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vsao Journal Nr. 5 - Oktober 2021

Ende - Vom Happyend bis zum Untergang Gynäkologie - Wechseljahre und Hormonersatztherapie Urologie - Urolithiasis – gefährliche Steine Politik - Strategie: Bilanz und Ausblick

Ende - Vom Happyend bis zum Untergang
Gynäkologie - Wechseljahre und Hormonersatztherapie
Urologie - Urolithiasis – gefährliche Steine
Politik - Strategie: Bilanz und Ausblick

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<strong>vsao</strong><br />

<strong>Nr</strong>. 5, <strong>Oktober</strong> <strong>2021</strong><br />

<strong>Journal</strong><br />

Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

Ende<br />

Vom Happyend bis zum Untergang<br />

Seite 24<br />

Gynäkologie<br />

Wechseljahre und Hormonersatztherapie<br />

Seite 36<br />

Urologie<br />

Urolithiasis – gefährliche Steine<br />

Seite 39<br />

Politik<br />

Strategie: Bilanz und Ausblick<br />

Seite 6


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5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong><br />

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Inhalt<br />

Ende<br />

Vom Happyend bis zum Untergang<br />

Coverbild: Till Lauer<br />

Editorial<br />

5 Enden ohne Ende<br />

Politik<br />

6 Nach der Strategie ist vor der Strategie<br />

Weiterbildung /<br />

Arbeitsbedingungen<br />

8 Noch ein Coronasorgenkind<br />

Auf den Punkt gebracht<br />

2 Forschen lernen<br />

3 Der UHU-Blick<br />

<strong>vsao</strong><br />

20 Neues aus den Sektionen<br />

23 <strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />

Perspektiven<br />

36 Aktuelles aus der Gynäkologie:<br />

individualisierte Hormonersatztherapie<br />

– Chance oder Risiko? Wechseljahre<br />

– und jetzt?<br />

39 Aus der «Therapeutischen Umschau»<br />

– Übersichtsarbeit: Urolithiasis<br />

45 Künstler der Medizin<br />

mediservice<br />

47 Briefkasten<br />

49 Gut geschützt online shoppen und im<br />

Internet surfen<br />

50 Impressum<br />

Fokus: Ende<br />

24 Ende gut – alles gut?<br />

26 Als der Schlagbaum fiel<br />

28 Jeden Tag das Ende vor Augen<br />

30 Ende – menschliches Leben und<br />

historische Epoche<br />

32 Abschied<br />

33 Herausforderung Therapieende<br />

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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 3


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Editorial<br />

Enden<br />

ohne Ende<br />

Fabian Kraxner<br />

Redaktionsmitglied<br />

<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />

Mehr als Scherz entstand in mir der Wunsch, alles Endende<br />

aufzuzählen. Nach kurzer Zeit beendete ich das<br />

anstrengende Gedankenexperiment und merkte demütig:<br />

Alles ist vergänglich und hat ein Ende, manchmal<br />

sogar mehrere. In der vorliegenden Nummer befassen wir uns mit<br />

Enden aller Art. Gewisse Enden finden sich überall und alltäglich,<br />

andere seltener. Wie der fiktive Gynäkologe Linus Edell sein Beziehungsende<br />

verarbeitet, erfahren Sie in der subtilen Erzählung «Abschied»<br />

des preisgekrönten, deutsch-schweizerischen Schriftstellers<br />

Tim Krohn.<br />

Nicht weniger emotional ist der Weggang eines geliebten Menschen.<br />

So beleuchtet das spannende Interview mit dem Bestatter Urs Gyger,<br />

wie grenzenlos die verschiedenen Formen des Abschieds sein können.<br />

Zur Bestattung gehört unweigerlich das vorgängige Sterben. Das<br />

Lebensende ist ein zentrales Thema unseres Berufes. Die meisten<br />

Ärztinnen und Ärzte haben wiederholt Menschen sterben sehen.<br />

Patrizia Kündig erläutert uns ihre differenzierte Sichtweise zum «medizinischen»<br />

Ohnmachtsgefühl am Lebensende von Patienten.<br />

Während der Todeszeitpunkt das definierte Enden der Lebensfunktionen<br />

darstellt, ist die zeitliche Bestimmung des Endens in der Geschichte<br />

weitaus komplizierter. Den Anfang und das Ende einer Epoche<br />

zu definieren, stellt die Wissenschaft vor Herausforderungen und<br />

Fragen. Wer oder was definiert eigentlich ihr Ende? Wie einschneidend<br />

muss ein Ereignis sein, um das Ende einer Epoche zu bilden? Antworten<br />

darauf finden Sie im Beitrag vom renommierten Historiker Prof.<br />

Dr. Karl Vocelka.<br />

Können Sie sich an Ihre letzte Märchengeschichte erinnern? Sicherlich<br />

entsinnen Sie sich des einen oder anderen Volksmärchens. Häufig<br />

enden diese mit der Aussicht auf ein immerwährendes Glück.<br />

Dr. Olivia Liegl, zertifizierte Märchenerzählerin, räumt auf erfrischende<br />

Art und Weise mit dem Stereotypus «Ende gut, alles gut» auf.<br />

Dass Ende und Anfang zusammenfallen, sich teilweise auch überschneiden<br />

können, zeigt der Politikartikel. Zum einen wird die Umsetzung<br />

der Strategieziele 2017–2020 des <strong>vsao</strong> bilanziert. Zum andern<br />

wird klar, dass auf dem Erreichten aufgebaut werden muss oder gewisse<br />

Ziele noch ihrer Umsetzung harren.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 5


Politik<br />

Nach der<br />

Strategie ist vor<br />

der Strategie<br />

Den Jahreszahlen nach gehört sie ad acta gelegt:<br />

die <strong>vsao</strong>-Strategie 2017 bis 2020. Doch Deckel drauf wäre falsch,<br />

wie die Erfahrungen bei der Umsetzung zeigen.<br />

Trotz Erfolgen. Eine (Zwischen-)Bilanz – mit Ausblick auf<br />

die Fortsetzung.<br />

Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

6<br />

Haupt- und 22 Subziele, verbunden<br />

durch 1 Mission – auf diesen<br />

Kurznenner lässt sich das Strategiedokument<br />

des <strong>vsao</strong> für die letzten<br />

vier Jahre bringen. «Unser Auftrag –<br />

eben die Mission – ist es, die beruflichen,<br />

standespolitischen und wirtschaftlichen<br />

Interessen der angestellten Ärztinnen und<br />

Ärzte in der Schweiz zu vertreten», erklärt<br />

Geschäftsführer Simon Stettler. «Speziell jene<br />

der Assistenz- und Oberärzteschaft.» Das<br />

sei seit jeher so und werde wohl so bleiben.<br />

Bevor es aber schon um die Zukunft<br />

geht und damit um die neue Strategie: Wie<br />

sieht das Fazit der alten aus? Wiederum in<br />

Kürze: erfreulich. Das gilt speziell für das<br />

erste Hauptziel des Verbands, die nationale<br />

Gesundheitspolitik mitzugestalten. So<br />

wurden etwa 2020 fast monatlich Stellungnahmen<br />

zu Vernehmlassungen und Positionsbezüge<br />

publiziert, die vielfach Widerhall<br />

fanden. Ein Beispiel ist die Opposition<br />

gegen Globalbudgets für das Gesundheitswesen<br />

und einen finanziellen Kahlschlag<br />

bei den Spitälern, ein anderes die Unterstützung<br />

für einen Vaterschaftsurlaub.<br />

Image- und Netzwerkpflege<br />

«Bei aller Kritik und bei allem Gegenwind<br />

für die Ärzteschaft geniesst deren junge<br />

Generation im Parlament nach wie vor einen<br />

Sympathiebonus», stellt Stettler fest.<br />

Dies habe sich im September 2018 auch<br />

am ersten grossen Netzwerkanlass im<br />

Bundeshaus gezeigt. Damals machte der<br />

<strong>vsao</strong> mit seiner Kampagne «Medizin statt<br />

Bürokratie!» auf das Problem der überbordenden<br />

Administration aufmerksam. Die<br />

aufgrund des positiven Echos für Frühling<br />

2020 geplante Wiederholung harrt allerdings<br />

noch ihrer Durchführung – wie so<br />

einiges wegen Corona.<br />

Pandemie hin oder her: Keinen Aufschub<br />

duldet der zweite Strategieschwerpunkt<br />

zeitgemässe Arbeitsbedingungen,<br />

vor allem der Kampf gegen die anhaltende<br />

Misere bei den Arbeitszeiten. Natürlich<br />

(und leider) sind die Probleme nach wie<br />

vor nicht aus der Welt geschafft. Dennoch<br />

ist nicht alles beim Alten geblieben. Während<br />

sich die Sektionen für bessere Verträge<br />

und gegen lokale Missstände engagieren,<br />

hat der Dachverband eine Arbeitsgruppe<br />

ins Leben gerufen. Sie will das Arbeitsgesetz<br />

mit neuen, zusätzlichen<br />

Massnahmen durchsetzen, die ärztliche<br />

Weiterbildung fördern – ein weiteres<br />

Hauptziel – und die Wochenarbeitszeiten<br />

spürbar senken. Ende November wird der<br />

Zentralvorstand Entscheide fällen.<br />

«Vieles beim <strong>vsao</strong> ist eine Daueraufgabe,<br />

was man an der letzten Strategie gut<br />

sieht», fasst der Geschäftsführer zusammen.<br />

Und was genauso für das abgeschlossene<br />

Projekt Förderung Teilzeit gilt<br />

(siehe Kasten), dessen Ergebnisse nun ins<br />

Tagesgeschäft einfliessen. Oder für das<br />

vierte Hauptziel, die Erbringung von<br />

Dienstleistungen mit erkennbarem Mehrwert<br />

für die Mitglieder: Nach einer umfassenden<br />

Erhebung zur diesbezüglichen<br />

Wahrnehmung der Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte soll 2022 eine schweizweite<br />

Mitgliederkampagne für frischen Schub<br />

sorgen.<br />

Was sind die beiden verbleibenden<br />

Schwerpunkte, die sich der Verband 2017<br />

ins Pflichtenheft geschrieben hat? «Die<br />

Einflussnahme auf digitale Entwicklungen<br />

und die Stärkung der ärztlichen Kernaufgaben<br />

mit Fokus auf die Patientinnen<br />

und Patienten», antwortet Simon Stettler.<br />

Damit verknüpft sei – ebenfalls typisch<br />

für die Verbandsarbeit – unter anderem<br />

der Einsitz in Gremien Dritter: «Weil es oft<br />

darum geht, in einem breiten Kreis von<br />

Betroffenen neue gemeinsame Vorstellungen<br />

und Ideen zu entwickeln.» Beispielsweise<br />

unter dem Dach der FMH zu<br />

E-Health – Stichwort elektronisches Pa-<br />

Bilder: peterschreiber.media/Adobe Stock und tadamichi/Adobe Stock<br />

6<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Politik<br />

Schon bestellt und<br />

gelesen …?<br />

Strategien müssen eine klare Richtung vorgeben. Ob sie sich in der Praxis bewähren, hängt dann<br />

aber vom Puzzle aus den konkreten Massnahmen ab. Auch beim <strong>vsao</strong>.<br />

tientendossier – oder beim Bundesamt für<br />

Gesundheit (BAG) zum Arztberuf der Zukunft.<br />

Wie weiter?<br />

Von heute also zurück zu morgen. Diverse<br />

Strategiemassnahmen für die Periode bis<br />

2020 würden derzeit noch ein Dasein als<br />

Papiertiger fristen, räumt Stettler ein.<br />

«Das heisst jedoch nicht, dass wir nicht<br />

mehr dahinterstehen – im Gegenteil!» Sowohl<br />

durch äussere, nicht beeinflussbare<br />

Umstände als auch aufgrund der Ressourcen<br />

sei es nicht möglich gewesen, alles<br />

gleichzeitig anzupacken. «Wir müssen<br />

jetzt prüfen, wo die Nachfolgestrategie<br />

den Faden der Vorgängerin aufnimmt und<br />

wo sie neue Akzente setzt.» Zunächst stehe<br />

allerdings im Vordergrund, den Prozess<br />

der Strategieerarbeitung aufzugleisen.<br />

«Wie wir uns das vorstellen, klären wir<br />

noch diesen Herbst mit unseren zuständigen<br />

Gremien.»<br />

Ja zur Pflege, ja zur<br />

Impfung<br />

Ende November kommt die Volksinitiative<br />

«Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)»<br />

zur Abstimmung. Sie fordert die<br />

Ausbildung und den Einsatz von genügend<br />

Pflegepersonal sowie bessere<br />

Arbeitsbedingungen. Der <strong>vsao</strong> unterstützt<br />

das vom Schweizer Berufsverband<br />

der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner<br />

(SBK) lancierte Begehren und<br />

empfiehlt an der Urne ein Ja. Zudem<br />

unterstreicht er angesichts der gestiegenen<br />

Fallzahlen erneut die Wichtigkeit<br />

der Impfung gegen COVID-19. Wer sich<br />

impfen lassen will, muss dies unkompliziert<br />

tun können und über alle nötigen<br />

Informationen verfügen. Der Entscheid<br />

dafür darf aber nicht unter Zwang<br />

erfolgen. Mehr zum Thema unter <strong>vsao</strong>.<br />

ch/Arbeitsbedingungen/Coronavirus.<br />

Im Sommer ist das <strong>vsao</strong>-Projekt Förderung<br />

Teilzeit abgeschlossen worden<br />

(vgl. «<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>» 3/<strong>2021</strong>). Weit über<br />

300 Spitäler und Kliniken in der ganzen<br />

Schweiz haben inzwischen Post<br />

vom Verband erhalten – denn die<br />

erarbeiteten Grundlagen für (noch)<br />

mehr Teilzeitstellen sollen nicht toter<br />

Buchstabe bleiben. Hierfür sorgen<br />

auch die <strong>vsao</strong>-Sektionen mit ihrem<br />

Engagement vor Ort.<br />

Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem<br />

Projekt sind in der Broschüre «Zeit für<br />

Beruf und Familie» zusammengefasst.<br />

Darin wird erklärt, worauf es ankommt<br />

– von der Kultur über die Struktur<br />

bis zur Organisation der Betriebe.<br />

Beispiele und Zitate von Ärztinnen und<br />

Ärzten verbinden die Theorie mit<br />

der Praxis. Aufgrund der grossen<br />

Nachfrage nach der in drei Sprachen<br />

gedruckten Publikation sei nochmals<br />

auf die Bestellmöglichkeit via<br />

sekretariat@<strong>vsao</strong>.ch hingewiesen.<br />

Auf der Website ist sie unter<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch/ medien-undpublikationen/<br />

broschueren-und-flyer/<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 7


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Noch ein<br />

Coronasorgenkind<br />

Zwei Umfragen, ein Resultat: Die ärztliche Weiterbildung<br />

hat stark unter Corona gelitten. Ist es inzwischen besser geworden?<br />

Und welche Lehren ziehen <strong>vsao</strong> und SIWF aus der Pandemie?<br />

Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

Dass die Pandemie die Weiterbildung zur Fachärztin/zum Facharzt in den Spitälern beeinträchtigt hat, ist nachvollziehbar.<br />

Aber kein Hinderungsgrund, Alternativen zu prüfen und die Qualität des Angebots zu verbessern.<br />

Bild: <strong>vsao</strong><br />

8<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

«Schon im Frühling 2020 wurde<br />

klar, dass sich COVID-19 auf das<br />

Weiterbildungsangebot auswirkt»,<br />

sagt Patrizia Kündig, Co-Vizepräsidentin<br />

des <strong>vsao</strong> und verantwortlich für<br />

das Ressort Weiterbildung. «Wir wollten<br />

deshalb genauer wissen, wie sich dies<br />

äus sert und wo der Schuh drückt.»<br />

Ein ideales Thema für den Feedbackpool,<br />

mit dem der Verband seinen Mitgliedern<br />

den Puls zu Weiterbildungsthemen<br />

fühlt. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden<br />

fielen ernüchternd aus. Denn sowohl<br />

während als auch nach der ersten<br />

Welle der Pandemie mussten rund drei<br />

Viertel respektive zwei Drittel der Antwortenden<br />

ganz oder teilweise auf Lehrangebote<br />

verzichten. «Die Hauptgründe dürften<br />

bei den Schutzmassnahmen gegen die<br />

weitere Verbreitung des Virus liegen», erklärt<br />

Kündig. «Zwar sind mancherorts neue<br />

Formen der Weiterbildung entstanden, vor<br />

allem online. Doch das hat bei unseren jungen<br />

Ärztinnen und Ärzten nichts am insgesamt<br />

negativen Eindruck geändert.»<br />

Angst vor Wissenslücken<br />

Denn ihre Kommentare zeigen, dass sie<br />

sich um Wissenslücken sorgten und zumindest<br />

bezweifelten, Verpasstes noch<br />

aufholen zu können. Zudem zeichnete die<br />

Befragung ein durchzogenes Bild der gerade<br />

in Krisen zentralen Kommunikation<br />

der Spitäler und des Schweizerischen Instituts<br />

für ärztliche Weiter- und Fortbildung<br />

(SIWF).<br />

«Alarmierende Umfrageergebnisse»<br />

vermeldete auch die <strong>vsao</strong>-Sektion Bern.<br />

«Bei zwei von drei teilnehmenden Mitgliedern<br />

wurde die strukturierte Weiterbildung<br />

komplett abgesagt», fasst Geschäftsführerin<br />

Janine Junker die Ergebnisse zusammen.<br />

Und fügt an: «Bei vier von zehn<br />

Personen gab es keinen virtuellen Ersatz.»<br />

Was besonders schwer wiege, weil gerade<br />

mal acht Prozent Gewähr hatten, nicht bezogene,<br />

aber vertraglich zugesicherte Weiterbildungstage<br />

ins neue Jahr übernehmen<br />

zu können. Die Sektion schrieb in der<br />

Folge alle Weiterbildungsstätten im Kanton<br />

an und forderte sie auf, aktiv zu werden,<br />

denn dafür gebe es vielfältige Möglichkeiten.<br />

«Als Beispiele haben wir Veranstaltungen<br />

per Video und Aufzeichnungen<br />

genannt», so Junker. «Wobei die<br />

Angebote während der Arbeitszeit zur<br />

Verfügung stehen müssen.»<br />

Interveniert und diskutiert<br />

Der <strong>vsao</strong>-Dachverband hat die Hände<br />

ebenfalls nicht in den Schoss gelegt. Gemäss<br />

Geschäftsführer Simon Stettler kam<br />

es immer wieder zu Interventionen bei Behörden<br />

und Gremien sowie Diskussionen<br />

im Kreis der Sozialpartner, zu denen auf<br />

Arbeitgeberseite der Spitalverband H+<br />

zählt. Mit diesem und dem Schweizer Berufsverband<br />

der Pflegefachfrauen und<br />

Pflegefachmänner (SBK) entstand ein<br />

Merk- und Faktenblatt zur Coronapandemie,<br />

das an sämtliche Spitäler ging und<br />

festhielt: «Die explizite ärztliche Weiterbildungszeit<br />

von vier Stunden pro Woche darf<br />

im Rahmen der Arbeitszeit nicht für andere<br />

Tätigkeiten verplant werden – auch<br />

nicht zum Nachholen von (…) verschobenen<br />

nicht dringlichen Operationen!»<br />

«Als besonders wertvoll erwies sich<br />

darüber hinaus unser enger Kontakt zum<br />

SIWF, in dessen Vorstand wir zwei Sitze<br />

haben», zieht Stettler Bilanz. «So war es<br />

uns möglich, Anliegen immer rasch und<br />

direkt einzubringen – und sie stiessen auf<br />

offene Ohren.» Das SIWF reagierte seinerseits<br />

mit Notstandsregelungen für diverse<br />

Bereiche. Speziell wichtig seien jene beim<br />

Ausfall von Kursen und Kongressen gewesen,<br />

erklärt Geschäftsführer Christoph<br />

Hänggeli. «In letzter Zeit richtete sich der<br />

Fokus dann vor allem auf Massnahmen für<br />

die Facharzt- und Schwerpunktprüfungen,<br />

weil dabei oft auf die mündliche Prüfung<br />

verzichtet wird.» Die grosszügigen<br />

Sonderregeln hätten sich sehr gut bewährt,<br />

wie das Echo der Betroffenen zeige.<br />

«Wir konnten sicherstellen, dass die meisten<br />

Anwärterinnen und Anwärter für die<br />

Facharzttitel nicht ein zusätzliches Weiterbildungsjahr<br />

absolvieren müssen, um<br />

sämtliche Anforderungen zu erfüllen.»<br />

Es kommt noch mehr<br />

Nach Hänggelis Einschätzung bemühen<br />

sich alle Beteiligten, bei der Weiterbildung<br />

zur Normalität zurückzukehren. Trotzdem<br />

sind die Notstandsregelungen noch<br />

etwa bei jedem dritten Fall ein Thema. Mit<br />

dem Grossprojekt «Kompetenzbasierte<br />

Weiterbildung», zu welchem etwa Entrustable<br />

Professional Activities (EPAs) und<br />

Teach-the-Teacher-Schwerpunkte gehören,<br />

sowie den e-Projekten (e-Logbuch<br />

und Informatisierung der Weiterbildungsstätten)<br />

arbeite das SIWF unablässig daran,<br />

die Qualität der ärztlichen Weiterbildung<br />

bzw. deren Administration zu steigern<br />

– unabhängig von Corona. «Die Pandemie<br />

hat allerdings dazu geführt, dass<br />

sich sämtliche Projekte verzögern. Wir<br />

hoffen, bis 2022 wieder auf Kurs zu sein.»<br />

Der <strong>vsao</strong> berichtet mit Blick auf die<br />

Pandemie zumindest von einer Verbesserung<br />

der Weiterbildungssituation, doch<br />

lassen sich zwischen den Kantonen oder<br />

einzelnen Spitälern und Kliniken nach wie<br />

vor Unterschiede feststellen. «Manchmal<br />

grosse und nicht nur nachvollziehbare»,<br />

betont Patrizia Kündig. Von einer allgemein<br />

befriedigenden Lage könne jedenfalls<br />

nicht die Rede sein, wenn man CO-<br />

VID-19 ausblende. «Daher werden wir dem<br />

Zentralvorstand Ende November Vorschläge<br />

unterbreiten, um die ärztliche<br />

Weiterbildung besser durchzusetzen und<br />

stärker zu fördern. Es reicht nicht, sie in<br />

Papieren festzuschreiben, wenn sie entweder<br />

ungenügend durchgeführt wird<br />

oder unseren Leuten in der Hektik des Berufsalltags<br />

die Zeit fehlt, die Angebote zu<br />

nutzen.»<br />

Mehr zu den erwähnten Erhebungen<br />

unter <strong>vsao</strong>.ch/medien-und-publikationen/<br />

studien-und-umfragen/#feedbackpool sowie<br />

<strong>vsao</strong>-bern.ch/News.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 9


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wichtigsten Beitrag leisten jedoch<br />

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Wie gut ist die Weiterbildung in<br />

den Kliniken? Dieser Frage gehen<br />

die Visitationen auf den Grund. Zu<br />

den Expertenteams gehört immer<br />

jemand vom <strong>vsao</strong>. Die Besuche vor<br />

Ort dienen dazu, Verbesserungsmöglichkeiten<br />

zu erkennen. Denn<br />

Sie als unser Mitglied sollen von<br />

einer hohen Weiterbildungsqualität<br />

profitieren.<br />

Falls Sie selber Visitationen<br />

begleiten möchten: eine E-Mail<br />

an ribeaud@<strong>vsao</strong>.ch, und Sie<br />

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Feedback-<br />

Pool<br />

Für Sie als Mitglied ist sie zentral:<br />

die Weiterbildung. Deshalb fühlen<br />

wir unserer Basis mit Umfragen<br />

regelmässig den Puls dazu. Dank<br />

dieses Feedback-Pools können wir<br />

unsere Verbandsarbeit gezielt auf<br />

Ihre Anliegen ausrichten.<br />

Wollen Sie mitmachen? Dann<br />

schreiben Sie an ribeaud@<strong>vsao</strong>.ch.<br />

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Arztberuf<br />

und Familie<br />

• Wie bringe ich Familie, Freizeit und<br />

Beruf unter einen Hut?<br />

• Wie steige ich nach der Babypause<br />

wieder ein?<br />

• Wie meistere ich die täglichen<br />

Herausforderungen?<br />

Antworten auf solche Fragen erhalten Sie<br />

als <strong>vsao</strong>-Mitglied bei unserem kostenlosen<br />

Coaching. Die Beratung erfolgt telefonisch<br />

durch die Fachstelle UND.<br />

044 462 71 23<br />

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Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Ohnmacht<br />

Bild: zvg<br />

Gibt es in der (modernen) Medizin Momente oder<br />

Situationen, in denen wir Ärztinnen und Ärzte<br />

machtlos sind, das heisst tatenlos zusehen müssen,<br />

wie etwas geschieht, ohne Einfluss nehmen zu können?<br />

Viele werden wohl spontan antworten: Natürlich! Wir alle<br />

haben Patienten sterben sehen, mussten ihnen und uns eingestehen,<br />

dass es keine Behandlungsmöglichkeiten mehr gibt.<br />

Doch diese Definition hat weder etwas mit dem <strong>vsao</strong> noch mit<br />

Ärztinnen und Ärzten zu tun – oder doch? Sowohl die<br />

letzte Mitgliederumfrage des Dachverbands als<br />

auch die kürzlich von der Sektion Waadt<br />

durchgeführte Umfrage zu Diskriminierungen<br />

im beruflichen Umfeld zeigen<br />

erschreckende Ergebnisse. Über die<br />

Hälfte der antwortenden Personen<br />

hat im Rahmen ihrer beruflichen<br />

Tätigkeit Diskriminierung (mit)<br />

erlebt. So berichtet ein Mitglied:<br />

«Mein Chef stellt keinen ‹-ic› ein<br />

oder niemanden, ‹der auf dem<br />

Kamel ins Spital kommt›.» Auch<br />

unsere Sektionsjuristinnen und<br />

-juristen sind in ihren Beratungen<br />

nicht selten mit dem Thema konfrontiert.<br />

Aber sind wir deswegen wirklich<br />

ohnmächtig? Können wir nichts mehr tun?<br />

Haben wir versagt?<br />

Die geneigte Leserin wird die Antwort schon<br />

ahnen: Ich bin anderer Meinung. Nur weil ich dem Patienten<br />

keine (kurative) Behandlung mehr anbieten kann, bin ich nicht<br />

machtlos, geschweige denn habe ich versagt. Meine Aufgabe als<br />

Ärztin ist es, jedem einzelnen Patienten für die jeweilige<br />

Situation die bestmögliche Behandlung und Betreuung zukommen<br />

zu lassen. Das geschieht in vielen Fällen mit kurativer<br />

Intention oder zumindest mit einer Behandlung, die als solche<br />

wahrgenommen wird, weil es aktives Beeinflussen des Krankheitsverlaufs<br />

ist. Oft genug bleibt uns aber nichts anderes übrig,<br />

als den Lauf der Natur zu akzeptieren, z.B. weil ein Kreislaufstillstand<br />

schon zu lange andauert, als dass man ihn noch<br />

beheben könnte.<br />

Sich selbst dabei nicht als machtlos und ausgeliefert zu<br />

sehen, ist für mich die Kunst des Arztseins. Denn auch in<br />

solchen Momenten bin ich dem Wohlbefinden und der Würde<br />

des Patienten verpflichtet. Nur äussert sich dies dann eher<br />

darin, den Patienten würdevoll sterben zu lassen und ihn nicht<br />

mit weiteren Reanimationsversuchen zu plagen. Im richtigen<br />

Auf den<br />

Punkt<br />

gebracht<br />

Moment aufhören zu können, ist auch Teil meiner Aufgabe.<br />

Oftmals wird die Option, nicht zu operieren, als «nichts tun»<br />

wahrgenommen, was negativ behaftet ist und dem Patienten<br />

das Gefühl vermittelt, allein gelassen zu werden. Doch dieses<br />

Vorgehen kann die würdevollere Lösung sein, beispielsweise bei<br />

einem Darmverschluss mit geringer Aussicht auf Heilung.<br />

Heisst aber dann eben nicht «nichts tun», sondern den Patienten<br />

zu begleiten und seine Symptome zu lindern – was oft sehr<br />

gut möglich ist.<br />

Viel zu oft werden diese weniger aktiven<br />

Behandlungen als weniger wert betrachtet<br />

– und oftmals gar nicht angesprochen,<br />

sondern höchstens widerwillig akzeptiert,<br />

wenn es keinen anderen Ausweg<br />

mehr gibt.<br />

Meiner Meinung nach ist<br />

Medizin etwas sehr Ganzheitliches,<br />

und da gehört menschliche,<br />

einfühlsame Begleitung sowie<br />

einen Menschen gehen lassen zu<br />

können genauso dazu wie alles<br />

geben und die medizinischen<br />

Massnahmen ausschöpfen. Die hohe<br />

Kunst ist, diese Unterscheidung<br />

machen zu können: die Weisheit und<br />

Empathie zu haben, um die richtige<br />

Entscheidung zu treffen, und gleichzeitig die<br />

Grösse, den Lauf der Natur zu akzeptieren und<br />

trotzdem seinen Platz als Ärztin darin zu finden. Und<br />

wer jetzt meint, diese Art der Betreuung sei wohl Aufgabe der<br />

Pflege, liegt falsch. Die Entscheidung, wann welcher Weg richtig<br />

und sinnvoll ist und wie die Begleitung konkret gestaltet werden<br />

sollte, ist meines Erachtens ganz klar eine ärztliche. Die Ausführung<br />

kann danach durchaus an die Pflege delegiert werden, aber<br />

wir Ärztinnen und Ärzte können uns nicht ganz aus der Verantwortung<br />

nehmen und sollten das auch schätzen. Wir haben hier<br />

eine Rolle, der wir uns viel zu wenig bewusst sind und die sehr<br />

viel Potenzial beinhaltet, Leid zu lindern. Wenn auch vielleicht<br />

auf andere Weise als nach klassischem medizinischem Selbstverständnis.<br />

Patrizia Kündig<br />

Co-Vizepräsidentin <strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 11


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Forschen lernen<br />

Auf der Suche<br />

Jedes fundierte Forschungsprojekt<br />

beginnt mit einer ausführlichen<br />

Literaturrecherche, deren<br />

Ziel eigentlich ganz einfach ist:<br />

alle relevanten Artikel zum Thema erfassen,<br />

während die unwichtigen ausgelassen<br />

werden. Und doch ist die Recherche<br />

besonders am Anfang Ihrer Forschungskarriere<br />

oft eine überwältigende Aufgabe.<br />

Die folgende strukturierte Herangehensweise<br />

wird Sie schneller ans Ziel bringen.<br />

In den letzten Beiträgen haben wir<br />

gesehen, wie Ihre Studienfrage mithilfe<br />

der PICO-Formulierung in ihre Einzelteile<br />

zerlegt werden kann. Dieselbe<br />

Formulierung dient uns bei der systematischen<br />

Suche nach der bereits existierenden<br />

Literatur zum Thema.<br />

Die PICO-Komponenten können in<br />

PubMed direkt eingegeben werden. Die<br />

generelle Struktur der Frage sieht wie<br />

folgt aus:<br />

• (Population OR Synonym1 OR<br />

Synonym2 …) and<br />

• (Intervention OR Synonym1 OR<br />

Synonym2 …) and<br />

• (Comparator OR Synonym1 OR<br />

Synonym2 …) and<br />

• (Outcome OR Synonym1 OR<br />

Synonym2 …)<br />

Dabei sind nicht immer alle vier<br />

Komponenten notwendig; besonders<br />

Comparator und Outcome können je<br />

nach Fragestellung zu restriktiv sein.<br />

Klicken Sie auf der Startseite (https://<br />

pubmed.gov) unter der Suchzeile auf<br />

Advanced, um zur erweiterten Suchmaske<br />

zu gelangen. Dort tippen Sie die<br />

Suchbegriffe für die Population ein und<br />

klicken auf ADD. Wiederholen Sie den<br />

Vorgang für die anderen PICO-Komponenten.<br />

In der Query-Box unterhalb der<br />

Eingabezeile sehen Sie die automatisch<br />

mit AND verknüpften Komponenten.<br />

Ein nützliches Zusatzzeichen ist der<br />

Asterisk (*), der als Stellvertretersymbol<br />

für weitere Zeichen steht. So ist child*<br />

gleichbedeutend mit (child or child’s OR<br />

children or childhood).<br />

Nach Eingabe aller Begriffe klicken<br />

Sie auf Search, um die Resultate anzuzeigen.<br />

Aus der oft sehr grossen Anzahl<br />

resultierender Artikel müssen nun die<br />

relevanten ausgewählt werden, wie wir<br />

im nächsten Beitrag sehen werden.<br />

Lukas Staub,<br />

klinischer Epidemiologe,<br />

Redaktionsmitglied<br />

des<br />

<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>s<br />

Bild: zvg<br />

12<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Der UHU-Blick<br />

Die Lotusgeburt –<br />

oder der Moment, in<br />

dem ich an der Symbolik<br />

und Botanik der<br />

Lotusblume zweifelte<br />

Bild: zvg<br />

Es war Montagmorgen, mein<br />

erster Tag als «Uhuline» auf der<br />

Gynäkologie und Geburtshilfe.<br />

Nachdem die übliche Vorstellungsprozedur<br />

im neuen Team geschafft<br />

war sowie die übliche Verwirrung über<br />

«das neue Gesicht» und «wo denn die<br />

andere Unterassistentin sei» geklärt war,<br />

schickte man mich auch schon in den<br />

zweiten Stock, wo im OPS eine Sectio<br />

stattfinden würde. Zugegebenermassen<br />

war ich sehr schlecht auf dieses Fachgebiet<br />

vorbereitet, mein Wissen auf dem<br />

Gebiet der Gynäkologie beschränkte sich<br />

auf meine persönliche Erfahrung als<br />

Frau. Auf dem Gebiet der Geburtshilfe<br />

einzig auf das, was ich mir unter einer<br />

Geburt vorstellte.<br />

Ich trat in den OP-Saal, wo die<br />

Anästhesistin eben ihre Arbeit erledigt<br />

hatte. Zwischen Bauch und Kopf der<br />

aufgeregten Patientin war ein grüner<br />

Vorhang gespannt. Die Operateure<br />

bereiteten sich auf der Bauchseite des<br />

Vorhangs auf die bevorstehende Operation<br />

vor. Auf der Kopfseite des Vorhangs<br />

hielten die Anästhesisten mit der Hebamme<br />

ihre Stellung.<br />

Bevor ich mich überhaupt entscheiden<br />

konnte, auf welche Seite des Vorhangs<br />

ich mich nun stellen sollte, ging es<br />

auch schon los. Während das Kind ins<br />

Leben «gerissen» wurde, raunte mir die<br />

Hebamme noch zu, dass sie heute das<br />

erste Mal in ihrer Karriere ein Kind<br />

mitsamt der Plazenta entgegennehmen<br />

müsse.<br />

Komisch, dachte ich mir. Die Plazenta<br />

muss doch bei der Geburt sowieso<br />

raus? Oder doch nicht? An dieser Stelle<br />

schweigt man als «Uhuline» am ersten<br />

Arbeitstag besser. Während ich intensiv<br />

nach der Lösung dieses Rätsel suchte,<br />

platschte auch schon die Plazenta auf das<br />

gerade rausgeholte Kind.<br />

Anschliessend wurde der Mutter das<br />

Kind mitsamt Plazenta auf die Brust<br />

gelegt. Bis hierhin erschien mir die<br />

Prozedur noch unscheinbar und «normal»<br />

zu sein. Der Bauch wurde wieder<br />

zugenäht und die frischgebackene Mama<br />

im Spitalbett zurück auf die Wochenbettstation<br />

chauffiert, mit dem Kind und der<br />

Plazenta im Arm. Auch nachdem wir im<br />

Zimmer angelangt waren, blieb die<br />

Plazenta im Bett. Natürlich in der<br />

Zwischenzeit in einem Plastiksack<br />

verpackt, aber noch immer via Nabelschnur<br />

mit dem Baby verbunden. Ich<br />

nahm mir vor, abends zuhause schleunigst<br />

nachzulesen, wie eine Geburt<br />

(genau) verläuft. Denn dass die Plazenta<br />

ebenfalls ins Wochenbett kommt und mit<br />

Mutter und Baby noch einige Stunden<br />

nach der Geburt weiterkuschelt, war mir<br />

bis dato nicht bewusst.<br />

Später stellte sich heraus, dass es sich<br />

dabei um eine Lotusgeburt gehandelt<br />

hatte und es eine Variation der Geburtsnorm<br />

war. Ob nun die Begrifflichkeit<br />

Lotus mit der Form der Plazenta oder<br />

dem Geschmack des einige Zeit später<br />

zubereiteten Himbeer-Plazenta-Smoothie<br />

zusammenhängt, weiss ich jedoch bis<br />

heute nicht.<br />

Camille Bertossa,<br />

Medizinstudentin im<br />

6. Studienjahr<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 13


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Your career starts here.<br />

Samstag, 6. November <strong>2021</strong><br />

Stadion Wankdorf, Bern<br />

Samedi, le 6 novembre <strong>2021</strong><br />

Stade de Wankdorf, Berne


8.45 – 9.15<br />

10.10 – 10.40<br />

11.25 – 11.45<br />

9.15 – 9.20<br />

VORSTELLUNG<br />

FACHGESELLSCHAFTEN<br />

SGARM – Schweizerische<br />

Gesellschaft für<br />

Arbeitsmedizin<br />

Dr. med. Denise Steiner<br />

Fachärztin FMH<br />

Arbeitsmedizin<br />

PRÉSENTATION DE<br />

SOCIÉTÉS DE<br />

DISCI PLINE MÉDICALE<br />

SSMT – Société Suisse<br />

de Médecine du Travail<br />

Dr méd. Denise Steiner<br />

Spécialiste FMH<br />

en médecine du travail<br />

Arbeitsplatz Spital –<br />

(m)ein Traumjob<br />

Dr. med. Claudia Kohler<br />

Leitende Ärztin Innere Medizin,<br />

Kantonsspital Olten<br />

Notfallstation, Kantonsspital<br />

Olten<br />

Tagesmoderation<br />

Animation<br />

– Daniel Lüthi<br />

<strong>Journal</strong>ist/<br />

Kommunikationsspezialist<br />

DE<br />

– Sabrina Ribeaud<br />

Mitarbeiterin <strong>vsao</strong><br />

FR<br />

SGKC – Schweizerische<br />

Gesellschaft für<br />

Kinderchirurgie<br />

KD Dr. med. Noëmi Zweifel<br />

Universitäts-Kinderspital<br />

Zürich<br />

Dr. med. Robert Weil<br />

Kantonsspital Baden<br />

SSCP – Société<br />

Suisse de Chirurgie<br />

Pédiatrique<br />

Dr méd. Noëmi Zweifel<br />

Hôpital pédiatrique universitaire<br />

Zurich<br />

Dr méd. Robert Weil<br />

Hôpital cantonal de Baden<br />

11.45 – 12.05<br />

Es führen viele Wege<br />

in die Praxis<br />

Dr. med. Dina-Maria Jakob<br />

FMH Kinder- und Jugend-<br />

medizin, Schwerpunkt Kinder-<br />

kardiologie<br />

Der <strong>vsao</strong>: Ihre Anliegen<br />

– unser Engagement<br />

lic. phil. hist. Marcel Marti<br />

Stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong>/<br />

Leiter Politik und Kommunikation<br />

<strong>vsao</strong><br />

DE<br />

9.20 – 9.40<br />

L’asmac : vos revendications<br />

– notre engagement<br />

lic. phil. hist. Marcel Marti<br />

Directeur adjoint de l’asmac/<br />

responsable politique et<br />

communication de l’asmac<br />

FR<br />

SPHD – Schweizerische<br />

Gesellschaft der<br />

Fachärztinnen und -ärzte<br />

für Prävention und<br />

Public Health<br />

Dr. med. Samuel Iff<br />

MD MMed MSc<br />

Mitglied Vorstand Swiss<br />

Public Health Doctors<br />

Notfallmedizin SGNOR<br />

SGORL – Schweizerische<br />

Gesellschaft für<br />

Oto-Rhino-Laryngologie,<br />

Hals- und Gesichtschirurgie<br />

SPHD – Société Suisse<br />

des médecins<br />

spécialistes en prévention<br />

et santé publique<br />

Dr méd. Samuel Iff<br />

MD MMed MSc<br />

Membre du comité de Swiss<br />

Public Health Doctors<br />

SSORL – Société Suisse<br />

d’Oto-Rhino-Laryngologie<br />

et de Chirurgie cervicofaciale<br />

Fragerunde/Diskussion<br />

DE<br />

12.05 – 12.15<br />

DE<br />

FR<br />

9.40 – 10.00<br />

Auf dem Weg zum<br />

Facharzttitel: Topics,<br />

Tipps und e-Tools<br />

Christoph Hänggeli<br />

Geschäftsführer SIWF/FMH<br />

Rechtsanwalt, MPA unibe<br />

DE<br />

En route vers le titre de<br />

médecin spécialiste :<br />

sujets, conseils et<br />

outils électroniques<br />

Christoph Hänggeli<br />

Directeur de l’ISFM/FMH<br />

Avocat, MPA Université<br />

de Berne<br />

10.40 – 11.25<br />

FR<br />

10.00 – 10.10<br />

Fragerunde/Diskussion<br />

Questions/discussion<br />

DE<br />

FR


Sky Lounge 3<br />

11.25 – 11.45<br />

14.00 – 14.20<br />

« Pédopsy » ? C’est en rapport<br />

avec les pieds ?<br />

De la naissance compliquée à<br />

l’adolescence en crise : richesse<br />

et défis de la pédopsychiatrie<br />

hospitalière<br />

Section Vaud / Dr méd. Audraine Le<br />

Boudec, médecin-assistante en psychiatrie<br />

pour enfants et adolescents<br />

(pédopsychiatrie)<br />

On-field Sportmedizin,<br />

Rückblick auf Tokyo<br />

2020<br />

Dr. med. Daniel Wegmann<br />

DE<br />

La médecine du sport<br />

sur le terrain, un retour<br />

sur Tokyo 2020<br />

Dr méd. Daniel Wegmann<br />

FR<br />

11.45 – 12.05<br />

De l’université au cabinet,<br />

et vice versa<br />

Dr méd. Pierre-Yves Rodondi<br />

Professeur de médecine de famille,<br />

Directeur de l’institut de médecine<br />

de famille, Université de Fribourg,<br />

cabinet médical à Pully<br />

Als Expeditionsärztin<br />

im Tian Shian<br />

Dr. med. Nora Bienz<br />

Präsidentin <strong>vsao</strong> Bern<br />

DE<br />

14.20 – 14.40<br />

Médecin d’expédition<br />

au Tian Shian<br />

Dr méd. Nora Bienz<br />

Présidente de l’asmac<br />

Berne<br />

FR<br />

14.40 – 15.00<br />

12.05 – 12.15<br />

Questions/discussion<br />

Einblicke in die Transplantationschirurgie<br />

von heute<br />

Prof. Dr. med. Guido Beldi<br />

Un regard sur la<br />

chirurgie de transplantation<br />

actuelle<br />

Prof. Dr méd. Guido Beldi<br />

FR<br />

DE<br />

FR<br />

12.15 – 14.00<br />

15.00 – 15.10<br />

Fragerunde/Diskussion<br />

DE<br />

Questions/discussion<br />

FR<br />

15.10 – 15.20<br />

WETTBEWERB<br />

Verlosung<br />

CONCOURS<br />

Tirage<br />

Laufbahnplanung<br />

Gesundheitspolitik<br />

Arbeitsplatz Ausland<br />

Arbeitsplatz Praxis<br />

Arbeitsplatz Klinik<br />

Planning de carrière<br />

Politique de la santé<br />

Travailler à l’étranger<br />

Travailler en cabinet<br />

Travailler à l’hôpital<br />

15.20 – 16.00<br />

NETWORKING-APÉRO<br />

Die Ausstellung<br />

ist noch offen.<br />

NETWORKING-APÉRO<br />

L’exposition est<br />

encore ouverte.


«Der schöne Park ist ideal für<br />

Sprechstunden unter freiem Himmel.»<br />

Elena Frei, Assistenzärztin<br />

Psychiatriezentrum Münsingen<br />

Was wir Ihnen bieten<br />

• Unterstützung bei der Ausbildung zur<br />

Fachärztin oder zum Facharzt Psychiatrie<br />

Wir suchen Ärztinnen und<br />

und Psychotherapie<br />

• Intensiven fachlichen Austausch und<br />

Ärzte, die innovativ denken, die Möglichkeit, Dissertation abzulegen<br />

• Fort- und Weiterbildungen inklusive<br />

ihre Ideen aktiv einbringen finanzieller Unterstützung<br />

und sich an der Forschung zu beteiligen<br />

und eine multidisziplinäre • Beschäftigung in Voll- und Teilzeit möglich<br />

• Kita-Plätze und Personalhaus<br />

Zusammenarbeit schätzen. • Faire Anstellungsbedingungen<br />

Auskunft:<br />

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung:<br />

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Ihre Bewerbung nehmen wir gerne über<br />

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Annette Trinkler • Stv. Leiterin Human Resources die Online-Stelleninserate entgegen:<br />

Hunzigenallee 1 • 3110 Münsingen<br />

031 720 86 21 • annette.trinkler@pzmag.ch<br />

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kennt viele Verzweigungen – und Hürden. Doch<br />

wir bieten Ihnen schon zu Beginn einen Wegweiser:<br />

MEDIfuture! An unserem Netzwerkanlass<br />

können Sie sich umfassend über Ihre Karriereplanung<br />

informieren. Es erwarten Sie spannende<br />

Referate, Tipps und Tricks von älteren Kolleginnen<br />

und Kollegen sowie Stände von Arbeitgebern und<br />

Fachgesellschaften. Nutzen Sie also die Chance,<br />

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Das Anmeldeformular finden Sie auf unserer<br />

Website www.medifuture.ch unter MEDIfuture<br />

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Bestätigung per E-Mail. Die Teilnahme an<br />

MEDIfuture ist kostenlos. Die Teilnehmerzahl ist<br />

beschränkt.<br />

MEDIfuture – Le congrès pour les futurs<br />

et jeunes médecins.<br />

Que ce soit comme cadre à l’hôpital ou médecin<br />

en cabinet privé, qu’il s’agisse de la mission à<br />

l’étranger ou du bonheur familial: la carrière médicale<br />

présente de nombreuses ramifications – et<br />

obstacles. Nous vous proposons cependant dès<br />

le début un guide: MEDIfuture! Dans le cadre de<br />

notre manifestation de réseautage, vous pouvez<br />

vous informer en détail sur la planification de votre<br />

carrière. Vous y découvrirez des exposés intéressants<br />

et des conseils utiles de collègues plus âgés<br />

ainsi que des stands des employeurs et sociétés<br />

de discipline. Saisissez cette opportunité pour<br />

avoir un échange avec nos partenaires et d’autres<br />

participants.<br />

Vous trouverez le formulaire d’inscription sur notre<br />

site web www.medifuture.ch sous MEDIfuture<br />

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automatique par e-mail. La participation à MEDIfuture<br />

est gratuite. Le nombre de participant(e)s<br />

est limité.<br />

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<strong>Nr</strong>. 1, Februar <strong>2021</strong><br />

Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

Vorrat<br />

Vom Pflichtlager bis zur<br />

Speichermilz<br />

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Pneumologie<br />

Lungenfibrose – Diagnostik<br />

und neue Therapien<br />

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Geriatrie<br />

Der «unkooperative» ältere Patient<br />

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Politik<br />

Zulassung – ein Irrgarten<br />

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<strong>vsao</strong><br />

Neues aus<br />

den Sektionen<br />

Zentralschweiz<br />

Abstimmung GAV für LUKS<br />

und lups<br />

Diese Information ist extrem wichtig,<br />

wenn Du am LUKS oder bei der lups arbeitest!<br />

Die Abstimmung über den Gesamtarbeitsvertrag<br />

(GAV) steht bevor! Es gilt,<br />

zwischen GAV und Personalreglement zu<br />

entscheiden:<br />

• Ein Ja zum GAV bedeutet: Annahme des<br />

GAV. Mehr Schutz für die Mitarbeitenden<br />

des LUKS und der lups durch garantierten<br />

Einbezug der Sozialpartner (inklusive<br />

<strong>vsao</strong> und Personalkommission PEKO<br />

sowie weitere). Der Solidaritätsbeitrag<br />

von zwei Franken pro Monat (Lohnabzug)<br />

wird den Mitgliedern der Verbände<br />

zurückerstattet – es kostet Dich unter<br />

dem Strich also nichts!<br />

• Ein Nein zum GAV bedeutet: Annahme<br />

Personalreglement. Diese Option ermöglicht<br />

der LUKS-Führung einseitig Änderungen<br />

der Anstellungsbedingungen –<br />

auch wenn Berufsverbände und PEKO<br />

nicht einverstanden sind.<br />

Kurz zusammengefasst ist die Annahme<br />

des GAV klar zu bevorzugen, weil<br />

der GAV sicherstellt, dass die Sozialpartner<br />

bei Änderungen einverstanden sein<br />

müssen. Wichtig ist uns festzuhalten, dass<br />

die PEKO des LUKS auch einer dieser Sozialpartner<br />

ist, also beim GAV ebenso involviert<br />

ist wie z.B. die Sektion Zentralschweiz<br />

des <strong>vsao</strong>.<br />

Würde der GAV abgelehnt, käme automatisch<br />

das Personalreglement zum Zug.<br />

Damit hätte die Führung des LUKS / der<br />

lups die Möglichkeit, darin geregelte Bedingungen<br />

einseitig und insbesondere<br />

ohne Einverständnis der Sozialpartner zu<br />

ändern. Es ist zwar korrekt, dass die PEKO<br />

dabei involviert werden kann – sie muss<br />

aber nicht, noch muss sie mit den Änderungen<br />

einverstanden sein.<br />

Man könnte noch argumentieren,<br />

dass der GAV mehr kostet: pro Mitarbeiter<br />

und Monat zwei Franken (Lohnabzug),<br />

um die Arbeit im Hintergrund zu finanzieren,<br />

die notwendig ist, um den GAV zu erhalten<br />

und allfällige Änderungen auszuhandeln.<br />

Dieser kleine Beitrag wird aber<br />

mehr als wettgemacht durch die Tatsache,<br />

dass im GAV keine Beteiligung an der<br />

Krankentaggeldversicherung festgehalten<br />

ist (was bei einer allfälligen Anpassung<br />

ca. 0,6 Lohnprozente ausmachen würde,<br />

hoffentlich mehr als zwei Franken … :-) ).<br />

Hinzu kommt, dass die Verbände diesen<br />

Betrag ihren Mitgliedern zurückerstatten.<br />

De facto kostet der GAV die Mitarbeitenden<br />

also wirklich nichts.<br />

Somit ist klar: Der GAV ist aus Sicht<br />

der Arbeitnehmenden klar die Variante,<br />

welche mehr Schutz für die Arbeitsbedingungen<br />

bietet.<br />

Die Sektion Zentralschweiz des <strong>vsao</strong><br />

empfiehlt unbedingt ein Ja zum GAV. Dies<br />

ist eine einmalige Chance!<br />

Die Abstimmungsunterlagen sind<br />

Mitte September verschickt worden; die<br />

Abstimmungszettel müssen brieflich bis<br />

spätestens am Freitag, 15. <strong>Oktober</strong> <strong>2021</strong>,<br />

eingehen. Wir bitten Euch, sie rasch auszufüllen<br />

und zurückzusenden. Eine hohe<br />

Stimmbeteiligung ist wichtig!<br />

Mehr Informationen sind online zu<br />

finden unter www.mehrschutz.ch.<br />

Ivo Fähnle<br />

Präsident <strong>vsao</strong>-Sektion Zentralschweiz<br />

20<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


<strong>vsao</strong><br />

Zürich /<br />

Schaffhausen<br />

Ein rundum gelungener<br />

Abend<br />

Unsere diesjährige Mitgliederversammlung<br />

fand am 2. September an einem wunderbaren<br />

Sommerabend im Marriott Hotel<br />

Zürich statt. Trotz Schutzvorschriften und<br />

Zertifikatspflicht durften wir rund 50<br />

Gäste im geräumigen Century-Saal begrüssen.<br />

Darunter auch Vertreter unseres<br />

Nachwuchses, was uns speziell freute. Auf<br />

die herzliche Begrüssung durch unsere<br />

Präsidentin Anna Wang folgte dieses Mal<br />

der Jahresrückblick der Geschäftsleitung<br />

in Form eines Videos. Die Geschäftsleitungsmitglieder<br />

sprachen nicht nur von<br />

ihrem Wirken, sondern auch von ihren Beweggründen,<br />

beim VSAO Zürich tätig zu<br />

sein. Für alle, die es verpasst haben – den<br />

Film findet Ihr auf unserer Website.<br />

Mit der Wiederwahl von Anna Wang<br />

als Präsidentin bleibt alles beim Alten. Besonders<br />

gewürdigt wurde das fast 20-jährige<br />

Engagement von Adrian Schibli, welcher<br />

aus dem Vorstand zurücktritt.<br />

Aufgrund seiner grossen Erfahrung, seiner<br />

Kenntnisse und zuverlässigen Präsenz<br />

wie auch seines Engagements wird er<br />

zweifellos eine grosse Lücke hinterlassen.<br />

Allerdings wird Adrian weiterhin als Mitglied<br />

der Medizinalberufekommission<br />

amten und somit regelmässig als Gast im<br />

Eine Mitgliederversammlung vor Ort, ein schöner Sommerabend, ein attraktives Programm – der<br />

VSAO Zürich/Schaffhausen konnte sich über eine gelungene MV freuen.<br />

Geschäftsausschuss des <strong>vsao</strong> Schweiz präsent<br />

sein. Zudem wird er als Mitarbeiter<br />

des Stadtspitals Waid und Triemli für den<br />

<strong>vsao</strong> sicher auch künftig ein Bindeglied zu<br />

den Mitgliedern dort bilden. Adrian berichtet<br />

von seiner Motivation und seinen<br />

Erfahrungen in einem kurzen Interview<br />

auf unserem Instagramkanal @<strong>vsao</strong>zh sowie<br />

auf unserer Plattform docdoc. Leider<br />

mussten wir auch unsere Kollegin Selei<br />

Hamed verabschieden, welche jedoch<br />

nicht an der Mitgliederversammlung teilnehmen<br />

konnte. Auch ihr danken wir<br />

herzlich für die wertvolle Mitarbeit und<br />

das Engagement im Vorstand und insbesondere<br />

als Delegierte der Ärztekammer,<br />

eines Amtes, welches sie nach Möglichkeit<br />

weiterführen wird. Die beiden frei werdenden<br />

Sitze konnten mit Gerlinde Heil<br />

und Federico Mazzola besetzt werden.<br />

Beide kommen aus der Chirurgie, bringen<br />

frischen Ideen mit, aber auch <strong>vsao</strong>-Erfahrung<br />

aus anderen Sektionen – worauf wir<br />

uns sehr freuen!<br />

Nach dem offiziellen Teil folgte Fabian<br />

Unteregger mit seinem Programm<br />

«Der Komiker – Wirkstoff oder Placebo?»<br />

und verursachte gutartige Bauchschmerzen.<br />

Mit seinem Special-Programm für die<br />

Ärzteschaft und einigen Zugaben sorgte er<br />

für eine ausgelassene Stimmung und viele<br />

Lacher. Anschliessend genossen alle bei<br />

einem Apéro riche den Sonnenuntergang<br />

über Zürich. Endlich waren wieder persönlicher<br />

Austausch und ungezwungenes<br />

Networking möglich – ein rundum gelungener<br />

und perfekter Abend.<br />

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden<br />

und Mitwirkenden für den tollen<br />

Event!<br />

Viktoria Stanojevic,<br />

Social Media Manager und Kommunikationsassistentin<br />

VSAO Zürich/Schaffhausen<br />

Bilder: zvg<br />

Mit Adrian Schibli verlässt ein enorm erfahrenes, engagiertes und kenntnisreiches Mitglied die<br />

Geschäftsleitung der Sektion.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 21


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Umgang mit Minusstunden<br />

Weil die Spitäler zur Gewährleistung<br />

der Kapazitäten<br />

für Coronapatientinnen<br />

und -patienten<br />

über einen gewissen Zeitraum hinweg<br />

gehalten waren, elektive Eingriffe zu<br />

verschieben, sind bei vielen Ärztinnen<br />

und Ärzten Minusstunden angefallen.<br />

Ist es korrekt, wenn solche Minusstunden<br />

im System verbleiben und einfach<br />

argumentiert wird, der Bestand von<br />

Minusstunden hätte keine Auswirkung<br />

auf die Dienstplanung und diese würden<br />

bei Austritten nicht berücksichtigt?<br />

Nein. Denn ein solches System bedeutet,<br />

dass jede neu geleistete Überstunde<br />

bereits als durch eine vorhandene<br />

Minusstunde kompensiert gilt. D.h., auf<br />

Mehrarbeit würde keine Erholung durch<br />

Kompensation folgen. Es bedeutet auch,<br />

dass das Risiko, während der Coronapandemie<br />

keine Leistung erbringen zu<br />

können, auf die Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter überwälzt wird, obwohl<br />

anerkannt werden muss, dass ein Fall von<br />

Arbeitgeberverzug nach Art. 324 OR<br />

vorliegt. Von einem solchen ist auszugehen,<br />

wenn die Arbeit von den Mitarbeitenden<br />

zwar angeboten, diese von Seiten<br />

Arbeitgeber aber nicht angenommen<br />

wird. Also: Wenn schlicht nicht gearbeitet<br />

werden kann.<br />

Selbstverständlich kann der Arbeitgeber<br />

argumentieren, dass er den Arbeitgeberverzug<br />

nicht zu verantworten hat.<br />

Und unbestritten: Es ist die Pandemie,<br />

welche das Runterfahren des Betriebes<br />

erzwungen hat. Aber dafür trägt mit<br />

Sicherheit nicht die Mitarbeiterin oder<br />

der Mitarbeiter die Verantwortung. Die<br />

Anordnung kam vom Bund. Dieser sieht<br />

dort, wo Betriebe ihre Tätigkeit einstellen<br />

oder herunterfahren mussten, die<br />

Möglichkeit der Kurzarbeitsentschädigung<br />

vor. Damit wird das Risiko «Lohnfortzahlungspflicht<br />

trotz fehlender<br />

Arbeitsleistung» aufgefangen. Während<br />

Privatspitäler Kurzarbeitsentschädigungen<br />

erhalten haben, gilt dies für Spitäler<br />

mit öffentlicher Trägerschaft nicht.<br />

Warum? Weil das Staatssekretariat für<br />

Wirtschaft SECO davon ausgeht, dass<br />

öffentlich-rechtliche Unternehmen kein<br />

eigentliches Betriebsrisiko eingehen. Mit<br />

anderen Worten: Hinter diesen Unternehmen<br />

steht der Staat, die öffentliche Hand.<br />

In diesem Sinne hat auch die öffentliche<br />

Hand das Risiko der Lohnfortzahlungspflicht<br />

zu tragen und kann es nicht durch<br />

das Generieren von Minusstunden auf die<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

überwälzen.<br />

Bettina Surber,<br />

Rechtsanwältin Sektion<br />

St. Gallen/Appenzell<br />

Bild: zvg<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 23


Fokus<br />

Ende gut –<br />

alles gut?<br />

Die gängigen Volksmärchen enden häufig mit der Aussicht auf ein<br />

immerwährendes Glück. Oder etwa doch nicht?<br />

Je nach Perspektive sind diese stereotypen Enden weitaus vielschichtiger.<br />

Dr. Olivia Liegl, Psychotherapeutin, zertifizierte Märchenerzählerin<br />

… und sie lebten glücklich und zufrieden,<br />

und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben<br />

sie noch heute. Dies ist wohl ein eher<br />

bekannter Schluss eines Märchens. Nun<br />

gibt es aber auch Märchen, die enden tragisch,<br />

eventuell sogar mit dem Tod der<br />

Hauptfigur. Doch kann man tatsächlich so<br />

eindeutig sagen, wann es sich um ein Happyend<br />

und wann es sich um einen tragischen<br />

Ausgang der Geschichte handelt?<br />

Was passiert, wenn wir eine andere Beobachtungsperspektive<br />

einnehmen und aus<br />

einem anderen Blickwinkel heraus das<br />

vermeintlich positive Ende betrachten?<br />

Wie erstrebenswert ist es denn wirklich,<br />

nur noch glücklich und zufrieden zu leben?<br />

So könnte ein solches Szenario einem<br />

zwar eine sehr stabile, aber auch eher statische<br />

Situation bzw. Beziehung suggerieren.<br />

Mit dem Fokus auf das Statische<br />

hiesse dies, dass kaum Veränderung und<br />

damit auch wenig Entwicklung stattfinden<br />

kann. In Bezug auf die Beziehungsgestaltung<br />

wäre dies in der Realität wenig<br />

förderlich. Den Perspektivenwechsel mit<br />

dem Fokus auf das Märchenende möchte<br />

ich an verschiedenen Märchen näher erörtern.<br />

Vom Weg abgekommen<br />

Das Märchen von Rotkäppchen haben die<br />

meisten von uns irgendwann in ihrem Leben<br />

gehört oder gelesen. Wenn ich dieses<br />

Märchen nun meinen Kindern erzähle,<br />

steht das kleine und mutige Mädchen im<br />

Vordergrund, welches in eine gefahrvolle<br />

und durchaus angstauslösende Situation<br />

gerät. Für Kinder ist das Durchstehen dieser<br />

aufgebauten Spannung eine ziemliche<br />

Rotkäppchen und der böse Wolf: Je nach Standpunkt ein Bespiel für eine glückliche<br />

Rettung aus höchster Not oder ein Beispiel für eine gescheiterte Autonomieentwicklung.<br />

Bild: Walter Crane 1845–1915, Wikimedia<br />

24<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Herausforderung. Die Rettung durch den<br />

Jäger und das Happyend mit der Bestrafung<br />

des Wolfes löst die Spannung im Guten<br />

auf und die Kinder können den Sieg<br />

über den Wolf stellvertretend als Beispiel<br />

für eine überwundene Angst erleben. Nun<br />

ändere ich meinen Blickwinkel und betrachte<br />

das Märchen als Entwicklungsgeschichte<br />

im Sinne der Individuation von<br />

einem jungen heranreifenden Mädchen.<br />

Um eine erfolgreiche Individuation, welche<br />

mit Autonomiegewinnung und u.a.<br />

(Ab-)Lösen aus bisherigen Beziehungsmustern<br />

einhergeht, zu durchlaufen,<br />

braucht es neue Wege und Erfahrungen.<br />

Dies geschieht bei Rotkäppchen zu Beginn<br />

erfolgreich, indem es seinen bisherigen,<br />

gewohnten Weg verlässt. Und wie in<br />

der Realität sind neue Wege nicht immer<br />

gefahrlos und einfach. Im Märchen gelingt<br />

es Rotkäppchen trotz der Gefahren<br />

für Leib und Leben, diese schwierigen Situationen<br />

zu überstehen, und könnte nun<br />

idealerweise mit diesen neuen Erfahrungen<br />

selbstbestimmter und selbstbewusster<br />

in die weitere Zukunft gehen. Für das<br />

Märchen würde dies heissen, dass Rotkäppchen<br />

nächstes Mal besser weiss, welche<br />

Gefahren, aber auch welch schöne<br />

Blumen abseits des Weges sind und wie es<br />

den Gefahren begegnen kann. Doch im<br />

Märchen entscheidet sich Rotkäppchen,<br />

sein «Lebtag nicht wieder allein vom Wege<br />

ab in den Wald» zu laufen, wenn es ihr «die<br />

Mutter verboten hat». Für die persönliche<br />

Entwicklung bedeutet dies, kritisch betrachtet,<br />

eine gescheiterte Autonomieentwicklung<br />

und einen Rückfall in kindliche<br />

Verhaltensmuster und somit kann aus diesem<br />

Blickwinkel heraus nicht von einem<br />

Happyend gesprochen werden.<br />

In manchen Märchen finden wir ein<br />

verzögertes Happyend. Eine mögliche Bedeutung<br />

einer solchen Verzögerung<br />

möchte ich am Märchen Rapunzel (Fassung<br />

1812) aufzeigen. Rapunzel ist bei einer<br />

Fee aufgewachsen und wird seit ihrem<br />

zwölften Lebensjahr in einem Turm vor<br />

der Welt versteckt gehalten. Nachdem Rapunzel<br />

zu einer jungen Frau herangewachsen<br />

ist, kommt ein junger Königssohn<br />

zufällig des Weges, nachdem er Rapunzel<br />

singen gehört hatte und die beiden<br />

verlieben sich ineinander. Nun könnte das<br />

Märchen an dieser Stelle enden. Der<br />

Schluss könnte so aussehen, dass er die<br />

Liebste aus dem Turm rettet, sie in sein<br />

Reich bringt und sie dort glücklich leben.<br />

Aber genau das passiert nicht. Es kommt<br />

zur Katastrophe. Rapunzel wird von der<br />

Fee in eine Wüstenei verbannt, nachdem<br />

sie herausfindet, dass Rapunzel schwanger<br />

ist. Es wird sehr eindrücklich beschrieben,<br />

dass es «ihr sehr kümmerlich erging<br />

und sie nach Verlauf einiger Zeit Zwillinge,<br />

einen Knaben und ein Mädchen gebar».<br />

Dem Königssohn selbst ergeht es<br />

nicht besser, er überlebt nur knapp den<br />

Sturz vom Turm, verliert dabei sein Augenlicht<br />

und irrt jahrelang verzweifelt im<br />

Wald umher. In dieser Sequenz könnte<br />

man eine Art Heldenfahrt sehen, wie sie<br />

häufiger auch in mythologischen Erzählungen<br />

vorkommt. Hier geht es um das<br />

Bestehen schwieriger Situationen und Gefahren.<br />

Ziel dieser Art von Heldenfahrt ist,<br />

in den meisten Fällen, die Reifung des<br />

Helden. Und so passiert es nun auch bei<br />

Rapunzel. Nach Jahren der Irrungen findet<br />

der Königssohn schliesslich in die<br />

Wüstenei. Rapunzel erkennt ihn und heilt<br />

seine Augen mit ihren Tränen. In der Fassung<br />

von 1812 endet das Märchen hier. Wir<br />

erfahren nicht, wie die Zukunft aussieht.<br />

Welche Lektion könnte in der Verzögerung<br />

des glücklichen Endes liegen? Wenn<br />

man das Märchen eingebettet in seiner<br />

Zeit, in der es veröffentlicht wurde, nämlich<br />

um 1800, betrachtet, befinden wir uns<br />

am Übergang zur Biedermeierzeit, einer<br />

Zeit mit hoher Moralität. Die Keuschheit<br />

war bei jungen Frauen eine wichtige Tugend.<br />

Somit könnte der Schreckmoment<br />

im Märchen als Warnung für junge Frauen<br />

und Männer verstanden werden, keine<br />

voreheliche Beziehung zu führen, da diese<br />

unweigerlich in eine Katastrophe führen<br />

könnte. Ein anderer Blickwinkel wäre mit<br />

Fokus auf die Entwicklung der Beziehungsfähigkeit.<br />

Somit könnte die Irrfahrt<br />

für einen wichtigen Reifungsprozess in<br />

der persönlichen Entwicklung stehen,<br />

welcher von jedem allein durchlaufen<br />

werden muss, bevor eine reife Beziehungsgestaltung<br />

mit echter Intimität und<br />

gegenseitigem Erkennen möglich ist. In<br />

der letzten Fassung der Brüder Grimm<br />

heisst es noch, dass er sie in sein Reich<br />

führte, wo sie glücklich und vergnügt lebten.<br />

Aus meiner Sicht ist die nachträgliche<br />

Verstärkung des Happyends dem Umstand<br />

geschuldet, das Märchen für die Leser-<br />

bzw. Zuhörerschaft verdaulicher zu<br />

machen.<br />

Tödliche Suche nach dem Glück<br />

Aber wie sieht das mit Märchen aus, welche<br />

mit dem Tod des Helden enden? Im<br />

«Pechvogel», einem irischen Märchen, ist<br />

der Protagonist auf der Suche nach seinem<br />

Glück, nachdem bisher im Leben alles<br />

fehlgeschlagen ist. Er begibt sich auf eine<br />

Suchwanderung. Am Ende der Welt erhält<br />

er dann von dem «Alten», der auf jede Frage<br />

eine Antwort hat, die Worte, dass er sein<br />

Glück auf dem Wege finden würde. Und<br />

obwohl ihm dann das Glück so offensichtlich<br />

begegnet, in Form einer freundlichen<br />

Frau und einer Schatzkiste voller Gold,<br />

kann er es nicht erkennen, eilt daran vorbei,<br />

weiter auf der Suche nach seinem<br />

Glück und verliert dadurch am Ende sogar<br />

das Leben, indem er von einem hungrigen<br />

Wolf gefressen wird. Im Märchen wird<br />

dem Pechvogel immer wieder die Frage<br />

gestellt: »Wohin gehst Du?» Vielleicht hätte<br />

man ihm lieber die Frage stellen sollen:<br />

«Wie gehst Du?» Für mich persönlich liegt<br />

in dieser Frage der Schlüssel zu dem Märchenende.<br />

So betrachtet könnte man die<br />

Suche und die Wanderung ans Ende der<br />

Welt und zurück auch als symbolischen<br />

Lebensweg verstehen und dann würde die<br />

Frage vielleicht lauten: «Wie gehst du<br />

durch das Leben?» Macht man es wie der<br />

Pechvogel, welcher einem vermeintlichen<br />

Glück in der Ferne hinterherjagt, oder gelingt<br />

es einem, immer wieder, im übertragenen<br />

Sinne, innezuhalten und das<br />

«Glück» im Moment zu suchen?<br />

Je nach Betrachtungsweise kann das<br />

Märchenende unterschiedlich interpretiert<br />

werden und dadurch eine neue Bedeutung<br />

bekommen und sicherlich ist<br />

auch die eigene Biographie mitentscheidend,<br />

wie der Schluss wahrgenommen<br />

wird. «Ende gut, alles gut» stimmt für Märchen<br />

also nicht immer.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 25


Fokus<br />

Als der<br />

Schlagbaum fiel<br />

Jan Sulzer hat den Lockdown ins Bild gesetzt. Seine Fotos der<br />

geschlossenen Grenzen zeigen das Ende der gewohnten Freiheit und<br />

dokumentieren eine ausserordentliche Zeit.<br />

Catherine Aeschbacher, Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />

Am 16. März 2020 verkündete<br />

der Bundesrat die «Ausserordentliche<br />

Lage» und damit<br />

den Lockdown. Welche Auswirkungen<br />

hatte das auf Ihre Arbeit?<br />

Im Unterschied zu befreundeten Kollegen<br />

und Kolleginnen, ich denke zum Beispiel<br />

an Schauspieler oder Musikerinnen, gab<br />

es glücklicherweise noch Dinge, die ich<br />

tun konnte. Der Schnitt am Dokumentarfilm<br />

über die Jugendpsychiatrie in Basel,<br />

der Film erscheint bald, und auch meine<br />

Arbeit an einem TV-Serienprojekt waren<br />

«Lockdown-kompatibel». Doch natürlich<br />

hatte sich viel verändert: Filmprojekte<br />

wurden verschoben, Menschen auf der<br />

Strasse zu fotografieren, was ich sonst immer<br />

mache, war plötzlich nicht mehr möglich.<br />

Doch ich habe das Gefühl, wir klagen<br />

in der Schweiz auf hohem Niveau. In vielen<br />

Ländern sind die Auswirkungen der<br />

Pandemie ungleich dramatischer, uns<br />

geht es vergleichsweise ziemlich gut.<br />

Troinex GE<br />

Gleichentags gingen auch die Grenzen<br />

zu. Sie wohnen im Grenzgebiet. Wie haben<br />

Sie diese Zeit erlebt?<br />

Als Einwohner des Basler Dreiländerecks<br />

ist man es gewohnt, die Grenzen jederzeit<br />

zu überqueren, man weiss manchmal auf<br />

einem Waldweg nicht einmal mehr, ob<br />

man noch in der Schweiz ist oder schon in<br />

Frankreich oder Deutschland. Auf einmal<br />

waren die Grenzübergänge geschlossen,<br />

sogar kleinste Feldwege gesperrt. Das war<br />

schon ein deutlicher Einschnitt. Ich war<br />

hin- und hergerissen: Die Dramatik der<br />

geschlossenen Grenzen stand ja für die<br />

Dramatik der ganzen Situation. Gleichzeitig<br />

war die Absurdität nicht zu übersehen;<br />

die Behörden versuchten mit Grenzbarrieren<br />

und Plastikband ein Virus abzuhalten,<br />

das schon seit Monaten im Land zirkulierte.<br />

Wie kamen Sie auf die Idee, die geschlossenen<br />

Grenzen zu fotografieren?<br />

Zuerst hatte ich weder an die ganze<br />

Schweiz noch an ein Fotobuch gedacht.<br />

Ich fragte mich: Wie kann ich diese Pandemie<br />

fotografisch festhalten, ohne anderen<br />

Menschen zu nahe zu kommen?<br />

Ich erkundete einfach mal die vertrauten<br />

Grenzübergänge in der Region Basel,<br />

zum Elsass und ins Badische. Dann fuhr<br />

ich immer weiter, Richtung Solothurn<br />

und in den Jura. Je mehr geschlossene<br />

Grenzen ich sah, desto mehr zog es mir<br />

«den Ärmel rein». Schliesslich entschied<br />

ich mich, die Situation umfassend zu dokumentieren.<br />

Und das Medium Fotobuch<br />

hat sich einfach angeboten, eine Ausstellung<br />

wäre ja im Lockdown keine gute Idee<br />

gewesen.<br />

Entstanden ist schliesslich das Buch<br />

«Abgeriegelt». Was geht Ihnen heute<br />

durch den Kopf, wenn Sie die Bilder sehen?<br />

Bilder: Jan Sulzer<br />

26<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Hofstetten-Flüh SO<br />

Riehen BS<br />

Ich hätte nie gedacht, dass uns dieses Virus<br />

so lange im Griff haben wird. Ich denke<br />

auch an die vielen Toten, die die Pandemie<br />

in der Schweiz gefordert hat, frage mich,<br />

was besser hätte laufen müssen. Und ans<br />

Gesundheitspersonal, das sich nun schon<br />

seit bald zwei Jahren mit der Pandemie<br />

und ihren Folgen «abchrampft». Aber auch<br />

die Kinder und Jugendlichen beschäftigen<br />

mich, die jetzt ganz anders aufwachsen als<br />

wir damals. Für mich stehen die Bilder für<br />

diese Pandemiezeit; ich bin froh, dass mir<br />

ein relativ offener fotografischer Zugang<br />

gelungen ist. So kann jede und jeder selbst<br />

entscheiden, was sie oder er darin sehen<br />

möchte. Es ist wohl etwas Persönliches,<br />

wie man die jetzige Zeit erlebt, die Perspektiven<br />

sind sehr unterschiedlich.<br />

Zum Fotografen<br />

Jan Sulzer bewegt sich in verschiedenen<br />

künstlerischen Bereichen — ob als<br />

Regisseur auf Werbesets, als Autor fürs<br />

Fernsehen oder als dokumentarischer<br />

Fotograf. Nach einem Abschluss in<br />

Klinischer Heilpädagogik an der Uni<br />

Fribourg studierte er an der Zürcher<br />

Hochschule der Künste Fotografie und<br />

absolvierte seinen Master in Filmregie.<br />

Die Bilder sind als Fotobuch im<br />

Handel erhältlich, aber auch als Fine-<br />

Art-Prints, vom Fotografen selbst<br />

hergestellt.<br />

Weitere Infos: https://jansulzer.com<br />

Instagram: @stumblingduck<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 27


Fokus<br />

Jeden Tag das<br />

Ende vor Augen<br />

Bei der Form des Abschieds gebe es fast keine Grenzen, sagt Urs Gyger,<br />

Leiter eines Bestattungsinstituts. Doch bei tragischen Fällen kämen<br />

auch Bestatter seelisch an ihre Grenzen.<br />

Catherine Aeschbacher, Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>. Bild: Severin Nowacki.<br />

Bestatter ist kein Beruf wie jeder andere. Wichtig ist für Urs Gyger, dem Vertrauen der Hinterbliebenen gerecht zu<br />

werden.<br />

Polizist, Pilot oder Lokomotivführer<br />

wollte Urs Gyger nie werden.<br />

Im Gegensatz zu andern<br />

Buben hatte er keinen konkreten<br />

Berufswunsch. Eines aber wusste er<br />

genau: Er wollte hinaus in die weite Welt.<br />

Nach dem Abschluss einer Wirtschaftsmittelschule<br />

und einem kurzen Aufenthalt<br />

auf einer Bank war es so weit; ein<br />

Jahr verbrachte Gyger auf Reisen, davon<br />

mehrere Monate auf den Philippinen.<br />

Wie ging es nach Ihrer Rückkehr<br />

weiter?<br />

Eigentlich wollte ich wieder ins Bankfach<br />

und war auf den Weg zu einem Bewerbungsgespräch,<br />

als ich per Zufall die Chance<br />

erhielt, als Flight-Attendant bei der<br />

Swissair zu arbeiten. So konnte ich weitere<br />

sechs Jahre meiner Leidenschaft frönen<br />

und neue Länder und Kulturen kennenlernen.<br />

Obschon ich grosse Freude an dieser<br />

Tätigkeit hatte, wollte ich nicht bis zur Pensionierung<br />

bleiben. Also kehrte ich ins<br />

Bankfach zurück und leitete auf einer Berner<br />

Bank während zwanzig Jahren den Noten-<br />

und Goldhandel.<br />

Und wie kommt man von der Bank zum<br />

Bestattungsinstitut?<br />

Auch hier stellte sich die Frage, ob ich bis<br />

zur Pensionierung bleiben solle. Meine<br />

Frau sah zufällig ein Inserat, in dem ein<br />

Leiter für ein Bestattungsinstitut gesucht<br />

28<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

wurde. Ich bewarb mich, dann ging alles<br />

sehr schnell. Bereits nach wenigen Wochen<br />

war ich von der Arbeit begeistert.<br />

Wie hat Ihr Umfeld reagiert?<br />

Durchwegs positiv. Viele haben mir gesagt,<br />

nun sei ich dort angekommen, wo ich hingehöre.<br />

Wenn ich im gesellschaftlichen Umfeld<br />

fremde Menschen treffe, reagiere ich<br />

auf die Frage nach meinem Beruf eher humorvoll<br />

und frage, ob man es wirklich wissen<br />

wolle. Die Erfolgsserie «Der Bestatter»<br />

des Deutschschweizer Fernsehens hat natürlich<br />

Spuren hinterlassen. Wir wurden<br />

oft auf diese Sendung angesprochen, selbst<br />

wenn der Bestatter im Film von unserer Realität<br />

weit entfernt ist.<br />

Urs Gygers Werdegang ist nicht vollkommen<br />

aussergewöhnlich. Weil für Bestatter<br />

keine Berufslehre existiert, finden<br />

sich in diesem Beruf ausschliesslich Quereinsteiger.<br />

In der Regel absolvieren sie den<br />

Fachlehrgang Bestatter, der mit einem<br />

eidgenössischen Diplom abschliesst. Eigentlich<br />

müsse das nötige Wissen durch<br />

die Tätigkeit selbst erworben werden, betont<br />

Gyger.<br />

Nach welchen Kriterien stellen<br />

Sie Personal ein?<br />

Bewerber müssen eine gewisse Lebenserfahrung<br />

und Verständnis für andere Kulturen<br />

und Weltsichten mitbringen. Entsprechend<br />

stelle ich meist nur Leute ein, die<br />

wenigstens dreissig Jahre alt sind. Wir<br />

werden mit schwierigen Situationen konfrontiert,<br />

zum Beispiel mit zerstrittenen<br />

Hinterbliebenen, die sich nicht einigen<br />

können. Da braucht es Fingerspitzengefühl.<br />

Bei uns macht jeder Bestatter alles,<br />

deshalb ist es wichtig, dass man eine verstorbene<br />

Person schön aufbahren, aber<br />

eben auch heikle Gespräche führen kann.<br />

Und schliesslich ist es wichtig, dass man<br />

mit schlimmen Erlebnissen umgehen kann.<br />

Wir bergen auch Unfall- oder Suizidopfer<br />

und überführen sie in die Rechtsmedizin.<br />

Wenn einen diese Bilder verfolgen und<br />

nachts nicht mehr schlafen lassen, sollte<br />

man sich ein anderes Tätigkeitsfeld suchen.<br />

Jeder Bewerber muss deshalb Schnuppertage<br />

absolvieren, um zu erkennen, ob er<br />

sich für diesen Beruf eignet. Ein solches Engagement<br />

muss auch zwingend mit der Familie<br />

in Einklang stehen.<br />

Im Gegensatz zur Bank gebe es keinen<br />

normalen Arbeitstag, sagt Gyger. Einzig<br />

die Begleitung einer Beisetzung sei fix, darauf<br />

dürften sich die Hinterbliebenen verlassen.<br />

Sonst könne sich alles ändern,<br />

selbst wenn bei der morgendlichen Sitzung<br />

alle Aufgaben klar verteilt seien.<br />

Dank einem Pikettdienst ist das Institut<br />

rund um die Uhr erreichbar. Bei einem<br />

«gewöhnlichen» Todesfall versuche man,<br />

die wichtigsten Informationen bereits vor<br />

dem ersten persönlichen Treffen einzuholen<br />

(Angaben zu dem Verstorbenen, zu<br />

den Kontaktpersonen usw.). Danach werde<br />

das weitere Vorgehen mit den Hinterbliebenen<br />

festgelegt. Wichtig sei es, jeden<br />

Schritt genau zu erklären und zu betonen,<br />

dass kein Zeitdruck bestehe. Je nach<br />

Wunsch können die Bestatter alle Abläufe<br />

organisieren, von der Aufbahrung bis zur<br />

Danksagung. Das Unvorhersehbare macht<br />

für Urs Gyger den Reiz seiner Tätigkeit<br />

aus. Jeder Todesfall sei einzigartig, es gebe<br />

keine «Standardbeerdigung».<br />

Wie finden Sie heraus, welches<br />

die «richtige» Beerdigung ist?<br />

Es ist wichtig, dem Vertrauen gerecht zu<br />

werden, das uns die Hinterbliebenen entgegenbringen.<br />

Und zu spüren, was für die<br />

Hinterbliebenen in ihrem Fall das Richtige<br />

ist. Manchmal bestehen vermeintlich klare<br />

Vorstellungen. Wenn man jedoch genauer<br />

hinhört und nachfragt, merkt man, dass<br />

eine andere Lösung für die Trauernden<br />

längerfristig besser, weil tröstlicher wäre.<br />

Welches sind für Sie die schwierigsten<br />

Fälle?<br />

Bedrückend sind Todesfälle von jungen<br />

Menschen, wenn Eltern ihre Kinder verlieren.<br />

Dann sind wir alle selbst gefühlsmässig<br />

stark betroffen. Und benötigen im Nachgang<br />

interne Gespräche am Konferenztisch,<br />

um unsere Erlebnisse zu verarbeiten.<br />

Wir sind alle froh, dass das Kinderspital<br />

einen eigenen Dienst hat und wir in der Regel<br />

keine Kinder bestatten müssen. Traurig<br />

ist auch, wenn wir Verstorbene bergen müssen,<br />

die seit Wochen unbemerkt in ihrer<br />

Wohnung gelegen sind. Oder wenn die Hinterbliebenen<br />

sich völlig aus der Verantwortung<br />

ziehen. Wir selbst können ja keine<br />

Entscheidungen treffen. In solchen Fällen<br />

ordnet letztlich das Erbschaftsamt die Bestattung<br />

an. Dasselbe gilt auch für Verstorbene,<br />

die keinerlei Angehörige mehr haben.<br />

Wir warten mit der Beisetzung wenigstens<br />

einen Monat, um die Möglichkeit offenzuhalten,<br />

dass sich doch noch jemand meldet.<br />

Unmögliches gibt es für Urs Gyger<br />

hinsichtlich von Bestattungen kaum. Spezialwünsche<br />

werden nach Möglichkeiten<br />

erfüllt. Allerdings setzen bisweilen die<br />

Kosten allzu exotischen Wünschen Grenzen.<br />

In der Schweiz besteht keine Beisetzungspflicht,<br />

deshalb kann die Asche in<br />

der Natur verstreut, in ein Gemeinschaftsgrab<br />

gelegt oder nach Hause genommen<br />

werden. Da heute in Bern bei fast 90 Prozent<br />

aller Todesfälle Kremationen durchgeführt<br />

werden, werden diese Möglichkeiten<br />

zunehmend genutzt. Oftmals seien<br />

sich Hinterbliebene nicht ganz bewusst,<br />

dass es in solchen Fällen kein fixes Grabmal<br />

gebe, sagt Gyger. Auf diese Situation<br />

mache er sie jeweils aufmerksam.<br />

Hat sich Ihr persönliches Verhältnis<br />

zum Tod geändert?<br />

Nein, ich hatte immer ein gutes Verhältnis<br />

zum Tod. Als junger Mann habe ich auf den<br />

Philippinen einen Freund beerdigen müssen.<br />

Das war eine tagelange Zeremonie, an<br />

deren Ende die Beisetzung in einem hängenden<br />

Holzsarg (hanging coffins / Sagada<br />

Mt. Province) stand. Ich war immer dabei,<br />

und es hat mir nichts ausgemacht, den Toten<br />

und die Hinterbliebenen zu begleiten.<br />

Ich denke, für uns ist nicht der Tod an sich<br />

schwierig, sondern der Weg dahin, das<br />

Sterben.<br />

Zur Person<br />

Urs Gyger (geb. 1959), geschieden und<br />

Vater von zwei Kindern, absolvierte<br />

nach den obligatorischen Schulen die<br />

Wirtschaftsmittelschule der Stadt<br />

Bern. 1984–1990 flog er unter dem<br />

Namen «Ürsu vo Bärn» als Flight-<br />

Attendant auf dem Streckennetz der<br />

Swissair. Danach war er zwanzig Jahre<br />

auf einer Bank engagiert und leitete<br />

dort bis zu seinem Austritt 2010 den<br />

Noten- und Goldhandel. Er ist leidenschaftlicher<br />

Hobbytennisspieler und<br />

frönt im Winter seiner Skileidenschaft<br />

an der Lenk im schönen Berner Oberland.<br />

Seit bald zehn Jahren leitet er die<br />

Egli Bestattungen AG Bern.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 29


Fokus<br />

Ende –<br />

menschliches<br />

Leben und<br />

historische Epoche<br />

Wann ging die Antike zu Ende? 410 nach der Eroberung Roms durch<br />

die Westgoten? Und wann begann die Neuzeit? Als Kolumbus «Amerika<br />

entdeckte» oder Luther seine Thesen veröffentlichte? Anfang und Ende einer<br />

Epoche zu definieren, stellt die Wissenschaft vor Probleme.<br />

Prof. Dr. Karl Vocelka, Historiker, Mitbegründer und Präsident des Instituts für die Erforschung<br />

der frühen Neuzeit (IEFN)<br />

Vermutlich ist das Feststellen<br />

des Todes eines Menschen<br />

nicht so einfach, wie sich ein<br />

Laie das vorstellt, aber das<br />

Stillstehen der Lebensfunktionen, das<br />

Fehlen von Herz- und Atemtätigkeit sind<br />

die Merkmale, die gemeinhin mit dem<br />

Ende des Lebens verbunden werden.<br />

Weitaus komplizierter ist das Ende einer<br />

Epoche der Geschichte zu definieren.<br />

Während der Tod eines Menschen – naturwissenschaftlich<br />

gesehen – endgültig ist,<br />

geht in der Geschichte eine Epoche zwar<br />

zu Ende, doch gleichzeitig beginnt auch<br />

ein neues Zeitalter. Diese Parallele würde<br />

nur dann Sinn machen, wenn man die<br />

nicht beweisbaren religiösen Ideen eines<br />

Lebens nach dem Tod (Himmel, Fegefeuer,<br />

Hölle oder Wiedergeburt, um nur zwei<br />

Modelle zu nennen) berücksichtigt.<br />

Das Ende des Mittelalters stellt also<br />

gleichzeitig den Beginn der Neuzeit dar.<br />

Früher sahen viele Forscher im Spätmittelalter<br />

schon die Spuren des Beginns der<br />

Neuzeit, sozusagen den Frühling des kommenden<br />

Sommers – bis der niederländische<br />

Historiker Johann Huizinga in seinem<br />

grossartigen Buch Herbst des Mittelalters<br />

im späten Mittelalter nicht die «Ankündigung<br />

eines Kommenden, sondern<br />

ein Absterben dessen, was dahingeht» betonte.<br />

Der Interpretationsspielraum ist also<br />

gross.<br />

Unmögliche Trennschärfe<br />

Ein vergebliches Unterfangen vieler Forscher<br />

war es, eine Periodisierung für die<br />

gesamte Welt oder zumindest für ganz Europa<br />

zu entwerfen. Man kann die Problematik<br />

an einem Beispiel veranschaulichen.<br />

Die hauptsächlich gebrauchte Jahreszahl<br />

für den Beginn der Neuzeit ist sicherlich<br />

das Jahr 1492, in dem Christoph<br />

Kolumbus am 12. <strong>Oktober</strong> «Amerika entdeckte».<br />

Neben den Schwierigkeiten mit<br />

der Definition (Kolumbus wusste nicht,<br />

dass er einen neuen Doppelkontinent gefunden<br />

hatte, er wähnte sich in Indien –<br />

und das Wort «Entdeckung», welches ein<br />

eurozentrisches Weltbild spiegelt, ist<br />

überaus umstritten) stellt sich noch eine<br />

wesentliche Frage. Wo hat sich 1492 ein<br />

Wandel ausserhalb von Spanien und der<br />

Neuen Welt vollzogen? Welche Bedeutung<br />

hatte Kolumbus für Russland oder die Bewohner<br />

eines Alpentales?<br />

Es gibt also in der Geschichte so etwas wie<br />

eine spät einsetzende Rezeption der<br />

«bahnbrechenden Ereignisse, die die Welt<br />

verändern», und je genauer wir hinsehen,<br />

desto mehr merken wir, dass Elemente der<br />

«neuen Epoche» schon lange davor sichtbar<br />

waren und auf der anderen Seite vieles,<br />

was wir mit der vorangegangenen Epoche<br />

verbinden, noch lange nachwirkte.<br />

Keiner der Wendepunkte im Sinne der<br />

historischen Periodisierung hat die Welt<br />

total verändert; die alte naive Vorstellung,<br />

das «finstere Mittelalter» hätte quasi durch<br />

das Aufdrehen des Lichts der Neuzeit von<br />

einer Minute auf die andere geendet, kann<br />

man vergessen.<br />

Wann war das Mittelalter zu Ende?<br />

Das kann man fragen. Doch der Zeitpunkt<br />

des Endes, der gleichzeitig der Zeitpunkt<br />

des Beginns der Neuzeit ist, ist nicht eindeutig<br />

zu bestimmen. Viele Jahreszahlen<br />

und Ereignisse werden ins Treffen geführt,<br />

die Eroberung von Byzanz durch die<br />

Osmanen 1453, die «Entdeckung Amerikas»<br />

1492 oder der Thesenanschlag Martin<br />

Luthers 1517, aber auch Veränderungen<br />

wie der Buchdruck mit beweglichen Lettern<br />

oder die Entdeckungen der Portugie-<br />

Bild: ©Wikimedia Commons<br />

30<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Die Französische Revolution 1789 markiert<br />

einen Wendepunkt in der Zeitgeschichte und<br />

damit den Beginn einer neuen Epoche.<br />

(«Erstürmung der Bastille» von Jean-Pierre<br />

Houël, 1735–1813)<br />

sen, die durch die Umschiffung Afrikas<br />

Indien erreichten. Alle definieren einen<br />

Anfang, nicht ein Ende. Es hängt sehr vom<br />

Blickwinkel ab, welches dieser Ereignisse<br />

man hervorhebt. Die Globalgeschichte<br />

würde 1492 bevorzugen, die Konfessionsgeschichte<br />

1517 – und auch lokale Ereignisse<br />

werden immer wieder in regionalen<br />

Studien verwendet.<br />

Revolution als Wendepunkt<br />

Ist der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit<br />

umstritten, so stimmen die meisten<br />

Historiker und Historikerinnen jedoch der<br />

Ansicht zu, dass das Ende der Modern History<br />

und der Beginn der Contemporary<br />

History durch die Französische Revolution<br />

1789 ausgelöst wurde. Die Teilung der<br />

Neuzeit in eine «frühe Neuzeit» und dann<br />

in die «Gegenwartsgeschichte» hat sich in<br />

den meisten Wissenschaftskulturen Europas<br />

durchgesetzt – nur die deutschsprachige<br />

Historiographie beschritt einen<br />

Sonderweg mit der Einführung des Begriffes<br />

«Zeitgeschichte» von 1917/1918/1919<br />

(Eintritt der USA in die Weltgeschichte<br />

und russische <strong>Oktober</strong>revolution/Ende<br />

des Ersten Weltkrieges/Friedensverträge<br />

in den Pariser Vororten) bis zur Gegenwart.<br />

Die Definition der Epoche hat für die<br />

«frühe Neuzeit» (1500–1800) funktioniert,<br />

und auch der Beginn der Zeitgeschichte<br />

ist klar. Die Periode von 1789 und 1918 hingegen<br />

hat keinen Namen, der allgemein<br />

gebräuchlich und anerkannt ist.<br />

Der britische Historiker Eric Hobsbawm<br />

sprach vom «langen 19. Jahrhundert» von<br />

1789 bis 1914, und später, zurückgreifend<br />

auf die Forschungen des ungarischen Historikers<br />

Iván T. Berend, prägte er den Begriff<br />

«das kurze 20. Jahrhundert», das von<br />

1914 bis 1989 dauerte. Populär wurde dieses<br />

Konzept, nachdem Hobsbawm es 1994<br />

in seinem vielgelesenen Buch Das Zeitalter<br />

der Extreme verwendet hatte.<br />

Doch auch diese Modelle haben ihre<br />

Probleme. So kam z.B. dieser Periodisierung<br />

des «kurzen 20. Jahrhunderts» für<br />

Österreich, das Land, aus dem ich komme,<br />

weitaus mehr Bedeutung zu als für die benachbarte<br />

Schweiz. Im Ersten Weltkrieg<br />

war die Habsburgermonarchie im Gegensatz<br />

zur Schweiz kriegführende Macht mit<br />

all dem Elend für die Bevölkerung, und<br />

schliesslich zerfiel der Vielvölkerstaat am<br />

Ende des Krieges. Auch zum Jahr 1989,<br />

dem Jahr des Zusammenbruchs des kommunistischen<br />

Europas, kann man Ähnliches<br />

sagen. Während Österreich an die<br />

«Oststaaten» Tschechoslowakei, Ungarn<br />

und Jugoslawien grenzte, war die Schweiz<br />

weit entfernt von diesen Ländern.<br />

War die Periodisierung der grossen<br />

Epochen schon überaus schwierig, so vermehren<br />

sich die Interpretationsprobleme,<br />

je näher wir in die Gegenwart kommen.<br />

Bildete der Abwurf der Atombomben in<br />

Hiroshima und Nagasaki 1945 einen Wendepunkt,<br />

das Ende einer Zeit der konventionellen<br />

Kriegsführung? Beendete das<br />

Jahr 1989 die Ära des Kalten Krieges? Verkündete<br />

das Jahr 2001 mit den Anschlägen<br />

vom 11. September das Ende des amerikanischen<br />

Gefühls der unangreifbar<br />

scheinenden Sicherheit in den USA? Markieren<br />

die Jahre 2020 und <strong>2021</strong> mit der<br />

Covid-19-Pandemie das Ende einer Zeit<br />

der Reise- und Bewegungsfreiheit und der<br />

engeren Sozialkontakte? Wie schwerwiegend<br />

muss ein Ereignis sein, um das Ende<br />

einer Epoche zu bilden? Welche Breitenwirkung<br />

hat es zu haben, um über den regionalen<br />

Bezug hinaus zu einem globalen<br />

Ereignis zu werden?<br />

Viele Fragen – wenige Antworten.<br />

Weiterführende<br />

Literatur<br />

Hobsbawm, Eric: Das imperiale<br />

Zeitalter (Frankfurt am Main 1989)<br />

Hobsbawm, Eric: Das Zeitalter der<br />

Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts<br />

(München 1995)<br />

Metzler, Gabriele: Einführung in das<br />

Studium der Zeitgeschichte (Paderborn-Wien<br />

2004)<br />

Skalweit, Stephan: Der Beginn der<br />

Neuzeit. Epochengrenze und Epochenbegriff<br />

(Erträge der Forschung 178, Darmstadt<br />

1982)<br />

Van Der Pot, Johan Hendrik Jacob:<br />

Sinndeutung und Periodisierung der<br />

Geschichte. Eine systematische Übersicht<br />

der Theorien und Auffassungen (Leiden-Boston-Köln<br />

1999)<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 31


Fokus<br />

Abschied<br />

Tim Krohn<br />

Linus Edell war das, was seine Patientinnen<br />

einen distinguierten<br />

Herrn genannt hätten, er hatte<br />

grau meliertes, noch volles<br />

Haar, gepflegte Hände, und wenn er in<br />

seinem Blockhaus in den kanadischen<br />

Wäldern war – was einsamer klingt, als es<br />

tatsächlich war, denn das Haus stand unweit<br />

einer Kleinstadt mit dem schönen<br />

Namen Rosehipsville –, in jenen Wochen<br />

also, in denen er mit seiner Zeit grosszügig<br />

umgehen konnte, rasierte er sich sogar,<br />

bedächtig und akkurat, mit einem<br />

Messer alten Typs, das er am Lederriemen<br />

abzog (Messer und Riemen hatte er<br />

von seinem Vater geerbt).<br />

Linus Edell war Gynäkologe von Beruf,<br />

er war spezialisiert auf die Leiden älterer<br />

Damen und praktizierte in Montreal.<br />

Er war zwanzig Jahre lang mit einer wiederum<br />

fast zwanzig Jahre jüngeren Frau<br />

eng liiert gewesen, die Liliane hiess und<br />

die er noch immer sehr liebte, doch sie war<br />

mit ihm nie schwanger geworden und hatte<br />

kurz nach ihrem vierzigsten Geburtstag<br />

buchstäblich Reissaus genommen, um<br />

mit einem Knaben ihres Alters, einem gewissen<br />

Maxim, der bereits mit zwei anderen<br />

Frauen Kinder gezeugt hatte, nochmals<br />

eine Beziehung anzufangen. Das war<br />

sieben Monate her, und dachte Linus Edell<br />

daran, verkrampfte sich noch immer jedesmal<br />

sein Magen. Dennoch fand er eigentlich,<br />

er sei auf gutem Weg, diese weitaus<br />

schmerzvollste Erfahrung seines Lebens<br />

zu verarbeiten.<br />

Es war August, der Tag würde heiss<br />

werden, er hatte vor zu wandern und brach<br />

früh auf, es war erst kurz nach sechs. Auf<br />

dem Vorbeiweg stellte er seinem einzigen<br />

Nachbarn einen Korb Äpfel vor die Haustür,<br />

die er am Vorabend, gleich nach seiner<br />

Ankunft, geerntet hatte. Der Nachbar<br />

hiess Paul, für alle nur Paul, er war ein erfolgreicher<br />

Tourenführer und lebte allein<br />

– oder vielmehr in schnell wechselnden<br />

Beziehungen. Er war einer jener Menschen,<br />

die die Zunge dem Bissen entgegenstrecken,<br />

wenn sie die Gabel zum<br />

Mund führen, und Linus mochte ihn nicht<br />

besonders, doch da er ein grosszügiger<br />

Mensch war (auch wenn er das selbst nicht<br />

so sah), verschenkte er andauernd, was er<br />

nicht unmittelbar brauchte.<br />

Seit Liliane ihn verlassen hatte, war er<br />

nicht wieder in ihrem Häuschen gewesen,<br />

denn sie hatten hier wunderbare Zeiten<br />

verlebt, doch nun war er da und wollte,<br />

nachdem er die gemeinsame Wohnung in<br />

Montreal «gelüftet» hatte, wie er es nannte,<br />

auch hier aufräumen, ordnen, mit ihrer<br />

gemeinsamen Zeit abschliessen. Der erste<br />

Abend war nicht leicht gewesen, er hatte<br />

ihre Skisachen ausgemustert (sie hatten<br />

oft die Gegend auf Langlaufskiern durchkämmt)<br />

und war auf ein rotes Skiwachs<br />

gestossen – einen jener kleinen, aluminiumgefassten<br />

Zylinder –, das Liliane allein<br />

seiner Farbe und Beschaffenheit wegen so<br />

sehr geliebt hatte (es hatte etwas ganz<br />

leicht Durchschimmerndes, eine sonderbare<br />

Tiefe, dabei war es so klein), dass sie<br />

es selbst dann auftrug, wenn die Schneeverhältnisse<br />

ganz anderes Wachsen erforderten<br />

– und danach beschwerte sie sich,<br />

wenn er ihr davonlief. (Das orangene<br />

Wachs wäre das richtige gewesen.) Am<br />

Vorabend nun hatte er das Wachs an sich<br />

gedrückt und lange bitterlich geweint, an<br />

Räumen war nicht mehr zu denken, verkrümmt<br />

hatte er bis in die Nacht im Sessel<br />

vor dem Kamin gesessen und so sehr geschluchzt,<br />

dass ihn endlich die Lunge<br />

schmerzte. Er war den Menschen, die er<br />

liebte, fast unvernünftig treu – das war einer<br />

der Züge, die Liliane an ihm geliebt<br />

hatte –, und wenn er auch wusste, er musste<br />

sich von ihr lösen, das Leben ging weiter,<br />

so sah er doch im Grunde den Sinn<br />

davon nicht ein – er würde ohnehin nie<br />

eine andere Frau lieben. Darum legte er<br />

auch schliesslich das Wachs in die Schachtel<br />

zurück, anstatt es, wie er kurz vorgehabt<br />

hatte, zu verbrennen.<br />

Der Wald war an jenem Morgen herrlich<br />

weich und hell gefärbt und duftete. Rosehipsville<br />

lag am südlichen Ende der kanadischen<br />

Wälder, hier wuchsen noch Linden<br />

und Birken, Weiden, Mehl- und Blaubeeren<br />

und Geissblatt, an vielen Stellen<br />

rankte sich zudem Efeu, nicht nur den<br />

Stämmen entlang, er schuf ein eigenartiges<br />

Gewirr zwischen den Ästen verschiedener<br />

Bäume, das im Gegenlicht des noch diesigen,<br />

mattschimmernden Himmels aussah<br />

wie das Bleistiftgekritzel eines Kleinkinds.<br />

Als Linus Edell aufbrach, trug er alle<br />

Zuversicht mit sich, nach dem Aufwachen<br />

fühlte er sich gelöst und frei von allem,<br />

und er schritt aus, als wäre er noch keine<br />

fünfzig. Der Tag war herrlich, das Leben<br />

war herrlich, auch ohne Liliane ging es ihm<br />

gut, sagte er sich, und dass die Trauer, die<br />

ihn am Abend überwältigt hatte, ihn dem<br />

endgültigen Abschied doch wohl um ein<br />

tüchtiges Stück nähergebracht hatte. Er<br />

war an jenem Tag lange unterwegs, er verlief<br />

sich auch mehrmals, doch das gehörte<br />

dazu. Er schwitzte viel, und vielleicht<br />

trank er zu wenig. Als er jedenfalls gegen<br />

Abend auf den markierten Pfad einbog,<br />

der ihn wieder heimwärts führen würde,<br />

war er erschöpft und fröstelte etwas, dabei<br />

war es noch nicht wirklich kühl. Die Sonne<br />

allerdings stand inzwischen so tief, dass<br />

nur in den obersten Wipfeln noch etwas<br />

von ihrem Schein hängen blieb.<br />

Linus Edell hatte dem vorgesorgt, er<br />

zog einen Trainingsanzug aus dem Rucksack<br />

und schlüpfte hinein (er war davor in<br />

Shorts und einem T-Shirt der St. Moritzer<br />

Bergbahnen unterwegs gewesen) und<br />

glaubte noch immer, er habe alles im Griff.<br />

Dann wollte er jedoch eine ausgestülpte<br />

Hosentasche wenden (die Hose kam frisch<br />

aus der Wäsche) und entdeckte in die Tasche<br />

verklebt ein Eisbonbon, das offenbar<br />

mit in die Wäsche gewandert war. Und da<br />

fiel ihm auch wieder ein, wie Liliane letzten<br />

Dezember erst, in ihren letzten schönen<br />

Tagen hier im Blockhaus, ihre geliebten<br />

Eisbonbons ... Ach, und schon musste<br />

er wieder weinen.<br />

(Dieser Text entstammt einem bislang<br />

noch unveröffentlichten Zyklus von Erzählungen.)<br />

32<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Herausforderung<br />

Therapieende<br />

Wann endet eine Therapie? Und wer beendet sie? Antworten auf diese<br />

Fragen zu finden, ist oft nicht einfach. Die anspruchsvolle ärztliche<br />

Aufgabe besteht darin, evidenzbasierte und personorientierte Faktoren<br />

zu verbinden.<br />

Prof. em. Dr. med. Dr. phil. Paul Hoff<br />

Die Beendigung einer Therapie<br />

ist alles andere als ein einfacher,<br />

gleichsam technischer<br />

Vorgang. Ein Beispiel aus der<br />

Psychiatrie: Ein mir gut bekannter Patient<br />

mit einer chronischen Schizophrenie,<br />

der am Vortag gegen seinen Willen eingewiesen<br />

worden war, empfängt mich bei<br />

der Visite mit den Worten: «Sagen Sie mal,<br />

wann ist diese Therapie eigentlich zu Ende?»<br />

Diese knappe, emotional zwischen<br />

Empörung und Spott angesiedelte Frage<br />

enthält die ganze Breite unseres Themas:<br />

Wann und warum enden Behandlungen,<br />

und wer entscheidet das? Das Zählen der<br />

Pflegetage zwischen Ein- und Austritt<br />

hilft hier nicht weiter, denn beim Entscheid,<br />

eine Therapie abzuschliessen,<br />

geht es sowohl um medizinische Daten<br />

wie um die Qualität der therapeutischen<br />

Beziehung und um die involvierten Werthaltungen.<br />

Dieses anspruchsvolle und zugleich<br />

alltägliche Spannungsfeld möchte<br />

ich anhand dreier prägnanter Situationen<br />

illustrieren.<br />

dert, dass behandelt wird: Palliation ist<br />

Behandlung, wenn auch mit anderer Zielsetzung.<br />

Der gesundheitlichen Vorausplanung<br />

(GVP) kommt ein entscheidender Stellenwert<br />

zu: Wenn sich Personen frühzeitig<br />

damit auseinandersetzen, was im Falle ihrer<br />

Urteilsunfähigkeit bei einer gravierenden<br />

oder lebensbedrohlichen Erkrankung<br />

zu geschehen hat, können später für alle<br />

Beteiligten belastende Entscheidsituationen<br />

vermieden oder zumindest entschärft<br />

werden. Ein solcher Prozess geht jedoch<br />

weit über das einmalige Ausfüllen einer<br />

Patientenverfügung hinaus. Neben unser<br />

aller Bereitschaft, sich diesen unbequemen,<br />

ja tabuisierten Fragen zu stellen,<br />

wird sein Erfolg davon abhängen, ob das<br />

Gesundheitswesen Strukturen für individuell<br />

angepasste Hilfestellungen schafft.<br />

Jüngst hat sich dazu eine vom Bundesamt<br />

für Gesundheit (BAG) und von der Schweizerischen<br />

Akademie der Medizinischen<br />

Wissenschaften (SAMW) geleitete Arbeitsgruppe<br />

konstituiert [1].<br />

Wenn es denn so einfach wäre: Viele Patientinnen<br />

und Patienten können nicht einfach<br />

abgestempelt und deren Therapien damit<br />

genauso einfach beendet werden.<br />

Bild: Adobe<br />

1. Beenden einer Therapie bei<br />

terminaler Erkrankung<br />

Die terminale Phase eine Erkrankung<br />

stellt die betroffene Person sowie allenfalls<br />

deren Angehörige und die medizinischen<br />

Fachleute vor die Frage, ob auf bestimmte<br />

therapeutische Massnahmen<br />

verzichtet werden soll. Dabei kann nicht<br />

genügend betont werden, dass der Übergang<br />

von einer kurativen zu einer palliativen<br />

Behandlungsform nichts daran än-<br />

2. Beenden einer Therapie auf<br />

Wunsch des Patienten<br />

Über therapeutische Entscheidungen vor<br />

dem Lebensende wird intensiv diskutiert<br />

(und geforscht), was auf eine andere herausfordernde<br />

Situation deutlich weniger<br />

zutrifft: Wie gehen wir mit dem Wunsch<br />

oder gar dem Entscheid eines urteilsfähigen,<br />

nicht terminalen Patienten bzw. einer<br />

Patientin um, die Therapie zu beenden,<br />

weil er bzw. sie von dieser Behandlung<br />

nicht mehr überzeugt ist? Etwa weil es keinen<br />

erkennbaren Erfolg gibt oder die Balance<br />

zwischen Wirkung und Nebenwirkung<br />

subjektiv nicht stimmt?<br />

Die beiden extremen ärztlichen Reaktionen<br />

sind mit dem heute breit akzeptierten<br />

Postulat einer dialogisch verfassten<br />

Arzt-Patienten-Beziehung nicht vereinbar:<br />

Zum einen die paternalistische Anordnung,<br />

die Therapie sei einfach zu<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 33


Lachen und Träume für<br />

unsere Kinder im Spital<br />

Foto: Pierre-Yves Massot. Anzeige offeriert.<br />

Jede Woche erhalten die Kinder im Spital Besuch<br />

von den Traumdoktoren.<br />

Ihre Spende schenkt Lachen.<br />

PC 10-61645-5<br />

Herzlichen Dank.


Fokus<br />

akzeptieren, weil die ärztliche Fachperson<br />

dies aufgrund ihrer Kompetenz so sage.<br />

Zum anderen die voreilige Zustimmung<br />

zur Position des Patienten unter Verweis<br />

auf dessen Autonomie. Nun ist der medizinethisch<br />

zentrale Begriff der Autonomie<br />

nicht so selbsterklärend, wie es scheinen<br />

mag. Vor allem ist er, wie wir spätestens<br />

seit Kant wissen (sollten), kein «Selbstläufer»,<br />

hier also kein Automatismus für eine<br />

gelingende Arzt-Patienten-Beziehung.<br />

Auch im Gesundheitswesen heisst Autonomie<br />

nicht, zu entscheiden, was gerade<br />

beliebt – das nämlich wäre Willkür –, sondern<br />

was eine Person auf der Grundlage<br />

sorgfältigen Abwägens will und verantworten<br />

kann. Wünscht eine Patientin den<br />

Abbruch einer dringend indizierten Therapie,<br />

ohne einen substanziellen Entscheidungsprozess<br />

durchlaufen zu haben,<br />

greift die vorschnelle ärztliche Zustimmung<br />

mit dem Hinweis, die autonome Patientin<br />

wolle eben nicht, zu kurz. Hier<br />

braucht es den Dialog, und der kann ebenso<br />

anstrengend wie zeitintensiv sein und<br />

führt dennoch keineswegs immer zu einer<br />

Meinungsänderung auf Patientenseite.<br />

Pointiert gesagt: Autonomie, ernst genommen,<br />

bedeutet Arbeit [2, 3].<br />

Wegen der Tragweite der Entscheidung<br />

gilt dies ganz besonders, wenn Patienten<br />

um Unterstützung bei einem assistierten<br />

Suizid bitten, die radikalste und<br />

unumkehrbare Weise, eine Therapie zu<br />

beenden. Speziell im Falle psychischer<br />

Erkrankungen führt diese Situation in<br />

schwerwiegende ethische Dilemmata.<br />

Umso begrüssenswerter sind differenzierte<br />

und undogmatische Wortmeldungen,<br />

die es in den letzten Jahren vermehrt gibt<br />

[4].<br />

3. Beenden einer Psychotherapie<br />

Als Psychiater, der ich bin, erlaube ich mir,<br />

die Herausforderungen bei der Beendigung<br />

einer Psychotherapie hervorzuheben.<br />

Im Kern ist Psychotherapie die dialogische<br />

Arbeit an für die betroffene Person<br />

relevanten Themen und Konflikten. Entscheidender<br />

Erfolgsfaktor – neben einer<br />

tragfähigen therapeutischen Beziehung –<br />

ist dabei die Balance von Nähe und Distanz<br />

zwischen Patient und Therapeut: Zu<br />

viel Nähe und Solidarität, gar Kumpanei,<br />

verhindern therapeutische Fortschritte.<br />

Gleiches gilt für zu viel Distanz, etwa wenn<br />

die Person der Therapeutin hinter den angewandten<br />

therapeutischen Techniken<br />

geradezu verschwindet. Die notwendige<br />

Nähe in einer Psychotherapie birgt das Risiko<br />

einer Abhängigkeit des Patienten.<br />

Therapieziel ist aber stets ein höherer<br />

Grad von Autonomie, also das genaue Gegenteil<br />

von Abhängigkeit. Dieses Spannungsfeld<br />

kann nicht umgangen werden,<br />

aber es muss immer wieder, gerade in der<br />

Schlussphase einer Psychotherapie, reflektiert<br />

und thematisiert werden, damit<br />

das Therapieende nicht als Verlassenwerden<br />

wahrgenommen wird. Dies gelingt<br />

nicht immer, und manche Psychotherapien<br />

scheitern an dieser Problematik. Aber<br />

selbst ein Scheitern kann, wie Scharfetter<br />

[5] eindrücklich dargestellt hat, wiederum<br />

neue Perspektiven eröffnen.<br />

Résumé<br />

Medizin betreiben heisst, komplexe Handlungsketten<br />

im interpersonalen Raum in<br />

Gang zu setzen. Die evidenzbasierte Operationalisierung<br />

und Modularisierung<br />

dieser Abläufe macht Sinn und erhöht die<br />

Behandlungsqualität. Jedoch beinhaltet<br />

jede medizinische Entscheidung zwei Dimensionen,<br />

die sich einfachen quantitativen<br />

Kriterien entziehen: die Beziehung s-<br />

ebene und die Werthaltungen der Beteiligten.<br />

Dies gilt speziell für die zentralen<br />

Entscheide zum Beginn einer Therapie, zu<br />

deren Ausgestaltung und Beendigung. In<br />

der Verschränkung von Evidenzbasierung<br />

und Personorientierung liegt die markanteste<br />

Herausforderung für die «ars medica»<br />

des 21. Jahrhunderts. Jedes konkrete<br />

Therapieende macht dies erfahrbar, wie<br />

die geschilderten Szenarien exemplarisch<br />

darlegen sollten.<br />

Literatur<br />

[1] Näheres unter samw.ch/gesundheitliche-vorausplanung<br />

[2] Hoff P, Maatz A, Vetter J S (2020)<br />

Diagnosis as dialogue: historical and<br />

current perspectives. Dialogues in Clinical<br />

Neuroscience 22: 27–35<br />

doi: 10.31887/DCNS.2020.22.1/phoff<br />

[3] Hoff P, (2017) Autonomie, ein<br />

zentraler, aber sperriger Begriff der<br />

Psychiatrie. Swiss Archives of Neurology,<br />

Psychiatry and Psychotherapy 168: 175–182<br />

[4] Böhning A, (<strong>2021</strong>) Assistierter<br />

Suizid für psychisch Erkrankte: Herausforderung<br />

für die Psychiatrie und<br />

Psycho therapie. Hogrefe, Bern<br />

[5] Scharfetter C (2012) Scheitern. In<br />

der Sicht auf Psychopathologie und<br />

Therapie. Verlag Wissenschaft und Praxis,<br />

Sternenfels<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 35


Perspektiven<br />

Aktuelles aus der Gynäkologie:<br />

individualisierte Hormonersatztherapie – Chance oder Risiko?<br />

Wechseljahre –<br />

und jetzt?<br />

Die Hormonersatztherapie hat eine wechselvolle Geschichte hinter<br />

sich: Vom probaten Mittel gegen Menopausenbeschwerden sowie zur<br />

Prävention von Osteoporose und kardiovaskulären Erkrankungen<br />

zum Auslöser von Brustkrebs, Schlaganfällen und Herzerkrankungen.<br />

Aufgrund neuer Studien ist heute ein sinnvoller Einsatz möglich.<br />

Dr. med. Martina Nordin, Kantonsspital Baden AG, Kinderwunschzentrum Baden AG;<br />

Prof. Dr. med. Martin Heubner, Kantonsspital Baden AG<br />

Die Menopause wird von vielen<br />

Frauen als wichtige Zäsur im<br />

Leben empfunden. Das Aussetzen<br />

der Periodenblutung<br />

wird mitunter durchaus als positiver Effekt<br />

wahrgenommen, umso mehr, wenn<br />

zuvor – was nicht selten ist – ausgeprägte<br />

Blutungsunregelmässigkeiten bestanden.<br />

Andere, typische Symptome wie Hitzewallungen,<br />

Stimmungsschwankungen<br />

und nachlassende Libido sind dagegen<br />

häufig Gründe für einen Gang zum/zur<br />

Frauenärzt/in. Definiert ist die Menopause<br />

als Zeitpunkt der letzten ovariell ausgelösten<br />

Menstruation. Dies erfolgt in der<br />

Schweiz mit durchschnittlich 52 Jahren,<br />

die Varianz ist jedoch sehr gross. Beim<br />

Eintreten vor dem abgeschlossenen<br />

40. Lebensjahr wird von einer vorzeitigen<br />

Menopause gesprochen. Etwa ein Prozent<br />

aller Frauen sind hiervon betroffen. Mit<br />

der Verlagerung der Familienplanung in<br />

spätere Lebensphasen, wie dies in den<br />

letzten Jahrzehnten in den westlichen Industrienationen<br />

erfolgt ist, ergibt sich<br />

hier für eine zunehmende Anzahl von<br />

Frauen ein ernsthaftes Problem.<br />

Unliebsame Begleiterscheinungen<br />

Nach der Menopause fehlt die Follikelreifung<br />

in den Ovarien und die damit verbundene<br />

Produktion von Estradiol. Insbesondere<br />

dieser Mangel ist es auch, der die typischen<br />

Symptome wie Hitzewallungen,<br />

Schweissausbrüche, Schlafstörungen,<br />

Trockenheit der Schleimhäute, Gelenkschmerzen,<br />

aber auch Reizbarkeit, Müdigkeit<br />

und Depression auslösen kann. Diese<br />

Beschwerden können schon einige Jahre<br />

vor der Menopause einsetzen, dieser Zeitraum<br />

wird Perimenopause genannt.<br />

Von menopausalen Beschwerden sind<br />

nicht alle Frauen gleich betroffen: Ein<br />

Drittel hat weniger, ein Drittel mässige<br />

und ein Drittel starke Beschwerden. Gerade<br />

die oft als besonders belastend empfundenen<br />

Hitzewallungen bestehen im<br />

Durchschnitt sieben Jahre. Einige Frauen<br />

haben bis ins achte Lebensjahrzehnt starke<br />

Beschwerden und fühlen sich in ihrer<br />

Lebensqualität eingeschränkt. Langfristig<br />

ist die Knochengesundheit ein Thema:<br />

Durch den Wegfall des Estradiols steigt<br />

das Risiko für Osteoporose. Bei zunehmender<br />

Lebenserwartung verbringen<br />

Frauen immer mehr Jahre mit Östrogenmangel,<br />

was das Problem verschärft. Abhilfe<br />

durch Hormone zu schaffen, ist daher<br />

naheliegend. Die Hormonsubstitution,<br />

die sich in den Neunzigerjahren<br />

grosser Beliebtheit erfreute, wurde nach<br />

kritischen Publikationen um die Jahrtausendwende<br />

weitaus seltener verordnet<br />

und dieser Effekt hält bis heute an. Zu<br />

Recht? Dieser Frage soll im Folgenden auf<br />

den Grund gegangen werden.<br />

Aufstieg und Fall<br />

Anfang der Achtzigerjahre erhielten in<br />

Grossbritannien, Wales und Schottland<br />

ein bis zwei Prozent der 45–64-jährigen<br />

Patientinnen eine Hormonersatztherapie<br />

(HRT). Entsprechend niedrig waren auch<br />

die Kosten für den NHS den National Health<br />

Service. 1994 hatten sich die Zahlen<br />

deutlich verändert: 20–22 Prozent der Patientinnen<br />

in diesem Alterskollektiv erhielten<br />

eine HRT, entsprechend hatten<br />

sich auch die Kosten für das Gesundheitssystem<br />

vervielfacht. Für die Zunahme der<br />

Verschreibungen in diesem Masse gab es<br />

verschiedene Gründe: Frauen waren sich<br />

36<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

bewusst geworden, dass sie die Wechseljahre<br />

nicht einfach durchstehen mussten,<br />

sondern dass es wirkungsvolle Möglichkeiten<br />

gab, um die Lebensqualität zu verbessern.<br />

Eine Verlängerung der Jugend<br />

schien möglich geworden zu sein und<br />

führte zu einer zunehmend grosszügigen<br />

Verschreibungspraxis.<br />

Zusätzlich gab es ein grosses kommerzielles<br />

Interesse an der HRT: Man hoffte<br />

die HRT in der Primär- und auch Sekundärprävention<br />

von chronischen Erkrankungen<br />

im höheren Lebensalter einsetzen<br />

zu können und so zum einen die Frauengesundheit<br />

zu verbessern und zum anderen<br />

Gesundheitskosten zu sparen. Insbesondere<br />

ging es um die Prävention von<br />

Osteoporose und kardiovaskulären Erkrankungen.<br />

Aus diesem Gedanken entstand die<br />

Women’s Health Initiative Study (WHI),<br />

deren primärer Endpunkt die Bestätigung<br />

der Primärprävention kardiovaskulärer<br />

Erkrankungen durch eine HRT war. Bis<br />

heute handelt es sich um die grösste randomisierte,<br />

kontrollierte doppelblinde<br />

Studie zur HRT. Von 1993 bis 1998 wurden<br />

161809 postmenopausale Frauen eingeschlossen<br />

und für eine durchschnittliche<br />

Zeit von 5,2 Jahren nachbeobachtet. Da<br />

primärer Endpunkt nicht die Wirksamkeit<br />

einer HRT war, war das Studienkollektiv<br />

nicht gerade HRT-typisch: Vasomotorische<br />

Beschwerden waren ein Ausschlusskriterium,<br />

jeweils ein Drittel der Patientinnen<br />

hatte eine Adipositas oder eine Hypertonie,<br />

die Hälfte waren aktuelle oder<br />

frühere Raucherinnen und das mittlere<br />

Alter bei Erstverschreibung lag bei 63 Jahren.<br />

Des Weiteren ist bemerkenswert, dass<br />

die verwendeten Hormonpräparate in den<br />

USA gebräuchlich waren, nicht aber in Europa.<br />

Die WHI-Studie wurde 2002 aufgrund<br />

eines Anstiegs der Koronaren Herzerkrankung,<br />

von Schlaganfall und Brustkrebs in<br />

der Verumgruppe vorzeitig abgebrochen.<br />

Eine HRT wurde als nicht tragbar für die<br />

Primärprävention dieser Volkskrankheiten<br />

eingeschätzt. Leider kam es bei der<br />

Publikation der Daten zu mehreren Fehlern,<br />

die Daten wurden allgemein auf alle<br />

HRT-Anwenderinnen übertragen.<br />

Dies führte weltweit zu einem massiven<br />

Einbruch der Verschreibung einer<br />

HRT. Aus Angst, den Frauen einen Schaden<br />

zuzufügen, wurden langjährige Therapien<br />

abgesetzt, und neu indizierte Therapien<br />

wurden nicht begonnen. Erreicht<br />

wurde leider das Gegenteil: Eine Studie<br />

aus den USA hat zwischenzeitlich eine zusätzliche<br />

Mortalität von 40 000 bis<br />

50 000 Frauen im Alter von 50 bis 59 Jahren<br />

gezeigt, die auf den Rückgang der HRT<br />

in den Jahren 2002–2011 zurückgeführt<br />

werden kann.<br />

Neuer Blick dank neuen<br />

Erkenntnissen<br />

Erst 2016 erfolgte eine Veröffentlichung<br />

zweier Hauptautoren im NEJM, die bestätigten,<br />

dass viele der WHI-Ergebnisse<br />

«falsch verstanden wurden» und «nicht<br />

auf jüngere, postmenopausale Patientinnen»<br />

hätten übertragen werden sollen.<br />

Durch Subgruppenanalysen der WHI<br />

und weitere Studien haben wir inzwischen<br />

ein sehr differenziertes Bild von den Chancen<br />

und Risiken einer Hormonersatztherapie.<br />

So konnte z.B. in der WHI-Subgruppenanalyse<br />

der hysterektomierten Frauen<br />

mit alleiniger Estradioltherapie eine signifikante<br />

Reduktion des Mammakarzinoms<br />

nachgewiesen werden. Unbestritten<br />

ist auch, dass sich eine HRT positiv auf die<br />

Knochengesundheit auswirkt. Ebenso ist<br />

eine Verbesserung der Lebensqualität ohne<br />

vasomotorische Beschwerden unbestritten<br />

und auch die psychische Gesundheit<br />

profitiert in vielen Fällen. Durch individuelle<br />

Therapieregime, wie durch eine<br />

transdermale Applikation, kann das<br />

Thromboserisiko minimiert werden und<br />

bei Beginn der HRT im Window of Opportunity<br />

kurz nach der Menopause kann sich<br />

die HRT auch in der Prävention einer koronaren<br />

Herzkrankheit positiv auswirken.<br />

Zusätzlich haben sich mit dem Einsatz<br />

von nichthormonellen Medikamenten bei<br />

Risikopatientinnen weitere Therapiemöglichkeiten<br />

ergeben.<br />

Auch zum Thema Brustkrebs gibt es<br />

inzwischen viele weitere Daten: Unter einer<br />

kombinierten HRT kommt es zu einem<br />

geringen Anstieg der Fallzahlen für<br />

das Mammakarzinom nach einer Therapiedauer<br />

von fünf bis sechs Jahren (ohne<br />

Therapie 13 von 1000 50-jährigen Frauen,<br />

mit Therapie 16 von 1000 50-jährigen<br />

Frauen). Die Gesamtmortalität scheint bei<br />

korrekter Anwendung durch eine HRT signifikant<br />

positiv beeinflusst zu werden.<br />

Diese Fakten sollten allen Beratenden geläufig<br />

sein, um den Patientinnen eine umfassende<br />

Aufklärung geben zu können.<br />

Individuelle Beratung und Abwägen<br />

des Risikos<br />

Von der «zu» grosszügigen Verschreibungspraxis<br />

der Achtzigerjahre über den Post-<br />

WHI-Einbruch Anfang der 2000er-Jahre<br />

bis zum Jahr <strong>2021</strong> hat sich ein gut differenziertes<br />

Bild zum Thema HRT entwickelt. In<br />

der heutigen Beratungspraxis sollte eine<br />

individuelle Beratung der ratsuchenden<br />

Patientin Standard sein. Nicht nur die Risiken<br />

sollten im Vordergrund stehen, sondern<br />

auch die vielen positiven Effekte einer<br />

HRT. Keine Therapie ist ohne Nebenwirkungen,<br />

aber im Falle der HRT überwiegen<br />

die langfristig positiven Effekte in vielen<br />

Fällen die Risiken. Klar ist, dass nicht jede<br />

Frau eine HRT braucht. Klar ist aber auch,<br />

dass 30–50 Prozent der menopausalen<br />

Frauen von einer HRT profitieren, und diese<br />

Patientinnen haben Anspruch auf eine<br />

individuelle und sichere Behandlung.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 37


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Perspektiven<br />

Aus der «Therapeutischen Umschau»*<br />

Übersichtsarbeit<br />

Urolithiasis<br />

Es kommt nicht nur auf die Grösse an<br />

Martin H. Umbehr und Michael Müntener,<br />

Klinik für Urologie, Stadtspital Waid und Triemli, Zürich<br />

Bilder: zvg<br />

* Der Artikel erschien ursprünglich in der<br />

«Therapeutischen Umschau» (<strong>2021</strong>), 78(5),<br />

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Hintergrund<br />

Die Urolithiasis ist eine sehr<br />

häufige Erkrankung mit einem<br />

Lebenszeitrisiko von ca.<br />

10 – 15 % [1] in den industrialisierten Ländern,<br />

wobei Männer etwas häufiger betroffen<br />

sind als Frauen [2]. Das Rezidivrisiko<br />

ist erheblich und liegt bei bis zu 60 % innerhalb<br />

von 10 Jahren, kann aber durch<br />

gezielte Prophylaxe-Massnahmen auf ca.<br />

20 % gesenkt werden [3]. Die Kalzium-<br />

Oxalat-Steine machen ca. 80 % aller Steine<br />

aus, gefolgt von Calcium-Phosphat- und<br />

Harn säure-Steinen, andere Steine wie<br />

zum Beispiel Zystin-Steine sind selten [4].<br />

Die Pathogenese ist vielfältig und meistens<br />

mit Lebensgewohnheiten (unzureichende<br />

Flüssig keits zufuhr und / oder unausgeglichene<br />

Ernährung) oder seltener<br />

Stoff wechselstörungen (hormonell oder<br />

genetisch) vergesellschaftet; in allen Fällen<br />

aber wird das Löslichkeitsprodukt des<br />

entsprechenden Konkrementes überschritten,<br />

was letzten Endes zur Kristallisierung<br />

führt [5]. Während die Bildung der<br />

Steine praktisch immer im Nierenbeckenkelchsystem<br />

(NBKS) erfolgt und man hier<br />

von Nephrolithiasis spricht, resultiert die<br />

typische Klinik einer Flanken kolik eigentlich<br />

immer nur dann, wenn das Konkrement<br />

vom NBKS in den Ureter gelangt und<br />

dann nomenklatorisch als Ureterolithiasis<br />

zu bezeichnen ist. Während die Nephrolithiasis<br />

kaum akute Probleme bereitet, kann<br />

die Ureterolithiasis nebst der häufig sehr<br />

eindrücklichen Schmerz-Klinik in kürzester<br />

Zeit zu einem sehr gefähr lichen bis lebensbedrohlichen<br />

Problem werden, nämlich<br />

dann, wenn die durch das Konkrement<br />

bedingte Obstruktion gleichzeitig<br />

mit einem Infekt im Harntrakt auftritt. Die<br />

Flankenkolik ist ein sehr häufiger Grund<br />

für Notfall-Konsultationen, eine der wichtigsten<br />

Differenzialdiagnosen ist dabei die<br />

Ureterolithiasis [6]. Eine schnelle und akkurate<br />

Diagnose ist aufgrund der oben geschilderten<br />

Situation essenziell, da unter<br />

Umständen eine vital bedrohliche Situation<br />

in kurzer Zeit entstehen kann und eine<br />

notfallmässige Intervention durchgeführt<br />

werden muss. Neben der Bildgebung<br />

ist die Suche, respektive der Ausschluss<br />

einer potenziell begleitenden Infekt-Situa<br />

tion daher absolut zwingend. Dieser<br />

Artikel fokussiert im Weiteren und Wesentlichen<br />

auf die Abklärung und Therapie<br />

der akut symptomatischen Ureterolithiasis<br />

und rundet die Thematik mit einigen<br />

Fallbeispielen ab.<br />

Klinik und Befunde<br />

Bei Übertritt eines Konkrementes aus dem<br />

NBKS in den Ureter kommt es häufig im<br />

Bereich der physiologischen ureteralen<br />

Engstellen (pyeloureteraler Übergang, Gefässkreuzung<br />

und Ostium) zu einer<br />

Konkrement-Impak tierung mit konsekutivem<br />

Harnstau im vorgeschalteten, proximalen<br />

oberen Harntrakt. Dieser Stau verursacht<br />

die typischen, kolikartigen, teils<br />

vernichtenden Flankenschmerzen. Bei<br />

der Wanderung des Konkrementes nach<br />

distal kommt es häufig zu Schmerzausstrahlungen<br />

zuerst in den Unterbauch der<br />

entsprechenden Seite und schliesslich in<br />

die Genitalregion (unilateraler Skrotaloder<br />

Labien-Schmerz). Ein häufiger laborchemischer<br />

Begleitbefund ist die Mikro-,<br />

gelegentlich sogar Makro-Hämaturie, eine<br />

fehlende Hämaturie schliesst eine Ureterolithiasis<br />

aber nicht aus [7].<br />

Diagnostik<br />

Die Bildgebung der Wahl im Falle der Ureterolithiasis<br />

ist die Nativ-CT-Abdomen-Untersuchung<br />

[8]. Die Untersuchung<br />

ist zeit-effizient, genau und relativ untersucherunabhängig<br />

und liefert, gegenüber<br />

dem Ultraschall, für die Planung einer allfälligen<br />

Intervention wichtige Zusatzinformationen<br />

(Steinbilanzierung) [9]. Zur<br />

Reduktion der Strahlendosis soll, wenn<br />

immer möglich ein «low- dose»-CT-<br />

Protokoll verwendet werden. Der Ultraschall<br />

eignet sich zwar sehr gut zur Suche<br />

einer allfälligen Abflussbehinderung (und<br />

somit einem indirekten Zeichen der<br />

obstruktiven Ureterolithiasis), punkto<br />

Steinbilanzierung oder aber Detektierung<br />

einer (allenfalls auch nur zum Zeitpunkt<br />

der Untersuchung) nicht obstruktiv wirksamen<br />

Ureterolithiasis ist diese Untersuchung<br />

aber der CT-Bildgebung deutlich<br />

unterlegen und zudem deutlich untersucherabhängig.<br />

Bei Kindern und Schwangeren<br />

ist die Ultraschall-Bild gebung trotzdem<br />

immer Bildgebung der ersten Wahl.<br />

Neben der Bildgebung sind Anamnese<br />

(Begleitklinik einer Harnwegsinfektion,<br />

wie z. B. Dys- oder Algurie), Vitalzeichen<br />

(Temperatur, Blutdruck, Puls und Sättigung)<br />

sowie Blut- (Entzündungsparameter<br />

und Nierenretentionsparameter) und<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 39


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Perspektiven<br />

Abbildung 1. Management von Patienten mit akuten Flankenschmerzen mit Fokus auf Ureterolithiasis. Auf Differenzialdiagnosen wird aus Gründen der<br />

Übersicht nicht näher eingegangen.<br />

Urin-Laborbefunde (Leukozyturie, Erythrozyt<br />

urie, Nitrit) wichtig zur Identifizierung<br />

einer potenziell begleitenden Infektsituation<br />

im Harntrakt. Abbildung 1 gibt<br />

einen Überblick über das Mana gement<br />

des akuten Flankenschmerzens mit Fokus<br />

auf die Ureterolithiasis.<br />

Therapie<br />

Bei der Wahl der Therapie und Festlegung<br />

der Dringlichkeit zur Durchführung spielen<br />

verschiedene Faktoren eine wichtige<br />

Rolle. Von primärster und vordringlichster<br />

Bedeutung ist das Vorliegen einer allfällig<br />

begleitenden Harnwegsinfektion,<br />

welche eine notfallmässige Ableitung des<br />

gestauten Harntraktes (retrograd mittels<br />

Harnleiterschiene oder perkutan mittels<br />

Nephrostomie) zur Folge haben muss, wobei<br />

die Nephrostomie zwar die invasivere<br />

jedoch auch effizientere Drainage darstellt.<br />

Je dringlicher und imperativer eine<br />

Ableitung ist, desto eher wird primär auf<br />

die Nephrostomie zurückgegriffen. Zudem<br />

wird in diesem Fall eine empirische<br />

antibiotische Therapie gestartet nach Abnahme<br />

von Urin- und Blutkulturen, später<br />

nach Vorliegen dieser Resultate wird die<br />

antibiotische Therapie dann ggf. resistenzgerecht<br />

angepasst. Das obstruktive<br />

Konkrement wird im Rahmen einer solchen<br />

Notfall-Intervention in aller Regel<br />

belassen und sekundär nach Infekt-Behandlung<br />

angegangen. Ansonsten stellen<br />

Konkrement-Grösse, -Lokalisation, -Anzahl<br />

und -Dichte (welche computertomografisch<br />

mittels Hounsfield-Einheiten geschätzt<br />

werden kann) nebst der Klinik die<br />

entscheidenden Faktoren für die Wahl der<br />

optimalen Therapie dar.<br />

Konservative Therapie<br />

Eine konservative Therapie ist bei kleinem,<br />

singulärem Konkrement (in der Regel<br />

≤ 5 mm) im distalen Harnleiter bei fehlender<br />

Begleitinfektion und schmerzkompensiertem<br />

Patienten häufig der erste Therapie-Ansatz.<br />

Routinekontrollen sind<br />

zwingend notwendig und die Asservierung<br />

des Konkrementes durch Urin-Sieben<br />

wichtig, einerseits als Beweis des Spontanabganges,<br />

andererseits zur Konkrement-Analyse.<br />

Letztere ist wichtig im Hinblick<br />

auf die Metaphylaxe. Die Spontansteinabgangsrate<br />

kann durch die Gabe von<br />

-Blockern bei distalen Ureterkonkrementen<br />

von > 5 mm allenfalls leicht erhöht werden<br />

[8]. Gemäss den Richtlinien der Europäischen<br />

Gesellschaft für Uro logie sind zur<br />

Schmerzlinderung bei normaler Nierenfunktion<br />

und unter Berücksichtigung der<br />

anderen Kontraindikationen nicht-steroidale<br />

Analgetika Mittel der ersten Wahl,<br />

z. B. Diclofenac 50 mg 1-1-1, bei eingeschränkter<br />

Nierenfunktion Paracetamol<br />

500 – 1000 mg 1-1-1-1. Als Reserve-Analgetikum<br />

kann z. B. Novalgin 500 mg 1-1-1-1<br />

eingesetzt werden. Bei therapierefraktären<br />

Schmerzen oder aber der Notwendigkeit<br />

zum Einsatz von Opiaten sollte eine<br />

Hospitalisierung erfolgen. Spasmolytische<br />

Medikamente wie z. B. Buscopan können<br />

zwar unmittelbar eine gewisse Linderung<br />

bringen, durch Hemmung der Ureter-Peristaltik<br />

wirken sie aber einer spontanen<br />

Steinejektion entgegen und werden darum<br />

auch nicht empfohlen. Bei Steinpersistenz<br />

muss im Verlauf eine operative Lösung gesucht<br />

werden.<br />

Endoskopische Therapie mittels<br />

Uretero-Renoskopie (URS)<br />

Bei therapierefraktären Schmerzen und /<br />

oder Konkrementen > 5 mm ist die Indikation<br />

zur Behandlung gegeben. Häufig wird<br />

zur Gewährleistung des Urinabflusses primär<br />

eine Harnleiterschiene (auch Pigtail-Katheter)<br />

eingelegt. Ein für die sogenannte<br />

sekundäre endoskopische Steinentfernung<br />

wichtiger Nebeneffekt ist<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 41


Perspektiven<br />

Abbildung 2. Starre und flexible Uretero-Renoskopie<br />

(URS).<br />

Abbildung 3. Endoskopisches Bild der<br />

Ureterolithiasis. Endoskopischer Blick auf ein<br />

Kon krement im Harnleiter. Unter dem Stein<br />

liegt ein Führungsdraht, welcher den Ureter<br />

schient.<br />

Abbildung 4. Perkutane Nephro-Litholapaxie<br />

(PNL).<br />

dabei die Erschlaffung des Ureters nach<br />

einigen Tagen durch Aus setzen der Ureter-Peristaltik.<br />

Bei kleineren, v. a. distal<br />

gelegenen Konkrementen kann auch eine<br />

primäre Konkrement-Entfernung versucht<br />

werden. Bei den Uretero-Renoskopen<br />

werden semirigide und flexible Instrumente<br />

unterschieden, mit Letzteren<br />

können nebst Konkrementen im Harnleiter<br />

auch Konkremente im NBKS angegangen<br />

werden (Abb. 2 und 3). Grössere Konkremente<br />

müssen zur Entfernung zerkleinert<br />

werden (Lithotripsie). Im Ureter kommen<br />

typischerweise mechanische Geräte<br />

zum Einsatz (z. B. ballistische Steinzertrümmerer<br />

wie der Lithoclast), im NBKS<br />

typischerweise Lasersonden. Das Erreichen<br />

einer Steinfreiheit ist mit diesen Verfahren<br />

hoch und liegt bei 88 % [10]. Bei<br />

grosser Konkrementlast ist häufig mehr<br />

als eine Sitzung notwendig.<br />

Perkutane Litholapaxie (PNL)<br />

Bei grosser Steinlast im NBKS (bis hin zu<br />

den sogenannten Ausguss-Steinen) ist die<br />

PNL der zielführendste endoskop ische<br />

Ansatz zum Erreichen der Steinfreiheit.<br />

Dabei wird ein perkutaner Zugang ins<br />

NBKS geschaffen (Abb. 4), über welchen<br />

einerseits deutlich grösseren Konkrementen<br />

evakuiert werden können verglichen<br />

mit den ureterore noskopischen Verfahren,<br />

andererseits auch potentere Zertrümmerungsinstrumente<br />

(Ultraschallbohrer<br />

oder kaliber stärkere Laserfasern)<br />

eingesetzt werden können. Verglichen mit<br />

der URS ist dieses Verfahren in Bezug auf<br />

Gerätschaft und Expertise des Operateurs<br />

deutlich komplexer und sollte somit nur<br />

an Zentren mit entsprechender Erfahrung<br />

durchgeführt werden. Auch ist dieses Verfahren<br />

deutlich invasiver und mit höherer<br />

Morbidität vergesellschaftet [11], dafür<br />

aber aus genannten Gründen effizienter<br />

und eben bei grosser Steinlast unter dem<br />

Strich zielführender. Es wird mit diesem<br />

Verfahren eine Steinfreiheitrate von 95 %<br />

erreicht [10].<br />

Abbildung 5. Extrakorporale Schock-Wellen-<br />

Lithotripsie (ESWL).<br />

Extrakorporale Stosswellen-Therapie<br />

(ESWL)<br />

Bei diesem Verfahren werden die Steine<br />

von aussen mit gebündelten Schock-Wellen<br />

zerkleinert, die Konkrement- Trümmer<br />

müssen im Anschluss über die Harnwege<br />

und somit auf natürlichem Wege ausgeschieden<br />

werden (Abb. 5). Das bedeutet,<br />

dass im unmittelbaren Anschluss an die<br />

Behandlung nicht eine sofortige Steinfreiheit<br />

erreicht wird. Diese in den 80er-Jahren<br />

aufgekommene und damals revolutionäre<br />

Technik hat in den letzten beiden<br />

Jahrzehnten durch die schnell voranschreitende<br />

Entwicklung endoskopischer<br />

Geräte zunehmend an Bedeutung verloren.<br />

Diese Technik hat sich vor allem für<br />

die Behandlung von kleinen Nierenoberpol-Steinen<br />

oder unmittelbar prävesikal<br />

gelegenen Ureter-Konkrementen gut bewährt.<br />

Für die Behandlung von Konkrementen<br />

im übrigen Ureterverlauf ist sie<br />

aber weniger geeignet. Die Steinfreiheitrate<br />

ist verglichen mit der URS schlechter<br />

und liegt bei 60 % [10].<br />

Offene Steinentfernung<br />

(Uretero- / Pyelotomie)<br />

Diese Technik muss mit Nennung einiger<br />

Ausnahmesituationen als praktisch obsolet<br />

bezeichnet werden, da durch die dramatische<br />

Verbesserung der endoskopischen<br />

Geräte praktisch nie mehr ein offener<br />

Zugang zum ableitenden Harntrakt<br />

etabliert werden muss. Wenn in ausgesuchten<br />

Einzelfällen die Eröffnung des<br />

Pyelons oder des Ureters zur direkten<br />

Stein extration dennoch notwendig wird,<br />

dann geschieht dies heute hierzulande in<br />

aller Regel laparo skopisch oder roboterassistiert<br />

laparoskopisch.<br />

Chemolitholyse<br />

Das Harnsäurekonkrement ist das Einzige,<br />

welches einer medikamentösen Auflösung<br />

(sogenannten Chemolitho lyse) zugänglich<br />

ist. Durch Anheben des Urin-pH-<br />

Wertes (sogenannte Urin-Alkalinisierung)<br />

wird das Löslichkeitsprodukt von Harnsäure<br />

deutlich angehoben, was dann über<br />

die Zeit zur Auflösung von Konkrementen<br />

führt. Bei grösserer Steinlast wird dieser<br />

42<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Ansatz häufig mit einer vorausgehenden<br />

ESWL oder endoskopischen Lithotripsie<br />

kombiniert, um die angreifbare Oberfläche<br />

zu ver grössern. Bei akuter Ureterkolik<br />

durch ein Harnsäurekonkrement hat die<br />

Chemolitholyse aber keinen unmittelbaren<br />

therapeutischen Stellenwert und<br />

kommt hier v. a. zur Mitbehandlung allenfalls<br />

gleichzeitig vorhandenere Nierenkonkremente<br />

oder aber zur Metaphylaxe<br />

zum Einsatz.<br />

Prophylaxe<br />

Aufgrund der hohen Rezidivrate ist die<br />

Etablierung einer Prophylaxe sinnvoll,<br />

insbesondere bei Auftreten des<br />

Erstereignisses in jungem Alter, ausgeprägter<br />

Steinlast, rezi divierender Problematik<br />

oder ungewöhnlicher Konkrement-Zusammensetzung.<br />

Neben der<br />

Anamnese mit Erfassung der Flüssigkeitszufuhr<br />

und Ernährungsgewohnheiten gehören<br />

laborchemische Untersuchungen<br />

des Blutes und des Urins dazu sowie auch<br />

wenn immer möglich eine Konkrement-Analyse.<br />

Die Ursachenabklärung<br />

der Steinbildung sowie die Identifikation<br />

vor Risikofaktoren, welche modulierbar<br />

sein können (wie beispielsweise durch Anpassung<br />

der Ernährung, medikamentös<br />

wie beispielsweise bei Harnsäure-Konkrementen<br />

oder chirurgisch wie beispielsweise<br />

beim Hyperparathyroidismus) oder<br />

auch nicht modulierbar (wie beispielsweise<br />

bei Zystinurie oder Säurestarre der Nieren)<br />

gehört in die Domäne der Nephrologie.<br />

Die enge Zusammenarbeit von Urologie<br />

und Nephrologie ist bei diesen Patienten<br />

wichtig.<br />

Fallbeispiele<br />

Im Folgenden werden drei Fälle geschildert,<br />

wie sie sich sehr ähnlich an der Klinik<br />

für Urologie des Stadtspitals Triemli ereignet<br />

haben.<br />

Fall 1: der häufige Fall<br />

• Epikrise: 37-jährige Patientin, akute<br />

Flankenschmerzen rechts seit einigen<br />

Stunden. Selbstzuweisung auf die Notfallstation.<br />

• Vitalzeichen: Temperatur 36.8 °C, leichte<br />

BD-Erhöhung von 150 / 70 mmHg, ansonsten<br />

normal.<br />

• Labor: Keine Infektzeichen im Blut (Lc<br />

5.5 × 10 9 / l, CRP < 0.6 mg / L), Nierenretentionsparameter<br />

leicht erhöht (Kreatinin<br />

113 umol / L, MDRD 47 ml / min / 1.73 m 2 ).<br />

Im Urin Mikrohämaturie (12Ec / GF).<br />

• Bildgebung: CT graphisch 5 mm Konkrement<br />

intra- osital rechts mit konsekutiver<br />

Abflussbehinderung des oberen<br />

Harntraktes rechts. 1 mm Konkrement in<br />

der unteren Kelchgruppe Niere links<br />

(Abb. 6).<br />

• Beurteilung: Urolithiasis bds mit obstruktiver<br />

Ureterolithiasis rechts (5 mm Konkrement<br />

intraostial) OHNE Hinweise für<br />

Begleitinfektion im Harntrakt sowie<br />

Nephrolithiasis links (1 mm Konkrement<br />

untere Kelchgruppe).<br />

• Procedere: Bei therapierefraktären<br />

Schmerzen Hospitalisation und konservatives<br />

Vorgehen. In der Nacht auf den<br />

Folgetag spontaner Steinabgang mit im<br />

Anschluss beschwerdefreier Patientin.<br />

Konkrement-Analyse: 100 % Apatit (Kalzium-Phosphat).<br />

Konservatives Vorgehen<br />

bezüglich minimaler Nephrolithiasis<br />

links. Anbindung in nephrologische<br />

Sprechstunde aufgrund jungen Alters<br />

und initial beidseitigen Befunden sowie<br />

positiver Familien-Anamnese (Schwester<br />

betroffen).<br />

Abbildung 6. Distale Ureterolithiasis rechts mit<br />

prävesikalem Kon krement.<br />

Fall 2: der komplexe Fall<br />

• Epikrise: 72-jähriger Patient, notfallmässige<br />

Zuweisung bei AZ-Verschlechterung,<br />

Fieber, Flankenschmerzen links<br />

sowie deutlicher Aggravierung der vorbekannten<br />

Niereninsuffizienz.<br />

• Vitalzeichen: Temperatur 38.2 °C, Hypotonie<br />

mit BD 85 / 60 mmHg, Tachykardie<br />

mit HF 100 / min, Tachypnoe mit<br />

20 / min, Sättigung 90 % bei Raumluft.<br />

• Labor: Leukozytose mit 19 × 10 9 / l, CRP<br />

150 mg / L, Kreatinin 388 umol / L, MDRD<br />

13 ml / min / 1.73 m 2 . Urin Nitrit negativ,<br />

Ec > 30 / GF, Lc > 30GF.<br />

• Bildgebung: CT graphisch Urolithiasis<br />

bds mit Ureterolithiasis links mit 9 mm<br />

intraostialem Konkrement und grosses<br />

Ausgusskonkrement Niere rechts<br />

(Abb. 7).<br />

• Beurteilung: Urolithiasis bds mit obstruktiver<br />

Ureterolithiasis links (9 mm Konkrement<br />

distaler Ureter) MIT Begleitinfektion<br />

im Harntrakt und beginnender<br />

Sepsis sowie Nephrolithiasis rechts<br />

(grosses Ausgusskonkrement).<br />

• Procedere: Notfallmässige Pigtail-Einlage<br />

links zur sofortigen Entlastung des<br />

oberen Harntraktes links und Etablierung<br />

einer antibiotisch-empirischen<br />

Therapie Rocephin iv, Volumen-Gabe iv<br />

und Hospitalisierung. Eine Verlegung<br />

auf die Intensivstation ist nicht notwendig<br />

bei kreislaufstabilem Patienten. Im<br />

Verlauf resistenzgerechte Oralisierung<br />

der antibiotischen Therapie. Am Ende<br />

der 14-tägigen Behandlung ureterorenoskopische<br />

Entfernung des Ureterkonkrementes<br />

links und vorbereitende<br />

Pigtail-Einlage rechts. Wiederum 3 Wochen<br />

später perkuntane Nephrolitholapaxie<br />

(PNL) rechts, aufgrund der ausgeprägten<br />

Steinlast sind zwei Sitzungen<br />

notwendig zum Erreichen einer Steinfreiheit.<br />

Konkrement-Analyse: Weddellit<br />

(Kalzium- Oxalat-Dihyrat) + Whewellit<br />

(Kalz ium-Oxalat-Monohydrat) + Apatit<br />

(Kalzium- Phosphat).<br />

Abbildung 7. Ausgusskonkrement im Nierenbeckenkelchsystem<br />

rechts und distale Ureterolithiasis<br />

mit prävesikalem Konkrement links.<br />

Fall 3: der tragische Fall<br />

• Epikrise: 69-jährige Patientin, Verlegung<br />

aus einem nahegelegenen Regionalspital<br />

bei Fieber und Flankenschmerzen links,<br />

CT-graphisch gestauter Niere links mit<br />

Nachweis von Konkrementen in der Niere<br />

und Ureter links. Die Patientin hatte<br />

sich extern um ca. 11:00 Uhr selbstständig<br />

vorgestellt und trat 15:25 mit der Sanität<br />

bei uns ein. Während der Verlegung<br />

Verschlechterung des Allgemeinzustandes<br />

der Patientin.<br />

• Vitalzeichen: Temperatur 38.7 °C, Hypotonie<br />

mit Blutdruck 80 / 50 mmHg, Tachykardie<br />

mit 120 / min, Tachypnoe mit<br />

22 / min und Sättigung 90 % bei Raumluft.<br />

• Labor (extern): Leukozytose mit 22 × 10 9 / l,<br />

CRP 290, Kreatinin 200 umol / L, MDRD<br />

32 ml / min / 1.73 m 2 . Urin Nitrit positiv, Ec<br />

> 30 / GF, Lc > 30GF.<br />

• Bildgebung (extern): CT graphisch Urolithiasis<br />

links mit obstruktiver Ureterolithiasis<br />

links (18 mm Konkrement im<br />

mittleren Ureterdrittel) und Nephrolithiasis<br />

links (mehrere Konkremente bis<br />

8 mm Grösse) (Abb. 8).<br />

• Beurteilung: Urosepsis bei obstruktiver<br />

Ureterolithiasis links (15 mm Konkre-<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 43


Perspektiven<br />

ment mittleres Ureterdrittel) und<br />

Nephrolithiasis links (mehrere Konkremente<br />

bis 8 mm). Kreislauf zunehmend<br />

instabil, Patientin vital gefährdet.<br />

• Procedere: Entscheid zur notfallmässigen<br />

Ableitung der Niere mittels<br />

Nephrostomie um 15:45 Uhr. Etablierung<br />

eines zweiten venösen Zugangs zur Volumengabe,<br />

Beizug der Intensivmedizin<br />

zur Monitorisierung und Stabilisierung,<br />

Beginn iv-Antibiotika-Therapie mit<br />

Rocephin. Verlegung zur Intervention<br />

16:00 Uhr. Während der Vorbereitung zur<br />

Nephrostomie-Einlage in Lokalbetäubung<br />

kommt es zum septischen Schock<br />

und Kreislaufstillstand. Reanimation<br />

während 25 min und exitus letalis um<br />

16:36 Uhr.<br />

Literatur<br />

1. Viljoen A, Chaudhry R, Bycroft J. Renal stones. Ann Clin Biochem. 2019;56:15 – 27.<br />

2. Ziemba JB, Matlaga BR. Epidemiology and economics of nephrolithiasis. Investig Clin<br />

Urol. 2017;58:299 – 306.<br />

3. Kistler T. Metaphylaxe von Nierensteinen. ARS MEDICI. 2012;2:64 – 72.<br />

4. Singh P, Enders FT, Vaughan LE, Bergstralh EJ, Knoedler JJ, Krambeck AE, et al. Stone<br />

Composition Among First-Time Symptomatic Kidney Stone Formers in the Community. Mayo Clin<br />

Proc. 2015;90:1356 – 65.<br />

5. Coe FL, Evan A, Worcester E. Kidney stone disease. J Clin Invest. 2005;115:2598 – 608.<br />

6. Westphalen AC, Hsia RY, Maselli JH, Wang R, Gonzales R. Radiological imaging of<br />

patients with suspected urinary tract stones: national trends, diagnoses, and predictors. Acad<br />

Emerg Med. 2011;18:699 – 707.<br />

7. Teichman JM. Clinical practice. Acute renal colic from ureteral calculus. N Engl J Med.<br />

2004;350:684 – 93.<br />

8. Türk C, Petřík A, Sarica K, Seitz C, Skolarikos A, Straub M, et al. EAU Guidelines on<br />

Diagnosis and Conservative Management of Urolithiasis. Eur Urol. 2016;69:468-74.<br />

9. Nicolau C, Salvador R, Artigas JM. Diagnostic management of renal colic. Radiologia.<br />

2015;57:113 – 22.<br />

10. Wiesenthal JD, Ghiculete D, D›A Honey RJ, Pace KT. A comparison of treatment modalities<br />

for renal calculi between 100 and 300 mm2: are shockwave lithotripsy, ureteroscopy, and<br />

percutaneous nephrolithotomy equivalent? J Endourol. 2011;25:481 – 5.<br />

11. Xue W, Pacik D, Boellaard W, Breda A, Botoca M, Rassweiler J, et al. Management of single<br />

large nonstaghorn renal stones in the CROES PCNL global study. J Urol. 2012;187:1293 – 7.<br />

Zusammenfassung<br />

Abbildung 8. Proximale Ureterolithiasis links.<br />

Zusammenfassung der Fälle<br />

In allen drei Fällen lag als zugrundeliegende<br />

Problematik eine obstruktive Ureterolithiasis<br />

vor. Die Beispiele verdeutlichen<br />

aber, wie unterschiedlich die Komplexität<br />

der Fälle und das Spektrum der Morbidität<br />

und Mortalität sein kann. Während die<br />

Steinbilanzierung entscheidend für die<br />

Wahl der Behandlungsmethode und die<br />

Planung des Ablaufes ist, so ist das gleichzeitige<br />

Vorliegen einer Infektion im Harntrakt<br />

die absolut entscheidende Komponente<br />

in Bezug auf die Dringlichkeit von<br />

allfälligen Interventionen.<br />

Dr. med. Martin H. Umbehr<br />

Klinik für Urologie<br />

Stadtspital Triemli<br />

Birmensdorferstrasse 497<br />

8063 Zürich<br />

martin.umbehr@triemli.zuerich.ch<br />

Die Urolithiasis ist eine sehr häufige Erkrankung mit einem Lebenszeitrisiko von<br />

10 – 15 % in den industrialisierten Ländern. Während die Steinbildung in aller Regel<br />

asymptomatisch innerhalb des Nierenbeckenkelchsystems erfolgt und somit das Bild<br />

der Nephrolithiasis generiert, kommt es zur klinischen Manifestation beim Übertritt<br />

dieser Konkremente in den Ureter und somit Ureterolithiasis. Die typische Klinik zeichnet<br />

sich primär durch starke, kolikartige Flankenschmerzen aus. Die Ureterolithasis ist<br />

somit eine der wichtigsten Differenzialdiagnosen bei Flankenschmerzen und bedarf<br />

einer sofortigen und akkuraten Diagnostik. Die Diagnose des Steinleidens erfolgt mittels<br />

Bildgebung, die CT-Schichtbildgebung ist dabei dem Ultraschall in Bezug auf die Steinbilanzierung,<br />

welche für die Therapieplanung wichtig ist, deutlich überlegen. Neben der<br />

Steinbilanzierung ist die Erfassung von Anamnese, Vital- und Labor-Parametern essenziell<br />

zum Ausschluss oder Erkennen einer begleitenden Infektion im Harntrakt. Während<br />

die Nephrolithiasis kaum akute Probleme bereitet, kann die Ureterolithiasis nebst<br />

der häufig sehr eindrücklichen Schmerz-Klinik in kürzester Zeit zu einem sehr gefährlichen<br />

bis lebensbedrohlichen Problem werden, nämlich dann, wenn die durch das Konkrement<br />

bedingte Obstruktion gleichzeitig mit einem Infekt im Harntrakt auftritt. In diesem<br />

Fall ist die notfallmässige Entlastung des Harntraktes die wichtigste Massnahme.<br />

Urinary stone disease – size isn’t all that matters<br />

Abstract: Urinary stone disease is a very frequent disease with a life-time-risk of about<br />

10 – 15 % in industrialized countries. Meanwhile mostly asymptomatic stone formation<br />

takes place within the renal pelvic system (renal stone disease), the typical clinical manifestation<br />

results when these stones enter and consequently obstruct the ureter (ureteral<br />

stone disease). Hence, in case of acute flank pain, ureteral stone disease is one of the<br />

most important differential diagnosis and requires always an immediate as well as<br />

accurate diagnostic work up. In here, CT-scans have shown to be most accurate and<br />

outperform ultrasound, especially concerning the overall assessment of the stone situation<br />

in the patient. Beside the diagnosis of the stone disease, the medical history, vital<br />

signs as well as blood and urinary tests are of importance in the primary work up of the<br />

patient since the identification of a potential concurrent infection within the urinary<br />

tract is of highest importance. Both, renal stone disease (mostly asymptomatic) as well as<br />

ureteral stone disease (often associated with acute and destructive flank pain) are usually<br />

not associated with an immediate threat. Ureteral stone disease with a concurrent urinary<br />

tract infection in contrary is one of the most dangerous situations in urology and, if<br />

missed, associated with urosepsis and high morbidity even lethality. The immediate<br />

drainage of the obstructed and infected urinary tract is the most important emergency<br />

action in these patients.<br />

44<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Künstler der Medizin<br />

Eva Breuer<br />

Ihre Farben sind Rot und vitales<br />

Orange. Sie brennt vor Energie und<br />

Leben. Sie ist Assistenzärztin im<br />

Team der Visceralchirurgie. Ich<br />

lernte Eva Breuer kennen, da sie die<br />

Einflüsse des Malens auf das Befinden<br />

von Patienten erforscht, die vor einem<br />

chirurgischen Eingriff stehen. Kunst<br />

eröffnet einen Zugang, eine Situation auf<br />

verschiedensten Ebenen zu erleben.<br />

Kunst hat die Macht, Gefühle hervorzurufen<br />

– alle sind erlaubt. Es geht um das<br />

Fühlen, um das Erleben, und das finde<br />

ich spannend.<br />

Daher bin ich sehr gespannt, zu<br />

welchen Ergebnissen Eva Breuer kommt.<br />

Kunst im Zusammenhang mit Chirurgie<br />

– hier treffen sich zwei starke Disziplinen.<br />

Eine Verbindung der beiden hat ein<br />

Potential von enormem Ausmass. Sie<br />

kann Krankenhäuser verändern, die<br />

Farben, die Gänge, die Patientenzimmer,<br />

die Aufbereitung der Informationsbroschüren,<br />

das gesamte Umfeld, mit dem<br />

ein Patient konfrontiert wird.<br />

Täglich habe ich dazu viele Ideen.<br />

Wenn wissenschaftlich aufgezeigt wird,<br />

dass Kunst positive Auswirkungen auf die<br />

Genesung der Patienten hat, sich somit<br />

auszahlt, freue ich mich auf eine Zukunft,<br />

die ganzheitlich ist und den Menschen in<br />

allen seinen «Farben» sieht. «I see your<br />

colours.» Wie die Liebe es schafft, die<br />

Vielschichtigkeit eines Menschen zu<br />

sehen, seine Komplexität im Ganzen zu<br />

erkennen. Hierfür ist die Medizin einer<br />

der wundervollsten Bereiche, da sie so<br />

nah am Menschen ist.<br />

Eva Breuer ist eine Revolutionärin.<br />

Schon für ihre Maturarbeit sei ihr ein<br />

Thema mit Farben zugewiesen worden,<br />

sagt sie. Es sei etwas, das immer wieder<br />

zu ihr komme. Sie hat sich diese offene<br />

Sicht in der Medizin bewahrt. So erklärt<br />

es sich, dass auch in ihrem Tun als Ärztin<br />

ein Thema mit Kunst zu ihr gefunden hat.<br />

Sie kommt aus Einsiedeln, besuchte<br />

dort das Gymnasium und spielte im<br />

Laientheater. Zweimal bekleidete sie<br />

bisher eine Rolle im Welttheater. Eine<br />

Rolle als Teil einer Kultur des Ortes, der<br />

Schweiz, der Welt. Sie hat ihren Platz<br />

bereits eingenommen als heimatverbundene<br />

Frau, die mit beiden Beinen auf dem<br />

Boden steht, als begeisterte Forscherin,<br />

als Ärztin im Universitätsspital Zürich.<br />

Sie liebt es, mit Menschen zu arbeiten<br />

und zu forschen, beides findet sie «gleich<br />

wichtig» und sie «glaubt daran».<br />

Und so jemanden treffe ich in der<br />

Cafeteria. Wir trinken Kaffee und reden.<br />

Sie nennt ein Wort, «Synästhesie». Ich<br />

wusste nicht, dass es ein Wort dafür gibt,<br />

dass ich die Menschen in Farben sehe,<br />

auch sie sieht die Farben. Ich bin davon<br />

überzeugt, dass dies ganz natürlich ist<br />

und in jedem Menschen steckt. Denn wen<br />

auch immer ich nach seiner Farbe für ein<br />

Porträt frage, ob den Klinikdirektor oder<br />

ein dreijähriges Kind, alle können mir aus<br />

dem Stegreif ihre Farbe nennen.<br />

Es gibt noch viele Fragen, und es ist<br />

herrlich, dass die Zeit nun da ist, in<br />

welcher der Einfluss von Kunst auf<br />

Heilung und Genesung genauer erforscht<br />

wird. Hierzu ist es gut, dass Eva Breuer<br />

rot und orange ist. Dass sie brennt für<br />

ihre Sache. Hochspannend. Ich freue<br />

mich auf die Zukunft.<br />

Bettina Reichl, Malerin und Hospitalisationsmanagerin<br />

an der Klinik für Plastische<br />

Chirurgie am UniversitätsSpital Zürich<br />

(Ungekürzte Textversion auf<br />

www.bettinareichl.com)<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 45


UPD – (D)ein Ort der<br />

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Briefkasten<br />

Herbstliche Zankäpfel<br />

Bilder: Adobe, zvg<br />

Muss ich das Rattern und<br />

Knattern von Laubbläsern<br />

in der Nachbarschaft<br />

ertragen? Wem<br />

gehört Fallobst? Haften Autofahrer,<br />

wenn sie mir eine «Pfützenwasserdusche»<br />

verpassen? Darf mein Vermieter<br />

bestimmen, wann er die Heizung<br />

anstellt?<br />

Im Herbst sammelt sich auf dem<br />

Zugang zum Mehrfamilienhaus jede<br />

Menge glitschiges Laub und kann zur<br />

Stolperfalle werden. Sollte ein Unfall<br />

passieren, haftet der Eigentümer der<br />

Liegenschaft. Er ist für den Unterhalt des<br />

Wegs zuständig und muss dafür sorgen,<br />

dass das Laub regelmässig zusammengekehrt<br />

wird, damit niemand ausrutscht.<br />

Um das Laub zu entfernen, sind<br />

Laubbläser ein beliebtes Arbeitsinstrument.<br />

Sie können jedoch sehr laut sein<br />

und somit sind beim Einsatz des Geräts<br />

unbedingt die Ruhezeiten zu beachten.<br />

Diese sind kantonal geregelt und können<br />

dem Polizeireglement der Wohngemeinde<br />

oder des Kantons entnommen<br />

werden.<br />

Ihr Ahornbaum «verteilt» im Herbst<br />

auch im Nachbargarten Blätter. Die<br />

verärgerte Nachbarin pustet diese zurück<br />

in Ihren Garten, und Sie fragen sich, ob<br />

dies zulässig ist. In<br />

diesem Fall gilt es zu<br />

prüfen, ob die<br />

Blätter eine übermässige<br />

Immission<br />

darstellen. Die<br />

Beurteilung der<br />

Übermässigkeit ist je<br />

nach Ort und Lage<br />

der Liegenschaft<br />

anders und liegt im<br />

richterlichen<br />

Ermessen. Laut<br />

bundesgerichtlicher<br />

Rechtsprechung gilt<br />

ein normaler<br />

Laubabfall in einem Wohnquartier mit<br />

vielen Einfamilienhäusern und vielen<br />

Bäumen nicht als übermässig. Sprich:<br />

Ihre Nachbarin muss den Laubabfall<br />

dulden und darf die Blätter nicht auf Ihr<br />

Grundstück zurückblasen. Wir raten<br />

Ihnen in einem solchen Fall, das Gespräch<br />

mit der Nachbarin zu suchen.<br />

Ragen vom Nachbargrundstück<br />

einige Äste eines Apfelbaums auf Ihr<br />

Grundstück, dürfen Sie das Fallobst<br />

behalten. Sie dürfen sogar die Äpfel, die<br />

vom Baum des Nachbargartens in Ihr<br />

Grundstück ragen, pflücken und behalten.<br />

Das ist das sogenannte Anriesrecht.<br />

Mit dem Herbst zieht auch die Kälte<br />

in die Wohnung ein. Die Vermieterin<br />

weigert sich, vor November die Heizung<br />

anzustellen. Dies ist nicht zulässig.<br />

Tagsüber muss in der Wohnung eine<br />

durchschnittliche Raumtemperatur von<br />

20 Grad Celsius erreicht werden können,<br />

ansonsten liegt ein Mangel vor. Ist es in<br />

der Wohnung kälter, können Mieter dies<br />

der Vermieterin mitteilen und sie auffordern,<br />

die Heizung anzustellen – bzw. zu<br />

reparieren, falls sie defekt ist.<br />

Eine Autofahrerin ruiniert den<br />

teuren Trenchcoat eines Fussgängers,<br />

weil sie durch eine Pfütze gerast ist und<br />

ihn mit Dreckwasser bespritzt hat. Muss<br />

sie für die Reinigungskosten oder<br />

eventuell sogar einen neuen Mantel<br />

aufkommen? Grundsätzlich haften<br />

Fahrzeughalter für Schäden, die durch<br />

ihr Fahrzeug verursacht wurden. Fraglich<br />

ist hier, ob der Sachschaden am Mantel<br />

durch den «Pfützenspritzer» zu den<br />

üblichen Gefahren gehört. Denn die<br />

Autofahrerin könnte entgegnen, dass die<br />

Pfütze durch höhere Gewalt, sprich durch<br />

das Wetter, entstanden ist. Es gibt zudem<br />

keine ausdrückliche Pflicht für Lenker,<br />

ihr Tempo bei Regen oder Pfützen<br />

anzupassen.<br />

Es gibt in der Schweiz keine Winterreifenpflicht.<br />

Man ist als Autofahrer<br />

jedoch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass<br />

das Fahrzeug betriebssicher ist. Wer im<br />

Winter mit Sommerreifen fährt und<br />

mangels Traktion einen Unfall verursacht,<br />

muss mit einer heftigen Busse<br />

sowie einem Führerscheinentzug rechnen.<br />

Zudem können die Versicherungen<br />

Leistungen kürzen, wenn Sie bei winterlichen<br />

Verhältnissen einen Unfall mit<br />

Sommerreifen verursachen.<br />

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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 47


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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/21 49


Impressum<br />

Kontaktadressen der Sektionen<br />

<strong>Nr</strong>. 5 • 40. Jahrgang • <strong>Oktober</strong> <strong>2021</strong><br />

Herausgeber/Verlag<br />

AG<br />

VSAO Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />

Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />

Telefon 031 350 44 88<br />

journal@<strong>vsao</strong>.ch, journal@asmac.ch<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch, www.asmac.ch<br />

Im Auftrag des <strong>vsao</strong><br />

Redaktion<br />

Catherine Aeschbacher (Chefredaktorin),<br />

Giacomo Branger, Kerstin Jost, Fabian Kraxner,<br />

Léo Pavlopoulos, Lukas Staub, Anna Wang,<br />

Sophie Yammine<br />

Geschäfts ausschuss <strong>vsao</strong><br />

Angelo Barrile (Präsident), Nora Bienz<br />

(Co-Vize präsidentin), Patrizia Kündig<br />

(Co-Vize präsidentin), Christoph Bosshard<br />

(Gast), Marius Grädel, Dina-Maria Jakob<br />

(Gast), Helen Manser, Richard Mansky,<br />

Gert Printzen, Svenja Ravioli, Patrizia Rölli,<br />

Martin Sailer, Miodrag Savic (Gast),<br />

Jana Siroka, Michael Burkhardt (swimsa)<br />

Druck, Herstellung und Versand<br />

Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, CH-3001 Bern<br />

Telefon +41 31 300 66 66<br />

info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />

BL/BS<br />

VSAO Sektion beider Basel, Geschäftsleiterin und Sekretariat:<br />

lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin, Hauptstrasse 104,<br />

4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95, Fax 061 421 25 60,<br />

sekretariat@<strong>vsao</strong>-basel.ch, www.<strong>vsao</strong>-basel.ch<br />

BE VSAO Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />

info@<strong>vsao</strong>-bern.ch, www.<strong>vsao</strong>-bern.ch<br />

FR<br />

ASMAC Sektion Freiburg, Gabriela Kaufmann-Hostettler,<br />

Wattenwylweg 21, 3006 Bern, Tel. 031 332 41 10, Fax 031 332 41 12,<br />

info@gkaufmann.ch<br />

GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />

Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />

GR<br />

JU<br />

NE<br />

VSAO Sektion Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig, lic. iur. HSG,<br />

RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 081 256 55 55, info@<strong>vsao</strong>-gr.ch,<br />

www.<strong>vsao</strong>-gr.ch<br />

ASMAC Jura, 6, chemin des Fontaines, 2800 Delémont,<br />

marie.maulini@h-ju.ch<br />

ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist,<br />

Rue du Musée 6, Postfach 2247, 2001 Neuenburg,<br />

Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />

SG/AI/AR VSAO Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />

9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />

Surber@anwaelte44.ch<br />

Layout<br />

Tom Wegner<br />

Titelillustration<br />

Till Lauer<br />

Inserate<br />

Zürichsee Werbe AG, Fachmedien,<br />

Markus Haas, Laubisrütistrasse 44, 8712 Stäfa<br />

Telefon 044 928 56 53<br />

E-Mail <strong>vsao</strong>@fachmedien.ch<br />

SO<br />

TI<br />

TG<br />

VSAO Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />

segretariato@asmact.ch<br />

VSAO Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

Auflagen<br />

Druckauflage: 22 500 Expl.<br />

WEMF/SW-Beglaubigung <strong>2021</strong>: 21 778 Expl.<br />

Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />

Für <strong>vsao</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag<br />

inbegriffen.<br />

ISSN 1422-2086<br />

Ausgabe <strong>Nr</strong>. 6/<strong>2021</strong> erscheint im<br />

Dezember <strong>2021</strong>. Thema: Wunsch<br />

© <strong>2021</strong> by <strong>vsao</strong>, 3001 Bern<br />

Printed in Switzerland<br />

VD<br />

VS<br />

ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />

asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />

ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />

Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />

Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />

VSAO Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ZH/SH<br />

VSAO ZH/SH, RA lic. iur. Susanne Hasse,<br />

Geschäftsführerin, Nordstrasse 15, 8006 Zürich, Tel. 044 941 46 78,<br />

susanne.hasse@<strong>vsao</strong>-zh.ch, www.<strong>vsao</strong>-zh.ch<br />

Publikation<strong>2021</strong><br />

FOKUSSIERT<br />

KOMPETENT<br />

TRANSPARENT<br />

Gütesiegel Q-Publikation<br />

des Verbandes Schweizer Medien<br />

50<br />

5/21 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


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28 h / 28 Credits SGAIM<br />

GYNÄKOLOGIE<br />

INNERE<br />

MEDIZIN<br />

30.11. – 04.12.<strong>2021</strong>, Zürich<br />

40 h<br />

KARDIOLOGIE<br />

05. – 06.11.<strong>2021</strong>, Zürich<br />

14 h<br />

PÄDIATRIE<br />

25. – 27.10.<strong>2021</strong>, Zürich<br />

24 Credits SGP / 21 Credits SGAIM<br />

PSYCHOLOGIE<br />

01. – 04.12.<strong>2021</strong>, Zürich<br />

28 h<br />

Teilnahme<br />

vor Ort oder ...<br />

... in Echtzeit via<br />

LIVESTREAM<br />

02. – 04.12.<strong>2021</strong>, Zürich<br />

24 Credits SGGG / 5 Credits SGUM<br />

Veranstaltungsorte<br />

Technopark Zürich | Kameha Grand Zürich | Crowne Plaza Zürich<br />

Information / Anmeldung<br />

Tel.: 041 567 29 80 | info@fomf.ch | www.fomf.ch


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