich scheiden lassen,<br />

wieder geheiratet, sich wieder scheiden lassen. Sie<br />

sagte zu mir, ich sei der beste Freund in ihrer Jugend<br />

gewesen. Sie sagte, ich solle mich nicht wundern, aber<br />

sie wolle mir das Geld zurückgeben, das ich damals<br />

für ihre Rückfahrt aus München ausgelegt habe. Sie<br />

habe kein Glück mit Männern, sagte sie. Sie habe sich<br />

als Vierzehnjährige in Superman verliebt, das sei ihr<br />

Ver hängnis gewesen. Und dann erzählte sie mir von<br />

ihrem Nachmittag im Haus von Mark Spitz in Modesto<br />

in Kalifornien.<br />

Und was soll ich sagen: Ich glaubte ihr.<br />

„Glaubst du mir?“, fragte sie.<br />

„Ich glaube dir“, sagte ich.<br />

„Hundertprozentig?“<br />

„Hundertprozentig.“<br />

Michael Köhlmeiers Geschichten gibt es auch zum Anhören<br />

im Podcast-Kanal von The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>. Zu finden auf allen<br />

gängigen Plattformen wie Spotify, auf redbulletin.com/podcast<br />

oder einfach den QR-Code scannen.<br />

DAS JAHRESABO<br />

12 The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong> Ausgaben<br />

FÜR NUR €25,90<br />

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Erhältlich am Kiosk, im Abo, als E-Paper, auf theredbulletin.com<br />

oder als Beilage in einer Teilauflage von:


IMPRESSUM<br />

THE RED<br />

BULLETIN<br />

WELTWEIT<br />

Aktuell erscheint<br />

The <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />

in sechs Ländern. Das<br />

Cover unserer aktuellen<br />

Österreich-Ausgabe zeigt<br />

den brasilianischen Slackliner,<br />

BASE-Jumper und<br />

Kletterer Caio Afeto hoch<br />

über den Wolken von Rio,<br />

abgelichtet von US-Fotograf<br />

Keith Ladzinski,<br />

dessen imposantes Portfolio<br />

auf Seite 22 beginnt.<br />

Mehr Geschichten abseits<br />

des Alltäglichen findest du auf:<br />

redbulletin.com<br />

Gesamtleitung<br />

Alexander Müller-Macheck, Sara Car-Varming (Stv.)<br />

Chefredaktion<br />

Andreas Rottenschlager, Andreas Wollinger (Stv.)<br />

Creative Direction<br />

Erik Turek, Kasimir Reimann (Stv.)<br />

Art Direction<br />

Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson<br />

Grafik<br />

Martina de Carvalho-Hutter, Cornelia Gleichweit,<br />

Kevin Goll<br />

Fotoredaktion<br />

Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.),<br />

Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör<br />

Digitalredaktion<br />

Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Marie-Maxime Dricot,<br />

Melissa Gordon, Lisa Hechenberger, Elena Rodriguez<br />

Angelina, Benjamin Sullivan<br />

Head of Audio<br />

Florian Obkircher<br />

Special Projects<br />

Arek Piatek<br />

Chefin vom Dienst<br />

Marion Lukas-Wildmann<br />

Managing Editor<br />

Ulrich Corazza<br />

Publishing Management<br />

Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Anna Wilczek<br />

Managing Director<br />

Stefan Ebner<br />

Head of Media Sales & Partnerships<br />

Lukas Scharmbacher<br />

Head of Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger<br />

Projektmanagement Co-Publishing,<br />

B2B-Marketing & Communication<br />

Katrin Sigl (Ltg.), Mathias Blaha, Katrin Dollenz,<br />

Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B),<br />

Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner<br />

(Communication), Jennifer Silberschneider<br />

Creative Services<br />

Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka,<br />

Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart<br />

Commercial Management Co-Publishing<br />

Alexandra Ita<br />

Editorial Co-Publishing<br />

Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann,<br />

Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser<br />

Executive Creative Director Markus Kietreiber<br />

Senior Manager Creative Elisabeth Kopanz<br />

Art Direction Commercial & Co-Publishing<br />

Peter Knehtl (Ltg.), Erwin Edtmayer, Simone Fischer,<br />

Martina Maier, Andreea Parvu, Alexandra Schendl,<br />

Julia Schinzel, Florian Solly, Dominik Uhl, Sophie<br />

Weidinger, Stephan Zenz<br />

Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Marija Althajm,<br />

Nicole Glaser, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar<br />

Anzeigenservice<br />

Manuela Brandstätter, Monika Spitaler<br />

Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.),<br />

Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig<br />

Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis,<br />

Nenad Isailović, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher<br />

Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Klaus Pleninger<br />

MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler<br />

Operations Melanie Grasserbauer,<br />

Alexander Peham, Yvonne Tremmel<br />

Projekt Management<br />

Dominik Debriacher, Gabriela-Teresa Humer<br />

Assistant to General Management Sandra Artacker<br />

Herausgeber & Geschäftsführer Andreas Kornhofer<br />

Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien<br />

Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809<br />

Web redbulletin.com<br />

Medieninhaber, Verlag & Herausgeber<br />

<strong>Red</strong> Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-<br />

Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i,<br />

Landesgericht Salzburg, ATU63611700<br />

Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz,<br />

Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber<br />

THE RED BULLETIN<br />

Deutschland, ISSN 2079-4258<br />

Länderredaktion<br />

David Mayer<br />

Lektorat<br />

Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert,<br />

Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-<br />

Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham,<br />

Vera Pink<br />

Country Project Management<br />

Nina Hahn<br />

Media Sales & Partnerships<br />

Thomas Hutterer (Markenlead),<br />

Alfred Vrej Minassian, Franz Fellner,<br />

Ines Gruber, Thomas Gubier,<br />

Daniela Güpner, Wolfgang Kröll,<br />

Gabriele Matijevic-Beisteiner,<br />

Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher,<br />

Jennifer Sabejew, Johannes<br />

Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-<br />

Sochor, Ute Wolker, Christian<br />

Wörndle, Sabine Zölß<br />

Abo<br />

Abopreis: 21,90 EUR,<br />

10 Ausgaben/Jahr,<br />

getredbulletin.com,<br />

abo@de.redbulletin.com<br />

Druck<br />

Quad/Graphics Europe Sp. z o. o.,<br />

Pułtuska 120, 07-200 Wyszków,<br />

Polen<br />

THE RED BULLETIN<br />

Frankreich, ISSN 2225-4722<br />

Länderredaktion<br />

Pierre-Henri Camy<br />

Country Coordinator<br />

Christine Vitel<br />

Country Project Management<br />

Alexis Bulteau<br />

THE RED BULLETIN<br />

Großbritannien, ISSN 2308-5894<br />

Länderredaktion<br />

Tom Guise (Ltg.),<br />

Lou Boyd<br />

Lektorat<br />

Davydd Chong (Ltg.),<br />

Nick Mee<br />

Publishing Management<br />

Ollie Stretton<br />

Media Sales<br />

Mark Bishop,<br />

mark.bishop@redbull.com<br />

Fabienne Peters,<br />

fabienne.peters@redbull.com<br />

THE RED BULLETIN<br />

Österreich, ISSN 1995-8838<br />

Länderredaktion<br />

Wolfgang Wieser<br />

Lektorat<br />

siehe entsprechenden Eintrag<br />

bei Deutschland<br />

Publishing Management<br />

Bernhard Schmied<br />

Media Sales & Partnerships<br />

Thomas Hutterer (Markenlead),<br />

Alfred Vrej Minassian, Franz Fellner,<br />

Ines Gruber, Thomas Gubier,<br />

Daniela Güpner, Wolfgang Kröll,<br />

Gabriele Matijevic-Beisteiner,<br />

Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher,<br />

Jennifer Sabejew, Johannes<br />

Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-<br />

Sochor, Ute Wolker, Christian<br />

Wörndle, Sabine Zölß<br />

Sales Operations & Development<br />

Anna Schönauer (Ltg.),<br />

David Mühlbacher<br />

THE RED BULLETIN<br />

Schweiz, ISSN 2308-5886<br />

Länderredaktion<br />

Stefania Telesca<br />

Lektorat<br />

siehe entsprechenden Eintrag<br />

bei Deutschland<br />

Country Project Management<br />

Meike Koch<br />

Media Sales & Brand Partnerships<br />

Stefan Brütsch (Team Lead),<br />

stefan.bruetsch@redbull.com<br />

Marcel Bannwart,<br />

marcel.bannwart@redbull.com<br />

Christian Bürgi,<br />

christian.buergi@redbull.com<br />

Jessica Pünchera,<br />

jessica.puenchera@redbull.com<br />

Goldbach Publishing<br />

Marco Nicoli,<br />

marco.nicoli@goldbach.com<br />

THE RED BULLETIN USA<br />

ISSN 2308-586X<br />

Länderredaktion<br />

Peter Flax (Ltg.),<br />

Nora O’Donnell<br />

Lektorat<br />

David Caplan<br />

Publishing Management<br />

Branden Peters<br />

Media Network Communications<br />

& Marketing Manager<br />

Brandon Peters<br />

Media Sales<br />

Todd Peters,<br />

todd.peters@redbull.com<br />

Dave Szych,<br />

dave.szych@redbull.com<br />

Tanya Foster,<br />

tanya.foster@redbull.com<br />

96 THE RED BULLETIN


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Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 14. September <strong>2021</strong>.<br />

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98 THE RED BULLETIN


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Alle Athleten haben einen Traum. Er lebt in ihren Herzen<br />

und lässt sie nach dem Sieg greifen. An den Olympischen<br />

Spielen in Tokio wird diesen Träumen eine Bühne gegeben.<br />

Es ist der Moment, an dem Inspiration auf Leistungskraft<br />

trifft, Ehrgeiz auf Präzision, und an dem der Offizielle<br />

Zeitnehmer OMEGA dies alles festhält.

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