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Satire - Herzlich willkommen in Ueffeln-Balkum!

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<strong>Satire</strong> - <strong>Satire</strong> - <strong>Satire</strong><br />

Was brauchen wir Bildung, Sozialleistungen, Kultur,<br />

K<strong>in</strong>dertagesstätten oder Spielplätze, so lange<br />

wir nur schöne Bahnhöfe haben? Ist doch wahr:<br />

Während wir hier im Norden ke<strong>in</strong>e Ahnung haben,<br />

worauf es wirklich ankommt, machen die <strong>in</strong> Stuttgart<br />

alles richtig. Zwar sollte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er funktionierenden<br />

Demokratie – so die Theorie – der Wille des Volkes<br />

durch die Regierenden umgesetzt werden,<br />

wenn das Volk aber ke<strong>in</strong>en blassen Schimmer hat,<br />

was für die Menschen gut ist, dann muss man sich<br />

halt über den Volkswillen h<strong>in</strong>wegsetzen. So läuft das<br />

eben. Lass sie doch faseln von Politikverdrossenheit<br />

und Willkürherrschaft, diese Fortschrittsbremser,<br />

die nicht erkennen, dass es für die<br />

Stadt Stuttgart gerade mehr als notwendig ist den<br />

Bahnhof zu verbuddeln. Noch treffen sich die<br />

Protestler zu Demonstrationszwecken täglich im<br />

Stadtpark, e<strong>in</strong> Umstand, der sich aber bald erledigt<br />

haben wird. Ist halt Pech für den Stadtpark, dass<br />

er so nahe am geplanten Bauvorhaben liegt und<br />

<strong>in</strong>s Bahnhofsgelände übergehen wird. Aber auch<br />

hier gilt: Was braucht man Bäume, Grünzeugs und<br />

Naherholung, wenn man dafür so e<strong>in</strong> schönes<br />

Prestigeobjekt bekommt.<br />

Außerdem soll man sich da nicht so anstellen. Oberbürgermeister<br />

Wolle Schuster hat ja schließlich alle<br />

beruhigt, die der Me<strong>in</strong>ung waren, dieses Projekt<br />

sei zu teuer. Derzeit, so zitierte er Berechnungen,<br />

koste das Vorhaben nämlich nur läppische 4,1 Mrd.<br />

Euro und erst ab 4,5 Mrd. Euro müsse man darüber<br />

nachdenken, ob sich das Vorhaben noch rechne.<br />

Nur weil die Gegner, allesamt Mathematik-Legastheniker,<br />

die zu erwartenden Kosten derzeit mit 5,3<br />

Mrd. beziffern, sollte hier niemand zurückrudern.<br />

Wir können uns also alle beruhigt zurücklehnen <strong>in</strong><br />

der Gewissheit, dass die Stadt Stuttgart mit Steuergeldern<br />

ke<strong>in</strong> Sch<strong>in</strong>dluder treibt. Und so loben also<br />

e<strong>in</strong>ige Stadträte e<strong>in</strong>e „Abkratzprämie“ aus für die<br />

Beseitigung dieser lästigen „Anti-Stuttgart-21-Aufkleber“,<br />

die das Stadtbild so unschön verschandeln<br />

und die Proteste werden als „unabgestimmte<br />

E<strong>in</strong>zeltöne“ abgetan. Richtig so.<br />

Stuttgart 21<br />

<strong>Satire</strong> von Dirk Bußmann<br />

Außerdem – und das hat <strong>in</strong> dieser Debatte noch<br />

ke<strong>in</strong>er wirklich erwähnt – kann sich die Stadt<br />

Stuttgart e<strong>in</strong> solches Projekt durchaus leisten. In der<br />

deutschlandweiten Bildungsmisere ist Stuttgart e<strong>in</strong><br />

Leuchtturm mit Vorbildcharakter. Forschung, Bildung<br />

und Wissenschaft werden ausreichend unterstützt,<br />

es hagelt K<strong>in</strong>dertagesstätten, alle Schulen<br />

perfekt ausgestattet, Kultur- und Soziale<strong>in</strong>richtungen<br />

müssen ke<strong>in</strong>erlei Kürzungen h<strong>in</strong>nehmen,<br />

alle Spielplätze topp <strong>in</strong>stand gehalten, schicke<br />

Straßen ohne Schlaglöcher, e<strong>in</strong> Vorbild <strong>in</strong> demokratischem<br />

Verhalten. Wenn dem nicht so wäre,<br />

würde die Stadt Stuttgart doch ihr Geld nicht so zum<br />

Fenster heraus werfen, sondern s<strong>in</strong>nvoller e<strong>in</strong>setzen,<br />

so viel ist e<strong>in</strong>mal klar. Alles andere wäre<br />

menschenverachtend. Stuttgart jedoch ist e<strong>in</strong>e Enklave<br />

der Menschlichkeit, e<strong>in</strong>e perfekte Welt, die<br />

nur noch e<strong>in</strong>en Wunsch hat: e<strong>in</strong> unterirdischer Bahnhof.<br />

Man muss auch mal gönnen können.<br />

Die Reaktionen der Protestler s<strong>in</strong>d also völlig unbegründet<br />

und überzogen zugleich. Ke<strong>in</strong> Wunder,<br />

dass der arme Oberbürgermeister Schuster öffentliche<br />

Auftritte meidet wie der Teufel das Weihwasser,<br />

hat er doch ke<strong>in</strong>e Lust dazu sich ständig vom<br />

Mob durch die Straßen treiben zu lassen. Da kann<br />

er doch besser mit se<strong>in</strong>en befreundeten Lobbyisten<br />

<strong>in</strong> der gehobenen Gastronomie abhängen, bis<br />

Gras über die Sache gewachsen ist. Würde doch<br />

jeder so machen. Lobbyismus kommt <strong>in</strong> Deutschland<br />

eh zu kurz, da müsste man mal dr<strong>in</strong>gend so<br />

e<strong>in</strong> Schutzgesetz verfassen. In Stuttgart wissen sie<br />

noch, was für Menschen gut ist. Scheiß auf den<br />

Stadtpark!

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