vsao Journal Nr. 5 - Oktober 2021
Ende - Vom Happyend bis zum Untergang Gynäkologie - Wechseljahre und Hormonersatztherapie Urologie - Urolithiasis – gefährliche Steine Politik - Strategie: Bilanz und Ausblick
Ende - Vom Happyend bis zum Untergang
Gynäkologie - Wechseljahre und Hormonersatztherapie
Urologie - Urolithiasis – gefährliche Steine
Politik - Strategie: Bilanz und Ausblick
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>vsao</strong><br />
<strong>Nr</strong>. 5, <strong>Oktober</strong> <strong>2021</strong><br />
<strong>Journal</strong><br />
Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
Ende<br />
Vom Happyend bis zum Untergang<br />
Seite 24<br />
Gynäkologie<br />
Wechseljahre und Hormonersatztherapie<br />
Seite 36<br />
Urologie<br />
Urolithiasis – gefährliche Steine<br />
Seite 39<br />
Politik<br />
Strategie: Bilanz und Ausblick<br />
Seite 6
EIS<br />
Die Rechnung mit der Ärztekasse:<br />
Mehr Auswahl im Angebot.<br />
Zum Beispiel elektronische Krankengeschichte und Dokumentenverwaltung: Mit der elektronischen<br />
Datenverwaltung ist alles aufgeräumt und im Bedarfsfall sekundenschnell verfügbar.<br />
Keine Aktenschränke und Hängedossiers mehr: Das spart Platz und Geld und ist zudem ein<br />
wichtiges Element der Qualitätssicherung. Die Fachleute der Ärztekasse helfen Ihnen bei der<br />
Einrichtung der elektronischen Krankengeschichte nach Ihren Vorgaben.<br />
2<br />
Weitere Infos und Angebote auf<br />
aerztekasse.ch<br />
Ärztekasse – die standeseigene<br />
Genossenschaft an Ihrer Seite<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong><br />
publix.ch
Inhalt<br />
Ende<br />
Vom Happyend bis zum Untergang<br />
Coverbild: Till Lauer<br />
Editorial<br />
5 Enden ohne Ende<br />
Politik<br />
6 Nach der Strategie ist vor der Strategie<br />
Weiterbildung /<br />
Arbeitsbedingungen<br />
8 Noch ein Coronasorgenkind<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
2 Forschen lernen<br />
3 Der UHU-Blick<br />
<strong>vsao</strong><br />
20 Neues aus den Sektionen<br />
23 <strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />
Perspektiven<br />
36 Aktuelles aus der Gynäkologie:<br />
individualisierte Hormonersatztherapie<br />
– Chance oder Risiko? Wechseljahre<br />
– und jetzt?<br />
39 Aus der «Therapeutischen Umschau»<br />
– Übersichtsarbeit: Urolithiasis<br />
45 Künstler der Medizin<br />
mediservice<br />
47 Briefkasten<br />
49 Gut geschützt online shoppen und im<br />
Internet surfen<br />
50 Impressum<br />
Fokus: Ende<br />
24 Ende gut – alles gut?<br />
26 Als der Schlagbaum fiel<br />
28 Jeden Tag das Ende vor Augen<br />
30 Ende – menschliches Leben und<br />
historische Epoche<br />
32 Abschied<br />
33 Herausforderung Therapieende<br />
Anzeige<br />
Geborgenheit<br />
CH-3860 Meiringen<br />
Telefon +41 33 972 81 11<br />
www.privatklinik-meiringen.ch<br />
Ein Unternehmen der Michel Gruppe<br />
Ärztliche Leitung:<br />
Prof. Dr. med. Thomas J. Müller<br />
Wo Patienten auch Gäste sind.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 3
Anzeigen<br />
INTERIOR - DESIGN - DENTAL - MEDICAL<br />
URINDURCHREICHE - SICHER - HYGIENISCH - PRIVAT<br />
Innenarchitektur - Innenausbau - Praxiseinrichtungen - Schreinerei<br />
Weil sich Persönlichkeit und Qualitätsbewusstsein im Detail zeigt.<br />
Häubi AG, Werkstr. 29, 3250 Lyss<br />
T. 032 555 30 00, haeubi.ch<br />
Günstiges Angebot für<br />
Assistenzärztinnen und<br />
Assistenzärzte!<br />
Anmeldung ab 18. <strong>Oktober</strong> <strong>2021</strong><br />
61. Ärztekongress vom 10. bis 12. Februar 2022<br />
DAVOS 2022<br />
Informieren Sie sich jetzt:<br />
www.aerztekurse.ch
Editorial<br />
Enden<br />
ohne Ende<br />
Fabian Kraxner<br />
Redaktionsmitglied<br />
<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />
Mehr als Scherz entstand in mir der Wunsch, alles Endende<br />
aufzuzählen. Nach kurzer Zeit beendete ich das<br />
anstrengende Gedankenexperiment und merkte demütig:<br />
Alles ist vergänglich und hat ein Ende, manchmal<br />
sogar mehrere. In der vorliegenden Nummer befassen wir uns mit<br />
Enden aller Art. Gewisse Enden finden sich überall und alltäglich,<br />
andere seltener. Wie der fiktive Gynäkologe Linus Edell sein Beziehungsende<br />
verarbeitet, erfahren Sie in der subtilen Erzählung «Abschied»<br />
des preisgekrönten, deutsch-schweizerischen Schriftstellers<br />
Tim Krohn.<br />
Nicht weniger emotional ist der Weggang eines geliebten Menschen.<br />
So beleuchtet das spannende Interview mit dem Bestatter Urs Gyger,<br />
wie grenzenlos die verschiedenen Formen des Abschieds sein können.<br />
Zur Bestattung gehört unweigerlich das vorgängige Sterben. Das<br />
Lebensende ist ein zentrales Thema unseres Berufes. Die meisten<br />
Ärztinnen und Ärzte haben wiederholt Menschen sterben sehen.<br />
Patrizia Kündig erläutert uns ihre differenzierte Sichtweise zum «medizinischen»<br />
Ohnmachtsgefühl am Lebensende von Patienten.<br />
Während der Todeszeitpunkt das definierte Enden der Lebensfunktionen<br />
darstellt, ist die zeitliche Bestimmung des Endens in der Geschichte<br />
weitaus komplizierter. Den Anfang und das Ende einer Epoche<br />
zu definieren, stellt die Wissenschaft vor Herausforderungen und<br />
Fragen. Wer oder was definiert eigentlich ihr Ende? Wie einschneidend<br />
muss ein Ereignis sein, um das Ende einer Epoche zu bilden? Antworten<br />
darauf finden Sie im Beitrag vom renommierten Historiker Prof.<br />
Dr. Karl Vocelka.<br />
Können Sie sich an Ihre letzte Märchengeschichte erinnern? Sicherlich<br />
entsinnen Sie sich des einen oder anderen Volksmärchens. Häufig<br />
enden diese mit der Aussicht auf ein immerwährendes Glück.<br />
Dr. Olivia Liegl, zertifizierte Märchenerzählerin, räumt auf erfrischende<br />
Art und Weise mit dem Stereotypus «Ende gut, alles gut» auf.<br />
Dass Ende und Anfang zusammenfallen, sich teilweise auch überschneiden<br />
können, zeigt der Politikartikel. Zum einen wird die Umsetzung<br />
der Strategieziele 2017–2020 des <strong>vsao</strong> bilanziert. Zum andern<br />
wird klar, dass auf dem Erreichten aufgebaut werden muss oder gewisse<br />
Ziele noch ihrer Umsetzung harren.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 5
Politik<br />
Nach der<br />
Strategie ist vor<br />
der Strategie<br />
Den Jahreszahlen nach gehört sie ad acta gelegt:<br />
die <strong>vsao</strong>-Strategie 2017 bis 2020. Doch Deckel drauf wäre falsch,<br />
wie die Erfahrungen bei der Umsetzung zeigen.<br />
Trotz Erfolgen. Eine (Zwischen-)Bilanz – mit Ausblick auf<br />
die Fortsetzung.<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />
6<br />
Haupt- und 22 Subziele, verbunden<br />
durch 1 Mission – auf diesen<br />
Kurznenner lässt sich das Strategiedokument<br />
des <strong>vsao</strong> für die letzten<br />
vier Jahre bringen. «Unser Auftrag –<br />
eben die Mission – ist es, die beruflichen,<br />
standespolitischen und wirtschaftlichen<br />
Interessen der angestellten Ärztinnen und<br />
Ärzte in der Schweiz zu vertreten», erklärt<br />
Geschäftsführer Simon Stettler. «Speziell jene<br />
der Assistenz- und Oberärzteschaft.» Das<br />
sei seit jeher so und werde wohl so bleiben.<br />
Bevor es aber schon um die Zukunft<br />
geht und damit um die neue Strategie: Wie<br />
sieht das Fazit der alten aus? Wiederum in<br />
Kürze: erfreulich. Das gilt speziell für das<br />
erste Hauptziel des Verbands, die nationale<br />
Gesundheitspolitik mitzugestalten. So<br />
wurden etwa 2020 fast monatlich Stellungnahmen<br />
zu Vernehmlassungen und Positionsbezüge<br />
publiziert, die vielfach Widerhall<br />
fanden. Ein Beispiel ist die Opposition<br />
gegen Globalbudgets für das Gesundheitswesen<br />
und einen finanziellen Kahlschlag<br />
bei den Spitälern, ein anderes die Unterstützung<br />
für einen Vaterschaftsurlaub.<br />
Image- und Netzwerkpflege<br />
«Bei aller Kritik und bei allem Gegenwind<br />
für die Ärzteschaft geniesst deren junge<br />
Generation im Parlament nach wie vor einen<br />
Sympathiebonus», stellt Stettler fest.<br />
Dies habe sich im September 2018 auch<br />
am ersten grossen Netzwerkanlass im<br />
Bundeshaus gezeigt. Damals machte der<br />
<strong>vsao</strong> mit seiner Kampagne «Medizin statt<br />
Bürokratie!» auf das Problem der überbordenden<br />
Administration aufmerksam. Die<br />
aufgrund des positiven Echos für Frühling<br />
2020 geplante Wiederholung harrt allerdings<br />
noch ihrer Durchführung – wie so<br />
einiges wegen Corona.<br />
Pandemie hin oder her: Keinen Aufschub<br />
duldet der zweite Strategieschwerpunkt<br />
zeitgemässe Arbeitsbedingungen,<br />
vor allem der Kampf gegen die anhaltende<br />
Misere bei den Arbeitszeiten. Natürlich<br />
(und leider) sind die Probleme nach wie<br />
vor nicht aus der Welt geschafft. Dennoch<br />
ist nicht alles beim Alten geblieben. Während<br />
sich die Sektionen für bessere Verträge<br />
und gegen lokale Missstände engagieren,<br />
hat der Dachverband eine Arbeitsgruppe<br />
ins Leben gerufen. Sie will das Arbeitsgesetz<br />
mit neuen, zusätzlichen<br />
Massnahmen durchsetzen, die ärztliche<br />
Weiterbildung fördern – ein weiteres<br />
Hauptziel – und die Wochenarbeitszeiten<br />
spürbar senken. Ende November wird der<br />
Zentralvorstand Entscheide fällen.<br />
«Vieles beim <strong>vsao</strong> ist eine Daueraufgabe,<br />
was man an der letzten Strategie gut<br />
sieht», fasst der Geschäftsführer zusammen.<br />
Und was genauso für das abgeschlossene<br />
Projekt Förderung Teilzeit gilt<br />
(siehe Kasten), dessen Ergebnisse nun ins<br />
Tagesgeschäft einfliessen. Oder für das<br />
vierte Hauptziel, die Erbringung von<br />
Dienstleistungen mit erkennbarem Mehrwert<br />
für die Mitglieder: Nach einer umfassenden<br />
Erhebung zur diesbezüglichen<br />
Wahrnehmung der Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte soll 2022 eine schweizweite<br />
Mitgliederkampagne für frischen Schub<br />
sorgen.<br />
Was sind die beiden verbleibenden<br />
Schwerpunkte, die sich der Verband 2017<br />
ins Pflichtenheft geschrieben hat? «Die<br />
Einflussnahme auf digitale Entwicklungen<br />
und die Stärkung der ärztlichen Kernaufgaben<br />
mit Fokus auf die Patientinnen<br />
und Patienten», antwortet Simon Stettler.<br />
Damit verknüpft sei – ebenfalls typisch<br />
für die Verbandsarbeit – unter anderem<br />
der Einsitz in Gremien Dritter: «Weil es oft<br />
darum geht, in einem breiten Kreis von<br />
Betroffenen neue gemeinsame Vorstellungen<br />
und Ideen zu entwickeln.» Beispielsweise<br />
unter dem Dach der FMH zu<br />
E-Health – Stichwort elektronisches Pa-<br />
Bilder: peterschreiber.media/Adobe Stock und tadamichi/Adobe Stock<br />
6<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Politik<br />
Schon bestellt und<br />
gelesen …?<br />
Strategien müssen eine klare Richtung vorgeben. Ob sie sich in der Praxis bewähren, hängt dann<br />
aber vom Puzzle aus den konkreten Massnahmen ab. Auch beim <strong>vsao</strong>.<br />
tientendossier – oder beim Bundesamt für<br />
Gesundheit (BAG) zum Arztberuf der Zukunft.<br />
Wie weiter?<br />
Von heute also zurück zu morgen. Diverse<br />
Strategiemassnahmen für die Periode bis<br />
2020 würden derzeit noch ein Dasein als<br />
Papiertiger fristen, räumt Stettler ein.<br />
«Das heisst jedoch nicht, dass wir nicht<br />
mehr dahinterstehen – im Gegenteil!» Sowohl<br />
durch äussere, nicht beeinflussbare<br />
Umstände als auch aufgrund der Ressourcen<br />
sei es nicht möglich gewesen, alles<br />
gleichzeitig anzupacken. «Wir müssen<br />
jetzt prüfen, wo die Nachfolgestrategie<br />
den Faden der Vorgängerin aufnimmt und<br />
wo sie neue Akzente setzt.» Zunächst stehe<br />
allerdings im Vordergrund, den Prozess<br />
der Strategieerarbeitung aufzugleisen.<br />
«Wie wir uns das vorstellen, klären wir<br />
noch diesen Herbst mit unseren zuständigen<br />
Gremien.»<br />
Ja zur Pflege, ja zur<br />
Impfung<br />
Ende November kommt die Volksinitiative<br />
«Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)»<br />
zur Abstimmung. Sie fordert die<br />
Ausbildung und den Einsatz von genügend<br />
Pflegepersonal sowie bessere<br />
Arbeitsbedingungen. Der <strong>vsao</strong> unterstützt<br />
das vom Schweizer Berufsverband<br />
der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner<br />
(SBK) lancierte Begehren und<br />
empfiehlt an der Urne ein Ja. Zudem<br />
unterstreicht er angesichts der gestiegenen<br />
Fallzahlen erneut die Wichtigkeit<br />
der Impfung gegen COVID-19. Wer sich<br />
impfen lassen will, muss dies unkompliziert<br />
tun können und über alle nötigen<br />
Informationen verfügen. Der Entscheid<br />
dafür darf aber nicht unter Zwang<br />
erfolgen. Mehr zum Thema unter <strong>vsao</strong>.<br />
ch/Arbeitsbedingungen/Coronavirus.<br />
Im Sommer ist das <strong>vsao</strong>-Projekt Förderung<br />
Teilzeit abgeschlossen worden<br />
(vgl. «<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>» 3/<strong>2021</strong>). Weit über<br />
300 Spitäler und Kliniken in der ganzen<br />
Schweiz haben inzwischen Post<br />
vom Verband erhalten – denn die<br />
erarbeiteten Grundlagen für (noch)<br />
mehr Teilzeitstellen sollen nicht toter<br />
Buchstabe bleiben. Hierfür sorgen<br />
auch die <strong>vsao</strong>-Sektionen mit ihrem<br />
Engagement vor Ort.<br />
Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem<br />
Projekt sind in der Broschüre «Zeit für<br />
Beruf und Familie» zusammengefasst.<br />
Darin wird erklärt, worauf es ankommt<br />
– von der Kultur über die Struktur<br />
bis zur Organisation der Betriebe.<br />
Beispiele und Zitate von Ärztinnen und<br />
Ärzten verbinden die Theorie mit<br />
der Praxis. Aufgrund der grossen<br />
Nachfrage nach der in drei Sprachen<br />
gedruckten Publikation sei nochmals<br />
auf die Bestellmöglichkeit via<br />
sekretariat@<strong>vsao</strong>.ch hingewiesen.<br />
Auf der Website ist sie unter<br />
www.<strong>vsao</strong>.ch/ medien-undpublikationen/<br />
broschueren-und-flyer/<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 7
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Noch ein<br />
Coronasorgenkind<br />
Zwei Umfragen, ein Resultat: Die ärztliche Weiterbildung<br />
hat stark unter Corona gelitten. Ist es inzwischen besser geworden?<br />
Und welche Lehren ziehen <strong>vsao</strong> und SIWF aus der Pandemie?<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />
Dass die Pandemie die Weiterbildung zur Fachärztin/zum Facharzt in den Spitälern beeinträchtigt hat, ist nachvollziehbar.<br />
Aber kein Hinderungsgrund, Alternativen zu prüfen und die Qualität des Angebots zu verbessern.<br />
Bild: <strong>vsao</strong><br />
8<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
«Schon im Frühling 2020 wurde<br />
klar, dass sich COVID-19 auf das<br />
Weiterbildungsangebot auswirkt»,<br />
sagt Patrizia Kündig, Co-Vizepräsidentin<br />
des <strong>vsao</strong> und verantwortlich für<br />
das Ressort Weiterbildung. «Wir wollten<br />
deshalb genauer wissen, wie sich dies<br />
äus sert und wo der Schuh drückt.»<br />
Ein ideales Thema für den Feedbackpool,<br />
mit dem der Verband seinen Mitgliedern<br />
den Puls zu Weiterbildungsthemen<br />
fühlt. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden<br />
fielen ernüchternd aus. Denn sowohl<br />
während als auch nach der ersten<br />
Welle der Pandemie mussten rund drei<br />
Viertel respektive zwei Drittel der Antwortenden<br />
ganz oder teilweise auf Lehrangebote<br />
verzichten. «Die Hauptgründe dürften<br />
bei den Schutzmassnahmen gegen die<br />
weitere Verbreitung des Virus liegen», erklärt<br />
Kündig. «Zwar sind mancherorts neue<br />
Formen der Weiterbildung entstanden, vor<br />
allem online. Doch das hat bei unseren jungen<br />
Ärztinnen und Ärzten nichts am insgesamt<br />
negativen Eindruck geändert.»<br />
Angst vor Wissenslücken<br />
Denn ihre Kommentare zeigen, dass sie<br />
sich um Wissenslücken sorgten und zumindest<br />
bezweifelten, Verpasstes noch<br />
aufholen zu können. Zudem zeichnete die<br />
Befragung ein durchzogenes Bild der gerade<br />
in Krisen zentralen Kommunikation<br />
der Spitäler und des Schweizerischen Instituts<br />
für ärztliche Weiter- und Fortbildung<br />
(SIWF).<br />
«Alarmierende Umfrageergebnisse»<br />
vermeldete auch die <strong>vsao</strong>-Sektion Bern.<br />
«Bei zwei von drei teilnehmenden Mitgliedern<br />
wurde die strukturierte Weiterbildung<br />
komplett abgesagt», fasst Geschäftsführerin<br />
Janine Junker die Ergebnisse zusammen.<br />
Und fügt an: «Bei vier von zehn<br />
Personen gab es keinen virtuellen Ersatz.»<br />
Was besonders schwer wiege, weil gerade<br />
mal acht Prozent Gewähr hatten, nicht bezogene,<br />
aber vertraglich zugesicherte Weiterbildungstage<br />
ins neue Jahr übernehmen<br />
zu können. Die Sektion schrieb in der<br />
Folge alle Weiterbildungsstätten im Kanton<br />
an und forderte sie auf, aktiv zu werden,<br />
denn dafür gebe es vielfältige Möglichkeiten.<br />
«Als Beispiele haben wir Veranstaltungen<br />
per Video und Aufzeichnungen<br />
genannt», so Junker. «Wobei die<br />
Angebote während der Arbeitszeit zur<br />
Verfügung stehen müssen.»<br />
Interveniert und diskutiert<br />
Der <strong>vsao</strong>-Dachverband hat die Hände<br />
ebenfalls nicht in den Schoss gelegt. Gemäss<br />
Geschäftsführer Simon Stettler kam<br />
es immer wieder zu Interventionen bei Behörden<br />
und Gremien sowie Diskussionen<br />
im Kreis der Sozialpartner, zu denen auf<br />
Arbeitgeberseite der Spitalverband H+<br />
zählt. Mit diesem und dem Schweizer Berufsverband<br />
der Pflegefachfrauen und<br />
Pflegefachmänner (SBK) entstand ein<br />
Merk- und Faktenblatt zur Coronapandemie,<br />
das an sämtliche Spitäler ging und<br />
festhielt: «Die explizite ärztliche Weiterbildungszeit<br />
von vier Stunden pro Woche darf<br />
im Rahmen der Arbeitszeit nicht für andere<br />
Tätigkeiten verplant werden – auch<br />
nicht zum Nachholen von (…) verschobenen<br />
nicht dringlichen Operationen!»<br />
«Als besonders wertvoll erwies sich<br />
darüber hinaus unser enger Kontakt zum<br />
SIWF, in dessen Vorstand wir zwei Sitze<br />
haben», zieht Stettler Bilanz. «So war es<br />
uns möglich, Anliegen immer rasch und<br />
direkt einzubringen – und sie stiessen auf<br />
offene Ohren.» Das SIWF reagierte seinerseits<br />
mit Notstandsregelungen für diverse<br />
Bereiche. Speziell wichtig seien jene beim<br />
Ausfall von Kursen und Kongressen gewesen,<br />
erklärt Geschäftsführer Christoph<br />
Hänggeli. «In letzter Zeit richtete sich der<br />
Fokus dann vor allem auf Massnahmen für<br />
die Facharzt- und Schwerpunktprüfungen,<br />
weil dabei oft auf die mündliche Prüfung<br />
verzichtet wird.» Die grosszügigen<br />
Sonderregeln hätten sich sehr gut bewährt,<br />
wie das Echo der Betroffenen zeige.<br />
«Wir konnten sicherstellen, dass die meisten<br />
Anwärterinnen und Anwärter für die<br />
Facharzttitel nicht ein zusätzliches Weiterbildungsjahr<br />
absolvieren müssen, um<br />
sämtliche Anforderungen zu erfüllen.»<br />
Es kommt noch mehr<br />
Nach Hänggelis Einschätzung bemühen<br />
sich alle Beteiligten, bei der Weiterbildung<br />
zur Normalität zurückzukehren. Trotzdem<br />
sind die Notstandsregelungen noch<br />
etwa bei jedem dritten Fall ein Thema. Mit<br />
dem Grossprojekt «Kompetenzbasierte<br />
Weiterbildung», zu welchem etwa Entrustable<br />
Professional Activities (EPAs) und<br />
Teach-the-Teacher-Schwerpunkte gehören,<br />
sowie den e-Projekten (e-Logbuch<br />
und Informatisierung der Weiterbildungsstätten)<br />
arbeite das SIWF unablässig daran,<br />
die Qualität der ärztlichen Weiterbildung<br />
bzw. deren Administration zu steigern<br />
– unabhängig von Corona. «Die Pandemie<br />
hat allerdings dazu geführt, dass<br />
sich sämtliche Projekte verzögern. Wir<br />
hoffen, bis 2022 wieder auf Kurs zu sein.»<br />
Der <strong>vsao</strong> berichtet mit Blick auf die<br />
Pandemie zumindest von einer Verbesserung<br />
der Weiterbildungssituation, doch<br />
lassen sich zwischen den Kantonen oder<br />
einzelnen Spitälern und Kliniken nach wie<br />
vor Unterschiede feststellen. «Manchmal<br />
grosse und nicht nur nachvollziehbare»,<br />
betont Patrizia Kündig. Von einer allgemein<br />
befriedigenden Lage könne jedenfalls<br />
nicht die Rede sein, wenn man CO-<br />
VID-19 ausblende. «Daher werden wir dem<br />
Zentralvorstand Ende November Vorschläge<br />
unterbreiten, um die ärztliche<br />
Weiterbildung besser durchzusetzen und<br />
stärker zu fördern. Es reicht nicht, sie in<br />
Papieren festzuschreiben, wenn sie entweder<br />
ungenügend durchgeführt wird<br />
oder unseren Leuten in der Hektik des Berufsalltags<br />
die Zeit fehlt, die Angebote zu<br />
nutzen.»<br />
Mehr zu den erwähnten Erhebungen<br />
unter <strong>vsao</strong>.ch/medien-und-publikationen/<br />
studien-und-umfragen/#feedbackpool sowie<br />
<strong>vsao</strong>-bern.ch/News.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 9
Ihre Bedürfnisse<br />
im Mittelpunkt<br />
Visitationen<br />
Bewertungen, Löhne, Arbeitszeiten,<br />
Kitas, Jobs - und noch viel<br />
mehr: Medicus ist das umfassende<br />
Portal für Ihre Karriere. Dort<br />
finden Sie die optimal zu Ihnen<br />
passende Stelle!<br />
Die Spitäler und <strong>vsao</strong>-Sektionen<br />
bieten Ihnen wichtige Informationen<br />
zu den Arbeitsbedingungen. Den<br />
wichtigsten Beitrag leisten jedoch<br />
Sie: Bewerten Sie anonym Ihren<br />
bisherigen Arbeitgeber. Damit<br />
helfen Sie anderen – und profitieren<br />
selber von deren Erfahrungen.<br />
www.medicus.ch<br />
Wie gut ist die Weiterbildung in<br />
den Kliniken? Dieser Frage gehen<br />
die Visitationen auf den Grund. Zu<br />
den Expertenteams gehört immer<br />
jemand vom <strong>vsao</strong>. Die Besuche vor<br />
Ort dienen dazu, Verbesserungsmöglichkeiten<br />
zu erkennen. Denn<br />
Sie als unser Mitglied sollen von<br />
einer hohen Weiterbildungsqualität<br />
profitieren.<br />
Falls Sie selber Visitationen<br />
begleiten möchten: eine E-Mail<br />
an ribeaud@<strong>vsao</strong>.ch, und Sie<br />
erfahren mehr!<br />
www.<strong>vsao</strong>.ch/visitationen<br />
Feedback-<br />
Pool<br />
Für Sie als Mitglied ist sie zentral:<br />
die Weiterbildung. Deshalb fühlen<br />
wir unserer Basis mit Umfragen<br />
regelmässig den Puls dazu. Dank<br />
dieses Feedback-Pools können wir<br />
unsere Verbandsarbeit gezielt auf<br />
Ihre Anliegen ausrichten.<br />
Wollen Sie mitmachen? Dann<br />
schreiben Sie an ribeaud@<strong>vsao</strong>.ch.<br />
www.<strong>vsao</strong>.ch/studien-undumfragen<br />
Arztberuf<br />
und Familie<br />
• Wie bringe ich Familie, Freizeit und<br />
Beruf unter einen Hut?<br />
• Wie steige ich nach der Babypause<br />
wieder ein?<br />
• Wie meistere ich die täglichen<br />
Herausforderungen?<br />
Antworten auf solche Fragen erhalten Sie<br />
als <strong>vsao</strong>-Mitglied bei unserem kostenlosen<br />
Coaching. Die Beratung erfolgt telefonisch<br />
durch die Fachstelle UND.<br />
044 462 71 23<br />
info@und-online.ch<br />
www.<strong>vsao</strong>.ch/telefoncoaching
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Ohnmacht<br />
Bild: zvg<br />
Gibt es in der (modernen) Medizin Momente oder<br />
Situationen, in denen wir Ärztinnen und Ärzte<br />
machtlos sind, das heisst tatenlos zusehen müssen,<br />
wie etwas geschieht, ohne Einfluss nehmen zu können?<br />
Viele werden wohl spontan antworten: Natürlich! Wir alle<br />
haben Patienten sterben sehen, mussten ihnen und uns eingestehen,<br />
dass es keine Behandlungsmöglichkeiten mehr gibt.<br />
Doch diese Definition hat weder etwas mit dem <strong>vsao</strong> noch mit<br />
Ärztinnen und Ärzten zu tun – oder doch? Sowohl die<br />
letzte Mitgliederumfrage des Dachverbands als<br />
auch die kürzlich von der Sektion Waadt<br />
durchgeführte Umfrage zu Diskriminierungen<br />
im beruflichen Umfeld zeigen<br />
erschreckende Ergebnisse. Über die<br />
Hälfte der antwortenden Personen<br />
hat im Rahmen ihrer beruflichen<br />
Tätigkeit Diskriminierung (mit)<br />
erlebt. So berichtet ein Mitglied:<br />
«Mein Chef stellt keinen ‹-ic› ein<br />
oder niemanden, ‹der auf dem<br />
Kamel ins Spital kommt›.» Auch<br />
unsere Sektionsjuristinnen und<br />
-juristen sind in ihren Beratungen<br />
nicht selten mit dem Thema konfrontiert.<br />
Aber sind wir deswegen wirklich<br />
ohnmächtig? Können wir nichts mehr tun?<br />
Haben wir versagt?<br />
Die geneigte Leserin wird die Antwort schon<br />
ahnen: Ich bin anderer Meinung. Nur weil ich dem Patienten<br />
keine (kurative) Behandlung mehr anbieten kann, bin ich nicht<br />
machtlos, geschweige denn habe ich versagt. Meine Aufgabe als<br />
Ärztin ist es, jedem einzelnen Patienten für die jeweilige<br />
Situation die bestmögliche Behandlung und Betreuung zukommen<br />
zu lassen. Das geschieht in vielen Fällen mit kurativer<br />
Intention oder zumindest mit einer Behandlung, die als solche<br />
wahrgenommen wird, weil es aktives Beeinflussen des Krankheitsverlaufs<br />
ist. Oft genug bleibt uns aber nichts anderes übrig,<br />
als den Lauf der Natur zu akzeptieren, z.B. weil ein Kreislaufstillstand<br />
schon zu lange andauert, als dass man ihn noch<br />
beheben könnte.<br />
Sich selbst dabei nicht als machtlos und ausgeliefert zu<br />
sehen, ist für mich die Kunst des Arztseins. Denn auch in<br />
solchen Momenten bin ich dem Wohlbefinden und der Würde<br />
des Patienten verpflichtet. Nur äussert sich dies dann eher<br />
darin, den Patienten würdevoll sterben zu lassen und ihn nicht<br />
mit weiteren Reanimationsversuchen zu plagen. Im richtigen<br />
Auf den<br />
Punkt<br />
gebracht<br />
Moment aufhören zu können, ist auch Teil meiner Aufgabe.<br />
Oftmals wird die Option, nicht zu operieren, als «nichts tun»<br />
wahrgenommen, was negativ behaftet ist und dem Patienten<br />
das Gefühl vermittelt, allein gelassen zu werden. Doch dieses<br />
Vorgehen kann die würdevollere Lösung sein, beispielsweise bei<br />
einem Darmverschluss mit geringer Aussicht auf Heilung.<br />
Heisst aber dann eben nicht «nichts tun», sondern den Patienten<br />
zu begleiten und seine Symptome zu lindern – was oft sehr<br />
gut möglich ist.<br />
Viel zu oft werden diese weniger aktiven<br />
Behandlungen als weniger wert betrachtet<br />
– und oftmals gar nicht angesprochen,<br />
sondern höchstens widerwillig akzeptiert,<br />
wenn es keinen anderen Ausweg<br />
mehr gibt.<br />
Meiner Meinung nach ist<br />
Medizin etwas sehr Ganzheitliches,<br />
und da gehört menschliche,<br />
einfühlsame Begleitung sowie<br />
einen Menschen gehen lassen zu<br />
können genauso dazu wie alles<br />
geben und die medizinischen<br />
Massnahmen ausschöpfen. Die hohe<br />
Kunst ist, diese Unterscheidung<br />
machen zu können: die Weisheit und<br />
Empathie zu haben, um die richtige<br />
Entscheidung zu treffen, und gleichzeitig die<br />
Grösse, den Lauf der Natur zu akzeptieren und<br />
trotzdem seinen Platz als Ärztin darin zu finden. Und<br />
wer jetzt meint, diese Art der Betreuung sei wohl Aufgabe der<br />
Pflege, liegt falsch. Die Entscheidung, wann welcher Weg richtig<br />
und sinnvoll ist und wie die Begleitung konkret gestaltet werden<br />
sollte, ist meines Erachtens ganz klar eine ärztliche. Die Ausführung<br />
kann danach durchaus an die Pflege delegiert werden, aber<br />
wir Ärztinnen und Ärzte können uns nicht ganz aus der Verantwortung<br />
nehmen und sollten das auch schätzen. Wir haben hier<br />
eine Rolle, der wir uns viel zu wenig bewusst sind und die sehr<br />
viel Potenzial beinhaltet, Leid zu lindern. Wenn auch vielleicht<br />
auf andere Weise als nach klassischem medizinischem Selbstverständnis.<br />
Patrizia Kündig<br />
Co-Vizepräsidentin <strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 11
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Forschen lernen<br />
Auf der Suche<br />
Jedes fundierte Forschungsprojekt<br />
beginnt mit einer ausführlichen<br />
Literaturrecherche, deren<br />
Ziel eigentlich ganz einfach ist:<br />
alle relevanten Artikel zum Thema erfassen,<br />
während die unwichtigen ausgelassen<br />
werden. Und doch ist die Recherche<br />
besonders am Anfang Ihrer Forschungskarriere<br />
oft eine überwältigende Aufgabe.<br />
Die folgende strukturierte Herangehensweise<br />
wird Sie schneller ans Ziel bringen.<br />
In den letzten Beiträgen haben wir<br />
gesehen, wie Ihre Studienfrage mithilfe<br />
der PICO-Formulierung in ihre Einzelteile<br />
zerlegt werden kann. Dieselbe<br />
Formulierung dient uns bei der systematischen<br />
Suche nach der bereits existierenden<br />
Literatur zum Thema.<br />
Die PICO-Komponenten können in<br />
PubMed direkt eingegeben werden. Die<br />
generelle Struktur der Frage sieht wie<br />
folgt aus:<br />
• (Population OR Synonym1 OR<br />
Synonym2 …) and<br />
• (Intervention OR Synonym1 OR<br />
Synonym2 …) and<br />
• (Comparator OR Synonym1 OR<br />
Synonym2 …) and<br />
• (Outcome OR Synonym1 OR<br />
Synonym2 …)<br />
Dabei sind nicht immer alle vier<br />
Komponenten notwendig; besonders<br />
Comparator und Outcome können je<br />
nach Fragestellung zu restriktiv sein.<br />
Klicken Sie auf der Startseite (https://<br />
pubmed.gov) unter der Suchzeile auf<br />
Advanced, um zur erweiterten Suchmaske<br />
zu gelangen. Dort tippen Sie die<br />
Suchbegriffe für die Population ein und<br />
klicken auf ADD. Wiederholen Sie den<br />
Vorgang für die anderen PICO-Komponenten.<br />
In der Query-Box unterhalb der<br />
Eingabezeile sehen Sie die automatisch<br />
mit AND verknüpften Komponenten.<br />
Ein nützliches Zusatzzeichen ist der<br />
Asterisk (*), der als Stellvertretersymbol<br />
für weitere Zeichen steht. So ist child*<br />
gleichbedeutend mit (child or child’s OR<br />
children or childhood).<br />
Nach Eingabe aller Begriffe klicken<br />
Sie auf Search, um die Resultate anzuzeigen.<br />
Aus der oft sehr grossen Anzahl<br />
resultierender Artikel müssen nun die<br />
relevanten ausgewählt werden, wie wir<br />
im nächsten Beitrag sehen werden.<br />
Lukas Staub,<br />
klinischer Epidemiologe,<br />
Redaktionsmitglied<br />
des<br />
<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>s<br />
Bild: zvg<br />
12<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Der UHU-Blick<br />
Die Lotusgeburt –<br />
oder der Moment, in<br />
dem ich an der Symbolik<br />
und Botanik der<br />
Lotusblume zweifelte<br />
Bild: zvg<br />
Es war Montagmorgen, mein<br />
erster Tag als «Uhuline» auf der<br />
Gynäkologie und Geburtshilfe.<br />
Nachdem die übliche Vorstellungsprozedur<br />
im neuen Team geschafft<br />
war sowie die übliche Verwirrung über<br />
«das neue Gesicht» und «wo denn die<br />
andere Unterassistentin sei» geklärt war,<br />
schickte man mich auch schon in den<br />
zweiten Stock, wo im OPS eine Sectio<br />
stattfinden würde. Zugegebenermassen<br />
war ich sehr schlecht auf dieses Fachgebiet<br />
vorbereitet, mein Wissen auf dem<br />
Gebiet der Gynäkologie beschränkte sich<br />
auf meine persönliche Erfahrung als<br />
Frau. Auf dem Gebiet der Geburtshilfe<br />
einzig auf das, was ich mir unter einer<br />
Geburt vorstellte.<br />
Ich trat in den OP-Saal, wo die<br />
Anästhesistin eben ihre Arbeit erledigt<br />
hatte. Zwischen Bauch und Kopf der<br />
aufgeregten Patientin war ein grüner<br />
Vorhang gespannt. Die Operateure<br />
bereiteten sich auf der Bauchseite des<br />
Vorhangs auf die bevorstehende Operation<br />
vor. Auf der Kopfseite des Vorhangs<br />
hielten die Anästhesisten mit der Hebamme<br />
ihre Stellung.<br />
Bevor ich mich überhaupt entscheiden<br />
konnte, auf welche Seite des Vorhangs<br />
ich mich nun stellen sollte, ging es<br />
auch schon los. Während das Kind ins<br />
Leben «gerissen» wurde, raunte mir die<br />
Hebamme noch zu, dass sie heute das<br />
erste Mal in ihrer Karriere ein Kind<br />
mitsamt der Plazenta entgegennehmen<br />
müsse.<br />
Komisch, dachte ich mir. Die Plazenta<br />
muss doch bei der Geburt sowieso<br />
raus? Oder doch nicht? An dieser Stelle<br />
schweigt man als «Uhuline» am ersten<br />
Arbeitstag besser. Während ich intensiv<br />
nach der Lösung dieses Rätsel suchte,<br />
platschte auch schon die Plazenta auf das<br />
gerade rausgeholte Kind.<br />
Anschliessend wurde der Mutter das<br />
Kind mitsamt Plazenta auf die Brust<br />
gelegt. Bis hierhin erschien mir die<br />
Prozedur noch unscheinbar und «normal»<br />
zu sein. Der Bauch wurde wieder<br />
zugenäht und die frischgebackene Mama<br />
im Spitalbett zurück auf die Wochenbettstation<br />
chauffiert, mit dem Kind und der<br />
Plazenta im Arm. Auch nachdem wir im<br />
Zimmer angelangt waren, blieb die<br />
Plazenta im Bett. Natürlich in der<br />
Zwischenzeit in einem Plastiksack<br />
verpackt, aber noch immer via Nabelschnur<br />
mit dem Baby verbunden. Ich<br />
nahm mir vor, abends zuhause schleunigst<br />
nachzulesen, wie eine Geburt<br />
(genau) verläuft. Denn dass die Plazenta<br />
ebenfalls ins Wochenbett kommt und mit<br />
Mutter und Baby noch einige Stunden<br />
nach der Geburt weiterkuschelt, war mir<br />
bis dato nicht bewusst.<br />
Später stellte sich heraus, dass es sich<br />
dabei um eine Lotusgeburt gehandelt<br />
hatte und es eine Variation der Geburtsnorm<br />
war. Ob nun die Begrifflichkeit<br />
Lotus mit der Form der Plazenta oder<br />
dem Geschmack des einige Zeit später<br />
zubereiteten Himbeer-Plazenta-Smoothie<br />
zusammenhängt, weiss ich jedoch bis<br />
heute nicht.<br />
Camille Bertossa,<br />
Medizinstudentin im<br />
6. Studienjahr<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 13
Anzeigen<br />
Partnervermittlung mit Charme<br />
persönlich · seriös · kompetent<br />
Löwenstrasse 25, 8001 Zürich<br />
044 534 19 50<br />
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.<br />
Kathrin Grüneis<br />
Anzeige offeriert.<br />
Lachen und Träume für<br />
unsere Kinder im Spital<br />
Ihre Spende<br />
schenkt Lachen.<br />
PC 10-61645-5<br />
Herzlichen Dank.<br />
ZürichseeWerbeAG_90x62-5_CH-FR-DE-IT.indd 1 07.05.19 12:41
Your career starts here.<br />
Samstag, 6. November <strong>2021</strong><br />
Stadion Wankdorf, Bern<br />
Samedi, le 6 novembre <strong>2021</strong><br />
Stade de Wankdorf, Berne
8.45 – 9.15<br />
10.10 – 10.40<br />
11.25 – 11.45<br />
9.15 – 9.20<br />
VORSTELLUNG<br />
FACHGESELLSCHAFTEN<br />
SGARM – Schweizerische<br />
Gesellschaft für<br />
Arbeitsmedizin<br />
Dr. med. Denise Steiner<br />
Fachärztin FMH<br />
Arbeitsmedizin<br />
PRÉSENTATION DE<br />
SOCIÉTÉS DE<br />
DISCI PLINE MÉDICALE<br />
SSMT – Société Suisse<br />
de Médecine du Travail<br />
Dr méd. Denise Steiner<br />
Spécialiste FMH<br />
en médecine du travail<br />
Arbeitsplatz Spital –<br />
(m)ein Traumjob<br />
Dr. med. Claudia Kohler<br />
Leitende Ärztin Innere Medizin,<br />
Kantonsspital Olten<br />
Notfallstation, Kantonsspital<br />
Olten<br />
Tagesmoderation<br />
Animation<br />
– Daniel Lüthi<br />
<strong>Journal</strong>ist/<br />
Kommunikationsspezialist<br />
DE<br />
– Sabrina Ribeaud<br />
Mitarbeiterin <strong>vsao</strong><br />
FR<br />
SGKC – Schweizerische<br />
Gesellschaft für<br />
Kinderchirurgie<br />
KD Dr. med. Noëmi Zweifel<br />
Universitäts-Kinderspital<br />
Zürich<br />
Dr. med. Robert Weil<br />
Kantonsspital Baden<br />
SSCP – Société<br />
Suisse de Chirurgie<br />
Pédiatrique<br />
Dr méd. Noëmi Zweifel<br />
Hôpital pédiatrique universitaire<br />
Zurich<br />
Dr méd. Robert Weil<br />
Hôpital cantonal de Baden<br />
11.45 – 12.05<br />
Es führen viele Wege<br />
in die Praxis<br />
Dr. med. Dina-Maria Jakob<br />
FMH Kinder- und Jugend-<br />
medizin, Schwerpunkt Kinder-<br />
kardiologie<br />
Der <strong>vsao</strong>: Ihre Anliegen<br />
– unser Engagement<br />
lic. phil. hist. Marcel Marti<br />
Stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong>/<br />
Leiter Politik und Kommunikation<br />
<strong>vsao</strong><br />
DE<br />
9.20 – 9.40<br />
L’asmac : vos revendications<br />
– notre engagement<br />
lic. phil. hist. Marcel Marti<br />
Directeur adjoint de l’asmac/<br />
responsable politique et<br />
communication de l’asmac<br />
FR<br />
SPHD – Schweizerische<br />
Gesellschaft der<br />
Fachärztinnen und -ärzte<br />
für Prävention und<br />
Public Health<br />
Dr. med. Samuel Iff<br />
MD MMed MSc<br />
Mitglied Vorstand Swiss<br />
Public Health Doctors<br />
Notfallmedizin SGNOR<br />
SGORL – Schweizerische<br />
Gesellschaft für<br />
Oto-Rhino-Laryngologie,<br />
Hals- und Gesichtschirurgie<br />
SPHD – Société Suisse<br />
des médecins<br />
spécialistes en prévention<br />
et santé publique<br />
Dr méd. Samuel Iff<br />
MD MMed MSc<br />
Membre du comité de Swiss<br />
Public Health Doctors<br />
SSORL – Société Suisse<br />
d’Oto-Rhino-Laryngologie<br />
et de Chirurgie cervicofaciale<br />
Fragerunde/Diskussion<br />
DE<br />
12.05 – 12.15<br />
DE<br />
FR<br />
9.40 – 10.00<br />
Auf dem Weg zum<br />
Facharzttitel: Topics,<br />
Tipps und e-Tools<br />
Christoph Hänggeli<br />
Geschäftsführer SIWF/FMH<br />
Rechtsanwalt, MPA unibe<br />
DE<br />
En route vers le titre de<br />
médecin spécialiste :<br />
sujets, conseils et<br />
outils électroniques<br />
Christoph Hänggeli<br />
Directeur de l’ISFM/FMH<br />
Avocat, MPA Université<br />
de Berne<br />
10.40 – 11.25<br />
FR<br />
10.00 – 10.10<br />
Fragerunde/Diskussion<br />
Questions/discussion<br />
DE<br />
FR
Sky Lounge 3<br />
11.25 – 11.45<br />
14.00 – 14.20<br />
« Pédopsy » ? C’est en rapport<br />
avec les pieds ?<br />
De la naissance compliquée à<br />
l’adolescence en crise : richesse<br />
et défis de la pédopsychiatrie<br />
hospitalière<br />
Section Vaud / Dr méd. Audraine Le<br />
Boudec, médecin-assistante en psychiatrie<br />
pour enfants et adolescents<br />
(pédopsychiatrie)<br />
On-field Sportmedizin,<br />
Rückblick auf Tokyo<br />
2020<br />
Dr. med. Daniel Wegmann<br />
DE<br />
La médecine du sport<br />
sur le terrain, un retour<br />
sur Tokyo 2020<br />
Dr méd. Daniel Wegmann<br />
FR<br />
11.45 – 12.05<br />
De l’université au cabinet,<br />
et vice versa<br />
Dr méd. Pierre-Yves Rodondi<br />
Professeur de médecine de famille,<br />
Directeur de l’institut de médecine<br />
de famille, Université de Fribourg,<br />
cabinet médical à Pully<br />
Als Expeditionsärztin<br />
im Tian Shian<br />
Dr. med. Nora Bienz<br />
Präsidentin <strong>vsao</strong> Bern<br />
DE<br />
14.20 – 14.40<br />
Médecin d’expédition<br />
au Tian Shian<br />
Dr méd. Nora Bienz<br />
Présidente de l’asmac<br />
Berne<br />
FR<br />
14.40 – 15.00<br />
12.05 – 12.15<br />
Questions/discussion<br />
Einblicke in die Transplantationschirurgie<br />
von heute<br />
Prof. Dr. med. Guido Beldi<br />
Un regard sur la<br />
chirurgie de transplantation<br />
actuelle<br />
Prof. Dr méd. Guido Beldi<br />
FR<br />
DE<br />
FR<br />
12.15 – 14.00<br />
15.00 – 15.10<br />
Fragerunde/Diskussion<br />
DE<br />
Questions/discussion<br />
FR<br />
15.10 – 15.20<br />
WETTBEWERB<br />
Verlosung<br />
CONCOURS<br />
Tirage<br />
Laufbahnplanung<br />
Gesundheitspolitik<br />
Arbeitsplatz Ausland<br />
Arbeitsplatz Praxis<br />
Arbeitsplatz Klinik<br />
Planning de carrière<br />
Politique de la santé<br />
Travailler à l’étranger<br />
Travailler en cabinet<br />
Travailler à l’hôpital<br />
15.20 – 16.00<br />
NETWORKING-APÉRO<br />
Die Ausstellung<br />
ist noch offen.<br />
NETWORKING-APÉRO<br />
L’exposition est<br />
encore ouverte.
«Der schöne Park ist ideal für<br />
Sprechstunden unter freiem Himmel.»<br />
Elena Frei, Assistenzärztin<br />
Psychiatriezentrum Münsingen<br />
Was wir Ihnen bieten<br />
• Unterstützung bei der Ausbildung zur<br />
Fachärztin oder zum Facharzt Psychiatrie<br />
Wir suchen Ärztinnen und<br />
und Psychotherapie<br />
• Intensiven fachlichen Austausch und<br />
Ärzte, die innovativ denken, die Möglichkeit, Dissertation abzulegen<br />
• Fort- und Weiterbildungen inklusive<br />
ihre Ideen aktiv einbringen finanzieller Unterstützung<br />
und sich an der Forschung zu beteiligen<br />
und eine multidisziplinäre • Beschäftigung in Voll- und Teilzeit möglich<br />
• Kita-Plätze und Personalhaus<br />
Zusammenarbeit schätzen. • Faire Anstellungsbedingungen<br />
Auskunft:<br />
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung:<br />
PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG<br />
Ihre Bewerbung nehmen wir gerne über<br />
gemeinsam lösungen finden.<br />
Annette Trinkler • Stv. Leiterin Human Resources die Online-Stelleninserate entgegen:<br />
Hunzigenallee 1 • 3110 Münsingen<br />
031 720 86 21 • annette.trinkler@pzmag.ch<br />
www.pzmag.ch/karriere-und-jobs/stellenmarkt<br />
Inserat_Medifuture_<strong>vsao</strong> journal_188x130_<strong>2021</strong>.indd 1 02.08.<strong>2021</strong> 13:16:03<br />
MEDIfuture – der Laufbahnkongress für<br />
Medizinstudierende und junge Ärztinnen und Ärzte<br />
Ob Spitalkader oder Privatpraxis, ob Auslandeinsatz<br />
oder Familienglück: Der ärztliche Berufsweg<br />
kennt viele Verzweigungen – und Hürden. Doch<br />
wir bieten Ihnen schon zu Beginn einen Wegweiser:<br />
MEDIfuture! An unserem Netzwerkanlass<br />
können Sie sich umfassend über Ihre Karriereplanung<br />
informieren. Es erwarten Sie spannende<br />
Referate, Tipps und Tricks von älteren Kolleginnen<br />
und Kollegen sowie Stände von Arbeitgebern und<br />
Fachgesellschaften. Nutzen Sie also die Chance,<br />
sich mit unseren Partnern und anderen Teilnehmenden<br />
auszutauschen!<br />
Das Anmeldeformular finden Sie auf unserer<br />
Website www.medifuture.ch unter MEDIfuture<br />
<strong>2021</strong>. Sie erhalten umgehend eine automatische<br />
Bestätigung per E-Mail. Die Teilnahme an<br />
MEDIfuture ist kostenlos. Die Teilnehmerzahl ist<br />
beschränkt.<br />
MEDIfuture – Le congrès pour les futurs<br />
et jeunes médecins.<br />
Que ce soit comme cadre à l’hôpital ou médecin<br />
en cabinet privé, qu’il s’agisse de la mission à<br />
l’étranger ou du bonheur familial: la carrière médicale<br />
présente de nombreuses ramifications – et<br />
obstacles. Nous vous proposons cependant dès<br />
le début un guide: MEDIfuture! Dans le cadre de<br />
notre manifestation de réseautage, vous pouvez<br />
vous informer en détail sur la planification de votre<br />
carrière. Vous y découvrirez des exposés intéressants<br />
et des conseils utiles de collègues plus âgés<br />
ainsi que des stands des employeurs et sociétés<br />
de discipline. Saisissez cette opportunité pour<br />
avoir un échange avec nos partenaires et d’autres<br />
participants.<br />
Vous trouverez le formulaire d’inscription sur notre<br />
site web www.medifuture.ch sous MEDIfuture<br />
<strong>2021</strong>. Vous recevrez directement une confirmation<br />
automatique par e-mail. La participation à MEDIfuture<br />
est gratuite. Le nombre de participant(e)s<br />
est limité.<br />
Gewinnen Sie<br />
die Kostenübernahme<br />
Ihres ersten Facharzttitels<br />
im Wert von Fr. 4’000.–!<br />
Gagnez la prise en charge<br />
des coûts du premier titre<br />
de spécialiste d’une valeur<br />
de Fr. 4’000.– !<br />
register now!<br />
www.medifuture.ch<br />
gemeinsam lösungen finden.
Anzeigen<br />
«Der schöne Park ist ideal für<br />
Sprechstunden unter freiem Himmel.»<br />
Elena Frei, Assistenzärztin<br />
Psychiatriezentrum Münsingen<br />
Wir suchen Ärztinnen und<br />
Ärzte, die innovativ denken,<br />
ihre Ideen aktiv einbringen<br />
und eine multidisziplinäre<br />
Zusammenarbeit schätzen.<br />
Was wir Ihnen bieten<br />
• Unterstützung bei der Ausbildung zur<br />
Fachärztin oder zum Facharzt Psychiatrie<br />
und Psychotherapie<br />
• Intensiven fachlichen Austausch und<br />
die Möglichkeit, Dissertation abzulegen<br />
• Fort- und Weiterbildungen inklusive<br />
finanzieller Unterstützung<br />
und sich an der Forschung zu beteiligen<br />
• Beschäftigung in Voll- und Teilzeit möglich<br />
• Kita-Plätze und Personalhaus<br />
• Faire Anstellungsbedingungen<br />
Auskunft:<br />
PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG<br />
Annette Trinkler • Stv. Leiterin Human Resources<br />
Hunzigenallee 1 • 3110 Münsingen<br />
031 720 86 21 • annette.trinkler@pzmag.ch<br />
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung:<br />
Ihre Bewerbung nehmen wir gerne über<br />
die Online-Stelleninserate entgegen:<br />
www.pzmag.ch/karriere-und-jobs/stellenmarkt<br />
gemeinsam lösungen finden.<br />
Inserat_Medifuture_<strong>vsao</strong> journal_188x130_<strong>2021</strong>.indd 1 02.08.<strong>2021</strong> 13:16:03<br />
ZERTIFIZIERT FÜR<br />
HOHE QUALITÄT:<br />
<strong>vsao</strong><br />
<strong>Journal</strong><br />
<strong>Nr</strong>. 1, Februar <strong>2021</strong><br />
Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
Vorrat<br />
Vom Pflichtlager bis zur<br />
Speichermilz<br />
Seite 22<br />
Publikation<strong>2021</strong><br />
KOMPETENT<br />
TRANSPARENT<br />
Das Gütesiegel für Qualität<br />
• Etabliert und anerkannt mit fokussierter Leserschaft<br />
• Inhaltlich kompetent und publizistisch unabhängig<br />
• Werbung ohne Streuverlust<br />
Pneumologie<br />
Lungenfibrose – Diagnostik<br />
und neue Therapien<br />
Seite 45<br />
Geriatrie<br />
Der «unkooperative» ältere Patient<br />
Seite 49<br />
Politik<br />
Zulassung – ein Irrgarten<br />
Seite 6<br />
A_210487_VSAO_1_Edito-Politik_#DE_(01-09).indd 1 09.02.21 11:40<br />
www.ihrepublikation.ch<br />
WWW.Q-PUBLIKATIONEN.CH<br />
Q_Titel_Inserat_180x133mm.indd 1 07.02.18 14:48
<strong>vsao</strong><br />
Neues aus<br />
den Sektionen<br />
Zentralschweiz<br />
Abstimmung GAV für LUKS<br />
und lups<br />
Diese Information ist extrem wichtig,<br />
wenn Du am LUKS oder bei der lups arbeitest!<br />
Die Abstimmung über den Gesamtarbeitsvertrag<br />
(GAV) steht bevor! Es gilt,<br />
zwischen GAV und Personalreglement zu<br />
entscheiden:<br />
• Ein Ja zum GAV bedeutet: Annahme des<br />
GAV. Mehr Schutz für die Mitarbeitenden<br />
des LUKS und der lups durch garantierten<br />
Einbezug der Sozialpartner (inklusive<br />
<strong>vsao</strong> und Personalkommission PEKO<br />
sowie weitere). Der Solidaritätsbeitrag<br />
von zwei Franken pro Monat (Lohnabzug)<br />
wird den Mitgliedern der Verbände<br />
zurückerstattet – es kostet Dich unter<br />
dem Strich also nichts!<br />
• Ein Nein zum GAV bedeutet: Annahme<br />
Personalreglement. Diese Option ermöglicht<br />
der LUKS-Führung einseitig Änderungen<br />
der Anstellungsbedingungen –<br />
auch wenn Berufsverbände und PEKO<br />
nicht einverstanden sind.<br />
Kurz zusammengefasst ist die Annahme<br />
des GAV klar zu bevorzugen, weil<br />
der GAV sicherstellt, dass die Sozialpartner<br />
bei Änderungen einverstanden sein<br />
müssen. Wichtig ist uns festzuhalten, dass<br />
die PEKO des LUKS auch einer dieser Sozialpartner<br />
ist, also beim GAV ebenso involviert<br />
ist wie z.B. die Sektion Zentralschweiz<br />
des <strong>vsao</strong>.<br />
Würde der GAV abgelehnt, käme automatisch<br />
das Personalreglement zum Zug.<br />
Damit hätte die Führung des LUKS / der<br />
lups die Möglichkeit, darin geregelte Bedingungen<br />
einseitig und insbesondere<br />
ohne Einverständnis der Sozialpartner zu<br />
ändern. Es ist zwar korrekt, dass die PEKO<br />
dabei involviert werden kann – sie muss<br />
aber nicht, noch muss sie mit den Änderungen<br />
einverstanden sein.<br />
Man könnte noch argumentieren,<br />
dass der GAV mehr kostet: pro Mitarbeiter<br />
und Monat zwei Franken (Lohnabzug),<br />
um die Arbeit im Hintergrund zu finanzieren,<br />
die notwendig ist, um den GAV zu erhalten<br />
und allfällige Änderungen auszuhandeln.<br />
Dieser kleine Beitrag wird aber<br />
mehr als wettgemacht durch die Tatsache,<br />
dass im GAV keine Beteiligung an der<br />
Krankentaggeldversicherung festgehalten<br />
ist (was bei einer allfälligen Anpassung<br />
ca. 0,6 Lohnprozente ausmachen würde,<br />
hoffentlich mehr als zwei Franken … :-) ).<br />
Hinzu kommt, dass die Verbände diesen<br />
Betrag ihren Mitgliedern zurückerstatten.<br />
De facto kostet der GAV die Mitarbeitenden<br />
also wirklich nichts.<br />
Somit ist klar: Der GAV ist aus Sicht<br />
der Arbeitnehmenden klar die Variante,<br />
welche mehr Schutz für die Arbeitsbedingungen<br />
bietet.<br />
Die Sektion Zentralschweiz des <strong>vsao</strong><br />
empfiehlt unbedingt ein Ja zum GAV. Dies<br />
ist eine einmalige Chance!<br />
Die Abstimmungsunterlagen sind<br />
Mitte September verschickt worden; die<br />
Abstimmungszettel müssen brieflich bis<br />
spätestens am Freitag, 15. <strong>Oktober</strong> <strong>2021</strong>,<br />
eingehen. Wir bitten Euch, sie rasch auszufüllen<br />
und zurückzusenden. Eine hohe<br />
Stimmbeteiligung ist wichtig!<br />
Mehr Informationen sind online zu<br />
finden unter www.mehrschutz.ch.<br />
Ivo Fähnle<br />
Präsident <strong>vsao</strong>-Sektion Zentralschweiz<br />
20<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
<strong>vsao</strong><br />
Zürich /<br />
Schaffhausen<br />
Ein rundum gelungener<br />
Abend<br />
Unsere diesjährige Mitgliederversammlung<br />
fand am 2. September an einem wunderbaren<br />
Sommerabend im Marriott Hotel<br />
Zürich statt. Trotz Schutzvorschriften und<br />
Zertifikatspflicht durften wir rund 50<br />
Gäste im geräumigen Century-Saal begrüssen.<br />
Darunter auch Vertreter unseres<br />
Nachwuchses, was uns speziell freute. Auf<br />
die herzliche Begrüssung durch unsere<br />
Präsidentin Anna Wang folgte dieses Mal<br />
der Jahresrückblick der Geschäftsleitung<br />
in Form eines Videos. Die Geschäftsleitungsmitglieder<br />
sprachen nicht nur von<br />
ihrem Wirken, sondern auch von ihren Beweggründen,<br />
beim VSAO Zürich tätig zu<br />
sein. Für alle, die es verpasst haben – den<br />
Film findet Ihr auf unserer Website.<br />
Mit der Wiederwahl von Anna Wang<br />
als Präsidentin bleibt alles beim Alten. Besonders<br />
gewürdigt wurde das fast 20-jährige<br />
Engagement von Adrian Schibli, welcher<br />
aus dem Vorstand zurücktritt.<br />
Aufgrund seiner grossen Erfahrung, seiner<br />
Kenntnisse und zuverlässigen Präsenz<br />
wie auch seines Engagements wird er<br />
zweifellos eine grosse Lücke hinterlassen.<br />
Allerdings wird Adrian weiterhin als Mitglied<br />
der Medizinalberufekommission<br />
amten und somit regelmässig als Gast im<br />
Eine Mitgliederversammlung vor Ort, ein schöner Sommerabend, ein attraktives Programm – der<br />
VSAO Zürich/Schaffhausen konnte sich über eine gelungene MV freuen.<br />
Geschäftsausschuss des <strong>vsao</strong> Schweiz präsent<br />
sein. Zudem wird er als Mitarbeiter<br />
des Stadtspitals Waid und Triemli für den<br />
<strong>vsao</strong> sicher auch künftig ein Bindeglied zu<br />
den Mitgliedern dort bilden. Adrian berichtet<br />
von seiner Motivation und seinen<br />
Erfahrungen in einem kurzen Interview<br />
auf unserem Instagramkanal @<strong>vsao</strong>zh sowie<br />
auf unserer Plattform docdoc. Leider<br />
mussten wir auch unsere Kollegin Selei<br />
Hamed verabschieden, welche jedoch<br />
nicht an der Mitgliederversammlung teilnehmen<br />
konnte. Auch ihr danken wir<br />
herzlich für die wertvolle Mitarbeit und<br />
das Engagement im Vorstand und insbesondere<br />
als Delegierte der Ärztekammer,<br />
eines Amtes, welches sie nach Möglichkeit<br />
weiterführen wird. Die beiden frei werdenden<br />
Sitze konnten mit Gerlinde Heil<br />
und Federico Mazzola besetzt werden.<br />
Beide kommen aus der Chirurgie, bringen<br />
frischen Ideen mit, aber auch <strong>vsao</strong>-Erfahrung<br />
aus anderen Sektionen – worauf wir<br />
uns sehr freuen!<br />
Nach dem offiziellen Teil folgte Fabian<br />
Unteregger mit seinem Programm<br />
«Der Komiker – Wirkstoff oder Placebo?»<br />
und verursachte gutartige Bauchschmerzen.<br />
Mit seinem Special-Programm für die<br />
Ärzteschaft und einigen Zugaben sorgte er<br />
für eine ausgelassene Stimmung und viele<br />
Lacher. Anschliessend genossen alle bei<br />
einem Apéro riche den Sonnenuntergang<br />
über Zürich. Endlich waren wieder persönlicher<br />
Austausch und ungezwungenes<br />
Networking möglich – ein rundum gelungener<br />
und perfekter Abend.<br />
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden<br />
und Mitwirkenden für den tollen<br />
Event!<br />
Viktoria Stanojevic,<br />
Social Media Manager und Kommunikationsassistentin<br />
VSAO Zürich/Schaffhausen<br />
Bilder: zvg<br />
Mit Adrian Schibli verlässt ein enorm erfahrenes, engagiertes und kenntnisreiches Mitglied die<br />
Geschäftsleitung der Sektion.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 21
Anzeigen<br />
Rechtsschutz für Ärzte und<br />
Medizinalpersonen<br />
Bei Ihrer Tätigkeit als<br />
medizinischer Leistungserbringer<br />
steht für Sie der Mensch im<br />
Mittelpunkt. Damit Sie sich<br />
sorglos um Ihre Patientinnen und<br />
Patienten kümmern können,<br />
kümmern wir uns um die<br />
Paragraphen. Wir sind vor einem<br />
Rechtsstreit für Sie da und<br />
unterstützen Sie, wenn es doch<br />
einmal kritisch wird.<br />
Vorteile des Rechtsschutzes<br />
für Ärzte und<br />
Medizinalpersonen<br />
• Persönliche Rechtsberatung<br />
und -vertretung<br />
• Finanzieller Rückhalt und<br />
umfassende Kostenübernahme<br />
• Absicherung auch im privaten<br />
Umfeld<br />
Sorglos<br />
betreuen<br />
Informieren Sie sich jetzt und<br />
schliessen Sie unkompliziert und<br />
zum Vorteilspreis ab:<br />
mediservice-<strong>vsao</strong>.ch/axa<br />
Jetzt kostenlos testen:<br />
ametiq.com/probeversion<br />
Lassen Sie sich<br />
von der<br />
Praxissoftware<br />
amétiq siMed<br />
begeistern<br />
Testen Sie das Praxisinformationssystem<br />
30 Tage kostenlos unter realen<br />
Bedingungen – mit Daten Ihrer Patienten.
<strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />
Umgang mit Minusstunden<br />
Weil die Spitäler zur Gewährleistung<br />
der Kapazitäten<br />
für Coronapatientinnen<br />
und -patienten<br />
über einen gewissen Zeitraum hinweg<br />
gehalten waren, elektive Eingriffe zu<br />
verschieben, sind bei vielen Ärztinnen<br />
und Ärzten Minusstunden angefallen.<br />
Ist es korrekt, wenn solche Minusstunden<br />
im System verbleiben und einfach<br />
argumentiert wird, der Bestand von<br />
Minusstunden hätte keine Auswirkung<br />
auf die Dienstplanung und diese würden<br />
bei Austritten nicht berücksichtigt?<br />
Nein. Denn ein solches System bedeutet,<br />
dass jede neu geleistete Überstunde<br />
bereits als durch eine vorhandene<br />
Minusstunde kompensiert gilt. D.h., auf<br />
Mehrarbeit würde keine Erholung durch<br />
Kompensation folgen. Es bedeutet auch,<br />
dass das Risiko, während der Coronapandemie<br />
keine Leistung erbringen zu<br />
können, auf die Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter überwälzt wird, obwohl<br />
anerkannt werden muss, dass ein Fall von<br />
Arbeitgeberverzug nach Art. 324 OR<br />
vorliegt. Von einem solchen ist auszugehen,<br />
wenn die Arbeit von den Mitarbeitenden<br />
zwar angeboten, diese von Seiten<br />
Arbeitgeber aber nicht angenommen<br />
wird. Also: Wenn schlicht nicht gearbeitet<br />
werden kann.<br />
Selbstverständlich kann der Arbeitgeber<br />
argumentieren, dass er den Arbeitgeberverzug<br />
nicht zu verantworten hat.<br />
Und unbestritten: Es ist die Pandemie,<br />
welche das Runterfahren des Betriebes<br />
erzwungen hat. Aber dafür trägt mit<br />
Sicherheit nicht die Mitarbeiterin oder<br />
der Mitarbeiter die Verantwortung. Die<br />
Anordnung kam vom Bund. Dieser sieht<br />
dort, wo Betriebe ihre Tätigkeit einstellen<br />
oder herunterfahren mussten, die<br />
Möglichkeit der Kurzarbeitsentschädigung<br />
vor. Damit wird das Risiko «Lohnfortzahlungspflicht<br />
trotz fehlender<br />
Arbeitsleistung» aufgefangen. Während<br />
Privatspitäler Kurzarbeitsentschädigungen<br />
erhalten haben, gilt dies für Spitäler<br />
mit öffentlicher Trägerschaft nicht.<br />
Warum? Weil das Staatssekretariat für<br />
Wirtschaft SECO davon ausgeht, dass<br />
öffentlich-rechtliche Unternehmen kein<br />
eigentliches Betriebsrisiko eingehen. Mit<br />
anderen Worten: Hinter diesen Unternehmen<br />
steht der Staat, die öffentliche Hand.<br />
In diesem Sinne hat auch die öffentliche<br />
Hand das Risiko der Lohnfortzahlungspflicht<br />
zu tragen und kann es nicht durch<br />
das Generieren von Minusstunden auf die<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
überwälzen.<br />
Bettina Surber,<br />
Rechtsanwältin Sektion<br />
St. Gallen/Appenzell<br />
Bild: zvg<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 23
Fokus<br />
Ende gut –<br />
alles gut?<br />
Die gängigen Volksmärchen enden häufig mit der Aussicht auf ein<br />
immerwährendes Glück. Oder etwa doch nicht?<br />
Je nach Perspektive sind diese stereotypen Enden weitaus vielschichtiger.<br />
Dr. Olivia Liegl, Psychotherapeutin, zertifizierte Märchenerzählerin<br />
… und sie lebten glücklich und zufrieden,<br />
und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben<br />
sie noch heute. Dies ist wohl ein eher<br />
bekannter Schluss eines Märchens. Nun<br />
gibt es aber auch Märchen, die enden tragisch,<br />
eventuell sogar mit dem Tod der<br />
Hauptfigur. Doch kann man tatsächlich so<br />
eindeutig sagen, wann es sich um ein Happyend<br />
und wann es sich um einen tragischen<br />
Ausgang der Geschichte handelt?<br />
Was passiert, wenn wir eine andere Beobachtungsperspektive<br />
einnehmen und aus<br />
einem anderen Blickwinkel heraus das<br />
vermeintlich positive Ende betrachten?<br />
Wie erstrebenswert ist es denn wirklich,<br />
nur noch glücklich und zufrieden zu leben?<br />
So könnte ein solches Szenario einem<br />
zwar eine sehr stabile, aber auch eher statische<br />
Situation bzw. Beziehung suggerieren.<br />
Mit dem Fokus auf das Statische<br />
hiesse dies, dass kaum Veränderung und<br />
damit auch wenig Entwicklung stattfinden<br />
kann. In Bezug auf die Beziehungsgestaltung<br />
wäre dies in der Realität wenig<br />
förderlich. Den Perspektivenwechsel mit<br />
dem Fokus auf das Märchenende möchte<br />
ich an verschiedenen Märchen näher erörtern.<br />
Vom Weg abgekommen<br />
Das Märchen von Rotkäppchen haben die<br />
meisten von uns irgendwann in ihrem Leben<br />
gehört oder gelesen. Wenn ich dieses<br />
Märchen nun meinen Kindern erzähle,<br />
steht das kleine und mutige Mädchen im<br />
Vordergrund, welches in eine gefahrvolle<br />
und durchaus angstauslösende Situation<br />
gerät. Für Kinder ist das Durchstehen dieser<br />
aufgebauten Spannung eine ziemliche<br />
Rotkäppchen und der böse Wolf: Je nach Standpunkt ein Bespiel für eine glückliche<br />
Rettung aus höchster Not oder ein Beispiel für eine gescheiterte Autonomieentwicklung.<br />
Bild: Walter Crane 1845–1915, Wikimedia<br />
24<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
Herausforderung. Die Rettung durch den<br />
Jäger und das Happyend mit der Bestrafung<br />
des Wolfes löst die Spannung im Guten<br />
auf und die Kinder können den Sieg<br />
über den Wolf stellvertretend als Beispiel<br />
für eine überwundene Angst erleben. Nun<br />
ändere ich meinen Blickwinkel und betrachte<br />
das Märchen als Entwicklungsgeschichte<br />
im Sinne der Individuation von<br />
einem jungen heranreifenden Mädchen.<br />
Um eine erfolgreiche Individuation, welche<br />
mit Autonomiegewinnung und u.a.<br />
(Ab-)Lösen aus bisherigen Beziehungsmustern<br />
einhergeht, zu durchlaufen,<br />
braucht es neue Wege und Erfahrungen.<br />
Dies geschieht bei Rotkäppchen zu Beginn<br />
erfolgreich, indem es seinen bisherigen,<br />
gewohnten Weg verlässt. Und wie in<br />
der Realität sind neue Wege nicht immer<br />
gefahrlos und einfach. Im Märchen gelingt<br />
es Rotkäppchen trotz der Gefahren<br />
für Leib und Leben, diese schwierigen Situationen<br />
zu überstehen, und könnte nun<br />
idealerweise mit diesen neuen Erfahrungen<br />
selbstbestimmter und selbstbewusster<br />
in die weitere Zukunft gehen. Für das<br />
Märchen würde dies heissen, dass Rotkäppchen<br />
nächstes Mal besser weiss, welche<br />
Gefahren, aber auch welch schöne<br />
Blumen abseits des Weges sind und wie es<br />
den Gefahren begegnen kann. Doch im<br />
Märchen entscheidet sich Rotkäppchen,<br />
sein «Lebtag nicht wieder allein vom Wege<br />
ab in den Wald» zu laufen, wenn es ihr «die<br />
Mutter verboten hat». Für die persönliche<br />
Entwicklung bedeutet dies, kritisch betrachtet,<br />
eine gescheiterte Autonomieentwicklung<br />
und einen Rückfall in kindliche<br />
Verhaltensmuster und somit kann aus diesem<br />
Blickwinkel heraus nicht von einem<br />
Happyend gesprochen werden.<br />
In manchen Märchen finden wir ein<br />
verzögertes Happyend. Eine mögliche Bedeutung<br />
einer solchen Verzögerung<br />
möchte ich am Märchen Rapunzel (Fassung<br />
1812) aufzeigen. Rapunzel ist bei einer<br />
Fee aufgewachsen und wird seit ihrem<br />
zwölften Lebensjahr in einem Turm vor<br />
der Welt versteckt gehalten. Nachdem Rapunzel<br />
zu einer jungen Frau herangewachsen<br />
ist, kommt ein junger Königssohn<br />
zufällig des Weges, nachdem er Rapunzel<br />
singen gehört hatte und die beiden<br />
verlieben sich ineinander. Nun könnte das<br />
Märchen an dieser Stelle enden. Der<br />
Schluss könnte so aussehen, dass er die<br />
Liebste aus dem Turm rettet, sie in sein<br />
Reich bringt und sie dort glücklich leben.<br />
Aber genau das passiert nicht. Es kommt<br />
zur Katastrophe. Rapunzel wird von der<br />
Fee in eine Wüstenei verbannt, nachdem<br />
sie herausfindet, dass Rapunzel schwanger<br />
ist. Es wird sehr eindrücklich beschrieben,<br />
dass es «ihr sehr kümmerlich erging<br />
und sie nach Verlauf einiger Zeit Zwillinge,<br />
einen Knaben und ein Mädchen gebar».<br />
Dem Königssohn selbst ergeht es<br />
nicht besser, er überlebt nur knapp den<br />
Sturz vom Turm, verliert dabei sein Augenlicht<br />
und irrt jahrelang verzweifelt im<br />
Wald umher. In dieser Sequenz könnte<br />
man eine Art Heldenfahrt sehen, wie sie<br />
häufiger auch in mythologischen Erzählungen<br />
vorkommt. Hier geht es um das<br />
Bestehen schwieriger Situationen und Gefahren.<br />
Ziel dieser Art von Heldenfahrt ist,<br />
in den meisten Fällen, die Reifung des<br />
Helden. Und so passiert es nun auch bei<br />
Rapunzel. Nach Jahren der Irrungen findet<br />
der Königssohn schliesslich in die<br />
Wüstenei. Rapunzel erkennt ihn und heilt<br />
seine Augen mit ihren Tränen. In der Fassung<br />
von 1812 endet das Märchen hier. Wir<br />
erfahren nicht, wie die Zukunft aussieht.<br />
Welche Lektion könnte in der Verzögerung<br />
des glücklichen Endes liegen? Wenn<br />
man das Märchen eingebettet in seiner<br />
Zeit, in der es veröffentlicht wurde, nämlich<br />
um 1800, betrachtet, befinden wir uns<br />
am Übergang zur Biedermeierzeit, einer<br />
Zeit mit hoher Moralität. Die Keuschheit<br />
war bei jungen Frauen eine wichtige Tugend.<br />
Somit könnte der Schreckmoment<br />
im Märchen als Warnung für junge Frauen<br />
und Männer verstanden werden, keine<br />
voreheliche Beziehung zu führen, da diese<br />
unweigerlich in eine Katastrophe führen<br />
könnte. Ein anderer Blickwinkel wäre mit<br />
Fokus auf die Entwicklung der Beziehungsfähigkeit.<br />
Somit könnte die Irrfahrt<br />
für einen wichtigen Reifungsprozess in<br />
der persönlichen Entwicklung stehen,<br />
welcher von jedem allein durchlaufen<br />
werden muss, bevor eine reife Beziehungsgestaltung<br />
mit echter Intimität und<br />
gegenseitigem Erkennen möglich ist. In<br />
der letzten Fassung der Brüder Grimm<br />
heisst es noch, dass er sie in sein Reich<br />
führte, wo sie glücklich und vergnügt lebten.<br />
Aus meiner Sicht ist die nachträgliche<br />
Verstärkung des Happyends dem Umstand<br />
geschuldet, das Märchen für die Leser-<br />
bzw. Zuhörerschaft verdaulicher zu<br />
machen.<br />
Tödliche Suche nach dem Glück<br />
Aber wie sieht das mit Märchen aus, welche<br />
mit dem Tod des Helden enden? Im<br />
«Pechvogel», einem irischen Märchen, ist<br />
der Protagonist auf der Suche nach seinem<br />
Glück, nachdem bisher im Leben alles<br />
fehlgeschlagen ist. Er begibt sich auf eine<br />
Suchwanderung. Am Ende der Welt erhält<br />
er dann von dem «Alten», der auf jede Frage<br />
eine Antwort hat, die Worte, dass er sein<br />
Glück auf dem Wege finden würde. Und<br />
obwohl ihm dann das Glück so offensichtlich<br />
begegnet, in Form einer freundlichen<br />
Frau und einer Schatzkiste voller Gold,<br />
kann er es nicht erkennen, eilt daran vorbei,<br />
weiter auf der Suche nach seinem<br />
Glück und verliert dadurch am Ende sogar<br />
das Leben, indem er von einem hungrigen<br />
Wolf gefressen wird. Im Märchen wird<br />
dem Pechvogel immer wieder die Frage<br />
gestellt: »Wohin gehst Du?» Vielleicht hätte<br />
man ihm lieber die Frage stellen sollen:<br />
«Wie gehst Du?» Für mich persönlich liegt<br />
in dieser Frage der Schlüssel zu dem Märchenende.<br />
So betrachtet könnte man die<br />
Suche und die Wanderung ans Ende der<br />
Welt und zurück auch als symbolischen<br />
Lebensweg verstehen und dann würde die<br />
Frage vielleicht lauten: «Wie gehst du<br />
durch das Leben?» Macht man es wie der<br />
Pechvogel, welcher einem vermeintlichen<br />
Glück in der Ferne hinterherjagt, oder gelingt<br />
es einem, immer wieder, im übertragenen<br />
Sinne, innezuhalten und das<br />
«Glück» im Moment zu suchen?<br />
Je nach Betrachtungsweise kann das<br />
Märchenende unterschiedlich interpretiert<br />
werden und dadurch eine neue Bedeutung<br />
bekommen und sicherlich ist<br />
auch die eigene Biographie mitentscheidend,<br />
wie der Schluss wahrgenommen<br />
wird. «Ende gut, alles gut» stimmt für Märchen<br />
also nicht immer.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 25
Fokus<br />
Als der<br />
Schlagbaum fiel<br />
Jan Sulzer hat den Lockdown ins Bild gesetzt. Seine Fotos der<br />
geschlossenen Grenzen zeigen das Ende der gewohnten Freiheit und<br />
dokumentieren eine ausserordentliche Zeit.<br />
Catherine Aeschbacher, Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />
Am 16. März 2020 verkündete<br />
der Bundesrat die «Ausserordentliche<br />
Lage» und damit<br />
den Lockdown. Welche Auswirkungen<br />
hatte das auf Ihre Arbeit?<br />
Im Unterschied zu befreundeten Kollegen<br />
und Kolleginnen, ich denke zum Beispiel<br />
an Schauspieler oder Musikerinnen, gab<br />
es glücklicherweise noch Dinge, die ich<br />
tun konnte. Der Schnitt am Dokumentarfilm<br />
über die Jugendpsychiatrie in Basel,<br />
der Film erscheint bald, und auch meine<br />
Arbeit an einem TV-Serienprojekt waren<br />
«Lockdown-kompatibel». Doch natürlich<br />
hatte sich viel verändert: Filmprojekte<br />
wurden verschoben, Menschen auf der<br />
Strasse zu fotografieren, was ich sonst immer<br />
mache, war plötzlich nicht mehr möglich.<br />
Doch ich habe das Gefühl, wir klagen<br />
in der Schweiz auf hohem Niveau. In vielen<br />
Ländern sind die Auswirkungen der<br />
Pandemie ungleich dramatischer, uns<br />
geht es vergleichsweise ziemlich gut.<br />
Troinex GE<br />
Gleichentags gingen auch die Grenzen<br />
zu. Sie wohnen im Grenzgebiet. Wie haben<br />
Sie diese Zeit erlebt?<br />
Als Einwohner des Basler Dreiländerecks<br />
ist man es gewohnt, die Grenzen jederzeit<br />
zu überqueren, man weiss manchmal auf<br />
einem Waldweg nicht einmal mehr, ob<br />
man noch in der Schweiz ist oder schon in<br />
Frankreich oder Deutschland. Auf einmal<br />
waren die Grenzübergänge geschlossen,<br />
sogar kleinste Feldwege gesperrt. Das war<br />
schon ein deutlicher Einschnitt. Ich war<br />
hin- und hergerissen: Die Dramatik der<br />
geschlossenen Grenzen stand ja für die<br />
Dramatik der ganzen Situation. Gleichzeitig<br />
war die Absurdität nicht zu übersehen;<br />
die Behörden versuchten mit Grenzbarrieren<br />
und Plastikband ein Virus abzuhalten,<br />
das schon seit Monaten im Land zirkulierte.<br />
Wie kamen Sie auf die Idee, die geschlossenen<br />
Grenzen zu fotografieren?<br />
Zuerst hatte ich weder an die ganze<br />
Schweiz noch an ein Fotobuch gedacht.<br />
Ich fragte mich: Wie kann ich diese Pandemie<br />
fotografisch festhalten, ohne anderen<br />
Menschen zu nahe zu kommen?<br />
Ich erkundete einfach mal die vertrauten<br />
Grenzübergänge in der Region Basel,<br />
zum Elsass und ins Badische. Dann fuhr<br />
ich immer weiter, Richtung Solothurn<br />
und in den Jura. Je mehr geschlossene<br />
Grenzen ich sah, desto mehr zog es mir<br />
«den Ärmel rein». Schliesslich entschied<br />
ich mich, die Situation umfassend zu dokumentieren.<br />
Und das Medium Fotobuch<br />
hat sich einfach angeboten, eine Ausstellung<br />
wäre ja im Lockdown keine gute Idee<br />
gewesen.<br />
Entstanden ist schliesslich das Buch<br />
«Abgeriegelt». Was geht Ihnen heute<br />
durch den Kopf, wenn Sie die Bilder sehen?<br />
Bilder: Jan Sulzer<br />
26<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
Hofstetten-Flüh SO<br />
Riehen BS<br />
Ich hätte nie gedacht, dass uns dieses Virus<br />
so lange im Griff haben wird. Ich denke<br />
auch an die vielen Toten, die die Pandemie<br />
in der Schweiz gefordert hat, frage mich,<br />
was besser hätte laufen müssen. Und ans<br />
Gesundheitspersonal, das sich nun schon<br />
seit bald zwei Jahren mit der Pandemie<br />
und ihren Folgen «abchrampft». Aber auch<br />
die Kinder und Jugendlichen beschäftigen<br />
mich, die jetzt ganz anders aufwachsen als<br />
wir damals. Für mich stehen die Bilder für<br />
diese Pandemiezeit; ich bin froh, dass mir<br />
ein relativ offener fotografischer Zugang<br />
gelungen ist. So kann jede und jeder selbst<br />
entscheiden, was sie oder er darin sehen<br />
möchte. Es ist wohl etwas Persönliches,<br />
wie man die jetzige Zeit erlebt, die Perspektiven<br />
sind sehr unterschiedlich.<br />
Zum Fotografen<br />
Jan Sulzer bewegt sich in verschiedenen<br />
künstlerischen Bereichen — ob als<br />
Regisseur auf Werbesets, als Autor fürs<br />
Fernsehen oder als dokumentarischer<br />
Fotograf. Nach einem Abschluss in<br />
Klinischer Heilpädagogik an der Uni<br />
Fribourg studierte er an der Zürcher<br />
Hochschule der Künste Fotografie und<br />
absolvierte seinen Master in Filmregie.<br />
Die Bilder sind als Fotobuch im<br />
Handel erhältlich, aber auch als Fine-<br />
Art-Prints, vom Fotografen selbst<br />
hergestellt.<br />
Weitere Infos: https://jansulzer.com<br />
Instagram: @stumblingduck<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 27
Fokus<br />
Jeden Tag das<br />
Ende vor Augen<br />
Bei der Form des Abschieds gebe es fast keine Grenzen, sagt Urs Gyger,<br />
Leiter eines Bestattungsinstituts. Doch bei tragischen Fällen kämen<br />
auch Bestatter seelisch an ihre Grenzen.<br />
Catherine Aeschbacher, Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>. Bild: Severin Nowacki.<br />
Bestatter ist kein Beruf wie jeder andere. Wichtig ist für Urs Gyger, dem Vertrauen der Hinterbliebenen gerecht zu<br />
werden.<br />
Polizist, Pilot oder Lokomotivführer<br />
wollte Urs Gyger nie werden.<br />
Im Gegensatz zu andern<br />
Buben hatte er keinen konkreten<br />
Berufswunsch. Eines aber wusste er<br />
genau: Er wollte hinaus in die weite Welt.<br />
Nach dem Abschluss einer Wirtschaftsmittelschule<br />
und einem kurzen Aufenthalt<br />
auf einer Bank war es so weit; ein<br />
Jahr verbrachte Gyger auf Reisen, davon<br />
mehrere Monate auf den Philippinen.<br />
Wie ging es nach Ihrer Rückkehr<br />
weiter?<br />
Eigentlich wollte ich wieder ins Bankfach<br />
und war auf den Weg zu einem Bewerbungsgespräch,<br />
als ich per Zufall die Chance<br />
erhielt, als Flight-Attendant bei der<br />
Swissair zu arbeiten. So konnte ich weitere<br />
sechs Jahre meiner Leidenschaft frönen<br />
und neue Länder und Kulturen kennenlernen.<br />
Obschon ich grosse Freude an dieser<br />
Tätigkeit hatte, wollte ich nicht bis zur Pensionierung<br />
bleiben. Also kehrte ich ins<br />
Bankfach zurück und leitete auf einer Berner<br />
Bank während zwanzig Jahren den Noten-<br />
und Goldhandel.<br />
Und wie kommt man von der Bank zum<br />
Bestattungsinstitut?<br />
Auch hier stellte sich die Frage, ob ich bis<br />
zur Pensionierung bleiben solle. Meine<br />
Frau sah zufällig ein Inserat, in dem ein<br />
Leiter für ein Bestattungsinstitut gesucht<br />
28<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
wurde. Ich bewarb mich, dann ging alles<br />
sehr schnell. Bereits nach wenigen Wochen<br />
war ich von der Arbeit begeistert.<br />
Wie hat Ihr Umfeld reagiert?<br />
Durchwegs positiv. Viele haben mir gesagt,<br />
nun sei ich dort angekommen, wo ich hingehöre.<br />
Wenn ich im gesellschaftlichen Umfeld<br />
fremde Menschen treffe, reagiere ich<br />
auf die Frage nach meinem Beruf eher humorvoll<br />
und frage, ob man es wirklich wissen<br />
wolle. Die Erfolgsserie «Der Bestatter»<br />
des Deutschschweizer Fernsehens hat natürlich<br />
Spuren hinterlassen. Wir wurden<br />
oft auf diese Sendung angesprochen, selbst<br />
wenn der Bestatter im Film von unserer Realität<br />
weit entfernt ist.<br />
Urs Gygers Werdegang ist nicht vollkommen<br />
aussergewöhnlich. Weil für Bestatter<br />
keine Berufslehre existiert, finden<br />
sich in diesem Beruf ausschliesslich Quereinsteiger.<br />
In der Regel absolvieren sie den<br />
Fachlehrgang Bestatter, der mit einem<br />
eidgenössischen Diplom abschliesst. Eigentlich<br />
müsse das nötige Wissen durch<br />
die Tätigkeit selbst erworben werden, betont<br />
Gyger.<br />
Nach welchen Kriterien stellen<br />
Sie Personal ein?<br />
Bewerber müssen eine gewisse Lebenserfahrung<br />
und Verständnis für andere Kulturen<br />
und Weltsichten mitbringen. Entsprechend<br />
stelle ich meist nur Leute ein, die<br />
wenigstens dreissig Jahre alt sind. Wir<br />
werden mit schwierigen Situationen konfrontiert,<br />
zum Beispiel mit zerstrittenen<br />
Hinterbliebenen, die sich nicht einigen<br />
können. Da braucht es Fingerspitzengefühl.<br />
Bei uns macht jeder Bestatter alles,<br />
deshalb ist es wichtig, dass man eine verstorbene<br />
Person schön aufbahren, aber<br />
eben auch heikle Gespräche führen kann.<br />
Und schliesslich ist es wichtig, dass man<br />
mit schlimmen Erlebnissen umgehen kann.<br />
Wir bergen auch Unfall- oder Suizidopfer<br />
und überführen sie in die Rechtsmedizin.<br />
Wenn einen diese Bilder verfolgen und<br />
nachts nicht mehr schlafen lassen, sollte<br />
man sich ein anderes Tätigkeitsfeld suchen.<br />
Jeder Bewerber muss deshalb Schnuppertage<br />
absolvieren, um zu erkennen, ob er<br />
sich für diesen Beruf eignet. Ein solches Engagement<br />
muss auch zwingend mit der Familie<br />
in Einklang stehen.<br />
Im Gegensatz zur Bank gebe es keinen<br />
normalen Arbeitstag, sagt Gyger. Einzig<br />
die Begleitung einer Beisetzung sei fix, darauf<br />
dürften sich die Hinterbliebenen verlassen.<br />
Sonst könne sich alles ändern,<br />
selbst wenn bei der morgendlichen Sitzung<br />
alle Aufgaben klar verteilt seien.<br />
Dank einem Pikettdienst ist das Institut<br />
rund um die Uhr erreichbar. Bei einem<br />
«gewöhnlichen» Todesfall versuche man,<br />
die wichtigsten Informationen bereits vor<br />
dem ersten persönlichen Treffen einzuholen<br />
(Angaben zu dem Verstorbenen, zu<br />
den Kontaktpersonen usw.). Danach werde<br />
das weitere Vorgehen mit den Hinterbliebenen<br />
festgelegt. Wichtig sei es, jeden<br />
Schritt genau zu erklären und zu betonen,<br />
dass kein Zeitdruck bestehe. Je nach<br />
Wunsch können die Bestatter alle Abläufe<br />
organisieren, von der Aufbahrung bis zur<br />
Danksagung. Das Unvorhersehbare macht<br />
für Urs Gyger den Reiz seiner Tätigkeit<br />
aus. Jeder Todesfall sei einzigartig, es gebe<br />
keine «Standardbeerdigung».<br />
Wie finden Sie heraus, welches<br />
die «richtige» Beerdigung ist?<br />
Es ist wichtig, dem Vertrauen gerecht zu<br />
werden, das uns die Hinterbliebenen entgegenbringen.<br />
Und zu spüren, was für die<br />
Hinterbliebenen in ihrem Fall das Richtige<br />
ist. Manchmal bestehen vermeintlich klare<br />
Vorstellungen. Wenn man jedoch genauer<br />
hinhört und nachfragt, merkt man, dass<br />
eine andere Lösung für die Trauernden<br />
längerfristig besser, weil tröstlicher wäre.<br />
Welches sind für Sie die schwierigsten<br />
Fälle?<br />
Bedrückend sind Todesfälle von jungen<br />
Menschen, wenn Eltern ihre Kinder verlieren.<br />
Dann sind wir alle selbst gefühlsmässig<br />
stark betroffen. Und benötigen im Nachgang<br />
interne Gespräche am Konferenztisch,<br />
um unsere Erlebnisse zu verarbeiten.<br />
Wir sind alle froh, dass das Kinderspital<br />
einen eigenen Dienst hat und wir in der Regel<br />
keine Kinder bestatten müssen. Traurig<br />
ist auch, wenn wir Verstorbene bergen müssen,<br />
die seit Wochen unbemerkt in ihrer<br />
Wohnung gelegen sind. Oder wenn die Hinterbliebenen<br />
sich völlig aus der Verantwortung<br />
ziehen. Wir selbst können ja keine<br />
Entscheidungen treffen. In solchen Fällen<br />
ordnet letztlich das Erbschaftsamt die Bestattung<br />
an. Dasselbe gilt auch für Verstorbene,<br />
die keinerlei Angehörige mehr haben.<br />
Wir warten mit der Beisetzung wenigstens<br />
einen Monat, um die Möglichkeit offenzuhalten,<br />
dass sich doch noch jemand meldet.<br />
Unmögliches gibt es für Urs Gyger<br />
hinsichtlich von Bestattungen kaum. Spezialwünsche<br />
werden nach Möglichkeiten<br />
erfüllt. Allerdings setzen bisweilen die<br />
Kosten allzu exotischen Wünschen Grenzen.<br />
In der Schweiz besteht keine Beisetzungspflicht,<br />
deshalb kann die Asche in<br />
der Natur verstreut, in ein Gemeinschaftsgrab<br />
gelegt oder nach Hause genommen<br />
werden. Da heute in Bern bei fast 90 Prozent<br />
aller Todesfälle Kremationen durchgeführt<br />
werden, werden diese Möglichkeiten<br />
zunehmend genutzt. Oftmals seien<br />
sich Hinterbliebene nicht ganz bewusst,<br />
dass es in solchen Fällen kein fixes Grabmal<br />
gebe, sagt Gyger. Auf diese Situation<br />
mache er sie jeweils aufmerksam.<br />
Hat sich Ihr persönliches Verhältnis<br />
zum Tod geändert?<br />
Nein, ich hatte immer ein gutes Verhältnis<br />
zum Tod. Als junger Mann habe ich auf den<br />
Philippinen einen Freund beerdigen müssen.<br />
Das war eine tagelange Zeremonie, an<br />
deren Ende die Beisetzung in einem hängenden<br />
Holzsarg (hanging coffins / Sagada<br />
Mt. Province) stand. Ich war immer dabei,<br />
und es hat mir nichts ausgemacht, den Toten<br />
und die Hinterbliebenen zu begleiten.<br />
Ich denke, für uns ist nicht der Tod an sich<br />
schwierig, sondern der Weg dahin, das<br />
Sterben.<br />
Zur Person<br />
Urs Gyger (geb. 1959), geschieden und<br />
Vater von zwei Kindern, absolvierte<br />
nach den obligatorischen Schulen die<br />
Wirtschaftsmittelschule der Stadt<br />
Bern. 1984–1990 flog er unter dem<br />
Namen «Ürsu vo Bärn» als Flight-<br />
Attendant auf dem Streckennetz der<br />
Swissair. Danach war er zwanzig Jahre<br />
auf einer Bank engagiert und leitete<br />
dort bis zu seinem Austritt 2010 den<br />
Noten- und Goldhandel. Er ist leidenschaftlicher<br />
Hobbytennisspieler und<br />
frönt im Winter seiner Skileidenschaft<br />
an der Lenk im schönen Berner Oberland.<br />
Seit bald zehn Jahren leitet er die<br />
Egli Bestattungen AG Bern.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 29
Fokus<br />
Ende –<br />
menschliches<br />
Leben und<br />
historische Epoche<br />
Wann ging die Antike zu Ende? 410 nach der Eroberung Roms durch<br />
die Westgoten? Und wann begann die Neuzeit? Als Kolumbus «Amerika<br />
entdeckte» oder Luther seine Thesen veröffentlichte? Anfang und Ende einer<br />
Epoche zu definieren, stellt die Wissenschaft vor Probleme.<br />
Prof. Dr. Karl Vocelka, Historiker, Mitbegründer und Präsident des Instituts für die Erforschung<br />
der frühen Neuzeit (IEFN)<br />
Vermutlich ist das Feststellen<br />
des Todes eines Menschen<br />
nicht so einfach, wie sich ein<br />
Laie das vorstellt, aber das<br />
Stillstehen der Lebensfunktionen, das<br />
Fehlen von Herz- und Atemtätigkeit sind<br />
die Merkmale, die gemeinhin mit dem<br />
Ende des Lebens verbunden werden.<br />
Weitaus komplizierter ist das Ende einer<br />
Epoche der Geschichte zu definieren.<br />
Während der Tod eines Menschen – naturwissenschaftlich<br />
gesehen – endgültig ist,<br />
geht in der Geschichte eine Epoche zwar<br />
zu Ende, doch gleichzeitig beginnt auch<br />
ein neues Zeitalter. Diese Parallele würde<br />
nur dann Sinn machen, wenn man die<br />
nicht beweisbaren religiösen Ideen eines<br />
Lebens nach dem Tod (Himmel, Fegefeuer,<br />
Hölle oder Wiedergeburt, um nur zwei<br />
Modelle zu nennen) berücksichtigt.<br />
Das Ende des Mittelalters stellt also<br />
gleichzeitig den Beginn der Neuzeit dar.<br />
Früher sahen viele Forscher im Spätmittelalter<br />
schon die Spuren des Beginns der<br />
Neuzeit, sozusagen den Frühling des kommenden<br />
Sommers – bis der niederländische<br />
Historiker Johann Huizinga in seinem<br />
grossartigen Buch Herbst des Mittelalters<br />
im späten Mittelalter nicht die «Ankündigung<br />
eines Kommenden, sondern<br />
ein Absterben dessen, was dahingeht» betonte.<br />
Der Interpretationsspielraum ist also<br />
gross.<br />
Unmögliche Trennschärfe<br />
Ein vergebliches Unterfangen vieler Forscher<br />
war es, eine Periodisierung für die<br />
gesamte Welt oder zumindest für ganz Europa<br />
zu entwerfen. Man kann die Problematik<br />
an einem Beispiel veranschaulichen.<br />
Die hauptsächlich gebrauchte Jahreszahl<br />
für den Beginn der Neuzeit ist sicherlich<br />
das Jahr 1492, in dem Christoph<br />
Kolumbus am 12. <strong>Oktober</strong> «Amerika entdeckte».<br />
Neben den Schwierigkeiten mit<br />
der Definition (Kolumbus wusste nicht,<br />
dass er einen neuen Doppelkontinent gefunden<br />
hatte, er wähnte sich in Indien –<br />
und das Wort «Entdeckung», welches ein<br />
eurozentrisches Weltbild spiegelt, ist<br />
überaus umstritten) stellt sich noch eine<br />
wesentliche Frage. Wo hat sich 1492 ein<br />
Wandel ausserhalb von Spanien und der<br />
Neuen Welt vollzogen? Welche Bedeutung<br />
hatte Kolumbus für Russland oder die Bewohner<br />
eines Alpentales?<br />
Es gibt also in der Geschichte so etwas wie<br />
eine spät einsetzende Rezeption der<br />
«bahnbrechenden Ereignisse, die die Welt<br />
verändern», und je genauer wir hinsehen,<br />
desto mehr merken wir, dass Elemente der<br />
«neuen Epoche» schon lange davor sichtbar<br />
waren und auf der anderen Seite vieles,<br />
was wir mit der vorangegangenen Epoche<br />
verbinden, noch lange nachwirkte.<br />
Keiner der Wendepunkte im Sinne der<br />
historischen Periodisierung hat die Welt<br />
total verändert; die alte naive Vorstellung,<br />
das «finstere Mittelalter» hätte quasi durch<br />
das Aufdrehen des Lichts der Neuzeit von<br />
einer Minute auf die andere geendet, kann<br />
man vergessen.<br />
Wann war das Mittelalter zu Ende?<br />
Das kann man fragen. Doch der Zeitpunkt<br />
des Endes, der gleichzeitig der Zeitpunkt<br />
des Beginns der Neuzeit ist, ist nicht eindeutig<br />
zu bestimmen. Viele Jahreszahlen<br />
und Ereignisse werden ins Treffen geführt,<br />
die Eroberung von Byzanz durch die<br />
Osmanen 1453, die «Entdeckung Amerikas»<br />
1492 oder der Thesenanschlag Martin<br />
Luthers 1517, aber auch Veränderungen<br />
wie der Buchdruck mit beweglichen Lettern<br />
oder die Entdeckungen der Portugie-<br />
Bild: ©Wikimedia Commons<br />
30<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
Die Französische Revolution 1789 markiert<br />
einen Wendepunkt in der Zeitgeschichte und<br />
damit den Beginn einer neuen Epoche.<br />
(«Erstürmung der Bastille» von Jean-Pierre<br />
Houël, 1735–1813)<br />
sen, die durch die Umschiffung Afrikas<br />
Indien erreichten. Alle definieren einen<br />
Anfang, nicht ein Ende. Es hängt sehr vom<br />
Blickwinkel ab, welches dieser Ereignisse<br />
man hervorhebt. Die Globalgeschichte<br />
würde 1492 bevorzugen, die Konfessionsgeschichte<br />
1517 – und auch lokale Ereignisse<br />
werden immer wieder in regionalen<br />
Studien verwendet.<br />
Revolution als Wendepunkt<br />
Ist der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit<br />
umstritten, so stimmen die meisten<br />
Historiker und Historikerinnen jedoch der<br />
Ansicht zu, dass das Ende der Modern History<br />
und der Beginn der Contemporary<br />
History durch die Französische Revolution<br />
1789 ausgelöst wurde. Die Teilung der<br />
Neuzeit in eine «frühe Neuzeit» und dann<br />
in die «Gegenwartsgeschichte» hat sich in<br />
den meisten Wissenschaftskulturen Europas<br />
durchgesetzt – nur die deutschsprachige<br />
Historiographie beschritt einen<br />
Sonderweg mit der Einführung des Begriffes<br />
«Zeitgeschichte» von 1917/1918/1919<br />
(Eintritt der USA in die Weltgeschichte<br />
und russische <strong>Oktober</strong>revolution/Ende<br />
des Ersten Weltkrieges/Friedensverträge<br />
in den Pariser Vororten) bis zur Gegenwart.<br />
Die Definition der Epoche hat für die<br />
«frühe Neuzeit» (1500–1800) funktioniert,<br />
und auch der Beginn der Zeitgeschichte<br />
ist klar. Die Periode von 1789 und 1918 hingegen<br />
hat keinen Namen, der allgemein<br />
gebräuchlich und anerkannt ist.<br />
Der britische Historiker Eric Hobsbawm<br />
sprach vom «langen 19. Jahrhundert» von<br />
1789 bis 1914, und später, zurückgreifend<br />
auf die Forschungen des ungarischen Historikers<br />
Iván T. Berend, prägte er den Begriff<br />
«das kurze 20. Jahrhundert», das von<br />
1914 bis 1989 dauerte. Populär wurde dieses<br />
Konzept, nachdem Hobsbawm es 1994<br />
in seinem vielgelesenen Buch Das Zeitalter<br />
der Extreme verwendet hatte.<br />
Doch auch diese Modelle haben ihre<br />
Probleme. So kam z.B. dieser Periodisierung<br />
des «kurzen 20. Jahrhunderts» für<br />
Österreich, das Land, aus dem ich komme,<br />
weitaus mehr Bedeutung zu als für die benachbarte<br />
Schweiz. Im Ersten Weltkrieg<br />
war die Habsburgermonarchie im Gegensatz<br />
zur Schweiz kriegführende Macht mit<br />
all dem Elend für die Bevölkerung, und<br />
schliesslich zerfiel der Vielvölkerstaat am<br />
Ende des Krieges. Auch zum Jahr 1989,<br />
dem Jahr des Zusammenbruchs des kommunistischen<br />
Europas, kann man Ähnliches<br />
sagen. Während Österreich an die<br />
«Oststaaten» Tschechoslowakei, Ungarn<br />
und Jugoslawien grenzte, war die Schweiz<br />
weit entfernt von diesen Ländern.<br />
War die Periodisierung der grossen<br />
Epochen schon überaus schwierig, so vermehren<br />
sich die Interpretationsprobleme,<br />
je näher wir in die Gegenwart kommen.<br />
Bildete der Abwurf der Atombomben in<br />
Hiroshima und Nagasaki 1945 einen Wendepunkt,<br />
das Ende einer Zeit der konventionellen<br />
Kriegsführung? Beendete das<br />
Jahr 1989 die Ära des Kalten Krieges? Verkündete<br />
das Jahr 2001 mit den Anschlägen<br />
vom 11. September das Ende des amerikanischen<br />
Gefühls der unangreifbar<br />
scheinenden Sicherheit in den USA? Markieren<br />
die Jahre 2020 und <strong>2021</strong> mit der<br />
Covid-19-Pandemie das Ende einer Zeit<br />
der Reise- und Bewegungsfreiheit und der<br />
engeren Sozialkontakte? Wie schwerwiegend<br />
muss ein Ereignis sein, um das Ende<br />
einer Epoche zu bilden? Welche Breitenwirkung<br />
hat es zu haben, um über den regionalen<br />
Bezug hinaus zu einem globalen<br />
Ereignis zu werden?<br />
Viele Fragen – wenige Antworten.<br />
Weiterführende<br />
Literatur<br />
Hobsbawm, Eric: Das imperiale<br />
Zeitalter (Frankfurt am Main 1989)<br />
Hobsbawm, Eric: Das Zeitalter der<br />
Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts<br />
(München 1995)<br />
Metzler, Gabriele: Einführung in das<br />
Studium der Zeitgeschichte (Paderborn-Wien<br />
2004)<br />
Skalweit, Stephan: Der Beginn der<br />
Neuzeit. Epochengrenze und Epochenbegriff<br />
(Erträge der Forschung 178, Darmstadt<br />
1982)<br />
Van Der Pot, Johan Hendrik Jacob:<br />
Sinndeutung und Periodisierung der<br />
Geschichte. Eine systematische Übersicht<br />
der Theorien und Auffassungen (Leiden-Boston-Köln<br />
1999)<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 31
Fokus<br />
Abschied<br />
Tim Krohn<br />
Linus Edell war das, was seine Patientinnen<br />
einen distinguierten<br />
Herrn genannt hätten, er hatte<br />
grau meliertes, noch volles<br />
Haar, gepflegte Hände, und wenn er in<br />
seinem Blockhaus in den kanadischen<br />
Wäldern war – was einsamer klingt, als es<br />
tatsächlich war, denn das Haus stand unweit<br />
einer Kleinstadt mit dem schönen<br />
Namen Rosehipsville –, in jenen Wochen<br />
also, in denen er mit seiner Zeit grosszügig<br />
umgehen konnte, rasierte er sich sogar,<br />
bedächtig und akkurat, mit einem<br />
Messer alten Typs, das er am Lederriemen<br />
abzog (Messer und Riemen hatte er<br />
von seinem Vater geerbt).<br />
Linus Edell war Gynäkologe von Beruf,<br />
er war spezialisiert auf die Leiden älterer<br />
Damen und praktizierte in Montreal.<br />
Er war zwanzig Jahre lang mit einer wiederum<br />
fast zwanzig Jahre jüngeren Frau<br />
eng liiert gewesen, die Liliane hiess und<br />
die er noch immer sehr liebte, doch sie war<br />
mit ihm nie schwanger geworden und hatte<br />
kurz nach ihrem vierzigsten Geburtstag<br />
buchstäblich Reissaus genommen, um<br />
mit einem Knaben ihres Alters, einem gewissen<br />
Maxim, der bereits mit zwei anderen<br />
Frauen Kinder gezeugt hatte, nochmals<br />
eine Beziehung anzufangen. Das war<br />
sieben Monate her, und dachte Linus Edell<br />
daran, verkrampfte sich noch immer jedesmal<br />
sein Magen. Dennoch fand er eigentlich,<br />
er sei auf gutem Weg, diese weitaus<br />
schmerzvollste Erfahrung seines Lebens<br />
zu verarbeiten.<br />
Es war August, der Tag würde heiss<br />
werden, er hatte vor zu wandern und brach<br />
früh auf, es war erst kurz nach sechs. Auf<br />
dem Vorbeiweg stellte er seinem einzigen<br />
Nachbarn einen Korb Äpfel vor die Haustür,<br />
die er am Vorabend, gleich nach seiner<br />
Ankunft, geerntet hatte. Der Nachbar<br />
hiess Paul, für alle nur Paul, er war ein erfolgreicher<br />
Tourenführer und lebte allein<br />
– oder vielmehr in schnell wechselnden<br />
Beziehungen. Er war einer jener Menschen,<br />
die die Zunge dem Bissen entgegenstrecken,<br />
wenn sie die Gabel zum<br />
Mund führen, und Linus mochte ihn nicht<br />
besonders, doch da er ein grosszügiger<br />
Mensch war (auch wenn er das selbst nicht<br />
so sah), verschenkte er andauernd, was er<br />
nicht unmittelbar brauchte.<br />
Seit Liliane ihn verlassen hatte, war er<br />
nicht wieder in ihrem Häuschen gewesen,<br />
denn sie hatten hier wunderbare Zeiten<br />
verlebt, doch nun war er da und wollte,<br />
nachdem er die gemeinsame Wohnung in<br />
Montreal «gelüftet» hatte, wie er es nannte,<br />
auch hier aufräumen, ordnen, mit ihrer<br />
gemeinsamen Zeit abschliessen. Der erste<br />
Abend war nicht leicht gewesen, er hatte<br />
ihre Skisachen ausgemustert (sie hatten<br />
oft die Gegend auf Langlaufskiern durchkämmt)<br />
und war auf ein rotes Skiwachs<br />
gestossen – einen jener kleinen, aluminiumgefassten<br />
Zylinder –, das Liliane allein<br />
seiner Farbe und Beschaffenheit wegen so<br />
sehr geliebt hatte (es hatte etwas ganz<br />
leicht Durchschimmerndes, eine sonderbare<br />
Tiefe, dabei war es so klein), dass sie<br />
es selbst dann auftrug, wenn die Schneeverhältnisse<br />
ganz anderes Wachsen erforderten<br />
– und danach beschwerte sie sich,<br />
wenn er ihr davonlief. (Das orangene<br />
Wachs wäre das richtige gewesen.) Am<br />
Vorabend nun hatte er das Wachs an sich<br />
gedrückt und lange bitterlich geweint, an<br />
Räumen war nicht mehr zu denken, verkrümmt<br />
hatte er bis in die Nacht im Sessel<br />
vor dem Kamin gesessen und so sehr geschluchzt,<br />
dass ihn endlich die Lunge<br />
schmerzte. Er war den Menschen, die er<br />
liebte, fast unvernünftig treu – das war einer<br />
der Züge, die Liliane an ihm geliebt<br />
hatte –, und wenn er auch wusste, er musste<br />
sich von ihr lösen, das Leben ging weiter,<br />
so sah er doch im Grunde den Sinn<br />
davon nicht ein – er würde ohnehin nie<br />
eine andere Frau lieben. Darum legte er<br />
auch schliesslich das Wachs in die Schachtel<br />
zurück, anstatt es, wie er kurz vorgehabt<br />
hatte, zu verbrennen.<br />
Der Wald war an jenem Morgen herrlich<br />
weich und hell gefärbt und duftete. Rosehipsville<br />
lag am südlichen Ende der kanadischen<br />
Wälder, hier wuchsen noch Linden<br />
und Birken, Weiden, Mehl- und Blaubeeren<br />
und Geissblatt, an vielen Stellen<br />
rankte sich zudem Efeu, nicht nur den<br />
Stämmen entlang, er schuf ein eigenartiges<br />
Gewirr zwischen den Ästen verschiedener<br />
Bäume, das im Gegenlicht des noch diesigen,<br />
mattschimmernden Himmels aussah<br />
wie das Bleistiftgekritzel eines Kleinkinds.<br />
Als Linus Edell aufbrach, trug er alle<br />
Zuversicht mit sich, nach dem Aufwachen<br />
fühlte er sich gelöst und frei von allem,<br />
und er schritt aus, als wäre er noch keine<br />
fünfzig. Der Tag war herrlich, das Leben<br />
war herrlich, auch ohne Liliane ging es ihm<br />
gut, sagte er sich, und dass die Trauer, die<br />
ihn am Abend überwältigt hatte, ihn dem<br />
endgültigen Abschied doch wohl um ein<br />
tüchtiges Stück nähergebracht hatte. Er<br />
war an jenem Tag lange unterwegs, er verlief<br />
sich auch mehrmals, doch das gehörte<br />
dazu. Er schwitzte viel, und vielleicht<br />
trank er zu wenig. Als er jedenfalls gegen<br />
Abend auf den markierten Pfad einbog,<br />
der ihn wieder heimwärts führen würde,<br />
war er erschöpft und fröstelte etwas, dabei<br />
war es noch nicht wirklich kühl. Die Sonne<br />
allerdings stand inzwischen so tief, dass<br />
nur in den obersten Wipfeln noch etwas<br />
von ihrem Schein hängen blieb.<br />
Linus Edell hatte dem vorgesorgt, er<br />
zog einen Trainingsanzug aus dem Rucksack<br />
und schlüpfte hinein (er war davor in<br />
Shorts und einem T-Shirt der St. Moritzer<br />
Bergbahnen unterwegs gewesen) und<br />
glaubte noch immer, er habe alles im Griff.<br />
Dann wollte er jedoch eine ausgestülpte<br />
Hosentasche wenden (die Hose kam frisch<br />
aus der Wäsche) und entdeckte in die Tasche<br />
verklebt ein Eisbonbon, das offenbar<br />
mit in die Wäsche gewandert war. Und da<br />
fiel ihm auch wieder ein, wie Liliane letzten<br />
Dezember erst, in ihren letzten schönen<br />
Tagen hier im Blockhaus, ihre geliebten<br />
Eisbonbons ... Ach, und schon musste<br />
er wieder weinen.<br />
(Dieser Text entstammt einem bislang<br />
noch unveröffentlichten Zyklus von Erzählungen.)<br />
32<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus<br />
Herausforderung<br />
Therapieende<br />
Wann endet eine Therapie? Und wer beendet sie? Antworten auf diese<br />
Fragen zu finden, ist oft nicht einfach. Die anspruchsvolle ärztliche<br />
Aufgabe besteht darin, evidenzbasierte und personorientierte Faktoren<br />
zu verbinden.<br />
Prof. em. Dr. med. Dr. phil. Paul Hoff<br />
Die Beendigung einer Therapie<br />
ist alles andere als ein einfacher,<br />
gleichsam technischer<br />
Vorgang. Ein Beispiel aus der<br />
Psychiatrie: Ein mir gut bekannter Patient<br />
mit einer chronischen Schizophrenie,<br />
der am Vortag gegen seinen Willen eingewiesen<br />
worden war, empfängt mich bei<br />
der Visite mit den Worten: «Sagen Sie mal,<br />
wann ist diese Therapie eigentlich zu Ende?»<br />
Diese knappe, emotional zwischen<br />
Empörung und Spott angesiedelte Frage<br />
enthält die ganze Breite unseres Themas:<br />
Wann und warum enden Behandlungen,<br />
und wer entscheidet das? Das Zählen der<br />
Pflegetage zwischen Ein- und Austritt<br />
hilft hier nicht weiter, denn beim Entscheid,<br />
eine Therapie abzuschliessen,<br />
geht es sowohl um medizinische Daten<br />
wie um die Qualität der therapeutischen<br />
Beziehung und um die involvierten Werthaltungen.<br />
Dieses anspruchsvolle und zugleich<br />
alltägliche Spannungsfeld möchte<br />
ich anhand dreier prägnanter Situationen<br />
illustrieren.<br />
dert, dass behandelt wird: Palliation ist<br />
Behandlung, wenn auch mit anderer Zielsetzung.<br />
Der gesundheitlichen Vorausplanung<br />
(GVP) kommt ein entscheidender Stellenwert<br />
zu: Wenn sich Personen frühzeitig<br />
damit auseinandersetzen, was im Falle ihrer<br />
Urteilsunfähigkeit bei einer gravierenden<br />
oder lebensbedrohlichen Erkrankung<br />
zu geschehen hat, können später für alle<br />
Beteiligten belastende Entscheidsituationen<br />
vermieden oder zumindest entschärft<br />
werden. Ein solcher Prozess geht jedoch<br />
weit über das einmalige Ausfüllen einer<br />
Patientenverfügung hinaus. Neben unser<br />
aller Bereitschaft, sich diesen unbequemen,<br />
ja tabuisierten Fragen zu stellen,<br />
wird sein Erfolg davon abhängen, ob das<br />
Gesundheitswesen Strukturen für individuell<br />
angepasste Hilfestellungen schafft.<br />
Jüngst hat sich dazu eine vom Bundesamt<br />
für Gesundheit (BAG) und von der Schweizerischen<br />
Akademie der Medizinischen<br />
Wissenschaften (SAMW) geleitete Arbeitsgruppe<br />
konstituiert [1].<br />
Wenn es denn so einfach wäre: Viele Patientinnen<br />
und Patienten können nicht einfach<br />
abgestempelt und deren Therapien damit<br />
genauso einfach beendet werden.<br />
Bild: Adobe<br />
1. Beenden einer Therapie bei<br />
terminaler Erkrankung<br />
Die terminale Phase eine Erkrankung<br />
stellt die betroffene Person sowie allenfalls<br />
deren Angehörige und die medizinischen<br />
Fachleute vor die Frage, ob auf bestimmte<br />
therapeutische Massnahmen<br />
verzichtet werden soll. Dabei kann nicht<br />
genügend betont werden, dass der Übergang<br />
von einer kurativen zu einer palliativen<br />
Behandlungsform nichts daran än-<br />
2. Beenden einer Therapie auf<br />
Wunsch des Patienten<br />
Über therapeutische Entscheidungen vor<br />
dem Lebensende wird intensiv diskutiert<br />
(und geforscht), was auf eine andere herausfordernde<br />
Situation deutlich weniger<br />
zutrifft: Wie gehen wir mit dem Wunsch<br />
oder gar dem Entscheid eines urteilsfähigen,<br />
nicht terminalen Patienten bzw. einer<br />
Patientin um, die Therapie zu beenden,<br />
weil er bzw. sie von dieser Behandlung<br />
nicht mehr überzeugt ist? Etwa weil es keinen<br />
erkennbaren Erfolg gibt oder die Balance<br />
zwischen Wirkung und Nebenwirkung<br />
subjektiv nicht stimmt?<br />
Die beiden extremen ärztlichen Reaktionen<br />
sind mit dem heute breit akzeptierten<br />
Postulat einer dialogisch verfassten<br />
Arzt-Patienten-Beziehung nicht vereinbar:<br />
Zum einen die paternalistische Anordnung,<br />
die Therapie sei einfach zu<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 33
Lachen und Träume für<br />
unsere Kinder im Spital<br />
Foto: Pierre-Yves Massot. Anzeige offeriert.<br />
Jede Woche erhalten die Kinder im Spital Besuch<br />
von den Traumdoktoren.<br />
Ihre Spende schenkt Lachen.<br />
PC 10-61645-5<br />
Herzlichen Dank.
Fokus<br />
akzeptieren, weil die ärztliche Fachperson<br />
dies aufgrund ihrer Kompetenz so sage.<br />
Zum anderen die voreilige Zustimmung<br />
zur Position des Patienten unter Verweis<br />
auf dessen Autonomie. Nun ist der medizinethisch<br />
zentrale Begriff der Autonomie<br />
nicht so selbsterklärend, wie es scheinen<br />
mag. Vor allem ist er, wie wir spätestens<br />
seit Kant wissen (sollten), kein «Selbstläufer»,<br />
hier also kein Automatismus für eine<br />
gelingende Arzt-Patienten-Beziehung.<br />
Auch im Gesundheitswesen heisst Autonomie<br />
nicht, zu entscheiden, was gerade<br />
beliebt – das nämlich wäre Willkür –, sondern<br />
was eine Person auf der Grundlage<br />
sorgfältigen Abwägens will und verantworten<br />
kann. Wünscht eine Patientin den<br />
Abbruch einer dringend indizierten Therapie,<br />
ohne einen substanziellen Entscheidungsprozess<br />
durchlaufen zu haben,<br />
greift die vorschnelle ärztliche Zustimmung<br />
mit dem Hinweis, die autonome Patientin<br />
wolle eben nicht, zu kurz. Hier<br />
braucht es den Dialog, und der kann ebenso<br />
anstrengend wie zeitintensiv sein und<br />
führt dennoch keineswegs immer zu einer<br />
Meinungsänderung auf Patientenseite.<br />
Pointiert gesagt: Autonomie, ernst genommen,<br />
bedeutet Arbeit [2, 3].<br />
Wegen der Tragweite der Entscheidung<br />
gilt dies ganz besonders, wenn Patienten<br />
um Unterstützung bei einem assistierten<br />
Suizid bitten, die radikalste und<br />
unumkehrbare Weise, eine Therapie zu<br />
beenden. Speziell im Falle psychischer<br />
Erkrankungen führt diese Situation in<br />
schwerwiegende ethische Dilemmata.<br />
Umso begrüssenswerter sind differenzierte<br />
und undogmatische Wortmeldungen,<br />
die es in den letzten Jahren vermehrt gibt<br />
[4].<br />
3. Beenden einer Psychotherapie<br />
Als Psychiater, der ich bin, erlaube ich mir,<br />
die Herausforderungen bei der Beendigung<br />
einer Psychotherapie hervorzuheben.<br />
Im Kern ist Psychotherapie die dialogische<br />
Arbeit an für die betroffene Person<br />
relevanten Themen und Konflikten. Entscheidender<br />
Erfolgsfaktor – neben einer<br />
tragfähigen therapeutischen Beziehung –<br />
ist dabei die Balance von Nähe und Distanz<br />
zwischen Patient und Therapeut: Zu<br />
viel Nähe und Solidarität, gar Kumpanei,<br />
verhindern therapeutische Fortschritte.<br />
Gleiches gilt für zu viel Distanz, etwa wenn<br />
die Person der Therapeutin hinter den angewandten<br />
therapeutischen Techniken<br />
geradezu verschwindet. Die notwendige<br />
Nähe in einer Psychotherapie birgt das Risiko<br />
einer Abhängigkeit des Patienten.<br />
Therapieziel ist aber stets ein höherer<br />
Grad von Autonomie, also das genaue Gegenteil<br />
von Abhängigkeit. Dieses Spannungsfeld<br />
kann nicht umgangen werden,<br />
aber es muss immer wieder, gerade in der<br />
Schlussphase einer Psychotherapie, reflektiert<br />
und thematisiert werden, damit<br />
das Therapieende nicht als Verlassenwerden<br />
wahrgenommen wird. Dies gelingt<br />
nicht immer, und manche Psychotherapien<br />
scheitern an dieser Problematik. Aber<br />
selbst ein Scheitern kann, wie Scharfetter<br />
[5] eindrücklich dargestellt hat, wiederum<br />
neue Perspektiven eröffnen.<br />
Résumé<br />
Medizin betreiben heisst, komplexe Handlungsketten<br />
im interpersonalen Raum in<br />
Gang zu setzen. Die evidenzbasierte Operationalisierung<br />
und Modularisierung<br />
dieser Abläufe macht Sinn und erhöht die<br />
Behandlungsqualität. Jedoch beinhaltet<br />
jede medizinische Entscheidung zwei Dimensionen,<br />
die sich einfachen quantitativen<br />
Kriterien entziehen: die Beziehung s-<br />
ebene und die Werthaltungen der Beteiligten.<br />
Dies gilt speziell für die zentralen<br />
Entscheide zum Beginn einer Therapie, zu<br />
deren Ausgestaltung und Beendigung. In<br />
der Verschränkung von Evidenzbasierung<br />
und Personorientierung liegt die markanteste<br />
Herausforderung für die «ars medica»<br />
des 21. Jahrhunderts. Jedes konkrete<br />
Therapieende macht dies erfahrbar, wie<br />
die geschilderten Szenarien exemplarisch<br />
darlegen sollten.<br />
Literatur<br />
[1] Näheres unter samw.ch/gesundheitliche-vorausplanung<br />
[2] Hoff P, Maatz A, Vetter J S (2020)<br />
Diagnosis as dialogue: historical and<br />
current perspectives. Dialogues in Clinical<br />
Neuroscience 22: 27–35<br />
doi: 10.31887/DCNS.2020.22.1/phoff<br />
[3] Hoff P, (2017) Autonomie, ein<br />
zentraler, aber sperriger Begriff der<br />
Psychiatrie. Swiss Archives of Neurology,<br />
Psychiatry and Psychotherapy 168: 175–182<br />
[4] Böhning A, (<strong>2021</strong>) Assistierter<br />
Suizid für psychisch Erkrankte: Herausforderung<br />
für die Psychiatrie und<br />
Psycho therapie. Hogrefe, Bern<br />
[5] Scharfetter C (2012) Scheitern. In<br />
der Sicht auf Psychopathologie und<br />
Therapie. Verlag Wissenschaft und Praxis,<br />
Sternenfels<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 35
Perspektiven<br />
Aktuelles aus der Gynäkologie:<br />
individualisierte Hormonersatztherapie – Chance oder Risiko?<br />
Wechseljahre –<br />
und jetzt?<br />
Die Hormonersatztherapie hat eine wechselvolle Geschichte hinter<br />
sich: Vom probaten Mittel gegen Menopausenbeschwerden sowie zur<br />
Prävention von Osteoporose und kardiovaskulären Erkrankungen<br />
zum Auslöser von Brustkrebs, Schlaganfällen und Herzerkrankungen.<br />
Aufgrund neuer Studien ist heute ein sinnvoller Einsatz möglich.<br />
Dr. med. Martina Nordin, Kantonsspital Baden AG, Kinderwunschzentrum Baden AG;<br />
Prof. Dr. med. Martin Heubner, Kantonsspital Baden AG<br />
Die Menopause wird von vielen<br />
Frauen als wichtige Zäsur im<br />
Leben empfunden. Das Aussetzen<br />
der Periodenblutung<br />
wird mitunter durchaus als positiver Effekt<br />
wahrgenommen, umso mehr, wenn<br />
zuvor – was nicht selten ist – ausgeprägte<br />
Blutungsunregelmässigkeiten bestanden.<br />
Andere, typische Symptome wie Hitzewallungen,<br />
Stimmungsschwankungen<br />
und nachlassende Libido sind dagegen<br />
häufig Gründe für einen Gang zum/zur<br />
Frauenärzt/in. Definiert ist die Menopause<br />
als Zeitpunkt der letzten ovariell ausgelösten<br />
Menstruation. Dies erfolgt in der<br />
Schweiz mit durchschnittlich 52 Jahren,<br />
die Varianz ist jedoch sehr gross. Beim<br />
Eintreten vor dem abgeschlossenen<br />
40. Lebensjahr wird von einer vorzeitigen<br />
Menopause gesprochen. Etwa ein Prozent<br />
aller Frauen sind hiervon betroffen. Mit<br />
der Verlagerung der Familienplanung in<br />
spätere Lebensphasen, wie dies in den<br />
letzten Jahrzehnten in den westlichen Industrienationen<br />
erfolgt ist, ergibt sich<br />
hier für eine zunehmende Anzahl von<br />
Frauen ein ernsthaftes Problem.<br />
Unliebsame Begleiterscheinungen<br />
Nach der Menopause fehlt die Follikelreifung<br />
in den Ovarien und die damit verbundene<br />
Produktion von Estradiol. Insbesondere<br />
dieser Mangel ist es auch, der die typischen<br />
Symptome wie Hitzewallungen,<br />
Schweissausbrüche, Schlafstörungen,<br />
Trockenheit der Schleimhäute, Gelenkschmerzen,<br />
aber auch Reizbarkeit, Müdigkeit<br />
und Depression auslösen kann. Diese<br />
Beschwerden können schon einige Jahre<br />
vor der Menopause einsetzen, dieser Zeitraum<br />
wird Perimenopause genannt.<br />
Von menopausalen Beschwerden sind<br />
nicht alle Frauen gleich betroffen: Ein<br />
Drittel hat weniger, ein Drittel mässige<br />
und ein Drittel starke Beschwerden. Gerade<br />
die oft als besonders belastend empfundenen<br />
Hitzewallungen bestehen im<br />
Durchschnitt sieben Jahre. Einige Frauen<br />
haben bis ins achte Lebensjahrzehnt starke<br />
Beschwerden und fühlen sich in ihrer<br />
Lebensqualität eingeschränkt. Langfristig<br />
ist die Knochengesundheit ein Thema:<br />
Durch den Wegfall des Estradiols steigt<br />
das Risiko für Osteoporose. Bei zunehmender<br />
Lebenserwartung verbringen<br />
Frauen immer mehr Jahre mit Östrogenmangel,<br />
was das Problem verschärft. Abhilfe<br />
durch Hormone zu schaffen, ist daher<br />
naheliegend. Die Hormonsubstitution,<br />
die sich in den Neunzigerjahren<br />
grosser Beliebtheit erfreute, wurde nach<br />
kritischen Publikationen um die Jahrtausendwende<br />
weitaus seltener verordnet<br />
und dieser Effekt hält bis heute an. Zu<br />
Recht? Dieser Frage soll im Folgenden auf<br />
den Grund gegangen werden.<br />
Aufstieg und Fall<br />
Anfang der Achtzigerjahre erhielten in<br />
Grossbritannien, Wales und Schottland<br />
ein bis zwei Prozent der 45–64-jährigen<br />
Patientinnen eine Hormonersatztherapie<br />
(HRT). Entsprechend niedrig waren auch<br />
die Kosten für den NHS den National Health<br />
Service. 1994 hatten sich die Zahlen<br />
deutlich verändert: 20–22 Prozent der Patientinnen<br />
in diesem Alterskollektiv erhielten<br />
eine HRT, entsprechend hatten<br />
sich auch die Kosten für das Gesundheitssystem<br />
vervielfacht. Für die Zunahme der<br />
Verschreibungen in diesem Masse gab es<br />
verschiedene Gründe: Frauen waren sich<br />
36<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
bewusst geworden, dass sie die Wechseljahre<br />
nicht einfach durchstehen mussten,<br />
sondern dass es wirkungsvolle Möglichkeiten<br />
gab, um die Lebensqualität zu verbessern.<br />
Eine Verlängerung der Jugend<br />
schien möglich geworden zu sein und<br />
führte zu einer zunehmend grosszügigen<br />
Verschreibungspraxis.<br />
Zusätzlich gab es ein grosses kommerzielles<br />
Interesse an der HRT: Man hoffte<br />
die HRT in der Primär- und auch Sekundärprävention<br />
von chronischen Erkrankungen<br />
im höheren Lebensalter einsetzen<br />
zu können und so zum einen die Frauengesundheit<br />
zu verbessern und zum anderen<br />
Gesundheitskosten zu sparen. Insbesondere<br />
ging es um die Prävention von<br />
Osteoporose und kardiovaskulären Erkrankungen.<br />
Aus diesem Gedanken entstand die<br />
Women’s Health Initiative Study (WHI),<br />
deren primärer Endpunkt die Bestätigung<br />
der Primärprävention kardiovaskulärer<br />
Erkrankungen durch eine HRT war. Bis<br />
heute handelt es sich um die grösste randomisierte,<br />
kontrollierte doppelblinde<br />
Studie zur HRT. Von 1993 bis 1998 wurden<br />
161809 postmenopausale Frauen eingeschlossen<br />
und für eine durchschnittliche<br />
Zeit von 5,2 Jahren nachbeobachtet. Da<br />
primärer Endpunkt nicht die Wirksamkeit<br />
einer HRT war, war das Studienkollektiv<br />
nicht gerade HRT-typisch: Vasomotorische<br />
Beschwerden waren ein Ausschlusskriterium,<br />
jeweils ein Drittel der Patientinnen<br />
hatte eine Adipositas oder eine Hypertonie,<br />
die Hälfte waren aktuelle oder<br />
frühere Raucherinnen und das mittlere<br />
Alter bei Erstverschreibung lag bei 63 Jahren.<br />
Des Weiteren ist bemerkenswert, dass<br />
die verwendeten Hormonpräparate in den<br />
USA gebräuchlich waren, nicht aber in Europa.<br />
Die WHI-Studie wurde 2002 aufgrund<br />
eines Anstiegs der Koronaren Herzerkrankung,<br />
von Schlaganfall und Brustkrebs in<br />
der Verumgruppe vorzeitig abgebrochen.<br />
Eine HRT wurde als nicht tragbar für die<br />
Primärprävention dieser Volkskrankheiten<br />
eingeschätzt. Leider kam es bei der<br />
Publikation der Daten zu mehreren Fehlern,<br />
die Daten wurden allgemein auf alle<br />
HRT-Anwenderinnen übertragen.<br />
Dies führte weltweit zu einem massiven<br />
Einbruch der Verschreibung einer<br />
HRT. Aus Angst, den Frauen einen Schaden<br />
zuzufügen, wurden langjährige Therapien<br />
abgesetzt, und neu indizierte Therapien<br />
wurden nicht begonnen. Erreicht<br />
wurde leider das Gegenteil: Eine Studie<br />
aus den USA hat zwischenzeitlich eine zusätzliche<br />
Mortalität von 40 000 bis<br />
50 000 Frauen im Alter von 50 bis 59 Jahren<br />
gezeigt, die auf den Rückgang der HRT<br />
in den Jahren 2002–2011 zurückgeführt<br />
werden kann.<br />
Neuer Blick dank neuen<br />
Erkenntnissen<br />
Erst 2016 erfolgte eine Veröffentlichung<br />
zweier Hauptautoren im NEJM, die bestätigten,<br />
dass viele der WHI-Ergebnisse<br />
«falsch verstanden wurden» und «nicht<br />
auf jüngere, postmenopausale Patientinnen»<br />
hätten übertragen werden sollen.<br />
Durch Subgruppenanalysen der WHI<br />
und weitere Studien haben wir inzwischen<br />
ein sehr differenziertes Bild von den Chancen<br />
und Risiken einer Hormonersatztherapie.<br />
So konnte z.B. in der WHI-Subgruppenanalyse<br />
der hysterektomierten Frauen<br />
mit alleiniger Estradioltherapie eine signifikante<br />
Reduktion des Mammakarzinoms<br />
nachgewiesen werden. Unbestritten<br />
ist auch, dass sich eine HRT positiv auf die<br />
Knochengesundheit auswirkt. Ebenso ist<br />
eine Verbesserung der Lebensqualität ohne<br />
vasomotorische Beschwerden unbestritten<br />
und auch die psychische Gesundheit<br />
profitiert in vielen Fällen. Durch individuelle<br />
Therapieregime, wie durch eine<br />
transdermale Applikation, kann das<br />
Thromboserisiko minimiert werden und<br />
bei Beginn der HRT im Window of Opportunity<br />
kurz nach der Menopause kann sich<br />
die HRT auch in der Prävention einer koronaren<br />
Herzkrankheit positiv auswirken.<br />
Zusätzlich haben sich mit dem Einsatz<br />
von nichthormonellen Medikamenten bei<br />
Risikopatientinnen weitere Therapiemöglichkeiten<br />
ergeben.<br />
Auch zum Thema Brustkrebs gibt es<br />
inzwischen viele weitere Daten: Unter einer<br />
kombinierten HRT kommt es zu einem<br />
geringen Anstieg der Fallzahlen für<br />
das Mammakarzinom nach einer Therapiedauer<br />
von fünf bis sechs Jahren (ohne<br />
Therapie 13 von 1000 50-jährigen Frauen,<br />
mit Therapie 16 von 1000 50-jährigen<br />
Frauen). Die Gesamtmortalität scheint bei<br />
korrekter Anwendung durch eine HRT signifikant<br />
positiv beeinflusst zu werden.<br />
Diese Fakten sollten allen Beratenden geläufig<br />
sein, um den Patientinnen eine umfassende<br />
Aufklärung geben zu können.<br />
Individuelle Beratung und Abwägen<br />
des Risikos<br />
Von der «zu» grosszügigen Verschreibungspraxis<br />
der Achtzigerjahre über den Post-<br />
WHI-Einbruch Anfang der 2000er-Jahre<br />
bis zum Jahr <strong>2021</strong> hat sich ein gut differenziertes<br />
Bild zum Thema HRT entwickelt. In<br />
der heutigen Beratungspraxis sollte eine<br />
individuelle Beratung der ratsuchenden<br />
Patientin Standard sein. Nicht nur die Risiken<br />
sollten im Vordergrund stehen, sondern<br />
auch die vielen positiven Effekte einer<br />
HRT. Keine Therapie ist ohne Nebenwirkungen,<br />
aber im Falle der HRT überwiegen<br />
die langfristig positiven Effekte in vielen<br />
Fällen die Risiken. Klar ist, dass nicht jede<br />
Frau eine HRT braucht. Klar ist aber auch,<br />
dass 30–50 Prozent der menopausalen<br />
Frauen von einer HRT profitieren, und diese<br />
Patientinnen haben Anspruch auf eine<br />
individuelle und sichere Behandlung.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 37
Damit wir da sind,<br />
wenn du uns brauchst<br />
Pflegeinitiative<br />
am 28. November<br />
➢ Mehr Pflegende ausbilden - Ausbildungsoffensive starten<br />
Derzeit sind 11’000 Stellen in der Pflege unbesetzt. Bis 2029 braucht es total 70’000<br />
zusätzliche Pflegende. Bund und Kantone müssen in die Ausbildung investieren.<br />
Mit mehr Ausbildungsplätzen und besseren Ausbildungslöhnen lässt sich die Zahl der<br />
Berufseinsteiger:innen erhöhen.<br />
➢ Berufsausstiege verhindern - Arbeitsbedingungen verbessern<br />
4 von 10 Pflegenden verlassen ihren Beruf frühzeitig. Es braucht eine verlässliche<br />
Zeit- und Dienstplanung, familienfreundliche Strukturen und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Der Lohn muss den hohen Anforderungen und der grossen Belastung<br />
entsprechen.<br />
➢ Pflegequalität sichern – genügend Pflegende garantieren<br />
Es braucht genügend Pflegefachpersonen auf allen Abteilungen, damit die Pflegequalität<br />
gesichert werden kann. Voraussetzung ist die angemessene Finanzierung der<br />
Pflegeleistungen.<br />
Jetzt spenden!<br />
www.pflegeinitiative.ch<br />
am 28. November <strong>2021</strong><br />
Verein«Ja zur Pflegeinitiative»,<br />
Amthausgasse 18, 3011 Bern
Perspektiven<br />
Aus der «Therapeutischen Umschau»*<br />
Übersichtsarbeit<br />
Urolithiasis<br />
Es kommt nicht nur auf die Grösse an<br />
Martin H. Umbehr und Michael Müntener,<br />
Klinik für Urologie, Stadtspital Waid und Triemli, Zürich<br />
Bilder: zvg<br />
* Der Artikel erschien ursprünglich in der<br />
«Therapeutischen Umschau» (<strong>2021</strong>), 78(5),<br />
215–221. mediservice <strong>vsao</strong>-Mitglieder können<br />
die «Therapeutische Umschau» zu äusserst<br />
günstigen Konditionen abonnieren.<br />
Details s. unter www.hogrefe.ch/downloads/<strong>vsao</strong>.<br />
Hintergrund<br />
Die Urolithiasis ist eine sehr<br />
häufige Erkrankung mit einem<br />
Lebenszeitrisiko von ca.<br />
10 – 15 % [1] in den industrialisierten Ländern,<br />
wobei Männer etwas häufiger betroffen<br />
sind als Frauen [2]. Das Rezidivrisiko<br />
ist erheblich und liegt bei bis zu 60 % innerhalb<br />
von 10 Jahren, kann aber durch<br />
gezielte Prophylaxe-Massnahmen auf ca.<br />
20 % gesenkt werden [3]. Die Kalzium-<br />
Oxalat-Steine machen ca. 80 % aller Steine<br />
aus, gefolgt von Calcium-Phosphat- und<br />
Harn säure-Steinen, andere Steine wie<br />
zum Beispiel Zystin-Steine sind selten [4].<br />
Die Pathogenese ist vielfältig und meistens<br />
mit Lebensgewohnheiten (unzureichende<br />
Flüssig keits zufuhr und / oder unausgeglichene<br />
Ernährung) oder seltener<br />
Stoff wechselstörungen (hormonell oder<br />
genetisch) vergesellschaftet; in allen Fällen<br />
aber wird das Löslichkeitsprodukt des<br />
entsprechenden Konkrementes überschritten,<br />
was letzten Endes zur Kristallisierung<br />
führt [5]. Während die Bildung der<br />
Steine praktisch immer im Nierenbeckenkelchsystem<br />
(NBKS) erfolgt und man hier<br />
von Nephrolithiasis spricht, resultiert die<br />
typische Klinik einer Flanken kolik eigentlich<br />
immer nur dann, wenn das Konkrement<br />
vom NBKS in den Ureter gelangt und<br />
dann nomenklatorisch als Ureterolithiasis<br />
zu bezeichnen ist. Während die Nephrolithiasis<br />
kaum akute Probleme bereitet, kann<br />
die Ureterolithiasis nebst der häufig sehr<br />
eindrücklichen Schmerz-Klinik in kürzester<br />
Zeit zu einem sehr gefähr lichen bis lebensbedrohlichen<br />
Problem werden, nämlich<br />
dann, wenn die durch das Konkrement<br />
bedingte Obstruktion gleichzeitig<br />
mit einem Infekt im Harntrakt auftritt. Die<br />
Flankenkolik ist ein sehr häufiger Grund<br />
für Notfall-Konsultationen, eine der wichtigsten<br />
Differenzialdiagnosen ist dabei die<br />
Ureterolithiasis [6]. Eine schnelle und akkurate<br />
Diagnose ist aufgrund der oben geschilderten<br />
Situation essenziell, da unter<br />
Umständen eine vital bedrohliche Situation<br />
in kurzer Zeit entstehen kann und eine<br />
notfallmässige Intervention durchgeführt<br />
werden muss. Neben der Bildgebung<br />
ist die Suche, respektive der Ausschluss<br />
einer potenziell begleitenden Infekt-Situa<br />
tion daher absolut zwingend. Dieser<br />
Artikel fokussiert im Weiteren und Wesentlichen<br />
auf die Abklärung und Therapie<br />
der akut symptomatischen Ureterolithiasis<br />
und rundet die Thematik mit einigen<br />
Fallbeispielen ab.<br />
Klinik und Befunde<br />
Bei Übertritt eines Konkrementes aus dem<br />
NBKS in den Ureter kommt es häufig im<br />
Bereich der physiologischen ureteralen<br />
Engstellen (pyeloureteraler Übergang, Gefässkreuzung<br />
und Ostium) zu einer<br />
Konkrement-Impak tierung mit konsekutivem<br />
Harnstau im vorgeschalteten, proximalen<br />
oberen Harntrakt. Dieser Stau verursacht<br />
die typischen, kolikartigen, teils<br />
vernichtenden Flankenschmerzen. Bei<br />
der Wanderung des Konkrementes nach<br />
distal kommt es häufig zu Schmerzausstrahlungen<br />
zuerst in den Unterbauch der<br />
entsprechenden Seite und schliesslich in<br />
die Genitalregion (unilateraler Skrotaloder<br />
Labien-Schmerz). Ein häufiger laborchemischer<br />
Begleitbefund ist die Mikro-,<br />
gelegentlich sogar Makro-Hämaturie, eine<br />
fehlende Hämaturie schliesst eine Ureterolithiasis<br />
aber nicht aus [7].<br />
Diagnostik<br />
Die Bildgebung der Wahl im Falle der Ureterolithiasis<br />
ist die Nativ-CT-Abdomen-Untersuchung<br />
[8]. Die Untersuchung<br />
ist zeit-effizient, genau und relativ untersucherunabhängig<br />
und liefert, gegenüber<br />
dem Ultraschall, für die Planung einer allfälligen<br />
Intervention wichtige Zusatzinformationen<br />
(Steinbilanzierung) [9]. Zur<br />
Reduktion der Strahlendosis soll, wenn<br />
immer möglich ein «low- dose»-CT-<br />
Protokoll verwendet werden. Der Ultraschall<br />
eignet sich zwar sehr gut zur Suche<br />
einer allfälligen Abflussbehinderung (und<br />
somit einem indirekten Zeichen der<br />
obstruktiven Ureterolithiasis), punkto<br />
Steinbilanzierung oder aber Detektierung<br />
einer (allenfalls auch nur zum Zeitpunkt<br />
der Untersuchung) nicht obstruktiv wirksamen<br />
Ureterolithiasis ist diese Untersuchung<br />
aber der CT-Bildgebung deutlich<br />
unterlegen und zudem deutlich untersucherabhängig.<br />
Bei Kindern und Schwangeren<br />
ist die Ultraschall-Bild gebung trotzdem<br />
immer Bildgebung der ersten Wahl.<br />
Neben der Bildgebung sind Anamnese<br />
(Begleitklinik einer Harnwegsinfektion,<br />
wie z. B. Dys- oder Algurie), Vitalzeichen<br />
(Temperatur, Blutdruck, Puls und Sättigung)<br />
sowie Blut- (Entzündungsparameter<br />
und Nierenretentionsparameter) und<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 39
Wir beraten Ärztinnen und Ärzte, weil wir sie gut verstehen.<br />
Lassen Sie sich von uns einen gratis Versicherungs-Check-Up<br />
verschreiben. Und danach sprechen wir über Ihre Personenversicherung,<br />
Sach- und Vermögensversicherung und Unfallversicherung.<br />
www.mediservice-<strong>vsao</strong>.ch
Perspektiven<br />
Abbildung 1. Management von Patienten mit akuten Flankenschmerzen mit Fokus auf Ureterolithiasis. Auf Differenzialdiagnosen wird aus Gründen der<br />
Übersicht nicht näher eingegangen.<br />
Urin-Laborbefunde (Leukozyturie, Erythrozyt<br />
urie, Nitrit) wichtig zur Identifizierung<br />
einer potenziell begleitenden Infektsituation<br />
im Harntrakt. Abbildung 1 gibt<br />
einen Überblick über das Mana gement<br />
des akuten Flankenschmerzens mit Fokus<br />
auf die Ureterolithiasis.<br />
Therapie<br />
Bei der Wahl der Therapie und Festlegung<br />
der Dringlichkeit zur Durchführung spielen<br />
verschiedene Faktoren eine wichtige<br />
Rolle. Von primärster und vordringlichster<br />
Bedeutung ist das Vorliegen einer allfällig<br />
begleitenden Harnwegsinfektion,<br />
welche eine notfallmässige Ableitung des<br />
gestauten Harntraktes (retrograd mittels<br />
Harnleiterschiene oder perkutan mittels<br />
Nephrostomie) zur Folge haben muss, wobei<br />
die Nephrostomie zwar die invasivere<br />
jedoch auch effizientere Drainage darstellt.<br />
Je dringlicher und imperativer eine<br />
Ableitung ist, desto eher wird primär auf<br />
die Nephrostomie zurückgegriffen. Zudem<br />
wird in diesem Fall eine empirische<br />
antibiotische Therapie gestartet nach Abnahme<br />
von Urin- und Blutkulturen, später<br />
nach Vorliegen dieser Resultate wird die<br />
antibiotische Therapie dann ggf. resistenzgerecht<br />
angepasst. Das obstruktive<br />
Konkrement wird im Rahmen einer solchen<br />
Notfall-Intervention in aller Regel<br />
belassen und sekundär nach Infekt-Behandlung<br />
angegangen. Ansonsten stellen<br />
Konkrement-Grösse, -Lokalisation, -Anzahl<br />
und -Dichte (welche computertomografisch<br />
mittels Hounsfield-Einheiten geschätzt<br />
werden kann) nebst der Klinik die<br />
entscheidenden Faktoren für die Wahl der<br />
optimalen Therapie dar.<br />
Konservative Therapie<br />
Eine konservative Therapie ist bei kleinem,<br />
singulärem Konkrement (in der Regel<br />
≤ 5 mm) im distalen Harnleiter bei fehlender<br />
Begleitinfektion und schmerzkompensiertem<br />
Patienten häufig der erste Therapie-Ansatz.<br />
Routinekontrollen sind<br />
zwingend notwendig und die Asservierung<br />
des Konkrementes durch Urin-Sieben<br />
wichtig, einerseits als Beweis des Spontanabganges,<br />
andererseits zur Konkrement-Analyse.<br />
Letztere ist wichtig im Hinblick<br />
auf die Metaphylaxe. Die Spontansteinabgangsrate<br />
kann durch die Gabe von<br />
-Blockern bei distalen Ureterkonkrementen<br />
von > 5 mm allenfalls leicht erhöht werden<br />
[8]. Gemäss den Richtlinien der Europäischen<br />
Gesellschaft für Uro logie sind zur<br />
Schmerzlinderung bei normaler Nierenfunktion<br />
und unter Berücksichtigung der<br />
anderen Kontraindikationen nicht-steroidale<br />
Analgetika Mittel der ersten Wahl,<br />
z. B. Diclofenac 50 mg 1-1-1, bei eingeschränkter<br />
Nierenfunktion Paracetamol<br />
500 – 1000 mg 1-1-1-1. Als Reserve-Analgetikum<br />
kann z. B. Novalgin 500 mg 1-1-1-1<br />
eingesetzt werden. Bei therapierefraktären<br />
Schmerzen oder aber der Notwendigkeit<br />
zum Einsatz von Opiaten sollte eine<br />
Hospitalisierung erfolgen. Spasmolytische<br />
Medikamente wie z. B. Buscopan können<br />
zwar unmittelbar eine gewisse Linderung<br />
bringen, durch Hemmung der Ureter-Peristaltik<br />
wirken sie aber einer spontanen<br />
Steinejektion entgegen und werden darum<br />
auch nicht empfohlen. Bei Steinpersistenz<br />
muss im Verlauf eine operative Lösung gesucht<br />
werden.<br />
Endoskopische Therapie mittels<br />
Uretero-Renoskopie (URS)<br />
Bei therapierefraktären Schmerzen und /<br />
oder Konkrementen > 5 mm ist die Indikation<br />
zur Behandlung gegeben. Häufig wird<br />
zur Gewährleistung des Urinabflusses primär<br />
eine Harnleiterschiene (auch Pigtail-Katheter)<br />
eingelegt. Ein für die sogenannte<br />
sekundäre endoskopische Steinentfernung<br />
wichtiger Nebeneffekt ist<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 41
Perspektiven<br />
Abbildung 2. Starre und flexible Uretero-Renoskopie<br />
(URS).<br />
Abbildung 3. Endoskopisches Bild der<br />
Ureterolithiasis. Endoskopischer Blick auf ein<br />
Kon krement im Harnleiter. Unter dem Stein<br />
liegt ein Führungsdraht, welcher den Ureter<br />
schient.<br />
Abbildung 4. Perkutane Nephro-Litholapaxie<br />
(PNL).<br />
dabei die Erschlaffung des Ureters nach<br />
einigen Tagen durch Aus setzen der Ureter-Peristaltik.<br />
Bei kleineren, v. a. distal<br />
gelegenen Konkrementen kann auch eine<br />
primäre Konkrement-Entfernung versucht<br />
werden. Bei den Uretero-Renoskopen<br />
werden semirigide und flexible Instrumente<br />
unterschieden, mit Letzteren<br />
können nebst Konkrementen im Harnleiter<br />
auch Konkremente im NBKS angegangen<br />
werden (Abb. 2 und 3). Grössere Konkremente<br />
müssen zur Entfernung zerkleinert<br />
werden (Lithotripsie). Im Ureter kommen<br />
typischerweise mechanische Geräte<br />
zum Einsatz (z. B. ballistische Steinzertrümmerer<br />
wie der Lithoclast), im NBKS<br />
typischerweise Lasersonden. Das Erreichen<br />
einer Steinfreiheit ist mit diesen Verfahren<br />
hoch und liegt bei 88 % [10]. Bei<br />
grosser Konkrementlast ist häufig mehr<br />
als eine Sitzung notwendig.<br />
Perkutane Litholapaxie (PNL)<br />
Bei grosser Steinlast im NBKS (bis hin zu<br />
den sogenannten Ausguss-Steinen) ist die<br />
PNL der zielführendste endoskop ische<br />
Ansatz zum Erreichen der Steinfreiheit.<br />
Dabei wird ein perkutaner Zugang ins<br />
NBKS geschaffen (Abb. 4), über welchen<br />
einerseits deutlich grösseren Konkrementen<br />
evakuiert werden können verglichen<br />
mit den ureterore noskopischen Verfahren,<br />
andererseits auch potentere Zertrümmerungsinstrumente<br />
(Ultraschallbohrer<br />
oder kaliber stärkere Laserfasern)<br />
eingesetzt werden können. Verglichen mit<br />
der URS ist dieses Verfahren in Bezug auf<br />
Gerätschaft und Expertise des Operateurs<br />
deutlich komplexer und sollte somit nur<br />
an Zentren mit entsprechender Erfahrung<br />
durchgeführt werden. Auch ist dieses Verfahren<br />
deutlich invasiver und mit höherer<br />
Morbidität vergesellschaftet [11], dafür<br />
aber aus genannten Gründen effizienter<br />
und eben bei grosser Steinlast unter dem<br />
Strich zielführender. Es wird mit diesem<br />
Verfahren eine Steinfreiheitrate von 95 %<br />
erreicht [10].<br />
Abbildung 5. Extrakorporale Schock-Wellen-<br />
Lithotripsie (ESWL).<br />
Extrakorporale Stosswellen-Therapie<br />
(ESWL)<br />
Bei diesem Verfahren werden die Steine<br />
von aussen mit gebündelten Schock-Wellen<br />
zerkleinert, die Konkrement- Trümmer<br />
müssen im Anschluss über die Harnwege<br />
und somit auf natürlichem Wege ausgeschieden<br />
werden (Abb. 5). Das bedeutet,<br />
dass im unmittelbaren Anschluss an die<br />
Behandlung nicht eine sofortige Steinfreiheit<br />
erreicht wird. Diese in den 80er-Jahren<br />
aufgekommene und damals revolutionäre<br />
Technik hat in den letzten beiden<br />
Jahrzehnten durch die schnell voranschreitende<br />
Entwicklung endoskopischer<br />
Geräte zunehmend an Bedeutung verloren.<br />
Diese Technik hat sich vor allem für<br />
die Behandlung von kleinen Nierenoberpol-Steinen<br />
oder unmittelbar prävesikal<br />
gelegenen Ureter-Konkrementen gut bewährt.<br />
Für die Behandlung von Konkrementen<br />
im übrigen Ureterverlauf ist sie<br />
aber weniger geeignet. Die Steinfreiheitrate<br />
ist verglichen mit der URS schlechter<br />
und liegt bei 60 % [10].<br />
Offene Steinentfernung<br />
(Uretero- / Pyelotomie)<br />
Diese Technik muss mit Nennung einiger<br />
Ausnahmesituationen als praktisch obsolet<br />
bezeichnet werden, da durch die dramatische<br />
Verbesserung der endoskopischen<br />
Geräte praktisch nie mehr ein offener<br />
Zugang zum ableitenden Harntrakt<br />
etabliert werden muss. Wenn in ausgesuchten<br />
Einzelfällen die Eröffnung des<br />
Pyelons oder des Ureters zur direkten<br />
Stein extration dennoch notwendig wird,<br />
dann geschieht dies heute hierzulande in<br />
aller Regel laparo skopisch oder roboterassistiert<br />
laparoskopisch.<br />
Chemolitholyse<br />
Das Harnsäurekonkrement ist das Einzige,<br />
welches einer medikamentösen Auflösung<br />
(sogenannten Chemolitho lyse) zugänglich<br />
ist. Durch Anheben des Urin-pH-<br />
Wertes (sogenannte Urin-Alkalinisierung)<br />
wird das Löslichkeitsprodukt von Harnsäure<br />
deutlich angehoben, was dann über<br />
die Zeit zur Auflösung von Konkrementen<br />
führt. Bei grösserer Steinlast wird dieser<br />
42<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Ansatz häufig mit einer vorausgehenden<br />
ESWL oder endoskopischen Lithotripsie<br />
kombiniert, um die angreifbare Oberfläche<br />
zu ver grössern. Bei akuter Ureterkolik<br />
durch ein Harnsäurekonkrement hat die<br />
Chemolitholyse aber keinen unmittelbaren<br />
therapeutischen Stellenwert und<br />
kommt hier v. a. zur Mitbehandlung allenfalls<br />
gleichzeitig vorhandenere Nierenkonkremente<br />
oder aber zur Metaphylaxe<br />
zum Einsatz.<br />
Prophylaxe<br />
Aufgrund der hohen Rezidivrate ist die<br />
Etablierung einer Prophylaxe sinnvoll,<br />
insbesondere bei Auftreten des<br />
Erstereignisses in jungem Alter, ausgeprägter<br />
Steinlast, rezi divierender Problematik<br />
oder ungewöhnlicher Konkrement-Zusammensetzung.<br />
Neben der<br />
Anamnese mit Erfassung der Flüssigkeitszufuhr<br />
und Ernährungsgewohnheiten gehören<br />
laborchemische Untersuchungen<br />
des Blutes und des Urins dazu sowie auch<br />
wenn immer möglich eine Konkrement-Analyse.<br />
Die Ursachenabklärung<br />
der Steinbildung sowie die Identifikation<br />
vor Risikofaktoren, welche modulierbar<br />
sein können (wie beispielsweise durch Anpassung<br />
der Ernährung, medikamentös<br />
wie beispielsweise bei Harnsäure-Konkrementen<br />
oder chirurgisch wie beispielsweise<br />
beim Hyperparathyroidismus) oder<br />
auch nicht modulierbar (wie beispielsweise<br />
bei Zystinurie oder Säurestarre der Nieren)<br />
gehört in die Domäne der Nephrologie.<br />
Die enge Zusammenarbeit von Urologie<br />
und Nephrologie ist bei diesen Patienten<br />
wichtig.<br />
Fallbeispiele<br />
Im Folgenden werden drei Fälle geschildert,<br />
wie sie sich sehr ähnlich an der Klinik<br />
für Urologie des Stadtspitals Triemli ereignet<br />
haben.<br />
Fall 1: der häufige Fall<br />
• Epikrise: 37-jährige Patientin, akute<br />
Flankenschmerzen rechts seit einigen<br />
Stunden. Selbstzuweisung auf die Notfallstation.<br />
• Vitalzeichen: Temperatur 36.8 °C, leichte<br />
BD-Erhöhung von 150 / 70 mmHg, ansonsten<br />
normal.<br />
• Labor: Keine Infektzeichen im Blut (Lc<br />
5.5 × 10 9 / l, CRP < 0.6 mg / L), Nierenretentionsparameter<br />
leicht erhöht (Kreatinin<br />
113 umol / L, MDRD 47 ml / min / 1.73 m 2 ).<br />
Im Urin Mikrohämaturie (12Ec / GF).<br />
• Bildgebung: CT graphisch 5 mm Konkrement<br />
intra- osital rechts mit konsekutiver<br />
Abflussbehinderung des oberen<br />
Harntraktes rechts. 1 mm Konkrement in<br />
der unteren Kelchgruppe Niere links<br />
(Abb. 6).<br />
• Beurteilung: Urolithiasis bds mit obstruktiver<br />
Ureterolithiasis rechts (5 mm Konkrement<br />
intraostial) OHNE Hinweise für<br />
Begleitinfektion im Harntrakt sowie<br />
Nephrolithiasis links (1 mm Konkrement<br />
untere Kelchgruppe).<br />
• Procedere: Bei therapierefraktären<br />
Schmerzen Hospitalisation und konservatives<br />
Vorgehen. In der Nacht auf den<br />
Folgetag spontaner Steinabgang mit im<br />
Anschluss beschwerdefreier Patientin.<br />
Konkrement-Analyse: 100 % Apatit (Kalzium-Phosphat).<br />
Konservatives Vorgehen<br />
bezüglich minimaler Nephrolithiasis<br />
links. Anbindung in nephrologische<br />
Sprechstunde aufgrund jungen Alters<br />
und initial beidseitigen Befunden sowie<br />
positiver Familien-Anamnese (Schwester<br />
betroffen).<br />
Abbildung 6. Distale Ureterolithiasis rechts mit<br />
prävesikalem Kon krement.<br />
Fall 2: der komplexe Fall<br />
• Epikrise: 72-jähriger Patient, notfallmässige<br />
Zuweisung bei AZ-Verschlechterung,<br />
Fieber, Flankenschmerzen links<br />
sowie deutlicher Aggravierung der vorbekannten<br />
Niereninsuffizienz.<br />
• Vitalzeichen: Temperatur 38.2 °C, Hypotonie<br />
mit BD 85 / 60 mmHg, Tachykardie<br />
mit HF 100 / min, Tachypnoe mit<br />
20 / min, Sättigung 90 % bei Raumluft.<br />
• Labor: Leukozytose mit 19 × 10 9 / l, CRP<br />
150 mg / L, Kreatinin 388 umol / L, MDRD<br />
13 ml / min / 1.73 m 2 . Urin Nitrit negativ,<br />
Ec > 30 / GF, Lc > 30GF.<br />
• Bildgebung: CT graphisch Urolithiasis<br />
bds mit Ureterolithiasis links mit 9 mm<br />
intraostialem Konkrement und grosses<br />
Ausgusskonkrement Niere rechts<br />
(Abb. 7).<br />
• Beurteilung: Urolithiasis bds mit obstruktiver<br />
Ureterolithiasis links (9 mm Konkrement<br />
distaler Ureter) MIT Begleitinfektion<br />
im Harntrakt und beginnender<br />
Sepsis sowie Nephrolithiasis rechts<br />
(grosses Ausgusskonkrement).<br />
• Procedere: Notfallmässige Pigtail-Einlage<br />
links zur sofortigen Entlastung des<br />
oberen Harntraktes links und Etablierung<br />
einer antibiotisch-empirischen<br />
Therapie Rocephin iv, Volumen-Gabe iv<br />
und Hospitalisierung. Eine Verlegung<br />
auf die Intensivstation ist nicht notwendig<br />
bei kreislaufstabilem Patienten. Im<br />
Verlauf resistenzgerechte Oralisierung<br />
der antibiotischen Therapie. Am Ende<br />
der 14-tägigen Behandlung ureterorenoskopische<br />
Entfernung des Ureterkonkrementes<br />
links und vorbereitende<br />
Pigtail-Einlage rechts. Wiederum 3 Wochen<br />
später perkuntane Nephrolitholapaxie<br />
(PNL) rechts, aufgrund der ausgeprägten<br />
Steinlast sind zwei Sitzungen<br />
notwendig zum Erreichen einer Steinfreiheit.<br />
Konkrement-Analyse: Weddellit<br />
(Kalzium- Oxalat-Dihyrat) + Whewellit<br />
(Kalz ium-Oxalat-Monohydrat) + Apatit<br />
(Kalzium- Phosphat).<br />
Abbildung 7. Ausgusskonkrement im Nierenbeckenkelchsystem<br />
rechts und distale Ureterolithiasis<br />
mit prävesikalem Konkrement links.<br />
Fall 3: der tragische Fall<br />
• Epikrise: 69-jährige Patientin, Verlegung<br />
aus einem nahegelegenen Regionalspital<br />
bei Fieber und Flankenschmerzen links,<br />
CT-graphisch gestauter Niere links mit<br />
Nachweis von Konkrementen in der Niere<br />
und Ureter links. Die Patientin hatte<br />
sich extern um ca. 11:00 Uhr selbstständig<br />
vorgestellt und trat 15:25 mit der Sanität<br />
bei uns ein. Während der Verlegung<br />
Verschlechterung des Allgemeinzustandes<br />
der Patientin.<br />
• Vitalzeichen: Temperatur 38.7 °C, Hypotonie<br />
mit Blutdruck 80 / 50 mmHg, Tachykardie<br />
mit 120 / min, Tachypnoe mit<br />
22 / min und Sättigung 90 % bei Raumluft.<br />
• Labor (extern): Leukozytose mit 22 × 10 9 / l,<br />
CRP 290, Kreatinin 200 umol / L, MDRD<br />
32 ml / min / 1.73 m 2 . Urin Nitrit positiv, Ec<br />
> 30 / GF, Lc > 30GF.<br />
• Bildgebung (extern): CT graphisch Urolithiasis<br />
links mit obstruktiver Ureterolithiasis<br />
links (18 mm Konkrement im<br />
mittleren Ureterdrittel) und Nephrolithiasis<br />
links (mehrere Konkremente bis<br />
8 mm Grösse) (Abb. 8).<br />
• Beurteilung: Urosepsis bei obstruktiver<br />
Ureterolithiasis links (15 mm Konkre-<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 43
Perspektiven<br />
ment mittleres Ureterdrittel) und<br />
Nephrolithiasis links (mehrere Konkremente<br />
bis 8 mm). Kreislauf zunehmend<br />
instabil, Patientin vital gefährdet.<br />
• Procedere: Entscheid zur notfallmässigen<br />
Ableitung der Niere mittels<br />
Nephrostomie um 15:45 Uhr. Etablierung<br />
eines zweiten venösen Zugangs zur Volumengabe,<br />
Beizug der Intensivmedizin<br />
zur Monitorisierung und Stabilisierung,<br />
Beginn iv-Antibiotika-Therapie mit<br />
Rocephin. Verlegung zur Intervention<br />
16:00 Uhr. Während der Vorbereitung zur<br />
Nephrostomie-Einlage in Lokalbetäubung<br />
kommt es zum septischen Schock<br />
und Kreislaufstillstand. Reanimation<br />
während 25 min und exitus letalis um<br />
16:36 Uhr.<br />
Literatur<br />
1. Viljoen A, Chaudhry R, Bycroft J. Renal stones. Ann Clin Biochem. 2019;56:15 – 27.<br />
2. Ziemba JB, Matlaga BR. Epidemiology and economics of nephrolithiasis. Investig Clin<br />
Urol. 2017;58:299 – 306.<br />
3. Kistler T. Metaphylaxe von Nierensteinen. ARS MEDICI. 2012;2:64 – 72.<br />
4. Singh P, Enders FT, Vaughan LE, Bergstralh EJ, Knoedler JJ, Krambeck AE, et al. Stone<br />
Composition Among First-Time Symptomatic Kidney Stone Formers in the Community. Mayo Clin<br />
Proc. 2015;90:1356 – 65.<br />
5. Coe FL, Evan A, Worcester E. Kidney stone disease. J Clin Invest. 2005;115:2598 – 608.<br />
6. Westphalen AC, Hsia RY, Maselli JH, Wang R, Gonzales R. Radiological imaging of<br />
patients with suspected urinary tract stones: national trends, diagnoses, and predictors. Acad<br />
Emerg Med. 2011;18:699 – 707.<br />
7. Teichman JM. Clinical practice. Acute renal colic from ureteral calculus. N Engl J Med.<br />
2004;350:684 – 93.<br />
8. Türk C, Petřík A, Sarica K, Seitz C, Skolarikos A, Straub M, et al. EAU Guidelines on<br />
Diagnosis and Conservative Management of Urolithiasis. Eur Urol. 2016;69:468-74.<br />
9. Nicolau C, Salvador R, Artigas JM. Diagnostic management of renal colic. Radiologia.<br />
2015;57:113 – 22.<br />
10. Wiesenthal JD, Ghiculete D, D›A Honey RJ, Pace KT. A comparison of treatment modalities<br />
for renal calculi between 100 and 300 mm2: are shockwave lithotripsy, ureteroscopy, and<br />
percutaneous nephrolithotomy equivalent? J Endourol. 2011;25:481 – 5.<br />
11. Xue W, Pacik D, Boellaard W, Breda A, Botoca M, Rassweiler J, et al. Management of single<br />
large nonstaghorn renal stones in the CROES PCNL global study. J Urol. 2012;187:1293 – 7.<br />
Zusammenfassung<br />
Abbildung 8. Proximale Ureterolithiasis links.<br />
Zusammenfassung der Fälle<br />
In allen drei Fällen lag als zugrundeliegende<br />
Problematik eine obstruktive Ureterolithiasis<br />
vor. Die Beispiele verdeutlichen<br />
aber, wie unterschiedlich die Komplexität<br />
der Fälle und das Spektrum der Morbidität<br />
und Mortalität sein kann. Während die<br />
Steinbilanzierung entscheidend für die<br />
Wahl der Behandlungsmethode und die<br />
Planung des Ablaufes ist, so ist das gleichzeitige<br />
Vorliegen einer Infektion im Harntrakt<br />
die absolut entscheidende Komponente<br />
in Bezug auf die Dringlichkeit von<br />
allfälligen Interventionen.<br />
Dr. med. Martin H. Umbehr<br />
Klinik für Urologie<br />
Stadtspital Triemli<br />
Birmensdorferstrasse 497<br />
8063 Zürich<br />
martin.umbehr@triemli.zuerich.ch<br />
Die Urolithiasis ist eine sehr häufige Erkrankung mit einem Lebenszeitrisiko von<br />
10 – 15 % in den industrialisierten Ländern. Während die Steinbildung in aller Regel<br />
asymptomatisch innerhalb des Nierenbeckenkelchsystems erfolgt und somit das Bild<br />
der Nephrolithiasis generiert, kommt es zur klinischen Manifestation beim Übertritt<br />
dieser Konkremente in den Ureter und somit Ureterolithiasis. Die typische Klinik zeichnet<br />
sich primär durch starke, kolikartige Flankenschmerzen aus. Die Ureterolithasis ist<br />
somit eine der wichtigsten Differenzialdiagnosen bei Flankenschmerzen und bedarf<br />
einer sofortigen und akkuraten Diagnostik. Die Diagnose des Steinleidens erfolgt mittels<br />
Bildgebung, die CT-Schichtbildgebung ist dabei dem Ultraschall in Bezug auf die Steinbilanzierung,<br />
welche für die Therapieplanung wichtig ist, deutlich überlegen. Neben der<br />
Steinbilanzierung ist die Erfassung von Anamnese, Vital- und Labor-Parametern essenziell<br />
zum Ausschluss oder Erkennen einer begleitenden Infektion im Harntrakt. Während<br />
die Nephrolithiasis kaum akute Probleme bereitet, kann die Ureterolithiasis nebst<br />
der häufig sehr eindrücklichen Schmerz-Klinik in kürzester Zeit zu einem sehr gefährlichen<br />
bis lebensbedrohlichen Problem werden, nämlich dann, wenn die durch das Konkrement<br />
bedingte Obstruktion gleichzeitig mit einem Infekt im Harntrakt auftritt. In diesem<br />
Fall ist die notfallmässige Entlastung des Harntraktes die wichtigste Massnahme.<br />
Urinary stone disease – size isn’t all that matters<br />
Abstract: Urinary stone disease is a very frequent disease with a life-time-risk of about<br />
10 – 15 % in industrialized countries. Meanwhile mostly asymptomatic stone formation<br />
takes place within the renal pelvic system (renal stone disease), the typical clinical manifestation<br />
results when these stones enter and consequently obstruct the ureter (ureteral<br />
stone disease). Hence, in case of acute flank pain, ureteral stone disease is one of the<br />
most important differential diagnosis and requires always an immediate as well as<br />
accurate diagnostic work up. In here, CT-scans have shown to be most accurate and<br />
outperform ultrasound, especially concerning the overall assessment of the stone situation<br />
in the patient. Beside the diagnosis of the stone disease, the medical history, vital<br />
signs as well as blood and urinary tests are of importance in the primary work up of the<br />
patient since the identification of a potential concurrent infection within the urinary<br />
tract is of highest importance. Both, renal stone disease (mostly asymptomatic) as well as<br />
ureteral stone disease (often associated with acute and destructive flank pain) are usually<br />
not associated with an immediate threat. Ureteral stone disease with a concurrent urinary<br />
tract infection in contrary is one of the most dangerous situations in urology and, if<br />
missed, associated with urosepsis and high morbidity even lethality. The immediate<br />
drainage of the obstructed and infected urinary tract is the most important emergency<br />
action in these patients.<br />
44<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Künstler der Medizin<br />
Eva Breuer<br />
Ihre Farben sind Rot und vitales<br />
Orange. Sie brennt vor Energie und<br />
Leben. Sie ist Assistenzärztin im<br />
Team der Visceralchirurgie. Ich<br />
lernte Eva Breuer kennen, da sie die<br />
Einflüsse des Malens auf das Befinden<br />
von Patienten erforscht, die vor einem<br />
chirurgischen Eingriff stehen. Kunst<br />
eröffnet einen Zugang, eine Situation auf<br />
verschiedensten Ebenen zu erleben.<br />
Kunst hat die Macht, Gefühle hervorzurufen<br />
– alle sind erlaubt. Es geht um das<br />
Fühlen, um das Erleben, und das finde<br />
ich spannend.<br />
Daher bin ich sehr gespannt, zu<br />
welchen Ergebnissen Eva Breuer kommt.<br />
Kunst im Zusammenhang mit Chirurgie<br />
– hier treffen sich zwei starke Disziplinen.<br />
Eine Verbindung der beiden hat ein<br />
Potential von enormem Ausmass. Sie<br />
kann Krankenhäuser verändern, die<br />
Farben, die Gänge, die Patientenzimmer,<br />
die Aufbereitung der Informationsbroschüren,<br />
das gesamte Umfeld, mit dem<br />
ein Patient konfrontiert wird.<br />
Täglich habe ich dazu viele Ideen.<br />
Wenn wissenschaftlich aufgezeigt wird,<br />
dass Kunst positive Auswirkungen auf die<br />
Genesung der Patienten hat, sich somit<br />
auszahlt, freue ich mich auf eine Zukunft,<br />
die ganzheitlich ist und den Menschen in<br />
allen seinen «Farben» sieht. «I see your<br />
colours.» Wie die Liebe es schafft, die<br />
Vielschichtigkeit eines Menschen zu<br />
sehen, seine Komplexität im Ganzen zu<br />
erkennen. Hierfür ist die Medizin einer<br />
der wundervollsten Bereiche, da sie so<br />
nah am Menschen ist.<br />
Eva Breuer ist eine Revolutionärin.<br />
Schon für ihre Maturarbeit sei ihr ein<br />
Thema mit Farben zugewiesen worden,<br />
sagt sie. Es sei etwas, das immer wieder<br />
zu ihr komme. Sie hat sich diese offene<br />
Sicht in der Medizin bewahrt. So erklärt<br />
es sich, dass auch in ihrem Tun als Ärztin<br />
ein Thema mit Kunst zu ihr gefunden hat.<br />
Sie kommt aus Einsiedeln, besuchte<br />
dort das Gymnasium und spielte im<br />
Laientheater. Zweimal bekleidete sie<br />
bisher eine Rolle im Welttheater. Eine<br />
Rolle als Teil einer Kultur des Ortes, der<br />
Schweiz, der Welt. Sie hat ihren Platz<br />
bereits eingenommen als heimatverbundene<br />
Frau, die mit beiden Beinen auf dem<br />
Boden steht, als begeisterte Forscherin,<br />
als Ärztin im Universitätsspital Zürich.<br />
Sie liebt es, mit Menschen zu arbeiten<br />
und zu forschen, beides findet sie «gleich<br />
wichtig» und sie «glaubt daran».<br />
Und so jemanden treffe ich in der<br />
Cafeteria. Wir trinken Kaffee und reden.<br />
Sie nennt ein Wort, «Synästhesie». Ich<br />
wusste nicht, dass es ein Wort dafür gibt,<br />
dass ich die Menschen in Farben sehe,<br />
auch sie sieht die Farben. Ich bin davon<br />
überzeugt, dass dies ganz natürlich ist<br />
und in jedem Menschen steckt. Denn wen<br />
auch immer ich nach seiner Farbe für ein<br />
Porträt frage, ob den Klinikdirektor oder<br />
ein dreijähriges Kind, alle können mir aus<br />
dem Stegreif ihre Farbe nennen.<br />
Es gibt noch viele Fragen, und es ist<br />
herrlich, dass die Zeit nun da ist, in<br />
welcher der Einfluss von Kunst auf<br />
Heilung und Genesung genauer erforscht<br />
wird. Hierzu ist es gut, dass Eva Breuer<br />
rot und orange ist. Dass sie brennt für<br />
ihre Sache. Hochspannend. Ich freue<br />
mich auf die Zukunft.<br />
Bettina Reichl, Malerin und Hospitalisationsmanagerin<br />
an der Klinik für Plastische<br />
Chirurgie am UniversitätsSpital Zürich<br />
(Ungekürzte Textversion auf<br />
www.bettinareichl.com)<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 45
UPD – (D)ein Ort der<br />
vielen Möglichkeiten<br />
Ein Auftrag liegt uns als Universitätsspital besonders am Herzen:<br />
der Lehrauftrag. Wir lieben es, unser Wissen weiterzugeben und<br />
andere mit unserer Leidenschaft für unser Fach zu begeistern. Das<br />
macht die UPD für Ärztinnen und Ärzte zu einem Ort der vielen<br />
Möglichkeiten.<br />
Willst du mehr sehen?<br />
Besuche uns am MEDIfuture,<br />
6. November <strong>2021</strong><br />
am Stand <strong>Nr</strong>. 19<br />
Willst du mehr hören?<br />
Der Jobcast auf Spotify:<br />
Willst du mehr wissen?<br />
www.upd.jobs
mediservice<br />
Briefkasten<br />
Herbstliche Zankäpfel<br />
Bilder: Adobe, zvg<br />
Muss ich das Rattern und<br />
Knattern von Laubbläsern<br />
in der Nachbarschaft<br />
ertragen? Wem<br />
gehört Fallobst? Haften Autofahrer,<br />
wenn sie mir eine «Pfützenwasserdusche»<br />
verpassen? Darf mein Vermieter<br />
bestimmen, wann er die Heizung<br />
anstellt?<br />
Im Herbst sammelt sich auf dem<br />
Zugang zum Mehrfamilienhaus jede<br />
Menge glitschiges Laub und kann zur<br />
Stolperfalle werden. Sollte ein Unfall<br />
passieren, haftet der Eigentümer der<br />
Liegenschaft. Er ist für den Unterhalt des<br />
Wegs zuständig und muss dafür sorgen,<br />
dass das Laub regelmässig zusammengekehrt<br />
wird, damit niemand ausrutscht.<br />
Um das Laub zu entfernen, sind<br />
Laubbläser ein beliebtes Arbeitsinstrument.<br />
Sie können jedoch sehr laut sein<br />
und somit sind beim Einsatz des Geräts<br />
unbedingt die Ruhezeiten zu beachten.<br />
Diese sind kantonal geregelt und können<br />
dem Polizeireglement der Wohngemeinde<br />
oder des Kantons entnommen<br />
werden.<br />
Ihr Ahornbaum «verteilt» im Herbst<br />
auch im Nachbargarten Blätter. Die<br />
verärgerte Nachbarin pustet diese zurück<br />
in Ihren Garten, und Sie fragen sich, ob<br />
dies zulässig ist. In<br />
diesem Fall gilt es zu<br />
prüfen, ob die<br />
Blätter eine übermässige<br />
Immission<br />
darstellen. Die<br />
Beurteilung der<br />
Übermässigkeit ist je<br />
nach Ort und Lage<br />
der Liegenschaft<br />
anders und liegt im<br />
richterlichen<br />
Ermessen. Laut<br />
bundesgerichtlicher<br />
Rechtsprechung gilt<br />
ein normaler<br />
Laubabfall in einem Wohnquartier mit<br />
vielen Einfamilienhäusern und vielen<br />
Bäumen nicht als übermässig. Sprich:<br />
Ihre Nachbarin muss den Laubabfall<br />
dulden und darf die Blätter nicht auf Ihr<br />
Grundstück zurückblasen. Wir raten<br />
Ihnen in einem solchen Fall, das Gespräch<br />
mit der Nachbarin zu suchen.<br />
Ragen vom Nachbargrundstück<br />
einige Äste eines Apfelbaums auf Ihr<br />
Grundstück, dürfen Sie das Fallobst<br />
behalten. Sie dürfen sogar die Äpfel, die<br />
vom Baum des Nachbargartens in Ihr<br />
Grundstück ragen, pflücken und behalten.<br />
Das ist das sogenannte Anriesrecht.<br />
Mit dem Herbst zieht auch die Kälte<br />
in die Wohnung ein. Die Vermieterin<br />
weigert sich, vor November die Heizung<br />
anzustellen. Dies ist nicht zulässig.<br />
Tagsüber muss in der Wohnung eine<br />
durchschnittliche Raumtemperatur von<br />
20 Grad Celsius erreicht werden können,<br />
ansonsten liegt ein Mangel vor. Ist es in<br />
der Wohnung kälter, können Mieter dies<br />
der Vermieterin mitteilen und sie auffordern,<br />
die Heizung anzustellen – bzw. zu<br />
reparieren, falls sie defekt ist.<br />
Eine Autofahrerin ruiniert den<br />
teuren Trenchcoat eines Fussgängers,<br />
weil sie durch eine Pfütze gerast ist und<br />
ihn mit Dreckwasser bespritzt hat. Muss<br />
sie für die Reinigungskosten oder<br />
eventuell sogar einen neuen Mantel<br />
aufkommen? Grundsätzlich haften<br />
Fahrzeughalter für Schäden, die durch<br />
ihr Fahrzeug verursacht wurden. Fraglich<br />
ist hier, ob der Sachschaden am Mantel<br />
durch den «Pfützenspritzer» zu den<br />
üblichen Gefahren gehört. Denn die<br />
Autofahrerin könnte entgegnen, dass die<br />
Pfütze durch höhere Gewalt, sprich durch<br />
das Wetter, entstanden ist. Es gibt zudem<br />
keine ausdrückliche Pflicht für Lenker,<br />
ihr Tempo bei Regen oder Pfützen<br />
anzupassen.<br />
Es gibt in der Schweiz keine Winterreifenpflicht.<br />
Man ist als Autofahrer<br />
jedoch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass<br />
das Fahrzeug betriebssicher ist. Wer im<br />
Winter mit Sommerreifen fährt und<br />
mangels Traktion einen Unfall verursacht,<br />
muss mit einer heftigen Busse<br />
sowie einem Führerscheinentzug rechnen.<br />
Zudem können die Versicherungen<br />
Leistungen kürzen, wenn Sie bei winterlichen<br />
Verhältnissen einen Unfall mit<br />
Sommerreifen verursachen.<br />
AXA-ARAG<br />
bietet mediservice <strong>vsao</strong>-Mitgliedern<br />
eine Rechtsschutzversicherung zu<br />
vorteilhaften Konditionen an. Haben<br />
Sie noch weitere Fragen? Wenden Sie<br />
sich an Ihren Ansprechpartner bei<br />
mediservice <strong>vsao</strong>-asmac unter<br />
Telefon 031 350 44 22 oder per E-Mail<br />
info@mediservice-<strong>vsao</strong>.ch.<br />
Alexandra Pestalozzi,<br />
Juristin bei der AXA-ARAG<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 47
Unser Beratungspartnernetz<br />
für Treuhand, Versicherungen, Vorsorge<br />
Schweizweit in Ihrer Nähe<br />
BERATUNGSSTELLEN für Versicherungs-, Vorsorge- und Finanzberatung<br />
Allcons AG 4153 Reinach Assidu 2363 Montfaucon, 2800 Delémont, 6903 Lugano BTAG Versicherungsbroker AG<br />
3084 Wabern UFS Insurance Broker AG 8810 Horgen VM-F Frank insurance brokers GmbH 9300 Wittenbach<br />
Vorsorge Wirz 4058 Basel<br />
TREUHANDPARTNER für Finanzbuchhaltung, Steueroptimierung, Wirtschaftsberatung<br />
B+A Treuhand AG 6330 Cham Brügger Treuhand AG 3097 Liebefeld/Bern contrust finance ag 6004 Luzern<br />
GMTC Treuhand & Consulting AG 9014 St. Gallen Kontomed Treuhand AG 8807 Freienbach LLK Treuhand AG<br />
4052 Basel Mehr-Treuhand AG 8034 Zürich Quadis Treuhand AG 3952 Susten Sprunger Partner AG 3006 Bern<br />
W&P AG Treuhand Steuern Wirtschaftsprüfung 7001 Chur<br />
Alle Beratungspartner finden Sie auch online oder rufen Sie uns an.<br />
Für unsere Mitglieder ist ein einstündiges Erstgespräch zur gezielten Bedürfnisabklärung kostenlos.<br />
mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />
Telefon 031 350 44 22<br />
info@mediservice-<strong>vsao</strong>.ch<br />
www.mediservice-<strong>vsao</strong>.ch
Publireportage<br />
Gut geschützt<br />
online shoppen<br />
und im Internet<br />
surfen<br />
Das Internet bietet viele Möglichkeiten – doch es ist<br />
mit Gefahren verbunden. Auch Privatpersonen können<br />
Hackern zum Opfer fallen, beim Onlineshopping<br />
betrogen oder virtuell ausgeraubt werden.<br />
Zurich sichert Sie umfassend ab<br />
Zurich bietet zwei neue Cyberversicherungen<br />
an:<br />
• Versichert gegen Hackerangriffe und<br />
Schadsoftware<br />
Mit «Cyber Safe Surf» können Sie sich gegen<br />
die Folgen von Hackerattacken und<br />
Schadsoftware schützen. Wir zahlen den<br />
Experten, der die Schadsoftware entfernt,<br />
die Programme neu aufsetzt und<br />
Ihre Daten aus dem Backup wiederherstellt.<br />
Dies für weniger als 40 Schweizer<br />
Franken pro Jahr.<br />
• Versichert beim Onlineshopping und<br />
E-Banking<br />
Bei Vorfällen rund ums Onlineshopping<br />
hilft die «Shop & Pay»-Versicherung. Sie<br />
zahlt, wenn ein Krimineller via E-Banking<br />
Ihr Konto leerräumt, wenn online bestellte<br />
Waren fehlerhaft oder gar nicht<br />
geliefert werden oder wenn Sie online eine<br />
Ferienunterkunft buchen und dabei<br />
betrogen werden. In diesem Fall beträgt<br />
die Versicherungssumme 10 000 Franken.<br />
Optional können Sie mit einer höheren<br />
Prämie eine grössere Summe von bis<br />
zu 50 000 Franken absichern.<br />
Wettbewerb:<br />
Abschalten im Luxuswochenende<br />
für zwei<br />
Mit den Cyberversicherungen von<br />
Zurich haben Sie den Kopf frei für die<br />
schönen Dinge im Leben. Nehmen Sie<br />
an unserem Wettbewerb teil und<br />
gewinnen Sie mit etwas Glück ein<br />
Wochenende für zwei Personen im<br />
Bürgenstock Resort. Ausserdem<br />
verlosen wir 30×1 Digitec- Galaxus-<br />
Gutschein im Wert von 100 Franken.<br />
Jetzt mitmachen und gewinnen:<br />
zurich.ch/cyberwettbewerb<br />
Bild: zvg<br />
Schnell die sozialen Medien checken,<br />
Bücher online bestellen<br />
und die Bahnverbindung heraussuchen.<br />
Wir nutzen das Internet<br />
so häufig, dass wir nicht mehr merken,<br />
was wir tun – jedes Mal eine Verbindung<br />
zu anderen Computern aufbauen.<br />
Als Privatperson gehackt<br />
Ein falscher Klick – und der Computer<br />
wird zum digitalen Problemfall. Dann ist<br />
es wichtig, einen Experten zu finden, der<br />
die Schadsoftware entfernt, die Programme<br />
neu aufsetzt und Daten aus dem Backup<br />
wiederherstellt.<br />
Gefahren beim Onlineshopping<br />
Auch beim Onlineshopping kann einiges<br />
schiefgehen: Wollten Sie die Traumvilla<br />
buchen, stattdessen handelt es sich um eine<br />
baufällige Hütte? Oder wurden Ihre online<br />
bestellten Produkte nie geliefert?<br />
Noch schlimmer: Ein Hacker hat sich Zugang<br />
zu den E-Banking-Zugangsdaten beschafft<br />
und Ihr Konto leergeräumt?<br />
mediservice<br />
<strong>vsao</strong>-Mitglieder<br />
profitieren bei Zurich von zusätzlichen<br />
Vorzugskonditionen.<br />
So schnell und einfach kommen Sie zu<br />
ausgezeichnetem Service und attraktiven<br />
Preisen:<br />
zurich.ch/de/partner/login<br />
Ihr Zugangscode: TqYy4Ucx<br />
0800 33 88 33<br />
Montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr<br />
Bitte erwähnen Sie Ihre mediservice<br />
<strong>vsao</strong>-Mitgliedschaft.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 49
Impressum<br />
Kontaktadressen der Sektionen<br />
<strong>Nr</strong>. 5 • 40. Jahrgang • <strong>Oktober</strong> <strong>2021</strong><br />
Herausgeber/Verlag<br />
AG<br />
VSAO Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />
Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />
Telefon 031 350 44 88<br />
journal@<strong>vsao</strong>.ch, journal@asmac.ch<br />
www.<strong>vsao</strong>.ch, www.asmac.ch<br />
Im Auftrag des <strong>vsao</strong><br />
Redaktion<br />
Catherine Aeschbacher (Chefredaktorin),<br />
Giacomo Branger, Kerstin Jost, Fabian Kraxner,<br />
Léo Pavlopoulos, Lukas Staub, Anna Wang,<br />
Sophie Yammine<br />
Geschäfts ausschuss <strong>vsao</strong><br />
Angelo Barrile (Präsident), Nora Bienz<br />
(Co-Vize präsidentin), Patrizia Kündig<br />
(Co-Vize präsidentin), Christoph Bosshard<br />
(Gast), Marius Grädel, Dina-Maria Jakob<br />
(Gast), Helen Manser, Richard Mansky,<br />
Gert Printzen, Svenja Ravioli, Patrizia Rölli,<br />
Martin Sailer, Miodrag Savic (Gast),<br />
Jana Siroka, Michael Burkhardt (swimsa)<br />
Druck, Herstellung und Versand<br />
Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, CH-3001 Bern<br />
Telefon +41 31 300 66 66<br />
info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />
BL/BS<br />
VSAO Sektion beider Basel, Geschäftsleiterin und Sekretariat:<br />
lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin, Hauptstrasse 104,<br />
4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95, Fax 061 421 25 60,<br />
sekretariat@<strong>vsao</strong>-basel.ch, www.<strong>vsao</strong>-basel.ch<br />
BE VSAO Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />
info@<strong>vsao</strong>-bern.ch, www.<strong>vsao</strong>-bern.ch<br />
FR<br />
ASMAC Sektion Freiburg, Gabriela Kaufmann-Hostettler,<br />
Wattenwylweg 21, 3006 Bern, Tel. 031 332 41 10, Fax 031 332 41 12,<br />
info@gkaufmann.ch<br />
GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />
GR<br />
JU<br />
NE<br />
VSAO Sektion Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig, lic. iur. HSG,<br />
RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 081 256 55 55, info@<strong>vsao</strong>-gr.ch,<br />
www.<strong>vsao</strong>-gr.ch<br />
ASMAC Jura, 6, chemin des Fontaines, 2800 Delémont,<br />
marie.maulini@h-ju.ch<br />
ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist,<br />
Rue du Musée 6, Postfach 2247, 2001 Neuenburg,<br />
Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />
SG/AI/AR VSAO Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />
9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />
Surber@anwaelte44.ch<br />
Layout<br />
Tom Wegner<br />
Titelillustration<br />
Till Lauer<br />
Inserate<br />
Zürichsee Werbe AG, Fachmedien,<br />
Markus Haas, Laubisrütistrasse 44, 8712 Stäfa<br />
Telefon 044 928 56 53<br />
E-Mail <strong>vsao</strong>@fachmedien.ch<br />
SO<br />
TI<br />
TG<br />
VSAO Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />
segretariato@asmact.ch<br />
VSAO Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
Auflagen<br />
Druckauflage: 22 500 Expl.<br />
WEMF/SW-Beglaubigung <strong>2021</strong>: 21 778 Expl.<br />
Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />
Für <strong>vsao</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag<br />
inbegriffen.<br />
ISSN 1422-2086<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 6/<strong>2021</strong> erscheint im<br />
Dezember <strong>2021</strong>. Thema: Wunsch<br />
© <strong>2021</strong> by <strong>vsao</strong>, 3001 Bern<br />
Printed in Switzerland<br />
VD<br />
VS<br />
ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />
asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />
ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />
Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />
Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />
VSAO Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ZH/SH<br />
VSAO ZH/SH, RA lic. iur. Susanne Hasse,<br />
Geschäftsführerin, Nordstrasse 15, 8006 Zürich, Tel. 044 941 46 78,<br />
susanne.hasse@<strong>vsao</strong>-zh.ch, www.<strong>vsao</strong>-zh.ch<br />
Publikation<strong>2021</strong><br />
FOKUSSIERT<br />
KOMPETENT<br />
TRANSPARENT<br />
Gütesiegel Q-Publikation<br />
des Verbandes Schweizer Medien<br />
50<br />
5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Anzeigen<br />
Gewinnen Sie eine<br />
Ballonfahrt im Wert<br />
von CHF 2’500!<br />
Jetzt am Wettbewerb<br />
teilnehmen und gewinnen!<br />
concordia.ch/mediservice<strong>vsao</strong><br />
04_Concordia_Mediservice_Werbemittel_Inserat_RZ.indd 1 17.08.21 11:16<br />
Update Refresher<br />
ALLGEMEINE<br />
INNERE MEDIZIN<br />
17. – 20.11.<strong>2021</strong>, Zürich<br />
32 h<br />
ALLERGOLOGIE<br />
15. – 16.11.<strong>2021</strong>, Zürich<br />
14 h<br />
DIABETES<br />
04. – 06.11.<strong>2021</strong>, Zürich<br />
21 Credits SGAIM / 18 Credits SVDE /<br />
22.5 Credits SGED<br />
EKG<br />
08. – 11.11.<strong>2021</strong>, Zürich<br />
28 h / 28 Credits SGAIM<br />
GYNÄKOLOGIE<br />
INNERE<br />
MEDIZIN<br />
30.11. – 04.12.<strong>2021</strong>, Zürich<br />
40 h<br />
KARDIOLOGIE<br />
05. – 06.11.<strong>2021</strong>, Zürich<br />
14 h<br />
PÄDIATRIE<br />
25. – 27.10.<strong>2021</strong>, Zürich<br />
24 Credits SGP / 21 Credits SGAIM<br />
PSYCHOLOGIE<br />
01. – 04.12.<strong>2021</strong>, Zürich<br />
28 h<br />
Teilnahme<br />
vor Ort oder ...<br />
... in Echtzeit via<br />
LIVESTREAM<br />
02. – 04.12.<strong>2021</strong>, Zürich<br />
24 Credits SGGG / 5 Credits SGUM<br />
Veranstaltungsorte<br />
Technopark Zürich | Kameha Grand Zürich | Crowne Plaza Zürich<br />
Information / Anmeldung<br />
Tel.: 041 567 29 80 | info@fomf.ch | www.fomf.ch
WARUM VERTRAUT<br />
MEDISERVICE<br />
VSAO AUF DIE<br />
NUMMER 1?<br />
SWICA ist der verlässliche Partner, wenn es um erstklassige Versicherungslösungen<br />
geht. Dank der Partnerschaft zwischen mediservice<br />
<strong>vsao</strong>-asmac und SWICA sowie dem BENEVITA Bonusprogramm erhalten<br />
Sie bis zu 30 %* Prämienrabatt auf ausgewählte Zusatzversicherungen.<br />
*Erfahren Sie mehr zu den Vorteilen und den detaillierten Bedingungen:<br />
www.swica.ch/de/mediservice<br />
In Partnerschaft mit