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Credit Suisse bulletin, 2009/04

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Gehirn <strong>Struktur</strong><br />

2<br />

wird, anders als beim Sprechen, auch die<br />

rechte Hirnhälfte aktiv. Die geschädigte linke<br />

Hirnhälfte erhält also Unterstützung bei<br />

der Sprachproduktion. Deshalb funktioniert<br />

Singen für die Patienten oft besser.»<br />

Funkstille oder Damdamdam<br />

Fotos: Pia Zanetti<br />

«Kürzlich hatten wir einen Patienten, einen<br />

Bauarbeiter aus dem Kanton Bern, der in den<br />

ersten Tagen nach seiner Hirnverletzung<br />

plötzlich Hochdeutsch sprach, weil es einfacher<br />

für ihn sei. Die Tatsache, dass solche<br />

Fälle immer wieder auftreten, spricht dafür,<br />

dass es innerhalb des Sprachzentrums<br />

Unterstrukturen gibt, die beispielsweise für<br />

Fremdsprachen zuständig sind. Sonst wären<br />

bei allen Sprachen die gleichen Störungen<br />

zu erwarten, so der Neurologe weiter.<br />

So komplex die <strong>Struktur</strong>en des menschlichen<br />

Gehirns sind, so verschieden sind<br />

auch die Krankheitsbilder, die bei Hirnschädigungen<br />

auftreten: Einige Aphasiepatienten<br />

können noch schreiben, aber nicht mehr<br />

sprechen. Vormals geübte Leser schaffen<br />

es nicht mehr, ein Kinderbuch vorzulesen.<br />

Oder aber sie lesen nur noch sinngemäss:<br />

Anstelle von «Wirtschaft» lesen sie «Handel».<br />

In den schlimmsten Fällen vergehen Tage,<br />

bevor die Betroffenen überhaupt realisieren,<br />

dass sie ihre Mitmenschen nicht einmal mehr<br />

verstehen. Besonders schwer für die Betroffenen<br />

und ihre Angehörigen ist auch die Globale<br />

Aphasie, bei der die Menschen zunächst<br />

ganz verstummen und bei denen sich die<br />

Kommunikation auch trotz Therapie auf wiederkehrende,<br />

manchmal unverständliche<br />

Laut- und Silbenfolgen «jajajaja» oder «damdamdam»<br />

beschränkt.<br />

Wie schwer muss es sein, sämtliche Gefühle,<br />

Botschaften und Bedürfnisse in eine<br />

vermeintlich unsinnige Lautabfolge legen zu<br />

müssen und dabei darauf zu hoffen, dass<br />

vielleicht irgendjemand kleine, aber vielsagende<br />

Unterschiede in der Betonung bemerkt<br />

? Kurt Kohler ist einer der Menschen,<br />

die die Antwort auf diese Frage kennen. Mit<br />

etwas Glück, unbändigem Durchhaltewillen<br />

und intensiver Logopädie hat er es geschafft,<br />

die <strong>Struktur</strong> in seinem Hirn, in seiner Sprache<br />

und in seinem Alltag wiederherzustellen.<br />

Und hört man ihn, den ehemaligen Banker,<br />

heute etwas zögerlich, aber fachkundig über<br />

die Wirtschaftskrise sprechen, ist es fast, als<br />

hätten ihm nur die Turbulenzen an der Börse<br />

ein wenig die Sprache verschlagen. <<br />

Extremfall: Völlig<br />

unverhofft erlitt<br />

Banker Kurt Kohler<br />

vor sechs Jahren<br />

einen Schlaganfall.<br />

Nach zwei Jahren<br />

völliger «Sprachlosigkeit»,<br />

spricht er<br />

heute dank intensiver<br />

Logopädie – und<br />

trotz gegenteiliger<br />

Prognosen – fast<br />

wieder normal.<br />

Trotz Aphasie und<br />

einer rechtsseitigen<br />

Lähmung, die oft<br />

bei Patienten mit<br />

einer Hirnschädigung<br />

auf der linken<br />

Seite auftritt, lebt<br />

Maria Flühler ihr<br />

Leben selbstständig.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>

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